Rechtsprechungsticker von Tacheles 22/2010

1.   BSG, Urteil vom 21.12.2009, B 14 AS 42/08 R

Bezug von Arbeitsmarktrente schließt die Erwerbsfähigkeit nicht aus.

Allein aus der Tatsache, dass ein Hilfeempfänger eine Rente wegen Erwerbsunfähigkeit bezieht, darf nicht geschlussfolgert werden, dass er wegen dieser vorübergehenden Erwerbsminderung die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Sozialgeld erfüllt. Der rentenversicherungsrechtliche Erwerbsunfähigkeitsbegriff ist mit dem grundsicherungsrechtlichen Erwerbs(un)fähigkeitsbegriff nicht deckungsgleich. Anders als im Rentenversicherungsrecht ist in der Grundsicherung für Arbeitsuchende die Verschlossenheit des Teilzeitarbeitsmarktes für die Beurteilung der Erwerbsfähigkeit des Hilfesuchenden grundsätzlich ohne Bedeutung, sodass der Bezug einer sog Arbeitsmarktrente grundsätzlich nicht zum Wegfall der Erwerbsfähigkeit führt.

Bezieher von Sozialgeld können einen Mehrbedarf analog § 30 Abs 1 Satz 2 SGB XII, wie er nunmehr in § 28 Abs 1 Nr 4 SGB II vorgesehen ist, beanspruchen, während ihnen als erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Rahmen ihres Anspruchs auf Alg II ein solcher Mehrbedarf nicht zustände. Die unterschiedliche Behandlung nicht erwerbsfähiger und erwerbsfähiger Hilfebedürftiger verstößt nicht gegen Art 3 Abs 1 GG.

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2.   BVerwG 5 C 7.09 – Urteil vom 27. Mai 2010

Angesparte Grundrente nach dem Opferentschädigungsgesetz ist grundsätzlich kein verwertbares Vermögen.

{1}§ 88 Abs. 3 Satz 1 BSHG = § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII lautet: (3) Die Sozialhilfe darf ferner nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde.

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3.   Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 23 SO 46/10 B ER, Beschluss vom 04.05.2010 rechtskräftig

Laufende und zukünftige Mietkosten können bei Inhaftierung nach den §§ 67 und 68 SGB XII vom Leistungsträger übernommen werden (vgl. Beschluss des Senats vom 05.10.2009 – L 23 SO 109/09 B PKH – ).

Nach § 67 Abs. 1 Satz 1 SGB XII sind Personen, bei denen besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind, Leistungen zur Überwindung dieser Schwierigkeiten zu erbringen, wenn sie aus eigener Kraft hierzu nicht fähig sind. Hieraus ergibt sich ein Rechtsanspruch und nicht nur ein Anspruch auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung (vgl. Grube/Wahrendorf, SGB XII, 2. Aufl., § 67 Rz 4). Der unbestimmte Rechtsbegriff der besonderen Lebensverhältnisse wird in § 1 Abs. 2 der Verordnung zu § 69 SGB XII – Verordnung zur Durchführung der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten – (VO) anhand der dort genannten Beispiele konkretisiert. Danach bestehen besondere Lebensverhältnisse bei Personen, die aus einer geschlossenen Einrichtung entlassen werden. Dies betrifft auch die Entlassung aus der Haft. Dem Inhaftierten kann Obdachlosigkeit drohen, wenn er nicht in seine Wohnung zurückkehren kann. Insoweit ist die Hilfe zur Erhaltung der Wohnung (§ 4 VO) auch präventiv, weil sie im Hinblick auf eine bevorstehende, konkret abzusehende Entlassung erforderlich ist (vgl. Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss v. 17.09.2009 – L 18 SO 111/09 B ER -.

Nach § 1 Abs. 3 VO liegen soziale Schwierigkeiten dann vor, wenn ein Leben in der Gemeinschaft durch ausgrenzendes Verhalten des Hilfesuchenden oder eines Dritten wesentlich eingeschränkt ist, u.a. im Zusammenhang mit Straffälligkeit. Soziale Schwierigkeiten allein und damit Lebensschwierigkeiten allgemeiner Art reichen nicht aus. Die sozialen Schwierigkeiten müssen vielmehr von einer solchen Intensität sein, dass dem Betroffenen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft nicht nur vorübergehend entweder nicht oder nur erheblich eingeschränkt möglich ist (Schoenfeld in Grube/Wahrendorf, SGB XII, Komm., 2. Aufl. § 67 Rn. 10 m.w.N.).

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Anmerkung: Bayerisches Landessozialgericht L 18 SO 111/09 B ER, Beschluss vom 17.09.2009

Nach § 34 Abs 1 Satz 1 SGB XII können Schulden nur übernommen werden, wenn dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist. Sie sollen übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit einzutreten droht (Satz 2). Die Regelung des § 34 Abs 1 SGB XII unterscheidet sich von der bis zum 31.12.2004 geltenden Vorgängervorschrift des § 15a Abs 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) insbesondere dadurch, dass nach § 15a BSHG Hilfe zum Lebensunterhalt in diesen Fällen gewährt werden kann bzw. gewährt werden soll. Obgleich in der Begründung des Gesetzesentwurfes zu § 34 SGB XII ausgeführt wird, dass diese Vorschrift den bisherigen § 15a BSHG inhaltsgleich überträgt (BT-Drucks 15/1514 S 60), bezeichnet § 34 SGB XII einschränkend nur noch Schulden als Gegenstand der Übernahme. Schulden sind in der Vergangenheit entstandene Verbindlichkeiten, die der Leistungsberechtigte zu erfüllen hat. Insoweit unterfallen dem Anwendungsbereich des § 34 SGB XII zwar rückständige Mietschulden, nicht aber zukünftig fällig werdende Mietkosten. Hieraus folgt, dass nach der Regelung des § 34 SGB XII, die sich im Unterschied zu § 15a BSHG ausschließlich auf die Übernahme von Schulden bezieht, eine Übernahme künftiger Mietzahlungen für Personen ausscheidet, die sich im Strafvollzug befinden (Falterbaum in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 34 Rz 7, LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 30.06.2005 – L 20 B 2/05 SO ER). (Rechtsprechungsticker von Tacheles 50/2009)

3.1 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 32 AS 1771/09, Urteil vom 26.03.2010, Revision zugelassen

Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschläge sind als Einkommen zu berücksichtigen.

Bei den Zuschlägen für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit handelt es sich nicht um eine (pauschalierte) Mehraufwandsentschädigung (anderer Auffassung (BSG, Urteil vom 21.03.1990 -7 RAr 86/87-SozR 3-4100 § 138 Nr. 2 mit Bezugnahme auf Urteil vom 21.08.1962 -11 RV 1056/60- SozR Nr. 18 zu § 33 BVG).

Steuerfrei geleistete Zuschläge sind grundsätzlich als Einkommen zu berücksichtigen und nur bei tatsächlich erhöhten Aufwendungen nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 SGB II in Abzug zu bringen.

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Anmerkung : Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 7 AS 81/09, Urteil vom 27.01.2010, Revision anhängig beim BSG – B 14 AS 45/10 R –

LSG Sachsen, Urteil vom 29.10.2009, Az. L 2 AS 99/08, Revision hiergegen anhängig unter B 4 AS 90/09 R.

LSG Sachsen, Urteil vom 29.10.2009, Az. L 2 AS 100/08, Revision hiergegen anhängig unter B 4 AS 89/09 R.

LSG Sachsen, Urteil vom 29.10.2009, Az. L 2 AS 101/08, Revision hiergegen anhängig unter B 4 AS 91/09 R

Steuerfreie Nachtzuschläge sind zweckbestimmte Einnahmen im Sinne von § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II (Rechtsprechungsticker von Tacheles 11/2010)

3.2 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 20 AS 2047/09 B ER, Beschluss vom 10.03.2010, rechtskräftig

Vom Leistungsausschluss des § 7 Abs. 5 SGB II sind nicht solche Personen erfasst, die eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme als Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben in Anspruch nehmen.

Denn diese Personen absolvieren keine Ausbildung i.S. des § 7 Abs. 5 SGB II, sondern nehmen an LTA teil, so dass es auf eine etwaige Förderungsfähigkeit nach den §§ 60 bis 62 SGB III nicht ankommt (vgl. Beschluss des Senats vom 10. März 2009, L 20 AS 47/09 B ER, Rn. 28 ff.).

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4.   Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 7 AS 533/10 B, Beschluss vom 17.05.2010, rechtskräftig

Gewährung von Prozesskostenhilfe für die ungeklärte Rechtsfrage, ob die Rechtsprechung des Bundessozialgericht zur Sozialhilfe, wonach Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach Ablauf eines Bewilligungszeitraumes keinen Folgeantrag voraussetzen (BSG, Urteil vom 29.09.2009, B 8 SO 13/08 R), auch für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II entsprechend herangezogen werden kann.

Ohne Antrag keine Leistungen; zum Erfordernis eines Folgeantrages nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes siehe Link in Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 2. Auflage 2008, § 37 Rn. 19; Hessisches LSG, Urteil vom 18.12.2009, L 7 AS 413/09; LSG NRW, Urteil vom 17.04.2008, L 9 AS 69/07). Für den Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende bedarf es noch einer höchstrichterlichen Entscheidung, da die Entscheidung des BSG vom 28.10.2009 (B 14 AS 56/08 R) nur einen Erstantrag zum Gegenstand hatte.

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Anmerkung: Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 7 B 467/09 AS, Beschluss vom 09.03.2010 rechtskräftig

Ob die Rechtsprechung des Bundessozialgericht zur Sozialhilfe, wonach Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach Ablauf eines Bewilligungszeitraumes keinen Folgeantrag voraussetzen (BSG, Urteil vom 29.09.2009, B 8 SO 13/08 R), auch für die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II entsprechend herangezogen werden kann, ist zweifelhaft (vgl. Dr. Jens Blüggel, in Soziale Sicherheit 5/2009, Seite 193 ff., Ohne Antrag keine Leistungen; zum Erfordernis eines Folgeantrages nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes siehe Link in Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 2. Auflage 2008, § 37 Rn. 19; Hessisches LSG, Urteil vom 18.12.2009, L 7 AS 413/09; LSG NRW, Urteil vom 17.04.2008, L 9 AS 69/07). Für den Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende bedarf es noch einer höchstrichterlichen Entscheidung. (Rechtsprechungsticker von Tacheles 12/2010)

Hessisches Landessozialgericht L 7 AS 413/09 18.12.2009, Urteil, Revision hiergegen anhängig unter B 4 AS 29/10 R.

Hartz IV- Leistungen werden nicht für Zeiten vor Antragstellung gewährt – Dies gilt auch nach Ablauf eines Bewilligungszeitraums – selbst bei vorliegender Bedürftigkeit. (Rechtsprechungsticker von Tacheles 16/2010)

4.1 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 7 AS 107/09, Urteil vom 22.04.2010

Bei Entlassung aus der Strafhaft gezahltes Überbrückungsgeld nach § 51 StVollzG ist als Einkommen i.S.v. § 11 SGB II zu berücksichtigen. Die einmalige Einnahme ist jedoch gemäß dem Gesetzeszweck des § 51 StVollzG nur für die ersten vier Wochen nach der Entlassung als Einkommen zu berücksichtigen.

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Anmerkung: Sozialgericht Düsseldorf S 10 AS 37/09, Urteil vom 22.02.2010,

Bei Entlassung aus der Strafhaft gezahltes Überbrückungsgeld nach § 51 StVollzG ist als Einkommen i.S.v. § 11 SGB II zu berücksichtigen. Die einmalige Einnahme ist jedoch gemäß dem Gesetzeszweck des § 51 StVollzG nur für die ersten vier Wochen nach der Entlassung als Einkommen zu berücksichtigen und nicht nach § 2 Abs. 4 Satz 3 Alg II-V auf einen längeren Zeitraum aufzuteilen.

Leistungen nach dem SGB II dienen nicht zur Begleichung von Verbindlichkeiten. Im Zeitpunkt der Auszahlung des Einkommens offene Schulden sind nicht vom Einkommen abzusetzen. Abgesehen davon, dass § 6 ALG II-VO idF vom 27.12.2007 i.V.m. § 11 Abs 2 SGB II abschließend regelt, welche Positionen vom Einkommen in Abzug zu bringen sind, bevor es der Aufteilung unterfällt, ist Einkommen zu förderst zur Sicherung des Lebensunterhalts der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft einzusetzen. Für ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gilt dieses selbst dann, wenn es sich dadurch außerstande setzt, bestehende vertragliche Verpflichtungen zu erfüllen (BSG, Urteil vom 30.09.2008 – B 4 AS 29/07 R; LSG NRW, Urteil vom 02.04.2009 – L 9 AS 58/07). (Rechtsprechungsticker von Tacheles 13/2010)

Bei dem Überbrückungsgeld im Sinne des § 51 StVollzG handelt es sich um eine Geldzahlung, die nach Ablauf von 4 Wochen nach Ende der Haftzeit nach § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II als zweckbestimmte Einnahme nicht auf die Leistungen nach dem SGB II durch den Leistungsträger angerechnet werden kann. (vgl. BVerwG vom 21.06.1990, Az. 5 C 64/86, Sozialgericht Oldenburg S 47 AS 1732/08, Urteil vom 20.02.2009; Landessozialgericht Baden-Württemberg L 12 AS 5623/08, Urteil vom 24.04.2009, zum SGBX II Sozialgericht Aachen S 20 SO 20/09, Urteil vom 14.07.2009; Überbrückungsgeld ist auf Grundsicherungsleistungen im Alter anzurechnen. (Rechtsprechungsticker von Tacheles 42/2009)

4.2 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 19 AS 504/10 B ER, Beschluss vom 25.05.2010, rechtskräftig

Nach § 7 Abs. 4 S. 2 SGB II erhält keine Leistungen nach dem SGB II, wer sich wie länger als sechs Monate in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung befindet.

Bezüglich der in Rechtsprechung und Schrifttum umstrittenen Frage, ob derjenige, der sich in einer solchen Anstalt befindet, nur dann Leistungen erhalten kann, wenn er, wie dies § 7 Abs. 4 S. 3 Nr. 2 SGB II vorsieht, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens 15 Stunden wöchentlich (tatsächlich) erwerbstätig ist (in diesem Sinne LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 02.01.2007 – L 14 B 948/06 AS ER; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, § 7 Rn 71; a.A., wonach die Möglichkeiten einer solchen Tätigkeit ausreichend sein soll, LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 25.01.2008 – L 12 AS 2544/07 -; Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 7 Rn 65), hat das Bundessozialgericht (BSG) bereits darauf verwiesen, dass die Bestimmungen des § 7 Abs. 4 SGB II funktional im Sinne der bloßen Möglichkeit der Teilnahme am allgemeinen Arbeitsmarkt auszulegen sei. Entsprechendes habe der Gesetzgeber durch Einführung der Bestimmung des § 7 Abs. 4 S. 2 SGB II, der sich nur auf den Normalvollzug beziehe, klargestellt (vgl. BSG, Urt. v. 06.09.2007 – B 14/7 b AS 60/06 R – Rn 16; a.A. SG Leipzig, Urt. v. 27.10.2008 – S 17 AS 3040/07 – Rn 15).

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Anmerkung: LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 02.01.2007 – L 14 B 948/06 AS ER

Freigänger hat Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II.

SG Gießen, vom 01.03.2010, Az. S 29 AS 1053/09, Urteil, anhängig beim Hessischen Landessozialgericht L 9 AS 162/10

Hartz IV – Leistungen trotz Jugendarrest

Auch wer einen Jugendarrest nach dem Jugendgerichtsgesetz (JGG) verbüßt, hat Anspruch auf Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch-Zweites Buch (SGB II). Die Vorschrift des § 7 Abs.4 Satz 2 SGB II, die solche Leistungen bei einer Freiheitsentziehung grundsätzlich ausschließt, gilt hier nicht. (Rechtsprechungsticker von Tacheles 14/2010)

5.   Sozialgericht Köln S 21 SO 199/09, Urteil vom 31.03.2010, Berufung zugelassen

Sozialhilfeträger muss Kosten für ärztlich verordnete Empfängnisverhütung (Implanon).für eine 36- jährige geistig behinderte Betroffene übernehmen.

Denn die Kosten für die Verhütung mittels Hormonstäbchen sind maßgeblich durch die geistige Behinderung bedingt und können im Rahmen der Eingliederungshilfe als behinderungsspezifischer Bedarf übernommen werden, denn im Rahmen der Eingliederungshilfe sind regelmäßig die Kosten (soweit in der Höhe angemessen) zu übernehmen, die zusätzlich durch die Behinderung der Betroffenen entstehen (vgl. Thüringer LSG Beschuss vom 22.12.2008 –L 1 SO 619/08 ER-).

Anspruchsgrundlage für die Übernahme dieses behinderungsspezifischen Bedarfs ist § 54 Abs. 1 SGB XII in Verbindung mit § 55 SGB IX als Auffangnorm (vgl. BSG Urteil 29.9.2009 –B 8 SO 19/08 R-), weil § 55 SGB IX unter Berücksichtigung des umfassenden Förderungspostulats des § 4 SGB IX Teilhabeleistungen mit Schwerpunktbildung im Bereich der interaktiven und alltagspraktischen/elementaren Grundbedürfnissen regelt (Luthe in jurisPK- SGB IX § 55 Rdn. 13). Leistungen zur Befriedigung sozialer Grundbedürfnisse im engeren Lebensumfeld des Betroffenen und zur Verbesserung der Lebensqualität kommen danach in Betracht, wenn sie geeignet sind die Beziehungen des behinderten Menschen zur Gemeinschaft herzustellen, zu stabilisieren oder zu erleichtern. Das liegt hier vor, denn die sichere Verhütungsmethode ist Mittel zum Zweck, nämlich der geistig Behinderten ein selbstbestimmtes Sexualleben in ihrer Ehegemeinschaft zu ermöglichen bzw. zu erleichtern (vgl. § 4 Abs.1 Nr. 4 SGB IX und § 53 Abs. 3 SGB XII).

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Anmerkung: SG Duisburg, Urteil vom 9.9.2008 –S 7 SO 10/07-

42- Jährige geistig behinderte Sozialhilfeempfängerin hat Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Beschaffung des Verhütungsmittels Noristerat. Der Anspruch ergibt sich aus § 49 SGB XII. (Rechtsprechungsticker von Tacheles 44 KW/2008)


6.   Grundsätzliches zu Aufhebung – und Rückforderungsbescheiden

Bei der Bewilligung von Arbeitslosengeld II handelt es sich – wie schon der Verweis in § 40 Abs. 1 Nr. 1 SGB II zeigt – um einen Dauerverwaltungsakt, dessen Bestandskraft nur durch eine gegenläufige Aufhebungsentscheidung durchbrochen werden kann (BSG, Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 30/09 R – Rn. 14; BSG, Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 30/09 R – Rn. 14).

Nach § 40 Abs 1 SGB II iVm § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X ist , soweit in den Verhältnissen, die bei Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Gemäß § 40 Abs 1 Satz 1 SGB II iVm § 330 Abs 3 SGB III ist dabei mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse der Verwaltungsakt aufzuheben, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt hat (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X). Dabei genügt es, dass nicht der Hilfebedürftige selbst, sondern eine andere Person, deren wirtschaftliche Verhältnisse für den Leistungsanspruch rechtserheblich sind, Einkommen oder Vermögen erzielt hat (BSG, Urteil vom 18.02.2010 – B 4 AS 49/09 R -).

Nach § 45 Abs 1 SGB X darf ein unanfechtbarer rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt unter bestimmten weiteren Voraussetzungen ganz oder teilweise zurückgenommen werden. Durch das Wort darf wird der Behörde Rücknahmeermessen eingeräumt (BSG , Urteil vom 23.03.2010 – B 8 SO 12/08 R – ; BSGE 66, 204 ff = SozR 3-1300 § 45 Nr 1 mwN; Schütze in von Wulffen, SGB X, 6. Aufl 2008, § 45 RdNr 88; Waschull in LPK-SGB X, 2. Aufl 2007, § 45 RdNr 57) .

§ 45 SGB X findet Anwendung, wenn der Verwaltungsakt im Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war und deswegen zurückgenommen werden soll; dagegen kommt eine Aufhebung nach § 48 SGB X in Betracht, wenn nach Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung eine wesentliche Änderung in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht eingetreten ist. Beide Normen grenzen sich folglich nach dem Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes, der aufgehoben werden soll, ab (vgl BSGE 96, 285 = SozR 4-4300 § 122 Nr 4 RdNr 13; BSGE 59, 206 = SozR 1300 § 45 Nr 20 S 68 und BSGE 65, 221 = SozR 1300 § 45 Nr 45 S 141) . Erlassen ist ein Verwaltungsakt nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in dem Zeitpunkt, in dem er dem Adressaten bekanntgegeben und damit wirksam wurde (BSG, Urteil vom 16.12.2008 – B 4 AS 48/07 R – Rn. 15 ; BSGE 59, 206 = SozR 1300 § 45 Nr 20 S 68; BSGE 96, 285 = SozR 4-4300 § 122 Nr 4 RdNr 13).

Nach § 39 SGB X wird ein Bescheid erst mit Zugang bzw. Bekanntgabe an den für ihn bestimmten Adressaten wirksam. Wann der Bescheid wirksam zugeht, ist in § 37 SGB X näher geregelt. Die Zugangsvermutung nach § 37 Abs. 2 (drei Tage nach Aufgabe zur Post) ist widerlegbar. Ein Absendevermerk beweist nicht, dass der Bescheid auch tatsächlich zuging. Im Zweifel hat der Sozialleistungsträger den Zugang und den Zeitpunkt des Zugangs zu beweisen und trägt für die Nichtaufklärbarkeit eines früheren oder späteren Zugangs die objektive Beweislast (BSG, Urteil vom 11. 12. 2007 – B 8/9b SO 12/06 R -).

Die Bekanntgabe eines schriftlichen Verwaltungsaktes erfolgt mit dessen Zugang. Unter Anwesenden ist dies die Übergabe des Verwaltungsaktes an den Adressaten. Für die Bekanntgabe unter Abwesenden kommt es in entsprechender Anwendung von § 130 Abs 1 BGB darauf an, wann der Verwaltungsakt so in den Bereich des Empfängers gelangt ist, dass dieser unter normalen Verhältnissen die Möglichkeit hat, vom Inhalt der Erklärung Kenntnis zu nehmen. Tatsächliche Kenntnisnahme ist nicht erforderlich.

Erfolgt zuerst die Bekanntgabe des Verwaltungsaktes und dann der Zufluss auf dem Konto, ist § 48 SGB X heranzuziehen. Ist das Einkommen bereits vor Bekanntgabe des Bescheides zugeflossen, findet § 45 SGB X Anwendung. Erfolgten Bekanntgabe und Zufluss gleichzeitig, ist dies eine Konstellation, die ebenfalls § 45 SGB X unterfällt. Denn dann liegen die – durch den Zufluss herbeigeführten – (tatsächlichen) Verhältnisse bereits im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsaktes vor. § 48 Abs 1 Satz 1 SGB X verlangt hingegen eine spätere Änderung (BSG, Urteil vom 16.12.2008 – B 4 AS 48/07 R – Rn. 16 ; BSGE 74, 287 = SozR 3-1300 § 48 Nr 33 S 67; BSG SozR 3-2600 § 93 Nr 3 S 17).

Im Rahmen eines Rechtsstreits ist die Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen. Dies umfasst auch die Anwendung einer anderen Rechtsnorm, etwa die des § 45 SGB X statt des § 48 SGB X und umgekehrt (st. Rspr. des BSG, vgl. z.B. BSGE 87, 8ff.; vgl. ferner: LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 20.01.2010 – L 18 AS 1272/08 – ; Eicher in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage, 2008, § 40 Rn. 114 mwN).

Allein nicht Klagebegründend ist der Umstand, ob der Verwaltungsakt auf § 45 SGB X oder auf § 48 SGB X gestützt wurde, denn das so genannte Nachschieben von Gründen (richtigerweise: Stützen der Entscheidung auf eine andere Rechtsgrundlage) ist zulässig, soweit der Verwaltungsakt dadurch nicht in seinem Regelungsumfang oder seinem Wesensgehalt verändert oder die Rechtsverteidigung des Betroffenen in nicht zulässiger Weise beeinträchtigt oder erschwert wird (BSGE 29, 129, 132; 87, 8, 12; BSG, Urteil vom 18.9.1997 – 11 RAr 9/97 – RdNr 22; BSG, Urteil vom 25.4.2002 – B 11 AL 69/01 R – RdNr 16 f) . Weil die §§ 45, 48 SGB X auf dasselbe Ziel, nämlich die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, gerichtet sind, ist das Auswechseln dieser Rechtsgrundlagen grundsätzlich zulässig (BSG , Urteil vom 16.12.2008 – B 4 AS 48/07 R – Rn. 17 ).

Macht ein Leistungsempfänger falsche Angaben und erklärt er im Zusammenhang mit der Beantragung von Folgeleistungen, es habe keine wesentlichen Änderungen gegeben, so ist auch dies unrichtig (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.03.2010 – L 5 AS 2340/08 – ; LSG Saarland, Urteil vom 18. Februar 1999 – L 6 AL 6/98, NZS 2000, 102; Vogelgesang in Hauck/Noftz, SGB X, Kommentar, Stand Juli 2008, § 45 Rdnr. 41).

Ohne die unrichtigen Angaben wären die entsprechenden, mangels Vorliegen der Voraussetzungen rechtswidrigen Bescheide nicht erlassen worden, sie waren also ursächlich oder zumindest mitursächlich (vgl. Waschull in Diering/Timme/Waschull, SGB X, Kommentar, 2. Aufl. 2007, § 45 Rdnr. 36).

Nach § 330 Abs. 2 SGB III ist bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X der Verwaltungsakt auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Der Leistungsträger hat danach auch in atypischen Fällen kein Ermessen auszuüben, sondern eine gebundene Entscheidung zu treffen (vgl. BSG, Urteil vom 5. Juni 2003 – B 11 AL 70/02 – ; Niesel, SGB III, Kommentar, 4. Auflage 2007, § 330 Rdnr. 50).

Das Verschulden an der Leistungsüberzahlung ist individuell unter Berücksichtigung des Verständnishorizontes des Bescheidadressaten zu überprüfen. Das gilt auch für die einzelnen Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft , wobei minderjährige Kinder sich das Verschulden der Eltern nach § 166 BGB zurechnen lassen müssen (SG Aachen vom 22. 2. 2008 – S 8 AS 61/07; Geiger: Anforderungen an Aufhebungsbescheide nach §§ 45, 48 SGB X im SGB III und SGB II; info also 2009 Heft ).

Ein Volljähriger in der Bedarfsgemeinschaft lebender Hartz IV Empfänger muss sich nicht das Verschulden seiner Mutter zurechnen lassen, wenn diese bei Antragstellung auf ALG II falsche Angaben gemacht hat , denn die gesetzliche Vertretungsmacht seiner Mutter nach § 1629 BGB und mithin eine Zurechnung nach §§ 166, 278 BGB (zur Anwendung vgl. BSGE 28, 258ff.; 42, 184, 186; 57, 274, 279; Steinwedel in Kasseler Kommentar SGB X § 45 Rn 36, von Wulffen § 45 Rn 59) endete mit der Volljährigkeit. Nach eingetretener Volljährigkeit kann eine Zurechnung des Verschuldens des Vertreters nur im Rahmen einer gewillkürten Vertretung erfolgen (vgl. dazu § 13 SGB X, Udsching/Link Aufhebung von Leistungsbescheiden im SGB II in Die Sozialgerichtsbarkeit 2007 S. 513, 517). § 38 SGB II lässt eine Bevollmächtigungsvermutung nur im Rahmen der Antragsstellung und Entgegennahme von Leistungen zu. Eine darüber hinausgehende, generelle Bevollmächtigungsvermutung kommt der Vorschrift hingegen nicht zu, der Vertretene muss sich ein Verschulden des Vertreters nicht zurechnen lassen (vgl. dazu Udsching/Link Aufhebung von Leistungsbescheiden im SGB II" in "Die Sozialgerichtsbarkeit 2007 S. 513, 517; Eicher/Spellenbrink , 2. Aufl. § 38 Rn 19 (unter ausdrücklicher Aufgabe der in der Vorauflage noch vertretenen anderen Auffassung), LPK Münder/Schoch 2. Aufl. § 38 Rn 17).

Anderer Auffassung Geiger: Anforderungen an Aufhebungsbescheide nach §§ 45, 48 SGB X im SGB III und SGB II; info also 2009 Heft, – Überlässt ein Erwachsener in der BG die Behördenangelegenheiten dem Elternteil oder Partner, hat er nach § 278 BGB für dessen Verschulden einzustehen.

Nach § 39 Nr. 1 SGB II haben Widerspruch und Klage gegen einen Verwaltungsakt, der Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende aufhebt, zurücknimmt, widerruft oder herabsetzt keine aufschiebende Wirkung.

Weder hebt ein Erstattungsbescheid Leistungen auf, noch nimmt er sie zurück, widerruft sie oder setzt sie herab (Löns/Herold-Tews, SGB II, 2. Aufl. 2009, § 39 Rn. 4). Bereits aus dem Wortlaut der Norm ergibt sich, dass Erstattungsbescheide nicht unter die Ausnahmeregelung des § 39 Nr. 1 SGB II fallen. Da es sich bei den in § 39 SGB II geregelten Fällen um Ausnahmen zum gesetzlich geregelten Grundsatz der aufschiebenden Wirkung in § 86 a Abs. 1 S.1 SGG handelt, verbietet sich auch eine erweiterte Auslegung der genannten Tatbestände (Berlit in: Münder, LPK-SGB II, 3. Aufl. 2009, § 39 Rn. 3).

Die aufschiebende Wirkung entfällt im gesamten Sozialrecht nur in seltenen Ausnahmefällen. Im Arbeitsförderungsrecht beispielsweise entfällt sie nur bei der Herabsetzung und dem Entzug laufender Leistungen, also nur für zukunftsorientierte Aufhebung, im Sozialhilferecht überhaupt nicht (Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 39 Rn. 3). Es ist nicht ersichtlich, warum im Bereich der Grundsicherung für Arbeitssuchende das Interesse des Leistungsträgers an einer sofortigen Rückerstattung bereits erbrachter Leistungen das Interesse des (hilfebedürftigen) Leistungsempfängers an dem (vorläufigen) Behalt der zur Existenzsicherung geleisteten Zahlungen überwiegen soll. Diese Erwägungen gelten im gleichen Maß für einen Erstattungsbescheid nach § 50 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) wie für einen solchen nach § 328 Abs. 3 S. 2 SGB III.

Die Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/10810, S. 50 zu Nummer 14) stellt klar, dass der Widerspruch gegen Erstattungsbescheide künftig aufschiebende Wirkung hat, da diese Verwaltungsakte keine Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende regeln. Aus dem Wortlaut des § 39 Nr. 1 SGB II n.F., der Gesetzesbegründung sowie dem Sinn und Zweck des Grundsatzes der aufschiebenden Wirkung von Widersprüchen ergibt sich, dass der Widerspruch gegen Erstattungsbescheide aufschiebende Wirkung entfaltet ( vgl Harald Thome : Ergänzungsblatt zum Leitfaden ALG II , Stand Mai 2010 , Seite 15 ). Dies gilt unabhängig davon, auf welche Rechtsgrundlage sich der Erstattungsbescheid stützt (ausdrücklich bejahend für Erstattungsbescheide nach § 328 Abs. 3 S. 2 SGB III: Conradis in: Münder, SGB II, 3. Aufl. 2009, § 40 Rn. 12).

Widerspruch und Klage gegen Versagungsbescheide ( § 66 SGB I ) haben aufschiebende Wirkung (Landessozialgericht Baden-Württemberg -L 7 AS 304/10 ER-B vom 08.04.2010 ; SG Lüneburg -S 45 AS 4/10 ER – vom 14.01.2010 ; anderer Auffassung LSG NSB vom 08.03.2010 – L 13 AS 34/10 B ER – )

Nach § 39 Nr. 1 SGB II hat ein Widerspruch gegen einen Verwaltungsakt, der unter anderem Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufhebt, zurücknimmt, widerruft oder herabsetzt, keine aufschiebende Wirkung. Mit der Wahl der entsprechenden Begrifflichkeiten macht die Vorschrift deutlich, dass damit die Aufhebungsvorschriften der §§ 45 bis 49 SGB X gemeint sind, die über § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II im Bereich der Grundsicherung für Arbeitssuchende anwendbar sind (Conradis in LPK-SGB II, 3. Auflage, § 39 RdNr. 5).

Ein Entzug von Leistungen wegen fehlender Mitwirkung gem. § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist damit von dem Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nicht erfasst. Die Vorschrift des § 39 Nr. 1 SGB II kann auch nicht erweiternd ausgelegt werden. Dies folgt zum einen nach den allgemeinen Regeln daraus, dass es sich um eine Ausnahmevorschrift handelt, zum anderen daraus, dass die Vorschrift eine Beschränkung des Rechtsschutzes darstellt (LSG Hamburg, Beschluss vom 29.05.2006, Az.: L 5 B 77/06 ER AS; G. Wagner in: jurisPK-SGB II, 2. Auflage 2007, § 39 RdNr. 14; Conradis in LPK-SGB II, 3. Auflage, § 39 RdNrn. 4, 11).

Nach Auffassung des LSG NSB vom 08.03.2010 – L 13 AS 34/10 B ER – haben Widerspruch und Klage gegen Versagungsbescheide – keine – aufschiebende Wirkung, denn auch die Versagung oder Entziehung von Leistungen wegen unterlassener Mitwirkung nach § 66 SGB I stellt eine Entscheidung über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende dar, für die keine aufschiebende Wirkung nach dieser Vorschrift eingreifen soll (vgl. Eicher in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage, München 2008, § 39 Rdn 12; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. vom 29. Juni 2006 – L 9 AS 239/06 ER -).

Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de