Rechtsprechungsticker von Tacheles 07/2010 – Teil I

1.   Landessozialgericht Baden-Württemberg L 3 AS 3759/09 20.01.2010; Urteil

Auch wenn die Kosten für Unterkunft und Heizung – teilweise – durch Darlehen Dritter finanziert worden sind stellen während des Leistungsbezugs erfolgte Nebenkostenerstattungen- auch wenn diese für eine Zeit außerhalb des Leistungsbezugs erfolgen – anrechenbares Einkommen nach § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II dar.

Die Vorschrift des § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II ist hier anwendbar, obwohl der Kläger die Rückzahlungsbeträge nicht selbst erhalten, sondern auf seine Veranlassung hin diese Beträge vom Vermieter direkt an seine Mutter überwiesen wurden.

Die tatsächliche Zahlung eines bestimmten Geldbetrags unmittelbar an den Leistungsberechtigten ist weder nach dem Wortlaut des § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II noch nach seiner Entstehungsgeschichte oder dem Sinne und Zweck bzw. dem gesetzlichen Kontext erforderlich, um eine Minderung des Leistungsanspruchs im Folgemonat auszulösen (vgl. zum Folgenden: Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 22.09.2009 – L 6 AS 11/09 -).

Nach dem Wortlaut des § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II mindern nicht nur faktische Rück"zahlungen", sondern auch Guthaben die nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift entstehenden Aufwendungen des Leistungsberechtigten. Anders als die Rückzahlung ist das Guthaben lediglich ein positiver Saldo, das heißt eine Forderung, die gegenüber einem anderen geltend gemacht werden kann. Auch das Wort "Gutschrift" beinhaltet keine Zahlung, sondern allein die schriftliche Fixierung bzw. Eintragung eines Guthabens als eines bestehenden Anspruchs eines Anderen.

Auch die Gesetzesmotive belegen keine gesetzgeberische Intention dahingehend, dass nur faktische Zahlungen die Aufwendungen minderten. § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II ist mit dem "Gesetz zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitssuchende vom 20.07.2006" mit Wirkung vom 01.08.2006 in das SGB II eingefügt worden, um zuvor bestehende Anrechnungsprobleme zu beseitigen. Vor der Einfügung der Vorschrift wurden Rückzahlungen als Einkommen angerechnet. Dies führte zum einen dazu, dass ein Versicherungspauschbetrag bzw. Versicherungskosten von der Rückzahlung abgesetzt werden mussten, zum anderen dazu, dass von den Betriebskostenrückzahlungen im Regelfall oder zum großen Teil der Bund, hier die Bundesagentur für Arbeit, profitierte, obwohl die Kosten der Unterkunft zu über 70 % von den Kommunen aufgebracht worden waren. Beides sollte mit der Einführung des § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II vermieden werden (vgl. BT-Drs. 16/1696, Seite 26).

Die Tatsache, dass die Rückzahlung als Einkommen des Leistungsberechtigten angesehen wird (vgl. BT-Drs. 16/1696) und nach § 22 Abs. 1 S. 4 SGB II lediglich einer besonderen Anrechnungsform auf die Leistungen unterliegt, spricht ebenfalls dafür, dass auch die Rückerstattung, die zur Schuldentilgung verwendet wird und damit dem Leistungsberechtigten nicht tatsächlich zur Verfügung steht, seinen Leistungsanspruch mindert. Es handelt sich um Einkommen des Klägers.

Dies gilt im konkreten Fall insbesondere auch unter Beachtung der Tatsache, dass, auch wenn das Geld direkt auf das Konto der Mutter des Klägers floss, dies auf Veranlassung des Klägers erfolgte. Der Kläger hat seinen Vermieter angewiesen, so zu verfahren. Er hat damit über diese Beträge verfügt. Wenn ihm der Anspruch nicht zugestanden hätte, hätte er auch nicht darüber verfügen können. Eine solche Schuldentilgung entspricht nicht der Intention von SGB II-Leistungen. Mit SGB II-Leistungen soll nicht zur Tilgung von Schulden beigetragen werden. Auch im Rahmen der Grundsicherung gilt wie schon im früheren Sozialhilferecht der Grundsatz, dass der Hilfesuchende sein Einkommen auch dann zur Behebung einer gegenwärtigen Notlage für sich verwenden muss, wenn er sich dadurch außerstande setzt, anderweitig bestehende Verpflichtungen zu erfüllen. Mit der bedürftigkeitsabhängigen Sozialhilfe sollte nicht zur Tilgung von Schulden beigetragen werden. Die zum Sozialhilferecht insoweit ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hat das Bundessozialgericht (BSG) in seinem Urteil vom 19.09.2008 (- B 14/7 b AS 10/07 R -, mit weiteren Nachweisen in juris.de), dem sich der Senat anschließt, für SGB II-Leistungen übernommen. Freiwillige Zahlungen zur Tilgung von Schulden können nicht vom Einkommen abgesetzt werden. Wenn freiwillige Zahlungen zur Tilgung von Schulden nicht vom Einkommen abgesetzt werden können, gilt dies aber auch im Rahmen des § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II. Der Kläger soll auch hier nicht besser gestellt werden. Bestehende private Schulden hat er aus der Regelleistung zu finanzieren. Die "Nichtanrechnung" einer Nebenkostenabrechnung bzw. einer Gutschrift würde auch im Rahmen des § 22 Abs. 1 SGB II zu einer nach den Grundsätzen des SGB II – Leistungsrechts nicht gewollten Schuldentilgung mittels Sozialleistungen führen.

Hiervon ist auch nicht unter Berücksichtigung des Urteils des Landessozialgerichts Hamburg vom 16.07.2009 (- L 5 AS 81/08 -) abzuweichen. Es kann offen bleiben, ob § 22 Abs. 1 S. 4 SGB II entgegen der Auffassung des Landessozialgerichts Hamburg auch dann Anwendung findet, wenn nicht der Kläger, sondern wie im vom Landessozialgericht Hamburg entschiedenen Fall, der Vermieter über die Nebenkostenerstattung verfügt, nachdem im vorliegenden Fall durch die Anweisung des Klägers an den Vermieter das Geld auf das Konto der Mutter zu überweisen, eine eigene Verfügung des Klägers vorlag, so dass die Fälle nicht vergleichbar sind.

Die Klage hat entgegen der im angefochtenen Urteil vertretenen Auffassung des SG auch nicht deshalb Erfolg, weil die Nebenkostenrückzahlungen auch für die Zeit vor Oktober 2005 erfolgte, in der der Kläger noch nicht im Leistungsbezug stand, bzw. auch für die Zeit ab Mai 2006, in der er nur noch auf die angemessenen Kosten reduzierte Kosten der Unterkunft erhielt. Hiernach differenziert § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II nicht. Es heißt – wie ausgeführt – nach dem Wortlaut allein, dass Rückzahlungen und Guthaben, die den Kosten für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, die nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift entstehenden Aufwendungen mindern. Eine Einschränkung auf Nebenkostenabrechnungen nur für die Zeit des Leistungsbezugs oder für Zeiten, in denen die vollen Kosten der Unterkunft gewährt wurden, enthält der Wortlaut der Norm nicht. Dies steht auch, worauf der Beklagte zu Recht hingewiesen hat, im Einklang damit, dass der Beklagte im Gegenzug auch für Nachzahlungen oder Schulden aufzukommen hat, welche sich auf den Zeitraum vor Antragstellung beziehen. Abzustellen ist nach § 22 Abs. 1 S. 4 SGB II allein auf den Monat, der dem Monat folgt, in dem die Nachzahlung fällig bzw. erstattet wird, nicht jedoch auf die Zeit, für die diese Nebenkosten angefallen sind. Nachdem keine Differenzierung danach zu erfolgen hat, ob die Vorauszahlungen in der Vergangenheit, in denen noch kein Leistungsbezug bestand, angefallen sind oder während des laufenden Leistungsbezugs, kann es auch nicht darauf ankommen, ob vom Leistungsträger die vollen Kosten der Unterkunft übernommen worden sind oder nur die angemessenen Kosten. Wenn Rückzahlungen und Guthaben, die die Zeit vor dem Leistungsbezug betreffen, zu berücksichtigen sind, dann hat dies auch für Rückzahlungen und Guthaben zu gelten, die sich auf Zeiträume beziehen, in denen nur die angemessenen Mietkosten übernommen worden sind. Im Übrigen steht dies auch im Einklang damit, dass es bei zufließendem Einkommen nicht darauf ankommt, wann dieses Einkommen erwirtschaftet wurde, sondern zu welchem Zeitpunkt es zufließt. § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II, der – wie ausgeführt – nur eine Anrechnungsvorschrift darstellt, ändert hieran nichts.

Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen. Die Frage, ob Rückzahlungen, die Zeiträume betreffen, in denen nur angemessene Kosten der Unterkunft gewährt wurden, sowie, ob Zahlungen zur Tilgung von Schulden im Rahmen des § 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II abzusetzen sind, ist grundsätzlich klärungsbedürftig. Höchstrichterliche Rechtsprechung liegt hierzu noch nicht vor.

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2.   Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 8 SO 149/07 27.08.2009, Urteil

Eine stationäre Einrichtung iS des § 7 Abs 4 SGB II liegt dann vor, wenn die objektive Struktur der Einrichtung es nicht zulässt, dass ein Hilfebedürftiger 3 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einer Erwerbstätigkeit nachgeht (Abgrenzung zu BVerwG vom 24. Februar 1994 5 C 24/02 = BVerwGE 95, 149 = NDV 1994, 431)").

Nach § 7 Abs 4 SGB II erhielt Leistungen nach dem SGB II nicht, wer für länger als 6 Monate in einer stationären Einrichtung untergebracht oder Rente wegen Alters bezieht. Zur Auslegung dieser Vorschrift ist das Urteil des BSG (vom 6. September 2007 B 14/7b AS 16/07 R BSGE 99, Seite 88 = FEVS 59, Seite 305) heranzuziehen. Danach gilt Folgendes: Bei einem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung gemäß § 7 Abs 4 SGB II ist nicht allein eine prognostische Betrachtung über die Aufenthaltsdauer anzustellen. Vielmehr ist festzustellen, ob trotz des Aufenthaltes in der Einrichtung objektiv eine Erwerbstätigkeit von mindestens 15 Stunden wöchentlich möglich gewesen ist, weil insofern von einem eigenständigen Begriff der Einrichtung iS des § 7 Abs 4 SGB II auszugehen ist

(Leitsatz des BSG: "Eine stationäre Einrichtung iS des § 7 Abs 4 SGB II liegt dann vor, wenn die objektive Struktur der Einrichtung es nicht zulässt, dass ein Hilfebedürftiger 3 Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einer Erwerbstätigkeit nachgeht (Abgrenzung zu BVerwG vom 24. Februar 1994 5 C 24/02 = BVerwGE 95, 149 = NDV 1994, 431)").

Das BSG hat mithin eine funktionale Auslegung des Einrichtungsbegriffs vorgenommen (vgl Spellbrink in Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 2. Auflage 2008, § 7 Rdnr 62). Danach ist ein Leistungsausschluss nach dem SGB II nur dann gerechtfertigt, wenn ein an sich Erwerbsfähiger in einer Einrichtung so untergebracht ist, dass er objektiv daneben nicht mehr erwerbstätig sein kann. Es kommt also darauf an, ob aufgrund des Charakters, der Art, der Struktur und der Verfasstheit der Einrichtung objektiv einer Erwerbstätigkeit unmöglich ist, wobei auf die objektive Struktur der Einrichtung abzustellen ist. Für einen SGB II-Anspruch ist also erforderlich, dass die stationäre Einrichtung eine wöchentliche Arbeitszeit bzw Erwerbstätigkeit von 15 Stunden zulässt. Daran kann hier kein Zweifel sein. Bei der Einrichtung I. handelt es sich um eine Einrichtung für den Personenkreis des § 67 SGB XII (Personen bei denen besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind). Ziel dieser Einrichtung war die Heranführung dieses Personenkreises an ein eigenverantwortlich zu führendes Leben und gerade auch die Heranführungen an und Vermittlung von Arbeit. Dem Gesamtplan und den Entwicklungsberichten des J. lässt sich keinerlei Anhalt dafür entnehmen, wonach der Kläger strukturell derart in die Einrichtung eingebunden war, dass daneben die erforderliche Erwerbstätigkeit von 15 Stunden wöchentlich nicht möglich gewesen wäre (Gesamtplan vom 15. Juni 2005, Entwicklungsbericht vom 29. Dezember 2005 und vom 16. Juni 2006). Danach sollte dem Kläger durch Hilfestellung und Motivation Anlass für ein eigenverantwortlich selbstbestimmtes Leben gegeben werden. Als Hilfeziele wurden ua angegeben: Motivation zur Teilnahme am kulturellen Leben und an Veranstaltungen, Entwicklung eigener Perspektiven, Motivation zur Teilnahme an Gruppenveranstaltungen innerhalb der Einrichtung, Motivation zur Teilnahme an Gruppenveranstaltungen außerhalb der Einrichtung, gegebenenfalls Reflektion des Gruppenverhaltens und gegebenenfalls Integration in das Wohnumfeld. Es gab demnach keine Pflichtveranstaltungen in der Einrichtung, die dem Kläger eine wöchentliche Erwerbstätigkeit von 15 Stunden nicht ermöglicht hätten. Mithin kann § 7 Abs 4 SGB II dem Anspruch auf Gewährung von Alg II erfolgreich nicht entgegengehalten werden.

Weiterhin war der Kläger in der fraglichen Zeit erwerbsfähig iS des § 8 Abs 1 SGB II. Danach ist erwerbsfähig, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 3 Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Durchgreifende Anhaltspunkte für eine fehlende Erwerbsfähigkeit lassen sich nicht feststellen. Die bekannte Alkoholproblematik des Klägers schloss seine Erwerbsfähigkeit gemäß § 8 Abs 1 SGB II nicht aus. Dem Gesamtplan und dem Entwicklungsberichten lassen sich Anhaltspunkte für eine Erwerbsunfähigkeit wegen der Alkoholproblematik nicht entnehmen. Zwar wird auf die Alkoholproblematik des Klägers eingegangen, jedoch nicht in der Weise, dass eine Erwerbstätigkeit ausgeschlossen wäre. So heißt es im Gesamtplan zum Problembereich "Arbeit" zu den Hilfezielen: Beschaffung einer angemessenen Arbeit, als Teilziele lassen sich beschreiben: Überprüfung der eigenen Fähigkeiten, Realisierung einer angemessenen Arbeitsperspektive, Erlangung eines angemessenen Arbeitsplatzes und als Maßnahmen: Beratung und Motivation zu Arbeitsstellen, Gespräche betreffend der Motivation des Klägers, sich eine geeignete Arbeitsstelle zu suchen, die laufend stattfinden und auch weiterhin nötig sind, wobei derzeit (9. November 2005) die Ableistung einer gemeinnützigen Arbeit im Vordergrund steht. An keiner Stelle vom Gesamtplan und Entwicklungsberichten wird problematisiert, dass eine Erwerbstätigkeit aufgrund der Alkoholproblematik ausgeschlossen wäre. Dem widerspricht auch der Umstand, dass der Kläger tatsächlich eine Arbeit iS einer gemeinnützigen Tätigkeit geleistet hat, wobei es wohl um gemeinnützige Arbeit als Geldstrafenableistung ging. Die im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 1. Juli 2008 eingereichte Stellungnahme des I. es kann daran nichts ändern. Darin wurde mitgeteilt, dass der Kläger im streitigen Zeitraum nicht habe arbeiten können, hauptsächlich aufgrund seiner massiven Alkoholproblematik und seiner mangelnden Verständigungsmöglichkeiten, wobei abgestellt wird auf den Umstand, dass der Kläger Langzeitarbeitsloser war, völlig arbeitsentwöhnt und daher auf dem Arbeitsmarkt keine Chance hätte. Dies belegt eine Erwerbsunfähigkeit iS des § 8 Abs 1 SGB II gerade nicht. Die Alkoholproblematik und die Arbeitsentwöhnung mögen der Vermittlung in Arbeit sicherlich entgegenstehen. Doch zeigt dies, dass durch die persönlichen Probleme des Klägers seine Vermittlung in Arbeit erschwert, jedoch keine Erwerbsunfähigkeit festgestellt werden kann. Gegen Erwerbsunfähigkeit spricht weiterhin der Umstand, dass der Kläger nach seiner Haftentlassung am 11. Juni 2007 Alg II von der Beigeladenen bezieht. Das Problem "Erwerbsfähigkeit" ist mithin ohne Relevanz. Eine Erwerbsunfähigkeit des Klägers für den streitigen Zeitraum kann nicht festgestellt werden.

Im Übrigen bei Streit über die Erwerbsfähigkeit wäre die Beigeladene gemäß § 44a Abs 1 SGB II (vor) leistungspflichtig gewesen.

Mithin hat der Kläger Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, weil die leistungsausschließenden Voraussetzungen des § 7 Abs 4 SGB II nicht vorliegen und seine Erwerbsfähigkeit gemäß § 8 Abs 1 SGB II zu bejahen war bzw § 44a Abs 1 SGB II eingreift. Er hat daher Anspruch auf das Alg II gemäß § 19 SGB II für die streitige Zeit.

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2.1 – Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 8/13 SO 15/07 27.08.2009, Urteil

Im Haushalt der Eltern lebende volljährige, dauerhaft voll erwerbsgeminderte Personen haben einen Anspruch auf anteilige Aufwendungen für Unterkunft und Heizung.

Die bedarfsorientierte Grundsicherung nach § 3 Abs 1 GSiG bzw die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gemäß § 42 Satz 1 SGB XII (in der bis zum 6. Dezember 2006 geltenden Fassung) umfassen gemäß der jeweiligen Nr 2 der Vorschrift u. a. die angemessenen tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Derartige Aufwendungen fallen auch bei der Klägerin an. Sie überschreiten nicht die Angemessenheitsgrenze und sind deshalb von dem Beklagten zu übernehmen.

Tatsächliche Aufwendungen iS der Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen hatte die Klägerin allerdings nicht. Weder trifft sie im Zusammenhang mit der Unterkunft eine Verpflichtung gegenüber ihren Eltern noch gegenüber Dritten. Sie wohnt im Hause ihrer Eltern, ohne dass ein (Unter-) Mietverhältnis begründet oder eine finanzielle Beteiligung der Klägerin an den Gesamtkosten der Unterkunft vereinbart worden wäre. Vertragliche Verpflichtungen gegenüber Gemeinde, Energieversorger oder Versicherung im Zusammenhang mit Nebenkosten und Heizung für das auch von der Klägerin bewohnte Haus treffen ebenfalls nicht diese, sondern ausweislich der vorgelegten Unterlagen ihre Eltern bzw einen Elternteil.

Die für Unterkunft und Heizung in dem auch von der Klägerin bewohnten Haus erforderlichen Aufwendungen sind jedoch anteilmäßig auf alle Bewohner des Hauses zu verteilen, sodass unabhängig von der (vertraglichen) Zahlungsverpflichtung auf jeden Bewohner ein (im Regelfall gleicher) Kostenanteil entfällt. Mit den "tatsächlichen Aufwendungen" in § 3 Abs 1 Nr 2 GSiG bzw § 42 Satz 1 Nr 2 SGB XII sind nicht nur die den Leistungsempfänger direkt treffenden Verpflichtungen, sondern die auf das Wohnobjekt entfallenden Kosten gemeint. Eine andere Interpretation, wie sie von dem Beklagten vertreten wird, ist mit dem Gesamtsystem der Sicherung einer angemessenen Unterkunft auch für hilfebedürftige Personen nicht vereinbar.

Leben nicht hilfebedürftige und hilfebedürftige Personen, die miteinander verwandt oder verschwägert sind, in Haushaltsgemeinschaft, bestehen die (angemessenen) Aufwendungen des Hilfebedürftigen für die Unterkunft in einem Teil der (angemessenen) Aufwendungen, die für die Wohnung der Haushaltsgemeinschaft zu entrichten sind. Dies hat bereits das BVerwG mit Urteil vom 21. Januar 1988 für den Geltungsbereich des BSHG entschieden. Nichts anderes gilt für das GSiG, dessen § 3 Abs 1 Nr 2 der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Verordnung zur Durchführung des § 22 Abs 5 BSHG Regelsatzverordnung, dort § 3 Abs 1 Satz 1, entspricht (siehe hierzu unter anderem Urteil des Verwaltungsgerichts VG Augsburg vom 21. Dezember 2004 AU 3 K 04.617, juris). Für den Bereich des Sozialgesetzbuchs Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) hat sich das BSG mit Urteil vom 31. Oktober 2007 B 14/11b AS 7/07 R ausdrücklich der Rechtsprechung des BVerwG (aaO) angeschlossen (siehe hierzu auch Urteil vom 23. November 2006 B 11b AS 1/06 R, SozR 4-4200 § 20 Nr 3 = BSGE 97, 265). Es ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber für den Bereich des SGB XII (hier in den §§ 29 bzw 42) bei vergleichbaren Formulierungen gegenüber den Bestimmungen in der Regelsatzverordnung, dem GSiG oder dem SGB II von der gefestigten Rechtsprechung zur Aufteilung der Unterkunftskosten nach Kopfzahlen abweichen wollte.

Damit entfällt auf die Klägerin mangels anderer Anhaltspunkte ein Drittel der Aufwendungen für das auch von ihr bewohnte Haus. Die Gesamtkosten von ca 220,00 EUR für drei Personen sind angemessen, ohne dass dies bei dieser Größenordnung näherer Erläuterungen bedürfte. Da die genaue Höhe der Aufwendungen für die streitbefangene Zeit nicht feststeht, sondern lediglich Informationen für das Kalenderjahr 2007 vorliegen, hat der Senat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, durch ein Grundurteil (§ 130 Abs 1 Satz 1 SGG) die Beklagte zur Leistung zu verurteilen, ohne dass die genaue Höhe feststeht. Dies ist hier möglich, weil die Grundvoraussetzungen für den streitigen Leistungsanspruch gegeben sind. Welche Aufwendungen im Einzelnen zu berücksichtigen sind und ob neben den sich aus den für das Jahr 2007 eingereichten Unterlagen ergebenden Aufwendungen weitere Aufwendungen zu berücksichtigen sind, wird der Beklagte unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG zu ermitteln haben.

Gegen die Berücksichtigung anteiliger Aufwendungen für die Unterkunft bei der Klägerin spricht nicht, dass deren Eltern ihr gegenüber grundsätzlich zum Unterhalt verpflichtet sind und hierzu auch gehört, eine Unterkunft zur Verfügung zu stellen. Bei den der Klägerin zustehenden Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII gelten Besonderheiten bei Vermögenseinsatz und Unterhaltsansprüchen (§ 43 SGB XII). So bleiben Unterhaltsansprüche gegenüber Eltern im Wesentlichen unberücksichtigt (§ 43 Abs 2 SGB XII). Hinreichende Anhaltspunkte für ein Überschreiten der Einkommensgrenze von 100.000,00 EUR bei den Eltern der Klägerin liegen nicht vor. Auch für den Geltungsbereich des GSiG galten entsprechende Regelungen (dort: § 2 Abs 2 GSiG). Durch § 43 Abs 2 letzter Halbsatz SGB XII ist zudem klargestellt, dass die Vermutung der Bedarfsdeckung in Haushaltsgemeinschaften nach § 36 Satz 1 SGB XII nicht gilt. Zwar fehlt im GSiG ein entsprechender Hinweis, im Hinblick auf die auch dort schon enthaltene Sonderregelung zum Unterhaltsanspruch galt jedoch auch für die Zeit vor dem 1. Januar 2005 nichts anderes (so auch H. Schellhorn in Schellhorn/ Schellhorn/ Hohm, Kommentar zum SGB XII, § 43 Rdnr 3).

2.2 – Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 8 SO 177/09 B ER 29.09.2009, Beschluss

Mangels Verfügungsbefugnis der Antragstellerin stellt der der dauerhaften Testamentvollstreckung unterliegende Nachlass kein verwertbares Vermögen gemäß § 90 Abs 1 SGB XII dar- Behindertentestament –

Das Vermögen der Antragstellerin, welches gegebenenfalls gemäß § 90 Abs 1 SGB XII einzusetzen wäre, steht der Leistungserbringung derzeit nicht entgegen. Die Antragstellerin ist von ihrer verstorbenen Mutter neben ihren Geschwistern zur Erbin eingesetzt worden, mit einem auf sie entfallenden Nachlass von 35.000,00 EUR. Allerdings ist die Antragstellerin als Vorerbin eingesetzt und Testamentvollstreckung angeordnet worden. Ob es sich bei diesem Testament um ein sogenanntes Behindertentestament handelt, wonach Vermögen dem Zugriff des Sozialhilfeträgers gezielt entzogen werden soll, bedarf hier keiner Entscheidung. Der Bundesgerichtshof hat die Sittenwidrigkeit eines derartigen Testamentes verneint (vgl BGH, Urteil vom 21. März 1990 IV ZR 169/89 BGHZ 111, Seite 36; Urteil vom 20. Oktober 1993 IV ZR 231/92 BGHZ 123, Seite 368; siehe auch OVG des Saarlandes, Urteil vom 17. März 2006 3 R 2/05 Recht der Lebenshilfe 2006, Seite 181; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 9. Oktober 2007 L 7 AS 3528/07 FEVS 59, Seite 173; siehe auch Wendt, Das Behindertentestament Ein Auslaufmodell?, ZNotP 2008, Seite 2; Fensterer, Das Testament zugunsten behinderter und bedürftiger Personen, 2008, S 4ff, 46f). Da Testamentvollstreckung angeordnet worden ist, unterliegt die Antragstellerin als Erbin der Verfügungsbeschränkung des § 2211 Abs 1 BGB, wonach über einen der Verwaltung des Testamentvollstreckers unterliegenden Nachlassgegenstand der Erbe nicht verfügen kann. Mangels Verfügungsbefugnis der Antragstellerin stellt der der dauerhaften Testamentvollstreckung unterliegende Nachlass kein verwertbares Vermögen gemäß § 90 Abs 1 SGB XII dar. Allenfalls käme ein Anspruch der Antragstellerin gegen die Testamentvollstreckerin auf Herausgabe der zur Bestreitung der Betreuungskosten benötigen Mittel in Betracht. Doch müsste dieser erst notfalls gerichtlich durchgesetzt werden, sodass derzeit keine "bereiten" Mittel vorliegen.

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2.3 – Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 8 SO 154/07 24.09.2009, Urteil (Revision zugelassen).

Zu den Voraussetzungen, unter denen Eltern eines behinderten Kindes wegen der in einer Tagesbildungsstätte erhaltenen Verpflegung zu einem Kostenbeitrag herangezogen werden können. Das Pflegegeld ist nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Es ist einerseits für den Pflegebedürftigen zweckbestimmtes Einkommen nach § 83 Abs 1 SGB XII und daher nicht für seinen Lebensunterhalt einzusetzen. Wird es an Pflegepersonen weitergeleitet, ist es ebenfalls nicht als deren Einkommen iS von § 82 Abs 1 SGB XII zu behandeln (Senatsbeschluss vom 7. Oktober 2005, L 8 SO 60/05 ER; LSG NRW, Beschluss vom 2. August 2007, L 20 B 42/07 AY ER; Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Auflage 2008, § 64 Rdnr 3).

Streitig ist allein die Frage, ob die Klägerin zur Zahlung eines Kostenbeitrags an den Beklagten wegen des ihrem Sohn in der teilstationären Einrichtung zur Verfügung gestellten Mittagessens verpflichtet ist. Eine entsprechende Verpflichtung besteht hier aus unterschiedlichen Gründen nicht.

Als Rechtsgrundlage für den streitigen Kostenbeitrag kommt lediglich § 92 Abs 1 SGB XII in Betracht. Nach Satz 2 der Vorschrift haben die in § 19 Abs 3 genannten Personen (Leistungsberechtigte, ihre nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner und bei minderjährigen und unverheirateten Leistungsberechtigten auch deren Eltern oder Elternteile) zu den Kosten von behinderungsbedingt erbrachten Sozialhilfeleistungen für eine stationäre Einrichtung oder für eine Tageseinrichtung für behinderte Menschen beizutragen. Die Aufbringung der Mittel muss für den o. g. Personenkreis zumutbar sein, weil anderenfalls die Hilfen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel des SGB XII unabhängig von deren Einkommen oder Vermögen geleistet würden (§ 19 Abs 3 SGB XII). Nur die Aufbringung der Mittel für die Kosten des Lebensunterhalts ist gemäß § 92 Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB XII zumutbar, wenn die Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung einschließlich der Vorbereitung hierzu geleistet wird, und zwar unabhängig von vorhandenem Vermögen (§ 92 Abs 2 Satz 2), also nur aus dem Einkommen.

Unabhängig von allen weiteren Erwägungen kommt damit eine Erstattungspflicht seit dem 14. Februar 2008 nicht in Betracht, da mit diesem Zeitpunkt eine möglicherweise bestehende Einsatzpflicht der Klägerin ohnehin endete. Denn nach § 19 Abs 3 SGB XII sind nur Eltern minderjähriger unverheirateter Leistungsberechtigter bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen mit ihrem Einkommen einsatzpflichtig; am 14. Februar 2008 vollendete H. sein 18. Lebensjahr.

Unzutreffend ist die Auffassung des Beklagten, alleinige und von den Vorschriften der §§ 85 ff SGB XII isoliert zu betrachtende Rechtsgrundlage für den verlangten Kostenbeitrag sei § 92 Abs 2 SGB XII. Vielmehr regelt diese Vorschrift die gegenüber anderen Leistungen für behinderte Personen nur eingeschränkte Einkommens- und Vermögensanrechnung bei den dort genannten Leistungen der Eingliederungshilfe; sie ist auf die Aufbringung der Mittel nur für die Kosten des Lebensunterhaltes beschränkt und nur in Höhe der für den häuslichen Lebensunterhalt ersparten Aufwendungen anzusetzen. In jedem Fall kann nach § 92 SGB XII ebenso wie nach § 19 Abs 3 SGB XII – nur ein zumutbarer Kostenbeitrag gefordert werden; hinsichtlich der Zumutbarkeit des Kostenanteils gilt das Elfte Kapitel, 2. Abschnitt, in dem der Einkommens- und Vermögenseinsatz geregelt ist (so auch Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl, § 92 Rdnr 5, W. Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl, § 92 Rdnr 34). § 92 Abs 2 SGB XII schafft insoweit keine außerhalb der allgemeinen Einkommensgrenzen stehende Sonderregelung (s. zu der identischen Vorgängerregelung in § 43 BSHG BVerwG, Beschluss vom 7. April 1995, 5 B 36/94, FEVS 46, 8), sondern stellt eine Einschränkung des § 92 Abs 1 SGB XII dar; den Ersatzpflichtigen wird lediglich zugemutet, die Kosten für den Lebensunterhalt aufzubringen, sofern sie überhaupt nach den Vorschriften des Elften Kapitels des SGB XII (§§ 85 ff) zu einem Kostenbeitrag – für die in Abs 2 genannten Leistungen der Eingliederungshilfe – herangezogen werden können (Wahrendorf, aaO, § 92 Rdnr 10). Die vom Beklagten in Bezug genommene gegenteilige Auffassung von Lippert (in Mergler/Zink, SGB XII, Stand September 2008, § 92 Rdnrn 16, 32), bei der Erhebung des Kostenbeitrags nach § 92 Abs 2 SGB XII sei das gesamte Einkommen – auch unter der Einkommensgrenze – einzusetzen, eine Einkommensprüfung habe nicht zu erfolgen, kann nicht überzeugen. Zum einen widerspricht sich der Kommentar selbst, vgl die Ausführungen bei Rdnr 29: "Bestimmt ist lediglich die Obergrenze der Heranziehung. Die Ermittlung der im Einzelfall zumutbaren Kostenbeteiligung muss unter Beachtung der Regelungen des 11. Kapitels 2. Abschn. erfolgen." Zum anderen spricht gegen die Auffassung, dass es sich auch in § 92 Abs 2 SGB XII um eine Regelung über einen Kostenbeitrag bei Leistungen der Eingliederungshilfe handelt, für die nach der Gesetzessystematik die Einkommensgrenzen der §§ 85 ff maßgeblich sind.

Ist mithin § 92 Abs 1 S 2 SGB XII in Verbindung mit § 92 Abs 2 S 3 SGB XII allein ersichtliche Rechtsgrundlage für den verlangten Kostenbeitrag, setzt der Kostenbeitrag nach diesen Vorschriften voraus, dass tatsächlich Kosten des Lebensunterhalts betroffen sind. Dies sind nach Auffassung des Beklagten die Kosten des von H. in der Werkstatt für behinderte Menschen eingenommenen Mittagessens. Bereits hieran bestehen Zweifel.

Gemäß § 35 Abs 1 S 1 SGB XII "umfasst der notwendige Lebensunterhalt in Einrichtungen den darin erbrachten () notwendigen Lebensunterhalt". Nach der Auffassung des BSG trifft § 35 SGB XII keine Aussage darüber, welcher sozialhilferechtlichen Leistung das in einer Einrichtung erbrachte Mittagessen zuzuordnen ist. § 35 SGB XII habe nur zur Folge, dass die (allein) dem Lebensunterhalt dienenden Leistungen, die in Einrichtungen erbracht werden, dem Dritten oder Vierten Kapitel des SGB XII zuzuordnen seien und außer in vollstationären Einrichtungen (§ 97 Abs 4 SGB XII) die Zuständigkeit von zwei Trägern der Sozialhilfe begründen. Jedenfalls das Mittagessen in einer Werkstatt für behinderte Menschen sei als integraler Bestandteil der Eingliederungshilfe anzusehen (BSG, Urteil vom 9. Dezember 2008, B 8/9b SO 10/07 R). Es spricht vieles dafür, dass auch das Mittagessen in einer Tagesbildungsstätte der Lebenshilfe im Rahmen der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung als integraler Bestandteil dieser Art der Eingliederungshilfe angesehen werden muss. Damit würde ein (nach § 92 Abs 2 Satz 1 SGB XII) auf die Kosten des Lebensunterhalts beschränkter Kostenbeitrag unabhängig von weiteren Erwägungen nicht zu leisten sein, weil das Mittagessen in der Tagesbildungsstätte nicht den Kosten des Lebensunterhalts zuzurechnen wäre.

Auch wenn man das dem Sohn der Klägerin in der Tagesbildungsstätte gewährte Mittagessen nicht als integralen Bestandteil der Eingliederungshilfe im Sinn der oben genannten Rechtsprechung des BSG ansieht, sondern als Kosten des Lebensunterhalts im Sinn des § 92 Abs 2 S 1 SGB XII, kann ein Kostenbeitrag von der Klägerin nicht verlangt werden. Ein Kostenbeitrag ist ihr nicht zuzumuten.

Ob und in welcher Höhe die Erhebung eines Kostenbeitrags aus dem Einkommen der Klägerin in Betracht kommt (Vermögen ist gemäß § 92 Abs 2 Satz 2 SGB XII ohnehin nicht zu berücksichtigen), richtet sich nach den obigen Ausführungen nach den Vorschriften des Elften Kapitels des SGB XII. Zunächst ist das Einkommen der Klägerin und ihres Sohnes nach § 85 SGB XII zu ermitteln und dann zu prüfen, ob sie mit dem gemäß § 85 Abs 2 Satz 1 SGB XII gemeinsamen zu berücksichtigenden Einkommen über der dortigen Einkommensgrenze liegen. Dies war nicht der Fall. Die Klägerin und ihr Sohn bezogen bis September 2006 Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII bzw entsprechende Leistungen nach dem SGB II; seit Oktober 2006 hatten sie – unbereinigte – Einkünfte in Höhe von monatlich 1.173,78 EUR (Rente: 693,78 EUR, Kindergeld: 154,00 EUR, Unterhaltszahlung für H.: 217,00 EUR sowie Wohngeld: 109,00 EUR), wobei die Kindergeldzahlungen trotz der Abzweigung in voller Höhe angesetzt und Versicherungsbeiträge noch nicht berücksichtigt worden sind. Das Pflegegeld ist, worauf das SG bereits zutreffend hingewiesen hat, nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Es ist einerseits für den Pflegebedürftigen zweckbestimmtes Einkommen nach § 83 Abs 1 SGB XII und daher nicht für seinen Lebensunterhalt einzusetzen. Wird es an Pflegepersonen weitergeleitet, ist es ebenfalls nicht als deren Einkommen iS von § 82 Abs 1 SGB XII zu behandeln (Senatsbeschluss vom 7. Oktober 2005, L 8 SO 60/05 ER; LSG NRW, Beschluss vom 2. August 2007, L 20 B 42/07 AY ER; Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Auflage 2008, § 64 Rdnr 3). Damit erreichten die noch unbereinigten Einkünfte der Klägerin und ihres Sohnes in Höhe von 1.173,78 EUR monatlich seit Oktober 2006 nicht die Einkommensgrenze des § 85 Abs 2 SGB XII. Diese belief sich bei einem zweifachen Eckregelsatz von 690,00 EUR, einem Familienzuschlag von 70 vH des Eckregelsatzes von 242,00 EUR und unter Zugrundelegung der vom Beklagten anerkannten angemessenen Kosten der Unterkunft in Höhe von 370,20 EUR bis Juni 2007 auf 1.302,20 EUR; durch die Erhöhung des Eckregelsatzes um 2,00 EUR ab Juli 2007 erhöhte sich die Einkommensgrenze auf 1.307,20 EUR.

Folglich ist § 88 SGB XII maßgeblich, der den Einsatz des Einkommens unter der Einkommensgrenze regelt. Weil jedoch § 88 Abs 1 Satz 1 Nr 3 SGB XII mit Wirkung vom 7. Dezember 2006 gestrichen worden ist, fehlt für die Zeit ab dem 7. Dezember 2006 für die Erhebung eines Kostenbeitrages von der Mutter des Leistungsempfängers eine Rechtsgrundlage, wie ein Blick auf die Rechtsentwicklung verdeutlicht.

Ursprünglich war nach dem Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 09. Dezember 2004 (BGBl I S.3305) in § 82 Abs 4 S 1 SGB XII folgende Regelung enthalten: "Lebt eine Person in einer teilstationären oder stationären Einrichtung, kann die Aufbringung der Mittel bei Leistungen nach dem Dritten Kapitel von ihr verlangt werden, soweit Aufwendungen für den häuslichen Lebensunterhalt erspart werden." § 88 Abs 1 Nr 3 SGB XII ermöglichte (entsprechend § 85 Abs 1 Nr 3 BSHG) den Einkommenseinsatz unter der Einkommensgrenze, "soweit bei teilstationären oder stationären Leistungen Aufwendungen für den häuslichen Lebensunterhalt erspart werden."

Beide Vorschriften, die als systemwidrig angesehen wurden, u.a. da sie die Herauslösung des Lebensunterhalts aus den Leistungen nach den Kapiteln 5 bis 9 nicht konsequent umsetzten (vgl hierzu W. Schellhorn in Schellhorn/ Schellhorn/Hohm, SGB XII, 17. Aufl. § 88 Rdnr 15), wurden mit Wirkung vom 7. Dezember 2006 (Gesetz zur Änderung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 2. Dezember 2006, BGBl I, 2670) gestrichen. Zur Begründung hieß es im Gesetzentwurf der Bundesregierung: "Da nach der Konzeption des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch die Hilfe zum Lebensunterhalt nicht mehr Bestandteil der Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel ist, kann bei teilstationären oder stationären Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel kein häuslicher Lebensunterhalt erspart werden. Die Vorschrift ist daher insoweit zu streichen " (BT-Drs. 16/2711, S. 12).

Die entsprechende Vorschrift für den Einkommenseinsatz bei Leistungen für Einrichtungen findet sich seither in dem mit Wirkung vom 7. Dezember 2006 eingefügten § 92a SGB XII, der den bisherigen § 82 Abs 4 SGB XII ersetzt. § 92a Abs 1 SGB XII lautet: "Erhält eine Person in einer teilstationären oder stationären Einrichtung Leistungen, kann die Aufbringung der Mittel für die Leistungen in der Einrichtung nach dem dritten und vierten Kapitel von ihr und ihrem nicht getrennt lebenden Ehegatten oder Lebenspartner aus dem gemeinsamen Einkommen verlangt werden, soweit Aufwendungen für den häuslichen Lebensunterhalt erspart werden."

Diese Vorschrift enthält keine Rechtsgrundlage für die Erhebung eines Kostenbeitrages von Eltern minderjähriger und unverheirateter Kinder für die Leistungen in der Einrichtung. Sie verlangt die Einsatzpflicht lediglich von der leistungsberechtigten Person und ihrem Lebenspartner oder Ehegatten. Den Vorschlag des Bundesrates, die Eltern minderjähriger Leistungsberechtigter in § 92a SGB XII mit aufzunehmen, hat der Gesetzgeber nach einer ablehnenden Gegenäußerung der Bundesregierung (BT-Drs 16/2753) nicht umgesetzt. Auf § 92a SGB XII kann sich der Beklagte zur Erhebung des Kostenbeitrags von der Klägerin für die Zeit seit 7. Dezember 2006 daher nicht stützen.

Der Kostenbeitragsbescheid ist auch für den Zeitraum vom 1. Januar 2005 bis 6. Dezember 2006 wegen Ermessensunterschreitung rechtswidrig. Rechtsgrundlage ist für diese Zeit § 92 Abs 1 S 2, Abs 2 Satz 1 Nr 2 SGB XII iVm § 85 Abs 2 und § 88 SGB XII in der bis zum 6. Dezember 2006 gültigen Fassung. Auch in diesem Zeitraum lagen die zu berücksichtigenden Einkünfte der Klägerin und von H. unterhalb der Einkommensgrenze des § 85 Abs 2 SGB XII (1.302,20 EUR; zur Berechnung des Einkommens s. oben).

Gemäß § 88 Abs 1 Nr 3 SGB XII in der oben genannten Fassung kann die Aufbringung der Mittel, auch soweit das Einkommen unter der Einkommensgrenze liegt, verlangt werden, soweit bei teilstationären oder stationären Leistungen Aufwendungen für den häuslichen Lebensunterhalt erspart werden. Bei dieser Vorschrift handelt es sich allerdings um eine Ermessensvorschrift. Der Sozialhilfeträger entscheidet über die Heranziehung nach § 88 Abs 1 SGB XII nach pflichtgemäßem Ermessen. Eine Heranziehung ist rechtswidrig, wenn der Träger der Sozialhilfe bei Festsetzung des Kostenbeitrags Ermessen nicht ausgeübt hat. Verlautbarte Ermessenserwägungen sind mit Rücksicht darauf unverzichtbar, dass die Skala der Entscheidungen unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles vom Verzicht auf die Erhebung eines Kostenbeitrages bis zur vollen Heranziehung des Einkommens reichen kann (BVerwG, Urteil vom 25. November 1982, 5 C 13/82, FEVS 32, 309; Schoch in LPK- SGB XII, 1. Aufl., § 88 Rdnr 10; Wahrendorf aaO, § 88 Rdnr 2; W. Schellhorn aaO § 88 Rdnr 4).

Weder der Bescheid vom 5. Januar 2006 noch der Widerspruchsbescheid vom 20. Dezember 2006 enthalten Ermessenserwägungen. Aus der Begründung der Bescheide ergibt sich vielmehr, dass der Beklagte fehlerhaft davon ausgegangen ist, § 92 Abs 2 SGB XII sei so zu verstehen, dass unabhängig von einer Einkommensprüfung und unabhängig von Ermessenserwägungen bei der Hilfe zu einer angemessenen Schulbildung einschließlich der Vorbereitung hierzu den in § 19 Abs 3 SGB XII genannten Personen die Aufbringung der Mittel nur für die Kosten des Lebensunterhaltes in jedem Fall zuzumuten sei. Dieses Verständnis des § 92 SGB XII ist jedoch nicht zutreffend, wie oben bereits ausgeführt wurde.

Der Beklagte hätte nur den Weg wählen können, den Bedarf von H. bei der Berechnung der ihm zustehenden Hilfe zum Lebensunterhalt ab dem 1. Juli 2005 nach dem dritten Kapitel des SGB XII (nicht nach dem vierten Kapitel, die Anspruchsvoraussetzungen lagen für den 15-Jährigen gemäß § 41 Abs 1 Nr 2 SGB XII in der im Jahre 2005 geltenden Fassung, jetzt § 41 Abs 3 SGB XII, nicht vor) um den in § 28 Abs 1 S 1 SGB XII festgeschriebenen normativen Bedarf für die Kosten des Mittagessens nach § 28 Abs 1 S 2 SGB XII abzusenken und abweichend festzulegen (s. hierzu BSG, Urteil vom 11. Dezember 2007, B 8/9b SO 21/06 R; Urteil vom 09. Dezember 2008, B 8/9b SO 10/07 R). Während des Bezuges von Sozialgeld nach dem SGB II vom 1. Januar bis 30. Juni 2005 hätte auch diese Möglichkeit nicht bestanden, weil das SGB II eine abweichende Festlegung des Bedarfs im Einzelfall nicht vorsieht.

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2.4 – Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 13 AS 366/09 B ER 04.12.2009, Beschluss

Vom Sohn monatlich gewährtes Darlehen für die Eltern ist berücksichtigungsfähiges Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II.

Gemäß § 2 Abs. 2 Arbeitslosengeld II / Sozialgeldverordnung (Alg II – V) sind laufende Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Entgegen der Ansicht der Antragsteller und auch des Antragsgegners ist das den Antragstellern von ihrem Sohn H. monatlich gewährte Darlehen als berücksichtigungsfähiges Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II anzusehen.

Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift, wenn dort davon gesprochen wird, dass als Einkommen die Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen sind (mit Ausnahme von Leistungen, die im vorliegenden Streitfall nicht von Bedeutung sind). Beim Einkommensbegriff des Gesetzes wird also nicht darauf abgestellt, aus welchem Rechtsgrund das betreffende Einkommen zufließt, vielmehr wird lediglich auf den Vorgang abgestellt, dass die Hilfesuchenden Einnahmen in Geld erzielen. Damit wird deutlich, dass der Gesetzgeber den reinen Zufluss von Geld im Auge hat, welches zur Steuerung der eigenen Notlage verwendet werden kann. Die tatsächliche Verfügbarkeit der Gelder steht im Vordergrund; dagegen kommt es nicht darauf an, ob etwa der betreffende Hilfesuchende, der die Gelder einnimmt, möglicherweise rechtlich zur Herausgabe des Zuflusses oder zur Rückzahlung der Geldleistungen verpflichtet ist. Daher hat der Senat bereits entschieden, dass in Anknüpfung an die Rechtsprechung zum Einkommensbegriff im Bundessozialhilfegesetz (BSHG) auch darlehensweise zufließende Mittel als Einkommen im Sinne der Vorschriften über Hilfeleistungen nach dem SGB II anzusehen sind (vgl. Beschluss des Senats vom 14. Juli 2008 – L 13 AS 97/08 ER – in: FEVS 60, 87). Diesen Überlegungen folgend wird daher auch in der Kommentierung der Parallelvorschrift des § 82 SGB XII die Ansicht vertreten, darlehensweise Zuflüsse seien als Einkommen im Sinne des Sozialrechts anzusehen (vgl. Wahrendorf in: Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Auflage, § 82 Rdn. 27).

Soweit demgegenüber in Rechtsprechung und Kommentierung zum Teil die Auffassung vertreten wird, Mittel aus einem Darlehen seien mit Rücksicht auf die Rückzahlungsverpflichtung des Hilfesuchenden bei diesem nicht als Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II anzusehen, weil diese Mittel bei wirtschaftlicher Betrachtung auf Dauer "nicht in das Vermögen" des Hilfesuchenden gelangen würden, überzeugt dies den Senat nicht (vgl. die Rechtsprechung zur Arbeitslosenhilfe: BSG, Urteil vom 13. Juni 1985 – 7 RAr 27/84 in BSGE 58, 160; LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 11. Dez. 2008 – L 7 AS 62/08 – zitiert nach juris; Urteil des 8. Senats des beschließenden Gerichts vom 26. Febr. 2009 – L 8 SO 57/07 – Vnb; Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 11 Rdn. 29; Berlit, NZS 2009, 537, 542). Die Leistungen der früheren Arbeitslosenhilfe hatten Lohnersatzcharakter und knüpften auch hinsichtlich ihrer Höhe an die Höhe der früheren Einkünfte an, so dass damit ein – zwar aus Steuermitteln finanziertes – Einkommen zur Verfügung gestellt werden sollte, das das frühere Lebenshaltungsniveau berücksichtigte. Auch bei der Bewilligung von Leistungen nach dem Wohngeldgesetz oder nach dem Ausbildungsförderungsgesetz wird aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung an steuerrechtlich festgestellte Einkünfte angeknüpft, bei denen gerade nur darlehensweise Einnahmen wegen der steuerrechtlich – wirtschaftlichen Betrachtung keine Berücksichtigung finden sollen.

Von diesen Gedanken hat sich der Gesetzgeber aber mit der Schaffung des SGB II abgewandt; er hat vielmehr die Vorschriften über das Einkommen in dem § 11 SGB II den Regelungen in §§ 76 ff BSHG nachgebildet. Bei der Definition der Hilfebedürftigkeit eines Anspruchstellers in § 9 Abs. 1 SGB II wird daher wesentlich an das zu berücksichtigende Einkommen oder Vermögen angeknüpft und damit auf die §§ 11 und 12 SGB II verwiesen, ohne dass eine dritte – sozusagen daneben stehende – Einnahme aus einem Geldzufluss anerkannt wird. Sind aber gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB II die erwerbstätigen Hilfebedürftigen und die mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen aufgefordert, alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit auszuschöpfen, so kann es nicht darauf ankommen, ob ihnen zufließende Geldmittel später von ihnen etwa wieder von dem die Gelder zur Verfügung stellenden Dritten zurückgefordert werden könnten. Die Leistungen nach dem SGB II sollen nämlich nur dazu dienen, dem Hilfebedürftigen in einer vorübergehenden Notlage zu helfen, um die Zeit zu einer eingeforderten Erwerbstätigkeit zu überbrücken. Eine andere Betrachtungsweise würde darauf hinauslaufen, diejenigen Hilfesuchenden als Schuldner besser zu stellen, die Empfänger von laufenden Leistungen nach dem SGB II sind. Diejenigen Schuldner und Hilfesuchenden könnten dann nämlich ihren laufenden Lebensunterhalt aus den Leistungen nach dem SGB II sichern und zugleich über die tatsächlichen Geldzuflüsse (aus dem Darlehen) verfügen und diese für ihren Lebensunterhalt verwenden. Auch sonst ist es im allgemeinen Erwerbs- und Geschäftsleben das Risiko des Gläubigers, der einem Hilfesuchenden ein Darlehen hingibt, ob und wann der Darlehensschuldner seine Verbindlichkeiten zurückführt. Dieses wirtschaftliche Risiko des Darlehensgebers indirekt auf den Träger der Leistungen nach dem SGB II abzuwälzen, ist aber nicht Aufgabe der staatlichen Transferleistungen, die aus Steuermitteln finanziert werden. Hinzu kommt, dass später die Hilfesuchenden, die Empfänger von Darlehen sind, ihren Gläubigern gegenüber die zivilrechtlichen Pfändungsfreigrenzen ins Feld führen können.

Demgegenüber führt der Hinweis auf die in § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB II und in § 9 Abs. 1 erster Halbsatz SGB II angesprochenen "eigenen Kräften und Mittel" nicht weiter. Denn damit wird nicht im Gesetz auf die wirtschaftliche Eigentümerstellung an Geldern abgehoben; vielmehr kommt damit zum Ausdruck, dass gegenüber den Hilfesuchenden die Erwartung besteht, aus eigenem Antrieb und möglichst umfassend alle Anstrengungen unternommen werden, um den Zustand der Hilfebedürftigkeit zu verlassen und nicht mehr auf Leistungen nach dem SGB II angewiesen zu sein (Grundsatz des Forderns).

Auch kann dem vorstehend dargelegten Verständnis von Darlehensgeldern als Einkommen nicht entgegengehalten werden, damit würde für den erwerbsfähigen Arbeitslosen eine Verpflichtung statuiert, zur Abwendung seiner Leistungsberechtigung Schulden einzugehen (vgl. Armborst in: info also 2007, 288 und Berlit, aaO, Seite 543). Denn der tatsächliche Zufluss der von einem Gläubiger darlehensweise gewährten Geldern ist zu unterscheiden von der im allgemeinen nicht bestehenden Pflicht, zur Selbsthilfe Schulden durch die Aufnahme von Krediten eingehen zu müssen. Denn es ist der eigenen Verantwortung des Hilfesuchenden überlassen, ob er durch die Annahme eines Darlehens Schulden eingeht, um über Mittel zur Steuerung seiner Notlage zu verfügen. Der Antragsgegner darf also nicht Leistungen mit dem Argument ablehnen, die Antragsteller könnten von sich aus einen Kredit aufnehmen. Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn verwertbares Vermögen vorhanden ist, das aber nicht sofort verwertet werden kann, wie sich aus § 23 Abs. 5 SGB II ergibt. Gewährt aber ein Kreditgeber einem Hilfesuchenden ein Darlehen, so ist es sein – des Darlehensgebers – wirtschaftliches Risiko, ob und wann er die Gelder zurückerhält. Der Kreditgeber ist zum Vertragsschluss – ebenso wie der Hilfesuchende – nicht gezwungen. Dass der Träger der Leistungen Hüter der wirtschaftlichen Interessen der Gläubiger der Hilfesuchenden sein sollte, lässt sich dem SGB II nicht entnehmen. Deswegen ist eine (zivilrechtliche) Pflicht zur Rückgewähr der Darlehensgelder durch den Schuldner, der Leistungen nach dem SGB II erhält oder dann nachsucht, bei der Beurteilung ohne Bedeutung, ob er über Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II verfügt…

Nur zur Klarstellung sei darauf hingewiesen, dass ausnahmsweise dann etwas anderes gilt, wenn die Hilfesuchenden für die Zeit zwischen der Antragstellung bei Gericht zur Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bis zur Entscheidung des Gerichts über diesen Antrag bei einem Nothelfer ein Darlehen aufnehmen. Es wird nämlich mit guten Gründen für den Beginn der Regelungsanordnung nicht auf den Tag der Beschlussfassung des Gerichtes als maßgeblichen Zeitpunkt, sondern auf den Tag der Stellung des Eilantrages bei Gericht abgestellt (vgl. Wündrich in: SGb 2009, 267, 271). In derartigen Fällen kann ausnahmsweise dieser tatsächliche Zufluss aus einem Darlehen dem Hilfesuchenden nicht zu seinen Lasten entgegen gehalten werden, da er es – zumindest im Regelfall – schlecht beeinflussen kann, wie viele Tage das Gericht bis zur Entscheidung über seinen Eilantrag benötigt. Hat aber jemand in Eilverfahren nicht als Nothelfer, sondern aus völlig anderen Gründen dem Hilfesuchenden ein Darlehen gewährt, so führt dieses zum Wegfall des Anordnungsgrundes.

Auf der Grundlage der vorstehenden Erwägungen kommt es daher für die Entscheidung über die von den Antragsstellern eingelegte Beschwerde nicht mehr darauf an, ob die Angaben über das behauptete im übrigen sehr niedrige monatliche Einkommen des Antragstellers zu 2. aus seiner Erwerbstätigkeit tatsächlich der Wahrheit entsprechen, wobei die Zweifel daher herrühren, dass er als Geschäftsführer der Fahrzeughandels-GmbH auftritt und derjenige, der die Einkommensbescheinigung erstellt hat, sein Sohn H. ist, der ein wirtschaftliches Interesse daran hat, dass die Antragsteller Leistungen erhalten. Ebenso muss für das vorliegende Eilverfahren nicht ermittelt werden, ob im Falle der Antragsteller die Voraussetzungen nach § 9 Abs. 5 SGB II gegeben sind, und welche Eigenbemühungen von ihnen verlangt werden können, um ihrer Hilfebedürftigkeit zu begegnen.

3.   Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 12 AS 91/10 B 03.02.2010 rechtskräftig, Beschluss

Auch bei Abtretung der Forderung an das Finanzamt ist Einkommenssteuererstattung bei Zufluss anrechenbares Einkommen.

Dem Antragsteller sind am 15.09.2009 aus einer Einkommenssteuererstattung für 2008 insgesamt 2.953,90 EUR zugeflossen.

Dieser Zufluss kann nicht mit Blick auf die vorgetragene Abtretung der Forderung am 17.01.2008 verneint werden. Denn das zuständige Finanzamt hat den zu erstattenden Steuerbetrag entsprechend dem Steuerbescheid vom 11.09.2009 auf das Konto des Antragstellers geleistet.

Damit ist die Erstattungsforderung gegen das Finanzamt, worauf schon das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat, gemäß § 407 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) untergegangen. Denn es ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass die Abtretung dem Schuldner gegenüber angezeigt wurde oder dieser auf andere Weise davon Kenntnis erlangt hat. Die Erwägung, dass die Erstattungsforderung unmittelbar in der Person des Zessionars, hier also der Frau B, entstanden ist, hindert deren Erlöschen nicht. Der Einkommenszufluss durch diese Leistung, hier in Gestalt der Bankgutschrift, ist dem Zedenten zuzuordnen. In dieser Situation ist der Zessionar auf schuldrechtliche Ausgleichs-ansprüche, insbesondere aus dem der Abtretung zugrunde liegenden Schuldverhältnis, verwiesen (Knerr in: jurisPK-BGB Band 2, 4. Auflage 2008, § 407 BGB Rd. 30).

Schuldrechtliche Ansprüche gegen den Leistungsempfänger sind aber allenfalls dann als einkommensmindernd zu berücksichtigen, wenn diese tituliert sind und die Zwangsvollstreckung unmittelbar droht, Rechtsgedanke des § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Die von der Antragsgegnerin auf der Grundlage dieses Zuflusses vorgenommene Entscheidung, das Einkommen über sechs Monate hinweg zu verteilen, ist ebenfalls nicht zu beanstanden. Dies gilt auch mit Blick darauf, dass der Antragsteller die Hälfte des ihm zugeflossenen Einkommens tatsächlich am 16.09.2009 an seine getrennt lebende Ehefrau weiter überwiesen und einen Betrag von 1.500 EUR bar abgehoben und ausweislich der Quittung vom gleichen Tag an Frau B weiter gegeben hat. Dass der Leistungsempfänger die ihm einmal zugeflossenen Einkünfte entgegen dem Gebot, vor der Befriedigung seiner Gläubiger zunächst seinen eigenen Lebensunterhalt sicherzustellen, einsetzt, ändert an dem Zufluss als Einkommen und damit an der Rechtmäßigkeit der vorgenommenen Einkommensanrechnung nichts (BSG, Urt. v. 30.09.2008 – B 4 AS 29/07 R – Rd 19; LSG NRW, Urt. v. 02.04.2009 – L 9 AS 58/07 -).

Diese höchstrichterliche Sichtweise stellt den Antragsteller nicht völlig schutzlos. Jedenfalls für künftige Zeiträume bis zum Abschluss der Anrechnung (März 2010) hat der Antragsteller die Möglichkeit, nach § 23 Abs. 1 SGB II die Bewilligung eines ergänzenden Darlehens zu beantragen. Die Antragsgegnerin hat sich dieser Möglichkeit auch nicht verschlossen, sondern mit Schriftsatz vom 26.11.2009 selbst darauf hingewiesen. In diesem Zusammenhang ist es dem Antragsteller im übrigen unbenommen, mit der Antragsgegnerin die Aussetzung der Verrechnung von 50,00 EUR zugunsten der Regionaldirektion zu vereinbaren.

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4.   Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 28 AS 847/08 21.10.2009, Urteil

Arbeitslosengeld II; Angemessenheit der Unterkunftskosten; Berliner Mietspiegel 2005 und 2007; Angemessenheitsgrenze für Ein-Personen-Haushalt in Berlin; Bruttokaltmiete; Heizkosten; Größe der Wohnung; Durchschnittswerte der Betriebskosten; Verfassungsmäßigkeit der Regelsätze für Erwachsene

1. Der angemessene Umfang der Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft iS von § 22 SGB 2 ist unabhängig von den Heizkosten zu bestimmen und bezieht sich auf eine Bruttokaltmiete (Nettokaltmiete und kalte Betriebskosten). Die Heizkosten sind im Rahmen der Wirtschaftlichkeit in vollem Umfang abhängig von der abstrakt angemessenen Quadratmeterzahl zu übernehmen.

2. Die Angemessenheit der Nettokaltmiete richtet sich nach der im sozialen Mietwohnungsbau anerkannten Wohnraumgröße und nach dem qualifizierten Mietspiegel des jeweiligen Wohnortes. Die Richtlinien für die Förderung von eigengenutztem Wohnungseigentum sind keine maßgebliche Orientierungsgröße. Es ist vielmehr in Berlin auf die früheren Richtlinien für den öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau abzustellen, bei denen zuletzt Bauprojekte für 1,5 Zimmer-Wohnungen mit einer maximalen Wohnfläche von 45 qm gefördert wurden.

3. Maßgeblich für die Berechnung ist der jeweils zur Verfügung stehende Mietspiegel, auch wenn dieser auf in den Vorjahren erhobenen Daten basiert. Denn Grundlage für die Beurteilung der maßgeblichen Nettokaltmiete kann stets nur ein in dem fraglichen Zeitraum bereits veröffentlichter Mietspiegel sein. Anderenfalls müsste regelmäßig nach Veröffentlichung des neuen Mietspiegels für die Vorjahre eine umfassende Überprüfung der für die Kosten der Unterkunft erbrachten Leistungen erfolgen.

4. Zur Festsetzung des maßgeblichen Quadratmeterpreises ist ein Gesamtmittelwert aus sämtlichen Mittelwerten einer Zeile zu bilden. Weder erscheinen nur einzelne der im Wesentlichen nach Jahren der Bezugsfertigkeit der Wohnungen und ergänzend nach deren Ausstattung mit Sammelheizung und Bad gebildeten Spalten für maßgeblich, noch sind innerhalb der einzelnen Spalten die angegebenen Spannentiefst- oder -höchstwerte als entscheidend anzusehen (entgegen LSG Berlin-Potsdam vom 24.4.2009 – L 32 AS 923/07).

5. Zur Bestimmung der kalten Betriebskosten ist auf den vom Deutschen Mieterbund für die gesamte Bundesrepublik Deutschland ermittelten Betriebskostenspiegel und nicht auf den 4/5 Spannen-Oberwert der im Mietspiegel enthaltenen Betriebskostenübersicht (entgegen LSG Berlin-Potsdam vom 4.4.2008 – L 32 B 458/08 AS ER – sowie vom 9.12.2008 – L 32 B 2223/08 AS ER) zurückzugreifen.

6. Es ist daran festzuhalten, dass die Höhe der Regelleistungen für alleinstehende Erwachsene verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist.

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4.1 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 28 AS 1395/08 21.10.2009, Urteil

Arbeitslosengeld II; Angemessenheit der Unterkunftskosten; Ermittlung der Angemessenheitsgrenze für Zehnpersonenhaushalt anhand des Berliner Mietspiegels 2005; Bruttokaltmiete; Heizkosten; Wohnflächengrenze; Lücken im Wohnsegment des Mietspiegels

1. Der angemessene Umfang der Aufwendungen für die Kosten der Unterkunft iS von § 22 SGB 2 ist unabhängig von den Heizkosten zu bestimmen und bezieht sich auf eine Bruttokaltmiete (Nettokaltmiete und kalte Betriebskosten). Die Heizkosten sind im Rahmen der Wirtschaftlichkeit in vollem Umfang abhängig von der abstrakt angemessenen Quadratmeterzahl zu übernehmen.

2. Die Angemessenheit der Nettokaltmiete richtet sich nach der im sozialen Mietwohnungsbau anerkannten Wohnraumgröße und nach dem qualifizierten Mietspiegel des jeweiligen Wohnortes. Die Richtlinien für die Förderung von eigengenutztem Wohnungseigentum sind keine maßgebliche Orientierungsgröße. Es ist vielmehr in Berlin auf die früheren, zuletzt geltenden Richtlinien für den öffentlich geförderten sozialen Wohnungsbau abzustellen. Bei 10 Personen ist Wohnraum von bis zu 157 m² angemessen.

3. Maßgeblich für die Berechnung ist der jeweils zur Verfügung stehende Mietspiegel, auch wenn dieser auf in den Vorjahren erhobenen Daten basiert. Denn Grundlage für die Beurteilung der maßgeblichen Nettokaltmiete kann stets nur ein in dem fraglichen Zeitraum bereits veröffentlichter Mietspiegel sein. Anderenfalls müsste regelmäßig nach Veröffentlichung des neuen Mietspiegels für die Vorjahre eine umfassende Überprüfung der für die Kosten der Unterkunft erbrachten Leistungen erfolgen.

4. Zur Festsetzung des maßgeblichen Quadratmeterpreises ist ein Gesamtmittelwert aus sämtlichen Mittelwerten einer Zeile zu bilden. Ist die Mietspiegeltabelle in einem bestimmten Bereich lückenhaft, weil in diesem Segment (hier: besonders große Wohnungen in einfacher Wohnlage) grundsätzlich nur wenige Wohnungen zur Verfügung stehen, ist auf das aussagefähigere Wohnsegment (hier: mittlere Wohnlage) abzustellen.

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