Rechtsprechungsticker von Tacheles 13/2010

1.  BSG; Urteil vom 22.03.2010, – B 4 AS 62/09 R –

Nachforderungen auf Mietneben- und Heizkosten, die trotz ordnungsgemäßer Zahlung der vertraglich vereinbarten monatlichen Vorauszahlungen entstehen und vom Vermieter geltend gemacht werden, sind grundsätzlich als gegenwärtiger Bedarf im Sinne von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II anzusehen und nicht etwa als Schulden nur unter den Voraussetzungen des § 22 Abs. 5 SGB II zu übernehmen. Die Nachforderung braucht als Teil der Unterkunftskosten nicht extra beantragt zu werden.

Wie das BSG (vgl Urteile vom 2.7.2009 – B 14 AS 36/08 R und vom 16.5.2007 – B 7b AS 40/06 R) bereits entschieden hat, gehören diese Kosten, die nach regelmäßiger Übernahme der Betriebs- und Heizkostenvorauszahlungen der jeweiligen Monate entstehen, als einmalig geschuldete Zahlungen zum aktuellen Bedarf im Fälligkeitsmonat. Da die Beklagte den Klägern im Zeitpunkt des vom Vermieter bestimmten Fälligkeitstermins der Nachforderung (30.4.2007) laufend Leistungen ua für Unterkunft und Heizung bewilligt hatte, begründete die Nachforderung der Betriebs- und Heizkosten eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse iS des § 48 SGB X. Eines gesonderten Antrags der Kläger auf Übernahme dieser Kosten bedurfte es nicht, weil der Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, welcher der laufenden Bewilligung zu Grunde lag, bereits Kosten für Unterkunft und Heizung umfasste. Mit der Vorlage der Heiz- und Betriebskostennachforderung haben die Kläger die Höhe dieses Bedarfs lediglich weiter konkretisiert.

Der wegen der Nachforderung entstandene Bedarf an tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung iS des § 22 Abs 1 SGB II wandelt sich nicht dadurch zu Mietschulden iS des § 22 Abs 5 SGB II, dass die Kläger die Nachforderung nicht innerhalb der vom Vermieter gesetzten Frist beglichen haben. Ob tatsächliche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung iS des § 22 Abs 1 SGB II oder Schulden iS des § 22 Abs 5 Satz 1 SGB II vorliegen, ist ausgehend von dem Zweck der Leistungen nach dem SGB II zu beurteilen, einen während einer Hilfebedürftigkeit tatsächlich eingetretenen Bedarf zu decken. Bezieht sich die Nachforderung auf einen während der Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II eingetretenen und bisher noch nicht von dem SGB II-Träger gedeckten Bedarf, handelt es sich nicht um Schulden iS des § 22 Abs 5 SGB II.

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Anmerkung: Die Nachforderung braucht als Teil der Unterkunftskosten nicht extra beantragt zu werden. Erhält der SGB II-Träger die Rechnung, nach dem der Bewilligungsbescheid erlassen war, muss er die Nachforderung nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X übernehmen (LSG Sachsen vom 3.4.2008 – L 3 AS 164/07). Nach Ablauf des Bewilligungsbescheides, in dem die Nachforderung fällig wurde, kann deren Übernahme nach LSG Sachsen vom 3.4.2008 – L 3 AS 164/07 mit einem Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X durchgesetzt werden.

Die Übernahme der Leistungen für Unterkunft und Heizung erfolgt in Höhe der "tatsächlichen" Aufwendungen, wenn diese angemessen sind in dem Zeitpunkt, in dem diese anfallen und dies ist der Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung (BSG, Beschluss vom 16.05.2007 – B 7b AS 40/06 R Rn. 9).

1. Nebenkostennachforderungen eines Vermieters im Rahmen einer Jahresabrechnung sind Kosten der Unterkunft und Heizung im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II, nicht Mietschulden im Sinne des § 22 Abs. 5 SGB II. Der entsprechende Bedarf entsteht nicht im Verbrauchszeitraum, sondern erst mit Fälligkeit der Nachforderung.

2. Die Übernahme einer solchen Nachforderung durch den Leistungsträger nach dem SGB II ist im Rahmen des § 44 SGB X auch dann noch möglich, wenn sie erst nach Fälligkeit der Forderung geltend gemacht wird; dem stehen weder § 37 SGB II noch § 60 SGB I entgegen. Insbesondere sind solche Kosten dem Grunde nach von einem Antrag auf laufende Leistungen nach § 37 SGB II umfasst, auch wenn sie der Höhe nach erst nachträglich beziffert werden.

3. Zeitliche Grenzen der rückwirkenden Berücksichtigung solcher Nachforderungen im Rahmen der laufenden Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende ergeben sich lediglich aus § 44 Abs. 4 SGB X, § 195 BGB und § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB. Eine Differenzierung nach Gründen, weswegen die Forderung erst nach ihrer Fälligkeit geltend gemacht wurde (Verschulden, mangelnde Mitwirkung, Verwirkung), ist – außer nach § 44 Abs. 1 Satz 2 SGB X bei vorsätzlichen Falschangaben – nicht zulässig. (Sozialgericht Freiburg S 12 AS 3204/06 01.02.2008 rechtskräftig).

Das Sozialgericht Duisburg hatte mit Beschluss vom 18.09.2007 Az. : S 10 AS 84/07 ER fest gestellt, dass zu den Leistungen für Heizung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB 2 auch die nach dem Ende der Heizperiode fällige Nachzahlung gehört, es handelt sich dabei also nicht um die Übernahme von Schulden.

Bei einer Nebenkostennachforderung, welche während des Bezuges von Arbeitslosengeld II entstanden ist, handelt es sich um laufende Kosten von Unterkunft und Heizung und nicht um Mietschulden im Sinne von § 22 Abs. 5 SGB II (vgl. LSG Nied.-Bremen, Beschluss vom 14.09.2005, Az.: L 8 AS 125/05 ER und Beschluss vom 19.08.2005, Az.: L 7 AS 182/05 ER).

1.1 – BSG ; Urteil vom 22.03.2010, – B 4 AS 69/09 R –

Die Höhe des Zuschusses nach § 22 Abs 7 SGB II bemisst sich nicht allein nach der Differenz zwischen den Unterkunftskosten nach dem SGB II und dem nach dem SGB III zu Grunde zu legenden Unterkunftsbedarf. Es ist vielmehr der ungedeckte Bedarf nach den Vorschriften des SGB II unter Berücksichtigung der Leistung nach dem SGB III einschließlich des dort eingerechneten Unterkunftsbedarfs sowie ggf weiterem Einkommen zu ermitteln. In Höhe des sich ergebenden ungedeckten Bedarfs nach dem SGB II ist der Zuschuss dann – gedeckelt durch die Differenz zwischen Unterkunftsbedarf nach dem SGB II und in der Ausbildungsförderungsleistung enthaltenem Unterkunftsanteil – vom Grundsicherungsträger zu zahlen.

BAB ist als Einkommen bedarfsmindernd zu berücksichtigen. Im Gegensatz zur BAföG-Leistung beinhaltet sie selbst keinen zweckgebundenen ausbildungsbedingten Anteil. Soweit allerdings mit der Berufsausbildungsbeihilfe ausbildungsbedingte Leistungen nach § § 67 ff SGB III (zB Fahrtkosten) erbracht worden sein sollten, wären diese als zweckbestimmte Einnahmen von der Berücksichtigung nach dem SGB II auszunehmen.

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1.2 – BSG, Urteil vom 23.03.2010, – B 14 AS 81/08 R –

Keine einmaligen Leistungen für Mehrbedarfe wegen Kinderkleidung im Wachstumsalter

Ein solcher Anspruch kann weder aus § 23 Abs 3 Nr 2 SGB II (Erstausstattung für Bekleidung als Sonderbedarf) hergeleitet werden noch ist er Bestandteil der nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 9. Februar 2010 verfassungsrechtlich zwingend gebotenen Härtefallregelung. Auch bei Kindern gehört die Notwendigkeit, Kleidungstücke sowohl wegen des Wachstums als auch wegen des erhöhten Verschleißes in kurzen Zeitabschnitten zu ersetzen, zum regelmäßigen Bedarf. Er fällt gerade nicht einmalig, sondern laufend an. Der wachstumsbedingte besondere Aufwand ist als kindspezifischer, regelmäßiger Bedarf mit der Regelleistung abzudecken.
Zwar hat das Bundesverfassungsgericht die Festsetzung der Regelleistung für Kinder als verfassungswidrig angesehen und den Gesetzgeber verpflichtet, alle existenznotwendigen Aufwendungen folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren realitätsnah zu bemessen. Hierfür hat es dem Gesetzgeber jedoch eine Frist bis zum 31. Dezember 2010 eingeräumt. Bis zu diesem Zeitpunkt sind die für Kinder geltenden Regelleistungen weiter maßgebend. Auch soweit das Bundesverfassungsgericht entschieden hat, dass eine Härtefallregelung fehlt, die einen Anspruch zur Deckung eines über den Regelbedarf hinausgehenden unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf einräumt, folgt daraus kein Anspruch der Kläger auf zusätzliche Leistungen wegen vermehrter Bekleidungskosten. Der von den Klägern geltend gemachte Bekleidungsbedarf fällt regelmäßig bei allen Kleinkindern an und stellt deshalb keine besondere Härte dar.

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1.3 – BSG, Urteil vom 23.03.2010, – B 14 AS 1/09 R –

Kosten für vorbereitende Tagesveranstaltungen können zu den Kosten für eine mehrtägige Klassenfahrt zählen.

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Anmerkung: Hartz IV Empfänger haben keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für einen eintägigen Schulausflug so die Vorinstanz
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 7 AS 13/08 20.11.2008,Urteil

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Hier bitte nichts durcheinander bringen, das BSG hat lediglich festgestellt, dass Kosten für vorbereitende Tagesveranstaltungen zu den Kosten für eine mehrtägige Klassenfahrt zählen können.


1.4 – BSG, Urteil vom 23.03.2010, – B 14 AS 6/09 R –

Leistungen für Klassenfahrten sind von dem Antrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II mit umfasst, sodass es keiner gesonderten Antragstellung bedarf. Deshalb kann er grundsätzlich auch im Nachhinein geltend gemacht werden. Ein Antrag vor der Fahrt ist nicht nötig.

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Anmerkung: Sozialgericht Düsseldorf S 28 AS 197/06, Urteil vom 18.08.2008

Die Kosten für eine Klassenfahrt sind von den Leistungen nach dem SGB II mit umfasst, denn nach § 19 Satz 1 Nr. 1 SGB II umfasst das Arbeitslosengeld II Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts einschließlich der angemessenen Kosten der Unterkunft und Heizung. Zu den Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zählen nach Abschnitt 2 ("Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts") des 3. Kapitels des SGB II ("Leistungen") nicht nur die in § 20 SGB II bestimmte Regelleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts sondern auch die in § 23 geregelten Leistungen (vgl Eicher/Spellbrink, aaO, § 23 Rdn. 9).


1.5 – BSG, Urteil vom 23.03.2010, – – B 8 SO 15/08 R –

Es handelt es sich bei dem Ausbildungsgeld nach § 107 Sozialgesetzbuch Drittes Buch – Arbeitsförderung – (SGB III) nicht um eine zweckbestimmte Leistung iS des § 83 Abs 1 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – (SGB XII), sondern um eine solche, die dem Lebensunterhalt des Leistungsempfängers dient; jedoch muss das Ausbildungsgeld in voller Höhe gemäß § 82 Abs 3 Satz 3 SGB XII als Einkommen aus nichtselbständiger Tätigkeit unberücksichtigt bleiben, um eine Ungleichbehandlung mit den behinderten Menschen, die im Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen beschäftigt sind, auszuschließen. Von deren Arbeitsentgelt ist nämlich das Arbeitsförderungsgeld (26 Euro monatlich) von vornherein vom Einkommen abzusetzen (§ 82 Abs 2 Nr 5 SGB XII); darüber hinaus sind 1/8 des Eckregelsatzes zzgl 25 % des diesen Betrag übersteigenden Arbeitsentgelts abzusetzen (§ 82 Abs 3 Satz 2 SGB XII).

Das in der Werkstatt für behinderte Menschen gewährte kostenlose Mittagessen ist als Einkommen leistungsmindernd nicht zu berücksichtigen. Insofern kann nichts anderes gelten als für den Bereich des SGB II, in dem nach der Rechtsprechung der für dieses Rechtsgebiet zuständigen Senate des BSG und der ab 1.1.2008 geltenden Regelung in der Alg-II-VO eine Anrechnung ausdrücklich ausgeschlossen ist. Nach der Rechtsprechung des Senats ist auch keine Absenkung des Regelbedarfs nach § 28 Abs 1 Satz 2 SGB XII gerechtfertigt, weil diese voraussetzen würde, dass die Leistung als Sozialhilfeleistung durch einen Sozialhilfeträger erbracht wird.

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2.   Bayerisches Landessozialgericht L 7 AS 4/10 B ER, Beschluss vom 17.02.2010

Kosten für die Vorbereitung des Grundstücksverkaufs sind von der Hartz IV – Behörde nicht zu übernehmen.

Es handelt sich nicht um laufende Unterkunftskosten nach § 22 Abs. 1 SGB II. Es geht auch nicht um Umzugskosten nach § 22 Abs. 3 SGB II, weil kein Zusammenhang mit einem Umzug in eine andere Wohnung besteht. Es handelt sich ferner nicht um einen unabweisbaren, von der Regelleistung umfassten Bedarf nach § 23 Abs. 1 SGB II, weil die Regelleistung derartige Kosten nicht enthält.

Die geltend gemachten Kosten sind Kosten, die anlässlich der beabsichtigten Verwertung eigenen Vermögens entstehen. Dafür ist im SGB II keine Anspruchsgrundlage ersichtlich. Dies ist systemkonform, weil die Grundsicherung für Arbeitsuchende der Existenzsicherung dient, nicht der Übernahme der Unkosten einer Vermögensverwertung. Diese Unkosten sind regelmäßig aus der Verwertung selbst zu bestreiten.

Auch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09 und 1 BvL 4/09) führt nicht zu Anspruch, weil dort nur für einen unabweisbaren, laufenden, nicht nur einmaligen, besonderen Bedarf ein zusätzlicher Leistungsanspruch festgelegt wurde. Der streitgegenständliche Bedarf ist einmaliger Art.

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Anmerkung: Keine Übernahme der vom Hilfebedürftigen verauslagten Maklercourtage für den Verkauf des Eigenheimes, denn es handelt sich hierbei nicht um Kosten der Wohnungsbeschaffung bzw. des Umzuges im Sinne von § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II (Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 19 AS 61/08, Urteil vom 02.03.2009, bestätigt durch Bundessozialgericht – B 4 AS 28/09 R-, Urteil vom 18.02.2010.

2.1 – Bayerisches Landessozialgericht L 7 AS 41/10 B ER, Urteil vom 29.01.2010

Kosten für einen Personalcomputer müssen aus der Regelleistung angespart werden, es wäre zwar sinnvoll und wünschenswert, einen eigenen PC für die Arbeitssuche benutzen zu können, es sind aber keine Umstände ersichtlich, die dies zu einer erforderlichen Eingliederungsleistung machen könnten (vgl. Wortlaut § 3 Abs. 1 S. 1 und § 14 S. 3 SGB II). Es handelt sich nicht um einen unabweisbaren Existenzbedarf im Sinn von § 23 Abs. 1 SGB II.

Auch Winterreifen und Reparaturen für den Pkw sind kein unabweisbarer Existenzbedarf, zumal der hilfebedürftige im Bereich des Personennahverkehrs M. wohnt. Ein konkretes Angebot einer Arbeitsstelle, für die die Nutzung eines eigenen Pkw unverzichtbar wäre, existiert nicht, so dass auch an eine Leistung zur Eingliederung nach § 16 SGB II nicht zu denken ist.

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Anmerkung: vergleiche dazu auch LSG Bayern, Beschluss vom 14.01.2010, Az.: L 7 AS 376/09 NZB, wonach Umschreibekosten eines KFZ von der Hartz IV – Behörde nicht zu übernehmen sind.

3.   Zitat : Brillen und Zahnersatz fallen nicht unter Härtefallklausel

Die Bundesregierung hat ausgeführt, dass Brillen und Zahnersatz als einmalige Bedarfe nicht unter die Härtefallklausel fallen.

Die Härtefallregelung für Hartz-IV-Bezieher, die das BVerfG angemahnt hatte, soll "zügig auf eine eigenständige gesetzliche Grundlage gestellt werden". Dies schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort (BT-Drs. 17/1070 – PDF, 64 KB) auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion (BT-Drs. 17/825 – PDF, 68 KB) und führt aus, dass die Fälle auf der Grundlage von Erfahrungen der Grundsicherungsstellen vor Ort "zu gegebener Zeit ergänzt werden". Eine abschließende Regelung wäre mit den Vorgaben des BVerfG nicht vereinbar und sei deshalb nicht beabsichtigt, heißt es weiter.

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4.   Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 1 AS 42/08, Urteil vom 23.02.2010

Bei den Kosten für die Ersatzbeschaffung der Möbel handelt es sich nicht um Wohnungsbeschaffungs- oder Umzugskosten.

1. Ein Anspruch auf Erstattung von Kosten für die Anschaffung von Möbeln besteht nicht. Anspruchsgrundlage für den Fall, dass aufgrund eines vom Grundsicherungsträger veranlassten Umzugs Möbel des Hilfebedürftigen unbrauchbar werden und insoweit eine Ersatzbeschaffung notwendig ist, ist § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, S. 2 SGB II (BSG, Urteil vom 1.7.2009 – B 4 AS 77/08 R; anders noch LSG Niedersachsen, Urteil vom 21.2.2006 – L 9 B 37/06; SG Aachen, Beschluss vom 13.2.2007 – S 9 AS 151/06 ER; SG Dresden, Beschluss vom 6.6.2006 – S 213 AS 838/06 ER; wohl auch LSG Niedersachsen, Urteil vom 4.9.2008 – L 13 AS 518/06: Umzugskosten gem. § 22 Abs. 3 SGB II). Nach dieser Vorschrift können nicht nur die Kosten für eine komplette Erstausstattung einer Wohnung geltend gemacht werden, sondern auch solche für die (Ersatz-)Beschaffung einzelner Gegenstände (BSG, Urteil vom 19.9.2008 – B 14 AS 64/07 R). Allerdings hat der Grundsicherungsträger nicht schon dann für die Ausstattungsgegenstände aufzukommen, wenn diese weiterhin funktionsfähig sind, sie ihrem Besitzer jedoch nicht mehr gefallen, oder sie nicht optimal zur neuen Wohnung passen. Ein durch den Grundsicherungsträger veranlasster Umzug kann nicht dazu genutzt werden, sich auf Kosten der Allgemeinheit neu einzurichten. Die Leistungspflicht des Grundsicherungsträgers ist entsprechend dem Ausnahmecharakter der Vorschrift eng begrenzt (BSG, Urteil vom 1.7.2009 – B 4 AS 77/08 R).

2. Kosten der Einzugsrenovierung sind erstattungsfähige Unterkunftskosten nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II. Dagegen handelt es sich bei den Einzugsrenovierungskosten nicht um Wohnungsbeschaffungs- oder Umzugskosten i.S.d. § 22 Abs. 3 S. 1 SGB II, weshalb für deren Erstattung keine vorherige Zusicherung i.S.d. § 22 Abs. 3 S. 1 SGB II erforderlich ist. Ebenso wenig kommt § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 SGB II als Anspruchsgrundlage in Betracht. Einzugsrenovierung ist keine Erstausstattung im Sinne dieser Vorschrift. Schließlich sind Kosten der Einzugsrenovierung nicht bereits durch die Regelleistung nach § 20 Abs. 1 SGB II abgedeckt. Als Kosten der Unterkunft sind Einzugsrenovierungskosten erstattungsfähig, wenn die Einzugsrenovierung mietvertraglich vereinbart worden ist, die Einzugsrenovierung ortsüblich ist, die Renovierung zur Herstellung der Bewohnbarkeit der Wohnung erforderlich sind und die Kosten auch sonst angemessen sind (grundlegend BSG, Urteil vom 16.12.2008 – B 4 AS 49/07 R).

Ob die Kosten der Einzugsrenovierung zu übernehmen sind, richtet sich danach, ob sie zur Herstellung der Bewohnbarkeit der Wohnung aus der vertretbaren Sicht des Hilfebedürftigen erforderlich sind. Insofern hat eine Orientierung am Ausstattungsstandard im unteren Wohnsegment zu erfolgen. Es ist mithin von einem lediglich einfachen Ausstattungsgrad auszugehen. Wenn – wie hier – eine Wohnung ohne Wand- und Fußbodenbelag bezogen wird, gehört eine Ausstattung mit einfachem Wand- und Fußbodenbelag zu den im Rahmen der Einzugsrenovierung erstattungsfähigen Kosten (BSG, Urteil vom 16.12.2008 – B 4 AS 49/07 R; vergl. auch BSG, Urteil vom 17.11.2006 – B 7b AS 10/06 R).

3. Welche Anspruchsgrundlage für die Erstattung von umzugsbedingter Doppelmiete besteht, ist in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt, kann aber vorliegend dahinstehen. Teilweise wird vertreten, die Verpflichtung zur Zahlung von Doppelmiete gehöre zu den erstattungsfähigen Wohnungsbeschaffungskosten gem. § 22 Abs. 3 S. 1 SGB II (LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.1.2007 – L 5 B 1221/06 AS ER; SG Aachen, Beschluss vom 1.2.2008 – S 6 AS 12/08 ER; Piepenstock, in: JURIS-PK § 22 Rnr. 124). Teilweise wird vertreten, die Verpflichtung zur doppelten Mietzahlung gehöre zu den Unterkunftskosten i.S.d. § 22 Abs. 1 SGB II (so wohl LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.9.2009 – L 19 B 39/09 AS).

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4.1 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 19 AS 155/10 B 23.03.2010 rechtskräftig, Beschluss

Bei der Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen des Mehrbedarfszuschlages für Alleinerziehende nach § 20 Abs. 3 SGB II ist auf die tatsächlichen Verhältnisse abzustellen. Es kommt nicht darauf an, wer im rechtlichen Sinne als Inhaber der Personensorge zur Erziehung berechtigt oder verpflichtet ist, sondern wer sich tatsächlich um die Kinder kümmert und an ihrer Erziehung beteiligt ist. Leben Alleinerziehende in einer eheähnlichen Gemeinschaft, so ist alleinige Pflege und Erziehung gegeben, wenn der Partner an der Erziehung nicht wesentlich beteiligt ist; eine gesetzliche Vermutung, dass der Partner sich beteiligt, besteht nicht (z.B. Münder in LPK-SGB II, 3. Aufl., § 21 Rn. 9 m.w.N.).

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4.2 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 12 AS 15/08 03.03.2010, Urteil

Nach § 60 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB I hat derjenige, der Sozialleistungen beantragt, auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers Beweisurkunden vorzulegen. Beweisurkunden in diesem Sinne sind auch die von der Behörde verlangten vollständigen Kontoauszüge der letzten – sechs Monate – vor Antragstellung sowie der Mietvertrag und eine Mietbescheinigung.

Es ist generell nicht zu beanstanden, dass die zuständige Behörde von dem Hilfesuchenden lückenlose Kontoauszüge für die Vergangenheit anfordert. In seiner Entscheidung vom 19.09.2008 – B 14 AS 45/07 – hat das Bundessozialgericht die Anforderung von Kontoauszügen jedenfalls für die letzten drei Monate vor Antragstellung als zumutbar im Sinne des § 65 SGB I erachtet. Dies gilt zunächst mit Blick darauf, dass es der Behörde möglich sein muss, die Voraussetzungen der Sanktionsvorschrift des § 31 Abs. 4 Nr. 1 SGB II zu prüfen, d. h. ob der Hilfebedürftige sein Einkommen oder Vermögen in der Absicht gemindert hat, die Voraussetzungen für die Gewährung oder Erhöhung der Leistungen nach dem SGB II herbeizuführen. Ebenso wichtig ist die Möglichkeit zu erkennen, ob vor Antragstellung regelmäßige Einnahmen zugeflossen sind. Deren Wegfall zum Zeitpunkt der Antragstellung ist ggf. sodann erläuterungsbedürftig. Eine solche Prüfung setzt den einzelnen Betroffenen nicht dem Generalverdacht strafbarer Handlungen aus, sondern ist Ausdruck des Gebots eines wirtschaftlichen und sparsamen Umgangs mit steuerfinanzierten Leistungen. Von daher kann der Entscheidung des Bundessozialgerichts auch nicht mit den Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts vom 12.05.2005 – 1 BvR 569/05 – entgegen getreten werden. Durch die Anforderung von Kontoauszügen für die Vergangenheit wird dem Betroffenen nicht ein in der Vergangenheit an den Tag gelegtes Fehlverhalten entgegen gehalten, um sodann allein hierauf gestützt die gegenwärtige Bedürftigkeit zu verneinen. Die Einsichtnahme in die Kontoauszüge ist vielmehr nur ein Teil der erforderlichen Ermittlungen, welcher anschließend ggf. Ansatzpunkte für weitere Nachfragen bietet.

Das Bundessozialgericht hat in seiner Entscheidung vom 19.09.2008 darauf hingewiesen, dass die Adressaten etwaiger Zahlungsabgänge geschwärzt werden können. Hierdurch soll verhindert werden, dass der Betroffene beispielsweise eine Parteizugehörigkeit aufdecken muss. In zeitlicher Hinsicht ist offen gelassen worden, ob eine Vorlage von Kontoauszügen für die letzten 12 Monate abverlangt werden kann. Jedenfalls kann eine Vorlage für die Vergangenheit nicht unbegrenzt verlangt werden.

Bezüglich des zeitlichen Umfangs der Vorlagepflicht ist festzustellen, dass der Kläger seinen Lebensunterhalt aus einer Vielzahl kleinerer Beschäftigungen und Tätigkeiten bestritten hat. Um sich ein ausreichendes Bild von dieser Erwerbstätigkeit zu machen und die zur Leistungsanstragstellung führenden Veränderungen nachvollziehen zu können, ist eine Verpflichtung zur Vorlage von Auszügen für die zurückliegenden sechs Monate grundsätzlich nicht zu beanstanden.

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4.3 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 19 B 327/09 AS 23.03.2010 rechtskräftig, Beschluss

Bei der Aufteilung einer Einmalzahlung zur Anrechnung über einen längeren Zeitraum ist umstritten, ob und unter welchen Voraussetzungen zu berücksichtigen ist, dass das Einkommen tatsächlich nicht mehr zur Bedarfsdeckung zur Verfügung steht, etwa weil Schulden getilgt worden sind. Nach einer Auffassung wird die Berücksichtigung abgelehnt mit dem Hinweis darauf, dass ansonsten der Hilfebedürftige in der Hand hätte, die Einkommensberücksichtigung nachträglich zu seinen Gunsten zu verändern und die Behörde auf einen – nicht unbedingt zu realisierenden – Anspruch nach § 34 Abs. 1 SGB II zu verweisen (vgl. LSG NRW, Urteil vom 2.04.2009 – L 9 AS 58/07; Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 11 Rdnr. 66). Andererseits wird die Auffassung vertreten, dass eine Anrechnung ein Ende findet, wenn die entsprechenden Mittel, auf deren Verbrauch der Hilfebedürftige angewiesen ist, tatsächlich nicht mehr vorhanden sind (so LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19.11.2007 – L 10 B 1845/07 AS ER).

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5.   SG Karlsruhe Urteil vom 22.2.2010, S 16 AS 3058/09

Bewilligt ein Leistungsträger während des laufenden Verwaltungsverfahrens und in Kenntnis des Bestehens eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld I Leistungen nach dem SGB II, kann eine Aufhebung dieser Bewilligungsentscheidung nach dem Zufluss von Arbeitslosengeld I nicht auf § 48 SGB X gestützt werden.

 

 

 

 

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6.   Sozialgericht Oldenburg S 45 AS 750/09 25.01.2010

1. In dem angeschafften Wasserkocher ist keine Wohnungserstausstattung zu sehen. Auch wenn der Begriff der Erstausstattung nicht zu eng ausgelegt werden darf, so deckt er aber allenfalls diejenigen Gegenstände ab, die für eine geordnete Haushaltsführung und ein menschenwürdiges Wohnen erforderlich sind (vgl. Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 23 Rdnr. 101). In diesem Sinne ist ein Wasserkocher nicht erforderlich, denn Wasser ist durchaus auch in einem Kochtopf auf dem Herd zum Kochen zu bringen, auch wenn dies möglicherweise einen höheren Energieverbrauch hervorruft.

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7.   Sozialgericht Düsseldorf S 10 AS 37/09 22.02.2010, Urteil

Bei Entlassung aus der Strafhaft gezahltes Überbrückungsgeld nach § 51 StVollzG ist als Einkommen i.S.v. § 11 SGB II zu berücksichtigen. Die einmalige Einnahme ist jedoch gemäß dem Gesetzeszweck des § 51 StVollzG nur für die ersten vier Wochen nach der Entlassung als Einkommen zu berücksichtigen und nicht nach § 2 Abs. 4 Satz 3 Alg II-V auf einen längeren Zeitraum aufzuteilen.

Leistungen nach dem SGB II dienen nicht zur Begleichung von Verbindlichkeiten. Im Zeitpunkt der Auszahlung des Einkommens offene Schulden sind nicht vom Einkommen abzusetzen. Abgesehen davon, dass § 6 ALG II-VO idF vom 27.12.2007 i.V.m. § 11 Abs 2 SGB II abschließend regelt, welche Positionen vom Einkommen in Abzug zu bringen sind, bevor es der Aufteilung unterfällt, ist Einkommen zu förderst zur Sicherung des Lebensunterhalts der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft einzusetzen. Für ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gilt dieses selbst dann, wenn es sich dadurch außerstande setzt, bestehende vertragliche Verpflichtungen zu erfüllen (BSG, Urteil vom 30.09.2008 – B 4 AS 29/07 R; LSG NRW, Urteil vom 02.04.2009 – L 9 AS 58/07).

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Anmerkung: Bei dem Überbrückungsgeld im Sinne des § 51 StVollzG handelt es sich um eine Geld-zahlung, die nach Ablauf von 4 Wochen nach Ende der Haftzeit nach § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II als zweckbestimmte Einnahme nicht auf die Leistungen nach dem SGB II durch den Beklagten angerechnet werden kann. (vgl. BVerwG vom 21.06.1990, Az. 5 C 64/86, Sozialgericht Oldenburg S 47 AS 1732/08 20.02.2009, Urteil
Landessozialgericht Baden-Württemberg L 12 AS 5623/08 24.04.2009, Urteil, zum SGBX II Sozialgericht Aachen S 20 SO 20/09 14.07.2009, urteil, Überbrückungsgeld ist auf Grundsicherungsleistungen im Alter anzurechnen.

8.   Anmerkung zu: BSG 4. Senat, Urteil vom 13.05.2009 – B 4 AS 58/08 R

Autor: Dr. Stefan Klaus, Leiter Rechtsbehelfsstelle

Zitat:
Keine Übertragbarkeit des Freibetrages für hilfebedürftiges minderjähriges Kind auf Eltern bei fehlendem Kindesvermögen

Der Grundfreibetrag für jedes hilfebedürftige minderjährige Kind bezieht sich ausschließlich auf das Kind selbst und das bei ihm tatsächlich vorhandene Vermögen.

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Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de