Rechtsprechungsticker von Tacheles 24/2010

1.   Entscheidungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

1.1 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 28 AS 1266/08, Urteil vom 30.03.2010, Revision zugelassen

Eine Kostensenkungsaufforderung ist nicht unwirksam, wenn die Arge eine Bruttowarmmiete als angemessen bezeichnet.

Eine Kostensenkung ist allenfalls dann als unmöglich anzusehen, wenn der Grundsicherungsträger dem Hilfeempfänger zur Angemessenheit der Kosten der Unterkunft über die als angemessen angesehene Referenzmiete hinaus unrichtige Richtgrößen (Parameter) mitteilt und der Hilfeempfänger gerade deshalb keine angemessene Wohnung findet (BSG, Urteil vom 19.02.2009 – B 4 AS 30/08 R – Rn. 38).

Die von der Arge benannte Referenzgröße einer Bruttowarmmiete ist im Lichte der neueren Erkenntnisse über die Auslegung von § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II unzutreffend, weil die Heizkosten nicht bei der Festlegung dieser Größe pauschaliert werden dürfen. Jedoch ist der Hilfebedürftige durch die Angabe der aus Sicht der Behörde angemessenen Unterkunftskosten und die über die aus seiner Sicht bestehende Rechtslage grundsätzlich hinreichend informiert worden (vgl BSG, Urteil vom 27.2.2008 – B 14/7b AS 70/06 R, SozR 4-4200 § 22 Nr. 8 Rn 14 f) , denn durch die Angabe der zu hohen Werte ist der Hilfebedürftige nicht in seiner Suche eingeschränkt worden.

Zur Bestimmung der kalten Betriebskosten ist auf den vom Deutschen Mieterbund für die gesamte Bundesrepublik Deutschland ermittelten Betriebskostenspiegel und nicht auf den 4/5 Spannen-Oberwert der im Mietspiegel enthaltenen Betriebskostenübersicht (so jedoch LSG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 04.04.2008 – L 32 B 458/08 AS ER – sowie vom 09.12.2008 – L 32 B 2223/08 AS ER) zurückzugreifen.

In Berlin sind für Bewilligungszeiträume zwischen Januar und Juni 2008 bei einem Einpersonenhaushalt Unterkunftskosten ohne Heizkosten von 283,05 € als angemessen anzusehen.

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Anmerkung: vgl dazu Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 28 AS 2189/08 , Urteil vom 10.09.2009 , Revision anhängig unter – B 14 AS 65/09 R, Rechtsprechungsticker von Tacheles 45/2009.

Der Grundsicherungsträger nach dem SGB II ist auch bei einer bereits bestandskräftigen Kostensenkungsaufforderung verpflichtet weiterhin die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung zu übernehmen, wenn der Hilfebedürftige aus ärztlicher Sicht im Falle eines Wohnungswechsels gravierenden gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt wäre . Dies gilt insbesondere dann, wenn ihm bei einer Ablehnung seines Antrags existenzielle Nachteile drohen, die er aus eigener Kraft nicht imstande ist von sich abzuwenden (vgl LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12.02.2009, Az. L 25 AS 70/09 B ER ).

Eine Familie, die Arbeitslosengeld II bezieht, muss vom Grundsicherungsträger erneut über die Unangemessenheit ihrer Unterkunftskosten belehrt werden, wenn sich ihr Wohnbedarf durch die Geburt eines Kindes erhöht hat (Landessozialgericht Rheinland-Pfalz L 3 AS 80/07, Urteil vom 21.04.2009, rechtskräftig).

In der Regel sind Kostensenkungsbemühungen Hilfebedürftigen zumutbar, da die Senkung der unangemessenen Unterkunftskosten zu den Obliegenheiten eines Hilfebedürftigen gehört (Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 22 Rdz. 55). Eine vom Durchschnitt abweichende besondere Belastungssituation oder besondere Umstände sindt in die Zumutbarkeitsbetrachtung mit einzubeziehen (Berlit in LPK-SGB II, 3. Aufl., § 22 Anm. 65; LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 17.01.2008, L 6 AS 39/07 ; LSG NRW L 19 AS 62/08, Urteil vom 16.02.2009).

2.   SG Koblenz S 16 AS 444/08, Gerichtsbescheid vom 20.05.2010

Eine Kostensenkungsaufforderung ist unwirksam, wenn die Arge eine zu niedrige Referenzmiete benennt.

Einem Hilfebedürftigen sind Kostensenkungsmaßnahmen nur dann möglich, wenn dieser Kenntnis davon hat, dass ihn überhaupt eine entsprechende Obliegenheit trifft (vgl. BSG Urteil vom 19.2.2009 – B 4 AS 30/08 R; BSG, Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 19/09 R). 
Erforderlich ist, dass zumindest die Angabe des angemessenen Mietpreises erfolgt, da dieser nach der Produkttheorie der entscheidende Maßstab zur Beurteilung der Angemessenheit ist (vgl. hierzu auch BSG Urteil vom 7.11.2006 – B 7b AS 18/06 R – BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 3). Diese Mindestanforderung an die Kostensenkungsaufforderung folgt aus der der Vorschrift des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II auch innewohnenden Schutzfunktion (vgl. hierzu BSG Urteil vom 19.9.2008 – B 14 AS 54/07 R).

Eine Kostensenkungsaufforderung ist auch dann unwirksam, wenn eine zu knappe Frist für den Wohnungswechsel gesetzt wurde , denn nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II sind die Aufwendungen für die Unterkunft, wenn sie den angemessenen Umfang übersteigen, so lange zu berücksichtigen, wie es dem Hilfebedürftigen nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel die Kosten zu senken, längstens jedoch für sechs Monate. Bei dieser Frist handelt es sich zwar um eine Regelhöchstfrist und keine strikte Such- und Überlegungsfrist, die der Hilfeempfänger beliebig ausschöpfen könnte. In atypischen Fällen kann damit auch eine kürzere Frist festgelegt oder unter Umständen die Frist auch verlängert werden (vgl. Riepenstock in jurisPK-SGB II, § 22 Anm. 84 , ein Abweichen von dem Sechsmonatszeitraum ist begründungsbedürftig durch die Arge ).

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3.   Landessozialgericht Sachsen-Anhalt L 2 B 94/07 AS ER, Beschluss vom 08.05.2008

Nach Kündigung der Darlehen an die Sparkasse zu entrichtenden Verzugszinsen sind keine Kosten für Unterkunft und Heizung im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II, können aber als Darlehen nach § 22 Abs. 5 SGB II übernommen werden.

Denn Leistungen für Unterkunft und Heizung werden gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Zu den Unterkunftskosten für selbstgenutzte Eigenheime zählen auch Schuldzinsen (vgl. Lang/Link in Eicher /Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 22, Rn. 26; Berlit in LPK-SGB II, 2. Aufl, § 22, Rn. 22; Lauterbach in Gagel, SGB III/SGB II, § 22 SGB II, Rn. 17). Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Schuldzinsen aus Darlehen handelt, die zur Bebauung eines Hausgrundstücks, zur Anschaffung eines Eigenheims oder zur Sanierung oder Modernisierung eines bereits im Eigentum des Darlehensnehmers befindlichen Eigenheims vor dessen Erstbezug aufgenommen worden ist.

Auch die zurückzuerstattenden Darlehen sind keine Kosten für Unterkunft und Heizung, für die nach § 22 Abs. 1 SGB II Leistungen zu erbringen wären.

Die erforderlichen Aufwendungen für eine Reparatur des Daches und der Heizung des selbst bewohnten Eigenheimes sind keine übernahmefähigen Kosten für Unterkunft und Heizung, denn eine Übernahme durch den Leistungsträger ist hier aufgrund der konkreten Situation unangemessen (vgl. Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. August 2007, L 9 B 136/07 AS ER).

Die Übernahme der Verzugszinsen als Darlehen nach § 22 Abs. 5 S. 1 SGB II scheidet aus, weil dies zur Sicherung der Unterkunft nicht gerechtfertigt wäre. Eine Übernahme von Schulden zur Sicherung der Unterkunft ist nur gerechtfertigt, wenn durch die Schuldenübernahme Wohnungslosigkeit abgewendet werden kann (Lang/Link in Eicher/Spellbrink § 22 Rn. 109).

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4.   Sozialgericht Duisburg S 31 AS 490/08, Urteil vom 14.04.2010

Ein regelmäßiger Aufenthalt von Kindern zur Ausübung des Sorge- bzw. Umgangsrechts kann einen Anspruch auf weitere Quadratmeter begründen.

Dies setzt aber eine gewisse zeitliche Erheblichkeit des Aufenthalts voraus, der an den Umfang des Aufenthalts einer weiteren Person über einen ganzen Monat heranreichen muss (vgl. SG Aachen, Urteil vom 19.11.2007, S 14 AS 80/07). Wenn sich beide Kinder zweimal monatlich zwei Tage beim Vater aufhalten, entspricht dies gerade dem Aufenthalt einer Person an acht Tagen des Monats und somit besteht kein Anspruch auf erhöhten Wohnraumbedarf aufgrund des Umgangsrechts.

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Anmerkung: SG Bremen S 23 AS 987/10 ER, Beschluss vom 31.05.2010

Wenn Kinder – die nicht dauernd mit den Hilfebedürftigen zusammenleben – mit einer gewissen Regelmäßigkeit im Haushalt eines hilfebedürftigen Elternteiles übernachten, erhöht sich der Raumbedarf für die Wohnung und damit die Mietobergrenze.

Denn ein Umzug kann notwendig im Sinne von § 22 Abs. 3 SGB II sein, wenn er dazu dient, dass ein nicht mit seiner zweijährigen Tochter zusammenlebender Vater den Kontakt zu dieser intensivieren kann (Rechtsprechungsticker von Tacheles 23/2010 mit weiteren Nachweisen).

5.   Sozialgericht Berlin S 128 AS 11433/08, Urteil vom 22.04.2010

Ein erhöhter Wohnraumbedarf aufgrund des Umgangsrechts für drei oder mehr Personen wird nur dann ausgelöst, wenn auch tatsächlich drei Personen die Wohnung ausschließlich oder ganz überwiegend bewohnen.

Allein daraus, dass weitere Personen zeitweise in die Wohnung aufgenommen werden, folgt nicht automatisch ein ständiger höherer Unterkunftsbedarf. Dies gilt auch dann, wenn ein Elternteil von seinen Kindern im Rahmen der Umgangs- oder Sorgerechtsausübung besucht wird.

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Anmerkung: Sozialgericht Duisburg S 5 AS 93/08, Urteil vom 31.03.2009, rechtskräftig

Aus der besonderen Förderungspflicht des Staates gem. Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz ergibt sich, dass unter der Voraussetzung einer gewissen Regelmäßigkeit und zeitlichen Erheblichkeit der Anwesenheit von Kindern im Haushalt eines hilfebedürftigen Elternteiles – dort ein höherer Anspruch auf Leistungen für Unterkunft bestehen muss (vgl. LSG NRW, Beschluss v. 17.6.2008 – L 20 B 225/07 ER, das bei Wochenendbesuchen von 3 Tagen am Stück alle 14 Tage und zusätzlichen wochenlangen Aufenthalten in den Ferien 50 qm für angemessen hält, vgl. i.ü. SG Aachen, Urteil v. 19.11.2007 – S 14 AS 80/07; SG Duisburg, Beschluss v. 31.10.2007 – S 10 AS 90/07 ER – , Rechtsprechungsticker von Tacheles 19/2009 mit weiteren Nachweisen).

6.   Sozialgericht Berlin S 37 AS 17431/10 ER, Beschluss vom 09.06.2010

Eine Sanktion ist rechtswidrig, weil die besondere Situation, in der sich die Familie befindet, nicht ausreichend beachtet wurde (Rechtsgedanke aus § 25 Abs. 3 BSHG).

Vor allem durch die überlappende Kürzung der dem Antragsteller zugeordneten Unterkunftskosten ist eine personenübergreifende Auswirkung auf die junge Familie nicht auszuschließen.

Die Arge ist verpflichtet, bei einer Sanktionsentscheidung nach § 31 Abs 1 S 5 S 1 SGB 2 zugleich zu prüfen, wie die junge Familie mit Kind ihren Lebensunterhalt sichern kann und vor allem, wie Mietschulden vermieden werden können oder zeitgleich mit der Sanktion zumindest in Höhe des Anteils für die Generalkosten der Haushaltskosten plus der gekürzten Teilhabe eine Kompensation vorzunehmen.

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7.   Sozialgericht Aachen S 14 AS 73/10, Urteil vom 07.06.2010

Die Deckungslücke in den Beitragszahlungen der privat Krankenversicherten Hartz IV-Empfänger stellt eine Systemwidrigkeit im Gefüge des SGB II dar, die bei der Schaffung der Regelungen nicht in dieser Konsequenz gesehen wurde. Es liegt eine planwidrige Regelungslücke vor.

Im allgemeinen liegen Regelungs- bzw Gesetzeslücken nur dann vor, wenn das Gesetz, gemessen an der Regelungsabsicht des Gesetzgebers und der gesetzesimmanenten Zwecke, planwidrig unvollständig ist. Das kann ausnahmsweise auch dann der Fall sein, wenn das Gesetz zwar eine nach ihrem Wortlaut anwendbare Regelung enthält, diese aber nach ihrem Sinn und Zweck nicht passt oder sich in dem System, in dem sie als Teil enthalten ist, als Fremdkörper erweist (vgl. BSG, Urteil vom 21.10.1998, Az. B 9 V 7/98 R). Solche Systemwidrigkeiten können auch nachträglich durch Gesetzesänderungen eintreten.

Die Deckungslücke in den Beitragszahlungen der privat Krankenversicherten stellt eine Systemwidrigkeit im Gefüge des SGB II dar, die bei der Schaffung der Regelungen nicht in dieser Konsequenz gesehen wurde (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.06.2009, Az.: L 2 SO 2529/09 ER-B; SG Gelsenkirchen, Beschluss vom 02.10.2009, Az.: S 31 AS 174/09 ER; SG Bremen, Beschluss vom 21.12.2009, Az. S 23 AS 2415/09 ER; SG Karlsruhe, Urteil vom 10.08.2009, Az. S 5 AS 2121/09; SG Stuttgart, Beschluss vom 13.08.2009, Az. S 9 AS 5003/09 ER; a.A.: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 18.01.2010, Az. L 34 AS 2001/09 B ER; LSG Hamburg, Beschluss vom 19.01.2010, L 5 AS 34/10 B ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 03.12.2009, Az. L 15 AS 1048/09 B ER, das die Regelung insgesamt für verfassungswidrig hält; SG Köln, Beschluss vom 07.01.2010, Az. S 14 AS 256/09 ER; SG Berlin, Beschluss vom 27.11.2009, Az. S 37 AS 31127/09; SG Dresden, Beschluss vom 18.09.2009, Az. S 29 AS 4051/09 ER; offen gelassen: LSG Bayern, Beschluss vom 29.01.2010, Az. L 16 AS 27/10 B ER; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29.01.2010, Az. L 7 B 449/09 AS ER; SG Hildesheim, Beschluss vom 23.07.2009, Az. S 43 AS 730/09 ER).

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Anmerkung : Rechtsanwalt Markus Klinder: Hartz IV- Rechtszersplitterung in Deutschland bei Übernahme von privaten KV-Beiträgen – Weiter keine eindeutige Regelung im SGB II.

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8.   Sozialgericht Düsseldorf S 29 AS 547/10 und S 29 AS 412/10, Urteile vom 12.04.2010

Private Krankenversicherung von Hartz-IV-Empfängern muss in voller Höhe von der Arge übernommen werden.

Dies ergibt sich zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetz, aber aus einer entsprechenden Anwendung von § 26 Abs. 2 Nr. 2 Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II). Danach wird für Bezieher von Arbeitslosengeld II, die freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, für die Dauer des Leistungsbezuges der Beitrag übernommen. Diese Regelung ist auch dann anwendbar, wenn der Hartz-IV-Empfänger privat krankenversichert ist. Denn es bestehe eine mit dem geregelten Fall vergleichbare Interessenlage. Es entspreche der Absicht des Gesetzgebers, für Bezieher von Arbeitslosengeld II umfassenden Krankenversicherungsschutz zu gewährleisten, ohne sie gegen ihren Willen mit Beiträgen zu belasten. Wenn ein Versicherungsschutz in der gesetzlichen Krankenversicherung jedoch ausscheide, müsse auch der private Krankenversicherungsbeitrag voll übernommen werden. Andernfalls würden bei den Betroffenen Beiträge in nicht unerheblicher Höhe auflaufen, so dass das Existenzminimum nicht mehr gewährleistet ist.

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9.   Sozialgericht Aachen S 5 AS 122/09 und S 5 AS 154/09, Urteile vom 19.05.2010

ARGE muss halben Basistarif übernehmen.

Die Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende sind verpflichtet, Hilfebedürftigen einen Zuschuss zur privaten Krankenversicherung (PKV) maximal bis zur Höhe des halbierten Basistarifs zu zahlen.

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10.   Entscheidungen zur Sozialhilfe (SGB XII)

Sozialgericht Aachen S 20 SO 12/10, Urteil vom 01.06.2010

Die Berücksichtigung von Tilgungsraten als Bestandteil der Finanzierungskosten einer vom Hilfebedürftigen selbst genutzten Eigentumswohnung kann vom Grundsicherungsträger bis zur Höhe der angemessenen Kosten einer Mietwohnung als KdU übernommen werden (BSG, Urteil vom 18.06.2008 – B 14/11 b AS 67/06 R).

Der Hilfebedürftige muss nachweisen, dass die Tilgungsraten in der gezahlten Höhe notwendig und unverzichtbar sind, um das Einfamilienhaus weiter benutzen zu können. Werden keinerlei Versuche unternommen, die Tilgungsraten zu senken, können diese Zahlungen nicht als KdU anerkannt werden.

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Anmerkung : Hessisches Landessozialgericht L 6 AS 516/09 B ER, Beschluss vom 12.03.2010, rechtskräftig

Tilgungsleistungen einer selbstgenutzten angemessenen Immobilie sind vom Grundsicherungsträger bis zur Höhe der angemessenen Kosten einer Mietwohnung als Kosten der Unterkunft zu übernehmen, wenn der Hilfebedürftige ansonsten seine Wohnung aufgeben müsste (Rechtsprechungsticker von Tacheles 16/2010 mit weiteren Nachweisen).

11.   Entscheidungen zum Kinderzuschlag (§ 6 a BKGG)

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 1 BK 1/10 B, Beschluss vom 25.05.2010

Geduldeter Asylbewerber hat keinen Anspruch auf Kinderzuschlag, da kein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II besteht.

Ein Anspruch auf Kinderzuschlag setzt gemäß § 6 a Abs. 1 Nr. 4 BKGG voraus, dass durch den Kinderzuschlag Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II vermieden wird. Grundvoraussetzung dafür, dass Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II vermieden wird ist, dass der Anspruchsteller in das Leistungssystem des SGB II fällt, also Bezieher von Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld sein könnte (Schnell, in: Estelmann, SGB II, § 6 a BKGG Rdnr. 52 m. w. N.).

Auf Personen, die bereits dem Grunde nach vom Leistungssystem des SGB II ausgeschlossen sind, kann § 6 a BKGG – auch wenn Anspruch auf Kindergeld besteht – nicht entsprechend angewandt werden. Der Gesetzgeber wollte Asylbewerber von der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II ausnehmen, weil das AsylbLG für sie eine eigenständige und abschließende Regelung zur Sicherung des Lebensunterhaltes trifft (BT-Drucksache 15/1516 S. 52). Zweck des § 6 a BKGG ist, zu verhindern, dass Eltern nur wegen der Unterhaltsbelastung für ihre mit ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Kinder Arbeitslosengeld II und Sozialgeld in Anspruch nehmen müssen (BT-Drucksache 15/1516 S. 83). Mithin greift der Zweck des § 6 a BKGG für Asylbewerber von vornherein nicht.

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12.   Entscheidungen zur Arbeitsförderung (SGB III)

Sozialgericht Karlsruhe S 6 AL 4914/09, Urteil vom 22.04.2010

Bereits bei Antragstellung bestehendes Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG steht einer Verfügbarkeit gemäß § 119 Abs. 5 SGB III nicht zwingend entgegen , denn eine Risikoschwangerschaft führt nicht zwangsläufig zur Arbeitsunfähigkeit.

Eine für alle Arten einer Beschäftigung bestehende krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit führt zum Ausschluss der objektiven Verfügbarkeit i.S. des § 119 Abs. 5 SGB III (Steinmeyer, in: Gagel, SGB III, 36. EL 2009, § 119 SGB III, Rn. 193). Nach § 3 Abs. 1 MuSchG dürfen werdende Mütter nicht beschäftigt werden, soweit nach ärztlichem Zeugnis Leben oder Gesundheit von Mutter oder Kind bei Fortdauer der Beschäftigung gefährdet ist.

Im Sinne der von der Rechtsprechung entwickelten Definition liegt Arbeitsunfähigkeit vor, wenn der Arbeitslose infolge Krankheit überhaupt nicht oder nur auf die Gefahr hin, seinen Zustand zu verschlimmern, fähig ist, seiner bisher ausgeübten Erwerbstätigkeit oder einer ähnlichen Beschäftigung nachzugehen, bzw. die ihm nach dem SGB III zumutbaren Tätigkeiten nicht mehr ausüben kann. Krankheit ist ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf und Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Regelwidrig ist ein Körper- oder Geisteszustand, der vom Leitbild des gesunden Menschen dergestalt abweicht, dass die betreffende Person zur Ausübung der normalen psycho-physischen Funktionen nicht in der Lage ist. Danach ist eine Schwangerschaft auch mit den einhergehenden Beschwerden und Gefährdungen von Mutter und Kind (etwa durch die Arbeit) nicht als Krankheit anzusehen. Das Vorliegen einer Risikoschwangerschaft sagt von der Begrifflichkeit allein noch nichts darüber aus, inwieweit ein ärztliches Beschäftigungsverbot nach § 3 Abs. 1 MuSchG oder die Feststellung krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit indiziert sind. Nur dann, wenn das Risiko auf einer Erkrankung beruht, liegt eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit nahe. Beruht das Risiko auf medizinischen Befunden, ohne dass eine Erkrankung festgestellt werden kann, spricht dies für ein ärztliches Beschäftigungsverbot (LSG Hessen, Urteil vom 20.08.2007, L 9 AL 35/04, Rn. 34 m.w.N.; SG Osnabrück, Urteil vom 26.08.2009, S 16 AL 131/08, Rn. 36 ). 

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13.   Zur Absetzung von Einkommen

Vom Einkommen volljähriger Hilfebedürftiger ist ein Betrag in Höhe von 30 Euro monatlich für die Beiträge zu privaten Versicherungen, die nach Grund und Höhe angemessen sind, gemäß § 11 Abs 2 Nr 3 SGB II als Pauschbetrag abzusetzen (§ 6 Abs 1 Nr 1 Alg II-V ). Diese Pauschale in Höhe von 30 Euro ist ohne jeden Nachweis und von jedem erzielten Einkommen abzuziehen (vgl zuletzt BSG , Urteil vom 21.12.2009 – B 14 AS 42/08 R , RdNr 28 ; BSG, Urteil vom 19. September 2009 – B 14 AS 56/07 R, RdNr 14 mwN und daran anschließend BSG, Urteil vom 13. Mai 2009 – B 4 AS 39/08 R, RdNr 20).

Soweit der pauschale Abzug von Versicherungsbeiträgen vorgeschrieben ist, knüpft diese Privilegierung ausdrücklich an den Zufluss des Einkommens an und ist nicht bedarfsbezogen (etwa für jede Person in der Bedarfsgemeinschaft, für die Versicherungsbeiträge gezahlt werden) zu verstehen . Die Pauschale ist damit lediglich – einmal- vom jeweiligen Einkommen abzusetzen (BSG , Urteil vom 21.12.2009 – B 14 AS 42/08 R , RdNr 28).

Nur Beiträge für Versicherungen im Sinne des § 11 Abs 2 Nr 3 SGB II, die mit der Versicherungspauschale nicht abgegolten sind und die durch konkrete Ausgaben nachgewiesen werden (dazu bereits BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr 3 RdNr 26), können auch dann abgesetzt werden, wenn sie für Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft aufgewendet werden müssen, denen selbst kein (ausreichendes) Einkommen zufließt (vgl etwa BSGE 102, 76 = SozR 4-4200 § 9 Nr 7, jeweils RdNr 26 für Beiträge nach § 11 Abs 2 Nr 3a SGB II zu Gunsten des Partners einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft).

Keine Absetzung von Beiträgen für eine Rechtsschutzversicherung, denn bei einem Bedarf nach Rechtsschutz und bestehender Hilfebedürftigkeit können Ansprüche auf Beratungs- und Prozesskostenhilfe geltend gemacht werden ((vgl. hierzu z.B. BSG, Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 13/08 R, Rn 22).

Aufwendungen für die Kfz-Haftpflichtversicherung sind nach § 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II abzusetzen (vgl. z.B.BSG, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 18/06 R, Rn 26; BSG , Urteil vom 31. Oktober 2007 – B 14/11b AS 7/07 R, Rn 20 und BSG, Urteil vom 17. März 2009 – B 14 AS 63/07 R, Rn 32 ).

Keine Absetzung der jährlichen KFZ-Steuer nach § 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II (BSG, Urteil vom 18. März 2008 – B 8/9b SO 11/06 R, Rn 17).

Eine Vollkaskoversicherung ist nicht als einkommensmindernd im Sinne des § 11 Abs 2 SGB II zu berücksichtigen (BSG, Urteil vom 27.02.2008, B 14/7b AS 32/06 R, Rn 52).

Eine Kraftfahrzeughaftpflicht ist nur absetzbar beim Halter des Fahrzeuges (BSG, Urt. vom 18.03.2008, B 8/9b SO 11/06 R).

Weder gegen die Höhe des Pauschbetrages von 30,- EUR noch gegen die Rechtmäßigkeit der Verordnungsermächtigung in § 13 SGB II bestehen Bedenken (BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 – B 14/7 b AS 32/06 R = SozR 4-4200 § 20 Nr. 6; BSG SozR 4-4200 § 20 Nr. 3). Der Betrag von 30,- EUR nach § 6 Abs 1 Nr 1 Alg II-V deckt damit die Beiträge zu privaten Versicherungen in zulässiger Weise ab, die bei in einfachen Verhältnissen lebenden Bürgern allgemein üblich sind (BSG SozR 4-4200 § 22 Nr 3).

Keine Absetzung von Lebensversicherungsbeiträgen nach § 11 Abs. 2 Nr. 3b SGB II (LSG Berlin-Brandenburg L 18 AS 576/06, Urteil vom 20.01.2010 )

Weitere Infos zur Absetzung von Einkommen im Rechtsprechungsticker von Tacheles 16/2010 Punkt 16.

Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de