Rechtsprechungsticker von Tacheles 25/2010

1.   Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 17.06.2010 zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

BSG, Urteil vom 17.06.2010, – B 14 AS 58/09 R –

Ein Anspruch auf Übernahme von Mietschulden nach § 22 Abs 5 SGB II besteht auch dann, wenn zwischenzeitig die Mietschulden durch Aufnahme eines Darlehens getilgt wurden.

Denn auch Schulden gegenüber einem Dritten, die der Hilfebedürftige eingegangen ist, um drohende Wohnungslosigkeit abzuwenden, können Schulden iS des § 22 Abs 5 SGB II sein. Zweck der Vorschrift ist es, die Übernahme von Schulden ausnahmsweise zu ermöglichen, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft gerechtfertigt ist.

Danach kommt auch die (darlehensweise) Übernahme von Schulden durch den Grundsicherungsträger in Betracht, die durch Aufnahme eines Privatdarlehens entstanden sind, wenn eine Entscheidung des Grundsicherungsträgers über eine Darlehensgewährung nicht mehr rechtzeitig erfolgt oder dieser die Übernahme der Schulden rechtswidrig abgelehnt hatte und die Aufnahme eines Darlehens aus diesem Grund für die Abwendung der Wohnungslosigkeit erforderlich war. Es entspricht allgemeinen Grundsätzen im Sozialrecht, dass die zwischenzeitliche Selbstbeschaffung der begehrten Leistung dem Hilfesuchenden unter dem Gesichtspunkt einer "Zweckverfehlung" der ursprünglich beantragten Leistung nicht entgegengehalten werden kann.

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BSG , Urteil vom 17.06.2010 , – B 14 AS 46/09 R –

Rückzahlungspflichtiges Darlehen von Verwandten kein Einkommen im Sinne des SGB II

Ein Darlehen bleibt nicht nur dann unberücksichtigt, wenn ein Dritter nur deshalb – anstelle des Grundsicherungsträgers und unter Vorbehalt des Erstattungsverlangens – vorläufig eingesprungen ist, weil der Grundsicherungsträger nicht rechtzeitig geholfen oder Hilfe abgelehnt hat.

Maßgeblich ist vielmehr, ob es sich nach Auswertung aller in Betracht kommenden Umstände des Einzelfalls um ein rückzahlungspflichtiges Darlehen oder um eine Zuwendung ohne Rückzahlungsverpflichtung handelt

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Anmerkung : Das VG Potsdam 11 K 2698/04 vom 28.03.2008 hat entschieden, dass auf Hilfen Dritter nicht verwiesen werden dürfe, wenn diese Hilfen nur deshalb erbracht wurden, weil Ansprüche nicht erfüllt wurden (BVerwG, Urt. v. 02.09.1993 – 5 C 50.91 – FEVS 44, 322). Gleiches gelte, wenn sich der Hilfebedürftige durch Einsatz seines Schonvermögens selbst geholfen habe (BVerwG, Urt. v. 05.05.1994 – 5 C 43/91 – FEVS 45, 221).

Quelle : Autor: Dr. Alexander Gagel, Vors. RiBSG a.D.
Erscheinungsdatum: 23.05.2008

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LSG Berlin-Brandenburg L 10 B 545/08 AS ER vom 31.03.2008, wonach unberücksichtigt bleiben die Darlehen der Tante des HB in Höhe von 400,00 Euro bzw 231,56 Euro, da diese zum vorläufigen Ersatz der zu Unrecht ausgebliebenen Zahlung der Arge gewährt wurde (vgl zur Sozialhilfe BVerwGE 94, 127 und BVerwGE 96, 152).

VG Bremen S8 K 57/07 vom 20.07.2007

Nicht als Einkommen i.S.d. § 11 Abs. 1 SGB II zu berücksichtigen sind darlehensweise zufließende Geldmittel, die von vornherein einer Rückzahlungsverpflichtung unterliegen, da sie die Vermögenssituation des Hilfebedürftigen nicht verändern, es sei denn, die Verpflichtung zur Rückzahlung entfällt (vgl. zur Arbeitslosenhilfe BSG, Urteil vom 13.06.1985, Az. 7 Rar 27/84; Urteil vom 08.06.1989, Az. 7 Rar 34/88; zum Wohngeldrecht: BVerwGE 54, 358 [361ff.]; 69, 252ff.). Ein von den Eltern empfangenes Darlehen zur Überbrückung bis der Alg II-Bescheid erlassen ist (hier: ca. 3 Monate) ist nicht als Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 SGB II anzusehen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass die Antragstellerin es selbst versäumt hat, die noch problematischen Punkte zu klären.

SG Berlin S 37 AS 2302/06 vom 29.09.2006

Zuwendungen der Mutter sind nicht als Einkommen im Sinne des § 11 SGB II zu berücksichtigen, wenn sie nur zur Vermeidung einer Notlage des Hilfebedürftigen gewährt werden, insbesondere für die Zeit zwischen Antragstellung und Bewilligung der Leistungen nach dem SGB II durch die Behörde oder bei (teilweiser) Ablehnung der Leistungen. In diesem Fall kann die Behörde die Leistungen nach dem SGB II nicht unter Hinweis auf Leistungen von Dritten zur Überbrückung erbrachte Unterstützung verweigern.

Bayerisches Landessozialgericht L 8 SO 34/05 , Urteil vom 26.10.2007

Hat ein Dritter den Bedarf des Hilfebedürftigen tatsächlich gedeckt, darf dies dem Sozialhilfeanspruch dann nicht entgegengehalten werden, wenn der Dritte die Hilfeleistung – gleichsam an Stelle des Sozialhilfeträgers und unter Vorbehalt des Erstattungsverlangens – nur deshalb erbracht, weil der Träger der Sozialhilfe nicht rechtzeitig geholfen oder Hilfe abgelehnt hat (vgl. BVerwGE 94, 127 – 135 -). Dieser Rechtsprechung liegt die Überzeugung zu Grunde, dass es gegen die gesetzliche Gewährung des Rechtsanspruchs auf Sozialhilfe verstoßen würde, wenn der Hilfebedürftige seinen Anspruch wegen anderweitiger Bedarfsdeckung allein deshalb verlieren würde, weil er die ihm zustehende Hilfe nicht rechtzeitig vom Sozialhilfeträger erhalten hat (BVerwGE 161 – 162 -). Zugleich betont sie die Subjektstellung des auf Sozialhilfe angewiesenen Bürgers. Dieser ist kein Almosenempfänger, sondern Inhaber eines subjektiven öffentlichen Rechts (vgl. BVerwGE 1, 159 – 161 f. -; 5, 27 – 31 -). Dieser Rechtsprechung ist auch unter der Judikatur der Sozialgerichtsbarkeit zu folgen. Sie ist vernünftig.

Die Frage, welche Zeitspanne dem Hilfesuchenden bei der Geltendmachung seines Anspruchs zugemutet werden kann, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu bestimmen. Dabei kann eine sofortige Hilfeleistung nur in Eilfällen erwartet werden (BVerwG vom 30.04.1992, 5 C 12/87).

BSG , Urteil vom 17.06.2010 , – B 14 AS 17/10 R –

Kein Nachschlag für Hartz-IV-Kinder, denn nach der Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 (Az 1 BvL 4/09) bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken mehr dagegen, dass für den hier streitigen Zeitraum vom 1.1. bis 30.4.2005 die Regelleistung der Kinder gemäß § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 1 SGB II mit 207 Euro zutreffend festgesetzt wurde.

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BSG , Urteil vom 17.06.2010 , – B 14 AS 79/09 –

Kosten der Unterkunft im Sinne des SGB II können auch für ein Wohnmobil geltend gemacht werden.

Ein Wohnmobil stellt eine Unterkunft dar, deren Kosten der Grundsicherungsträger dem Grunde nach zu übernehmen hat, soweit sie angemessen sind. Für den Anspruch auf Übernahme der Kosten ist nicht maßgeblich, dass die dauerhafte Nutzung eines Wohnmobils oder Wohnwagens im öffentlichen Straßenraum ordnungsrechtlich als Sondernutzung wohl unzulässig wäre. Das SGB II stellt insofern auf den tatsächlichen Wohnbedarf ab, der im Einzelfall auch durch die Nutzung eines Wohnmobils gedeckt werden kann. Dies gilt bei einer Sondernutzung jedenfalls so lange, wie sie von der Ordnungsbehörde nicht untersagt wird.

Auch Anteile der Kraftfahrzeugsteuer und Haftpflichtversicherung für das Wohnmobil können zu bewilligen sein, hingegegen Kosten für Kraftstoff nicht.

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Anmerkung: Unterkunft im Sinne dieser Vorschrift sind bei tatsächlicher Nutzung aller baulichen Anlagen oder Teile hiervon, die tatsächlich geeignet sind, vor den Unbilden der Witterung zu schützen und ein Mindestmaß an Privatheit einschließlich der Möglichkeiten sicherzustellen persönliche Gegenstände zu verwahren (Berlit in: LPK-SGB II, 3. Aufl. 2009, § 22 Rdnr. 12 m.w.Nw.).

Eine Stellplatzmiete für den Wohnwagen kann auf der Rechtsgrundlage des § 22 Abs. 1 SGB II zu übernehmen sein, denn nach § 22 Abs. 1 SGB II werden dem Hilfebedürftigen Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Unter einer Unterkunft sind dabei alle baulichen Anlagen oder Teile hiervon zu verstehen, die geeignet sind, vor den Unbilden der Witterung zu schützen und einen Raum für Privatheit zu gewährleisten (vgl SG Augsburg S 9 AS 187/09 , Urteil vom 23.03.2009 ; zur Kostenübernahme auf ein Hotelzimmer ; Schlegel/Voelzke, Praxiskommentar zum SGB II, § 22 Rdz. 22 sowie Berlit in: Münder, Sozialgesetzbuch II, 2. Auflage, § 22, Rdnr. 12 und 13 ).

LSG Berlin L 19 B 1700/07 AS ER , Beschluss vom 12.10.2007

Kosten der Unterkunft können nicht beansprucht werden, wenn die Art des Wohnens gegen nicht zur Disposition des Einzelnen stehende öffentlich-rechtliche Vorschriften, die auch dem Schutz der Allgemeinheit dienen, verstößt und zudem eine Ordnungswidrigkeit darstellt.

2.   Entscheidungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

LSG NSB L 6 AS 314/09 B , Beschluss vom 08.01.2010

Begehrt die Hilfebedürftige die Übernahme von Instandsetzungskosten infolge eines Wasserschadens in ihrem Eigenheim als Kosten der Unterkunft, ist sie zur Mitwirkung verpflichtet, denn die Beibringung von Kostenvoranschlägen zur Ermittlung der Kostenhöhe ist zumutbar.

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LSG NSB L 9 AS 267/09 , Urteil vom 27.04.2010 Revision zugelassen

Hartz IV – Empfänger haben Anspruch auf Geld – oder Sachleistungen für die Erstausstattung mit einem gebrauchten Fernsehgerät

Dass die Einrichtung eines Zugangs für den Fernseh- und Radioempfang zum üblichen Wohnstandard gehört, hat das BSG bereits entschieden (vgl. BSG vom 19.02.2009, B 4 AS 48/08 R, Rz. 18 ). Die sog. Ausstattungsdichte in Bezug auf Fernsehgeräte beträgt seit 1998 jedenfalls ca. 93% auch in den Haushalten von Arbeitslosen (so SG Frankfurt, Urteil vom 28. Mai 2009, S 17 AS 388/06, Rz. 25 m.w.N.) bzw. 95% bezogen auf die Gesamtbevölkerung (vgl. BSG vom 19.02.2009, a.a.O.). Um zum Einen eine Ausgrenzung der SGB II – Bezieher zu verhindern und zum Anderen eine durch die Verweisung auf Ansparleistungen oder Darlehen drohende Bedarfsunterdeckung zu vermeiden, ist demnach dann, wenn der Leistungsbezieher sich des Fernsehgeräts zur Informationsbeschaffung und Unterhaltung bedienen will, die Gewährung im Rahmen der Erstausstattung erforderlich.

Im Rahmen der Gewährung der Erstausstattungsleistungen steht es im Ermessen des Grundsicherungsträgers, ob er den Bedarf durch Geld- oder Sachleistung decken will, § 23 Abs. 3 Satz 5 SGB II.

Anmerkung : SG Frankfurt S 17 AS 87/08 , Urteil vom 28.05.2009

Der Anspruch auf Erstausstattung einer Wohnung umfasst gebrauchten Fernseher (Rechtsprechungsticker von Tacheles 32 KW / 2009).


Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht – L 9 SO 5/09 – Urteil vom 09.12.2009, Revision hiergegen anhängig unter B 8 SO 3/10 R
.

Leistungsbezieher nach dem SGB XII haben Anspruch auf die Beschaffung eines Fernsehers im Rahmen der Leistungen zur Erstausstattung für die Wohnung. Es besteht jedoch kein Anspruch darauf, dass die Anschaffung eines Fernsehgerätes als Geldleistung zu gewähren ist (Rechtsprechungsticker von Tacheles 17/2010).

Sächsisches LSG L 3 AS 700/09 B ER , Beschluss vom 05.01.2010

Ein Umzug ist nicht erforderlich im Sinne des § 22 Abs. 2 SGB II, wenn auf Grund einer fristlosen Kündigung des Mietvertrages wegen Mietrückständen noch nicht der Verlust der bisherigen Wohnung bevor steht.

Denn ein Umzug ist erforderlich im Sinne des § 22 Abs. 2 SGB II, wenn er durch einen vernünftigen Grund gerechtfertigt ist, oder mit anderen Worten, wenn ein plausibler, nachvollziehbarer und verständlicher Grund vorliegt, von dem sich auch ein Nichthilfeempfänger leiten lassen würde (vgl. SächsLSG, Beschluss vom 16. April 2008 – L 3 B 136/08 AS-ER – Rdnr. 7; LSG Baden Württemberg, Urteil vom 17. Juli 2008 – L 7 AS 1300/08 – Rdnr. 27, m. w. N; OVG der Freien Hansestadt Bremen, Beschluss vom 24. November 2008 – S 2 B 558/08, S 2 B 559/08 – Rdnr. 12; vgl. Berlit, in: Münder [Hrsg.], SGB II [3. Aufl., 2009], § 22 Rdnr. 84, m. w. N.; Piepenstock, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II [2. Aufl., 2007], § 22 Rdnr. 96, m. w. N.; so auch zur Notwendigkeit eines Umzugs im Sinne von § 29 Abs. 1 Satz 8 SGB XII: SächsLSG, Beschluss vom 26. Oktober 2009 – L 3 B 768/08 SO-ER – Rdnr. 28). Es ist nicht ausreichend, wenn der Umzug lediglich sinnvoll oder wünschenswert ist (vgl. SächsLSG, Beschluss vom 16. April 2008 – L 3 B 136/08 AS-ER – ).

Aus dem Begriff der Erforderlichkeit folgt aber auch, dass ein vernünftiger Grund für den Umzug erst dann anerkannt werden kann, wenn das durch den vorgetragenen Grund definierte Ziel des Umzugs zumutbar nicht auf andere Weise als durch einen Umzug erreicht werden kann (vgl. SächsLSG, Beschluss vom 16. April 2008, a. a. O.; SG Berlin, Beschluss vom 25. Mai 2007 – S 63 AS 10511/07 ER – Rdnr. 5). Dies korrespondiert mit der in § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB II statuierten allgemeinen Obliegenheit des Hilfebedürftigen zur Selbsthilfe. Danach ist der Hilfebedürftige vor einer Leistungsgewährung auf die Ausschöpfung aller zumutbaren Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung seiner Hilfebedürftigkeit zu verweisen. Der Hilfebedürftige soll zu umfassender Eigenaktivität (vgl. Berlit, in: Münder [Hrsg.], SGB II [3. Aufl., 2009], § 2 Rdnr. 8) angehalten werden. Hierzu gehört insbesondere die Verfolgung und Durchsetzung von Ansprüchen gegen andere .

Die fristlose Kündigung begründet nicht die Erforderlichkeit des Umzuges. Zwar ist anerkannt, dass der bevorstehende Verlust der Wohnung einen Umzug erforderlich macht. Die kann beispielsweise der Fall sein, wenn die Räumung bevorsteht (vgl. Berlit, a. a. O., § 22 Rdnr. 84) oder wenn der bisherige Hauptmieter die Wohnung kündigt und dem bisherigen Untermieter kein eigens Nutzungsrecht mehr an der Wohnung zusteht (vgl. SG Dortmund, Urteil vom 20. Oktober 2008 – S 31 AS 282/07 – Rdnr. 14).

Auf Grund einer fristlosen Kündigung des Mietvertrages wegen Mietrückständen steht jedoch noch nicht der Verlust der bisherigen Wohnung bevor. Grundlage für die ausgesprochene fristlose Kündigung wegen der Mietrückstände ist § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a und b BGB i. V. m. § 543 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 BGB. Die Antragstellerin . kann diese Kündigung jedoch zu Fall bringen,.denn nach § 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB wird die Kündigung dann unwirksam, wenn der Vermieter spätestens bis zum Ablauf von zwei Monaten nach Eintritt der Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs hinsichtlich der fälligen Miete und der fälligen Entschädigung nach § 546 Abs. 1 BGB befriedigt wird oder sich eine öffentliche Stelle zur Befriedigung verpflichtet.

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Sächsisches LSG L 3 AS 58/09 , Urteil vom 06.05.2010

Ein Härtefall im Sinne von § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II liegt nicht vor, wenn zuvor ein Teil der Zweitausbildung mit Leistungen nach dem SGB II rechtswidrig gefördert wurde.

Dies stellt insoweit keine Härte dar, die eine solche Förderung bis zum Abschluss der Ausbildung nachziehen muss beziehungsweise einen Anspruch hierauf begründet, wenn auch nur darlehensweise.

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Anmerkung: Sächsisches Landessozialgericht L 7 B 546/08 AS-ER , Beschluss vom 29.05.2009

Es besteht Anspruch auf darlehensweise Gewährung von Leistungen gemäß § 7 Abs. 5 Satz 2 SGB II , wenn die Arge rechtswidrig die Hälfte der Ausbildung der Antragstellerin ohne Abstriche gefördert hat , denn von einem besonderen Härtefall kann ausgegangen werden, wenn der Lebensunterhalt während der Ausbildung durch Förderung auf Grund von BAföG/SGB III – Leistungen oder anderen finanziellen Mittel – sei es Elternunterhalt, Einkommen aus eigener Erwerbstätigkeit oder möglicherweise bisher zu Unrecht gewährte Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts (Vertrauensschutz) – gesichert war, die nun kurz vor Abschluss der Ausbildung entfallen ((BSG, Urteil vom 06.09.2007 -B 14/7b 36/06 R –, Rn. 24).

LSG NRW L 6 AS 21/09 , Beschluss vom 01.12.2009 , Bundessozialgericht B 14 AS 174/09 B vom 19.01.2010

Allein die Unterzeichnung eines Mietvertrages über eine Unterkunft wie vorliegend den Campingwagen begründet als solche weder einen gewöhnlichen noch einen tatsächlichen Aufenthalt, der gemäß § 36 SGB II notwendige Voraussetzung für einen Leistungsanspruch gegen den örtlichen Leistungsträger ist.

Denn den gewöhnlichen Aufenthalt hat jemand dort, wo er sich unter Umständen aufhält, die erkennen lassen, dass er an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt (§ 30 Abs. 3 S. 2 Sozialgesetzbuch Erstes Buch – SGB I). Der Anspruchsteller muss sich an diesem Ort physisch überhaupt aufhalten und hier den Schwerpunkt seiner Lebensverhältnisse haben. Gleiches gilt für den tatsächlichen Aufenthalt ohne dass jedoch eine längere Verweildauer erforderlich ist (Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 36 Rn 16 m.w.N., 21, 27 c).

Dass auch Wohnungslose einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II haben können, führt vorliegend nicht zu einem anderen Ergebnis. Denn auch Wohnungslose haben gem. § 36 SGB II nur gegen den Träger der Grundsicherung einen Leistungsanspruch, in dessen örtlichem Zuständigkeitsbereich sie ihren gewöhnlichen oder tatsächlichen Aufenthalt haben.

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LSG NRW L 7 AS 506/10 B , Beschluss vom 07.06.2010

Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine höchstrichterlich noch ungeklärte Rechtsfrage , ob die Leistungen gemäß § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II auch ohne eine vorherige Zusicherung zu übernehmen sind (vgl. zur Einzugsrenovierung BSG, Urteil vom 16.12.2008, B 4 AS 49/07 R, BSGE 102, 194 ( Rn. 16)), ob es also ausreicht, dass – jedenfalls – die Voraussetzungen für ihre Erteilung vorliegen (vgl. auch BSG, Urteil vom 18.02.2010, B 4 AS 28/09 R, Rn. 23).

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SG Detmold S 26 AS 1145/10 ER , Beschluss vom 08.06.2010

Die Vorlagepflicht von Kontoauszügen für die letzten zwölf Monate im Rahmen der Antragstellung eines Fortbewilligungsantrages auf ALG II unterliegt erheblichen Zweifeln.

Denn das BSG hat ausdrücklich offen gelassen, inwieweit eine Vorlagepflicht von Kontoauszügen für die letzten zwölf Monate noch im Rahmen des § 65 SGB I hinnehmbar wäre (vgl. BSG, Urteil vom 19.09.2008, Az. B 14 AS 45/07 R und BSG, Urteil vom 19.02.2009, Az. B 4 AS 10/08 R).

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SG Dessau-Roßlau S 15 AS 893/05 , Urteil vom 06.11.2008

Verzugszinsen (§§ 288 Abs. 1, 497 Abs. 1 Satz 3 BGB) sind keine Kosten der Unterkunft

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Anmerkung : Landessozialgericht Sachsen-Anhalt L 2 B 94/07 AS ER, Beschluss vom 08.05.2008

Nach Kündigung der Darlehen an die Sparkasse zu entrichtenden Verzugszinsen sind keine Kosten für Unterkunft und Heizung im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II, können aber als Darlehen nach § 22 Abs. 5 SGB II übernommen werden.

Denn Leistungen für Unterkunft und Heizung werden gemäß § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Zu den Unterkunftskosten für selbstgenutzte Eigenheime zählen auch Schuldzinsen (vgl. Lang/Link in Eicher /Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 22, Rn. 26; Berlit in LPK-SGB II, 2. Aufl, § 22, Rn. 22; Lauterbach in Gagel, SGB III/SGB II, § 22 SGB II, Rn. 17). Dabei spielt es keine Rolle, ob es sich um Schuldzinsen aus Darlehen handelt, die zur Bebauung eines Hausgrundstücks, zur Anschaffung eines Eigenheims oder zur Sanierung oder Modernisierung eines bereits im Eigentum des Darlehensnehmers befindlichen Eigenheims vor dessen Erstbezug aufgenommen worden ist.

Auch die zurückzuerstattenden Darlehen sind keine Kosten für Unterkunft und Heizung, für die nach § 22 Abs. 1 SGB II Leistungen zu erbringen wären(Rechtsprechungsticker von Tacheles 24/2010).

SG Braunschweig S 17 AS 3620/09 , Urteil vom 17.03.2010

Prozessbevollmächtigter kann im Widerspruchsverfahren die Vollmacht an die Arge per Telefax übersenden, denn ein Telefax erfüllt das Schriftformerfordernis.

Dieses gilt nach h. M. für die von Einlegung von Rechtsbehelfen und Rechtsmittel (Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 06.12.1988, 9 C 40/87, BVerwGE 81, 32ff. m. w. N.). An die Form einer schriftlichen Vollmacht können keine weitergehenden Anforderungen gestellt werden. Auch eine durch Telefax übermittelte Prozessvollmacht genügt den Anforderungen einer schriftlichen Vollmacht (Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg, Urteil vom 09.11.2006, L 6 SB 1439/06, NZS 2007, 446ff. m.w.N; LSG Berlin, Urteil vom 07.02.1991, L 10 An 21/90, zit. nach juris; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28.09.1989, L 16 KR 41/88, Breith 1990, 95-99, jeweils zu § 73 SGG; a.A. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 23.06.1994, I ZR 106/92, 05.06.1997, III ZR 190/96; Beschluss vom 27.03.2002, III ZB 43/00, zit. nach juris, jeweils zu § 80 der Zivilprozessordnung (ZPO); Bundesfinanzhof, Urteil vom 05.06.2003, III R 38/01, BFH/NV 2004, 489 ff., zu § 62 der Finanzgerichtsordnung (FGO)).

Die von der abweichenden Ansicht vertretene Formstrenge, die es erforderlich macht, die Vollmacht im Original vorzulegen, ist auf das sozialrechtliche Verfahren nicht übertragbar (LSG Baden-Württemberg, a.a.O; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG § 73 Rn 62). Gleiches gilt für das sozialrechtliche Verwaltungsverfahren. Hinzu kommt, dass gemäß § 13 Absatz 1 Satz 3 SGB X die Vollmacht lediglich schriftlich nachzuweisen ist, während gemäß § 73 Absatz 6 SGG und in den entsprechenden Vorschriften der ZPO und der FGO die schriftliche Vollmacht zu den Gerichtsakten zu reichen ist. Zum Nachweis ist das Original nicht zwingend erforderlich (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15.04.2008, L 6 AS 148/08 ER).

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SG Wiesbaden S 23 AS 433/09 , Urteil vom 22.03.2010

Die Rücknahme von Bewilligungsbescheiden nach § 44 Abs 1 SGB 10, mit denen Pauschalen für die Warmwasserbereitung in rechtswidriger Höhe von den Heizkosten des § 22 SGB 2 abgesetzt wurden, ist nach § 40 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB 2 iVm § 330 Abs 1 SGB 3 auch für die Zeit vor der Entscheidung des BSG vom 27.2.2008 – B 14/11b AS 15/07 R- nicht ausgeschlossen .

Die rückwirkende Aufhebung der Bewilligungsbescheide ist nicht gem. § 40 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II in Verbindung mit i. V. m. § 330 Abs. 1 SGB III ausgeschlossen (so SG Dortmund, Urteil vom 26.08.2009, S 27 (22) AS 493/08, anhängig beim BSG unter Az.: B 14 AS 61/09 R).

Warmwasserbereitungskosten sind auch dann nur in dem Umfang, in welchem sie bereits pauschaliert im Regelsatz enthalten sind, kein Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 SGB II, wenn sie zwar separat ausgewiesen an den Vermieter zu leisten sind, sie jedoch nicht nach dem tatsächlichen Verbrauch, sondern als Bruchteil des Gesamtverbrauchs nach dem Wohnflächenanteil zu tragen sind(Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 32 AS 1639/09 , Urteil vom 29.12.2009 , Revision anhängig beim BSG unter – B 14 AS 16/10 R – .

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Anmerkung : Landessozialgericht Berlin-Brandenburg L 25 AS 856/09 04.03.2010 , Urteil

Ein vollständiger Abzug der zu leistenden Vorauszahlungen für die Warmwasserversorgung von den geltend gemachten Kosten der Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II kann nur dann vorgenommen werden, wenn in einem Haushalt technische Vorrichtungen vorhanden sind, die eine isolierte Erfassung der Kosten für Warmwasserbereitung ermöglichen. Denn nur in diesem Fall ist es dem Grundsicherungsempfänger möglich, seinen Warmwasserverbrauch zu steuern (vgl. BSG, Urteil vom 27. Februar 2008 – B 14/11b AS 15/07 R – ; Urteil vom 19. Februar 2009 – B 4 AS 48/08 R –).

Von ALG-II-Leistungen abziehbare Warmwasserkosten können nicht nach Heizkostenverordnung berechnet werden( LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26. Mai 2009 – L 14 AS 1830/08 –; Rechtsprechungsticker von Tacheles 21/2010 mit weiteren Hinweisen).

SG Bremen S 22 AS 965/10 ER , Beschluss vom 01.06.2010

Werden Regelleistung und Kosten der Unterkunft auf Null gekürzt , besteht die Pflicht des Grundsicherungsträgers , die Sanktionsentscheidung mit einer Ermessensentscheidung über eine etwaige Gewährung von ergänzenden Sachleistungen oder geldwerten Leistungen zu verbinden (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 21.04.2010; Az.: L 13 AS 100/10 B ER; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 16.12.2008, Az.: L 10 B 2154/08 AS ER; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.09.2009, Az.: L 7 B 211/09 AS ER).

Eine ausdrückliche und fehlerfreie Ermessensentscheidung über die Leistungsgewährung nach Satz 6 ist im Interesse einer effektiven Sicherung des physischen Existenzminimums insbesondere dann Rechtmäßigkeitsvoraussetzung von Sanktionsentscheidungen, wenn in der Bedarfsgemeinschaft minderjährige Kinder leben (vgl. Berlit in: LPK-SGB II § 31, Rn.107). Unterlässt es der Grundsicherungsträger in diesen Konstellationen von Amts wegen eine Ermessensentscheidung über die Gewährung der Leistungen nach § 31 Abs.3 Satz 6 und 7 SGB II zu treffen, sind die ergangenen Sanktionsbescheide wegen Ermessensausfalls rechtswidrig (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 21.04.2010; Az.: L 13 AS 100/10 B ER).

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Anmerkung : Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen L 13 AS 100/10 B ER vom 21.04.2010, Beschluss

Bei der Kürzung der Regelleistung auf Null bei einem unter 25 – jährigen Hilfebedürftigen besteht die Pflicht der Behörde diese Sanktionsentscheidung mit der Ermessensentscheidung über eine etwaige Gewährung von ergänzenden Sachleistungen oder geldwerten Leistungen zu verbinden, denn bei dieser grundsätzlich als zulässig zu erachtenden – scharfen – Sanktion wird in erheblichem Maße in das Grundrecht des Hilfebedürftigen auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG, s. dazu BVerfG, Urt. vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, 3/09, 4/09 -, NJW 2010, 505 = DVBl. 2010, 314 = FamRZ 2010, 429 -, Rz. 132) eingegriffen und der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in wesentlicher Hinsicht tangiert (Rechtsprechungsticker von Tacheles 20/2010 mit weiteren Hinweisen ).


Entscheidungen zur Sozialhilfe (SGB XII)

LSG Hessen L 7 SO 78/06 , Urteil vom 21.05.2010 . Revision zugelassen

Eine Lebensversicherung ist im Rahmen der Sozialhilfe als Vermögen einzusetzen.

Denn die Rechtsprechung des BSG zum SGB II zur offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit der Verwertung von Kapitallebensversicherungen im Sinne des § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II (vgl BSG, Urteil vom 6. September 2007 – B 14/7b AS 66/06 R – BSGE 99, 77 ff = SozR 4-4200 § 12 Nr. 5) lässt sich nicht eins zu eins auf die Auslegung des Merkmals der Härte im Rahmen des § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII übertragen ((so auch Bayerisches LSG, Beschluss vom 14. Juni 2005 – L 11 B 206/05 SO ER – FEVS 57, 69 ff; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 22. Februar 2008 – L 2 SO 233/08 ER-B – FEVS 59, 572 ff., jeweils m.w.N.; offengelassen BSG, Urteil vom 18. März 2008 – B 8/9b SO 9/06 R – SozR 4-3500 § 90 Nr. 3).

Denn zum einen fehlt in § 90 Abs. 3 SGB XII das als Anknüpfungspunkt der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6 SGB II dienende Merkmal der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit. Zum anderen sollte bei Einführung des SGB XII die bisherige Regelung des § 88 BSHG im Wesentlichen inhaltsgleich in § 90 SGB XII übertragen werden (BT-Drucks. 15/1514 S. 66 zu § 85 des Entwurfs), was auch als Anknüpfung an die bisherige Rechtsprechung verstanden werden kann.

Jedoch legen die aufgezeigten Gesichtspunkte eine vom SGB II abweichende, im SGB XII weitergehende Verwertungsobliegenheit nahe. Dies begründet in Anbetracht des dem Gesetzgeber bei der Ausgestaltung von Sozialleistungen zustehenden Gestaltungsspielraums auch keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz mit der Folge, dass die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Schonung von Vermögen nach dem SGB II uneingeschränkt übertragen werden müsste (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. Mai 2004 – 5 C 3/03 – BVerwGE 121, 34 ff.), zumal sich der Kreis der Leistungsberechtigten nach dem SGB II und nach dem Vierten Kapitel SGB XII im Hinblick auf das das SGB II prägende (vgl. § 1 Abs. 1 SGB II; BT-Drucks. 15/1516 S. 2, 44) Ziel der kurzfristigen Reintegration in den Arbeitsmarkt wesentlich unterscheidet.

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Anmerkung .: LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 12.08.2009, Az. L 8 B 4/07 SO

Eine Lebensversicherung ist im Rahmen von Sozialhilfe als Vermögen einzusetzen.

Denn eine Lebensversicherung ist im Rahmen von geltend gemachten Sozialhilfeansprüchen als Vermögen zu berücksichtigen, da es sich nicht um Kapital im Sinne einer zusätzlichen Altersvorsorge des Einkommensteuergesetzes handelt. Von einer Härte kann nicht schon dann ausgegangen werden, wenn eine angemessene Alterssicherung gefährdet ist, sondern erst, wenn nach Lage des Einzelfalles der Vermögenseinsatz unzumutbar erscheint. Eine solche Unzumutbarkeit liegt gerade nicht vor, sofern bereits aufgrund der Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung der Betroffene oberhalb des Sozialhilfeniveaus abgesichert ist.

LSG NSB L 8 SO 99/09 B ER , Beschluss vom 30.04.2009

Bei Leistungen zur Teilhabe nach den Vorschriften des SGB IX ist die (vorläufige) Zuständigkeit ausschließlich nach § 14 SGB IX bestimmt(vgl Luthe, Anmerkung zum BSG-Urteil vom 26. Oktober 2004 – B 7 AL 16/04 R – in juris PR-SozR 4/2005 Anmerkung 3).

Die Notwendigkeit der ausschließlichen Anwendung des § 14 SGB IX belegt auch der vorliegende Rechtsstreit. Die beteiligten Sozialhilfeträger verweigern die nötige und erforderliche Leistungserbringung wegen jeweils behaupteter Unzuständigkeit; gerade dieser Vorgehensweise sollte durch die Regelung in § 14 SGB IX vorgebeugt werden. Der Zuständigkeitsstreit soll nicht auf dem Rücken der behinderten Menschen ausgetragen werden. Deshalb wird die – vorläufige – Zuständigkeitsregelung konzentriert in § 14 SGB IX. Andere Zuständigkeitsregelungen zur vorläufigen Leistungserbringung sind damit suspendiert, wie zB § 43 SGB I oder § 98 Abs 2 Satz 3 SGB XII, worauf die beteiligten Sozialhilfeträger sich wechselweise berufen.

Die von einigen Gerichten bevorzugte Anwendung des § 43 Abs 1 SGB I führt für den behinderten Menschen nicht zu einer schnelleren und leichteren (vorläufigen) Anspruchserfüllung. Wenn die beteiligten Sozialhilfeträger sich wechselseitig auf ihre fehlende Zuständigkeit berufen – wie der vorliegende Fall belegt -, muss auch bei Anwendung des § 43 SGB I um vorläufigen Rechtsschutz bei Gericht nachgesucht werden. Mithin ist den Sozialhilfeträgern die Einsicht nahe zu bringen, dass bei Leistungen zur Teilhabe nach den Vorschriften des SGB IX die (vorläufige) Zuständigkeit ausschließlich nach § 14 SGB IX bestimmt wird.

Relevante Themen aus dem SGB II bzw. SGB XII – Revisionen anhängig beim BSG

LSG NRW L 20 SO 91/06 ,Urteil vom vom 21.01.2008 , Revision hiergegen anhängig unter – B 8 SO 3/09 R-

Zählen Kapitallebensversicherungen, die bei selbstständiger Tätigkeit im Geschäftsleben als Sicherheit dienen können, zu den für die Fortsetzung der Erwerbstätigkeit unentbehrlichen Gegenständen im Sinne des § 88 Abs 2 Nr 4 BSHG oder kann deren Verwertung eine Härte iS des § 88 Abs 3 BSHG darstellen, obwohl das Rentenalter noch nicht bevorsteht und die Beitragszahlungen die Rückkaufswerte nicht um mehr als 10% übersteigen.

LSG Chemnitz L 3 SO 9/08 , Urteil vom 16.04.2009 , Revision hiergegen anhängig unter – B 8 SO 15/09 R –

Ist die Verwertung einer privaten Rentenversicherung, deren Rückkaufswert die Summe der eingezahlten Beiträge um ca 41% unterschreitet, offensichtlich unwirtschaftlich und stellt sie somit eine Härte iS von § 90 Abs 3 S 1 SGB 12 dar?

Anmerkung : Pressemitteilung des Sächsischen LSG vom 14.08.2009 zur Auslegung des Begriffs der Härte nach § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII .

Das Sächsische LSG hat entschieden, dass die Verwertung einer nicht zertifizierten und nicht staatlich geförderten privaten Rentenversicherung für einen Sozialhilfeempfänger eine Härte im Sinne von 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII darstellen kann.

Dies gelte jedenfalls für den Fall, wenn die Verwertung als offensichtlich unwirtschaftlich anzusehen ist.

Im konkreten Fall hatte der Sozialhilfeempfänger insgesamt rund 5.900 € an Beiträgen an den Rentenversicherer gezahlt. Der Rückkaufwert sollte lediglich rund 3.500 € betragen.

Nach Auffassung des Landessozialgerichts ist ein derart erheblicher Verlust im Falle einer Verwertung dem Sozialhilfeempfänger nicht zuzumuten. Eine offensichtlich unwirtschaftliche Vermögensverwertung liege jedenfalls dann vor, wenn die Verwertung einer Rentenversicherung zu einem Verlust von über 40% führen würde.

Das Gericht hat die Revision zum BSG zugelassen, da zur Auslegung des Begriffs der "Härte" nach § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII (insbesondere in Fällen einer Unwirtschaftlichkeit der Verwertung) noch keine höchstrichterliche Rechtsprechung existiert.

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Nennenswerte Aufsätze bzw. Informationen zum SGB II

Fragen und Antworten zu Hartz IV, ein Beitrag vom Nomos – Verlag .

Zitat : Alg II-V § 6 Abs. 1 SGB II § 11 Abs. 1 S. 3

Können auch minderjährige Kinder die Versicherungspauschale iHv 30 € monatlich geltend machen?
Ja, und zwar ab dem 1. August 2009 aber nur dann, wenn sie tatsächlich eine Versicherung abgeschlossen haben (§ 6 Abs. 1 Nr.2 Alg II-V).
Zur Anrechnung des Kindergeldes und der Folgen der Anrechnung der Versicherungspauschale ist zu beachten, dass das Einkommen der Kinder nicht in die horizontale Einkommensanrechnung einbezogen wird.
Vgl. dazu Zimmermann, Das Hartz-IV-Mandat, Baden-Baden 2010, § 2 Rn. 62 ff.

www.hartz4.nomos.de

Anmerkung zu: BSG 4. Senat, Urteil vom 03.03.2009 – B 4 AS 47/08 R
Autor: Astrid Radüge, Ri’inLSG
Erscheinungsdatum: 17.06.2010
Quelle:
Normen: § 11 SGB 2, § 138 AFG, § 194 SGB 3, § 2 AlgIIV 2008, § 6 AlgIIV 2008
Fundstelle: jurisPR-SozR 12/2010 Anm. 1

Berücksichtigungsfähiges Einkommen bei Abfindungszahlungen aus arbeitsgerichtlichem Vergleich

Leitsatz

Die in einem arbeitsgerichtlichen Vergleich vereinbarte Abfindung wegen Verlustes des Arbeitsplatzes ist, wenn die Abfindungszahlung während des Bezugs von Grundsicherungsleistungen erfolgt, beim Arbeitslosengeld II als Einkommen leistungsmindernd zu berücksichtigen.

www.juris.de

 
Der einstweilige gerichtliche Rechtsschutz bei Streitigkeiten nach dem SGB II – Bilanz und Perspektiven der sozialgerichtlichen Rechtsprechung .

Aufsatz von Dirk Hölzer, abgedruckt in 03/2010 Info also

www.info-also.nomos.de (pdf)

 

Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de