BSG, Urteil vom 22.03.2010, – B 4 AS 68/09 R –
§ 31 Abs 1 Nr 1 Buchst c SGB II kommt als Rechtsgrundlage für eine Absenkung des Arbeitslosengeldes II nicht in Betracht, wenn es an einer Rechtsfolgenbelehrung fehlt. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine Arbeitgeberkündigung fällt nicht unter den Begriff des Fortführens einer Arbeit durch den erwerbsfähigen Hilfebedürftigen im Sinne dieses Sanktionstatbestandes. Eine Arbeitgeberkündigung kann aber nach § 31 Abs 4 Nr 3 Buchst b SGB II einen Kürzungstatbestand begründen.
Eine Weigerung, eine Arbeit fortzuführen, liegt nur vor, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige selbst kündigt, einen Aufhebungsvertrag schließt oder die abhängige oder selbständige Tätigkeit einfach aufgibt. Dass der Gesetzgeber zwischen einer (aktiven) Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses durch den Hilfebedürftigen und dessen Beendigung durch den Arbeitgeber wegen des Verhaltens des Hilfebedürftigen unterscheidet, ergibt sich auch aus dem weiteren Absenkungstatbestand des § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB II, der bei Teilnahme an einer Eingliederungsmaßnahme eine Absenkung des Alg II ausdrücklich auch dann vorsieht, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige Anlass für den Abbruch gegeben hat. Auch im Sperrzeitenrecht des SGB III (§ 144 Abs 1 Satz 2 Nr 1) hat der Gesetzgeber für die Fallgestaltungen der Arbeitsaufgabe gesondert den Sachverhalt aufgenommen, dass der Arbeitslose "durch ein arbeitsvertragswidriges Verhalten Anlass für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses gegeben hat.
Eine Arbeitgeberkündigung kann aber nach § 31 Abs 4 Nr 3 Buchst b SGB II einen Kürzungstatbestand begründen, weil diese Regelung auf die vorliegende Konstellation anwendbar ist. Nach § 31 Abs 4 Nr 3 Buchst b SGB II gelten die Absätze 1 bis 3 entsprechend bei einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen, der die in dem Dritten Buch genannten Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit erfüllt, die das Ruhen oder Erlöschen eines Anspruchs auf Alg begründen. Damit ist Bezug genommen ua auf § 144 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB III, demzufolge eine Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe eintritt, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat. Im Unterschied zu § 31 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Buchst c SGB II erfordert § 31 Abs 4 Nr 3 Buchst b SGB II für den Eintritt der Sperrzeit keine vorherige Rechtsfolgenbelehrung.
Die Heranziehung des § 31 Abs 4 Nr 3 Buchst b SGB II setzt im Sinne von einschränkenden Anwendungsvoraussetzungen voraus, dass das von dem Hilfebedürftigen abverlangte Verhalten nicht bereits von § 31 Abs 1 SGB II erfasst ist und das sperrzeitrelevante Ereignis zum einem Zeitpunkt eintritt, in dem eine Beziehung des Hilfebedürftigen zum Rechtskreis des SGB III vorliegt (BSG, Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 20/09 R – RdNr 24 ).
Vor diesem Hintergrund will § 31 Abs 4 Nr 3 Buchst a SGB II – wie zuvor § 25 Abs 2 Nr 3 Buchst a BSHG – sicherstellen, dass der Ruhens- oder Erlöschenstatbestand wegen einer im Geltungsbereich des SGB III eingetretenen Sperrzeit nicht folgenlos bleibt, wenn zwischenzeitlich ein Anspruch auf Alg II dem Grunde nach entstanden ist (Valgolio in Hauck/Noftz, SGB II, K § 31 RdNr 128, Stand Juli 2007). Ergänzend hierzu ordnet § 31 Abs 4 Nr 3 Buchst b SGB II die entsprechende Geltung des § 144 SGB III für Personen an, die einen Anspruch auf Alg noch nicht erworben haben, aber die Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit erfüllen. Die übereinstimmende Rechtfertigung für die Einbeziehung beider Personengruppen liegt darin, dass sie aufgrund der zurückgelegten Versicherungszeiten zur Arbeitslosenversicherung in einem Sozialversicherungsverhältnis zur Bundesagentur für Arbeit (BA) als SGB III-Trägerin stehen, die sich ihrerseits typisierend gegen den Risikofall der Arbeitslosigkeit zur Wehr setzt, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat oder an deren Behebung er nicht in der gebotenen Weise mitwirkt (vgl hierzu im Einzelnen BSG, Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 20/09 R – RdNr 24 f mwN). Es werden daher diejenigen Beschäftigen erfasst, die in einem für die Anwartschaftszeit für den Anspruch auf Alg nach § 123 SGB III zu berücksichtigenden Versicherungspflichtverhältnis als Beschäftigte gegen Arbeitsentgelt nach § 25 Abs 1 SGB III stehen und nicht als Personen in einer geringfügigen Beschäftigung versicherungsfrei sind (§ 27 Abs 2 SGB III iVm § 8 Abs 1 SGB IV). Besteht lediglich eine versicherungsfreie Beschäftigung, fehlt es an einem durch Beitragszahlung bzw den Aufbau einer Anwartschaft auf Alg vermittelten Sozialversicherungsverhältnis zur BA und damit an einer Beziehung des Hilfebedürftigen zum Rechtskreis des SGB III (vgl auch zur teleologischen Reduktion der Sperrzeitenregelung des § 144 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB III auf versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse Henke/Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, § 144 RdNr 108a, Stand November 2009; Curkovic in NK-SGB III, 3. Aufl 2008, § 144 RdNr 16; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, K § 144 RdNr 31, Stand März 2007).
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2. Entscheidungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
LSG Bayern L 8 AS 136/10 B ER , Beschluss vom 12.04.2010
Eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 a SGB II kann auch im Falle einer räumlichen Trennung bestehen (vgl. Spellbrink in Eicher/Spellbrink Kommentar zum SGB II 2. Auflage 2007, Rz. 41 zu § 7, vgl. auch BSG, Urteil vom 18.02.2010, B 4 AS 49/09 R).
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Anmerkung: BSG, Urteil vom 18.02.2010, B 4 AS 49/09 R
Bei Getrenntleben von Leistungsempfänger und Ehepartner nach der Heirat liegt eine Bedarfsgemeinschaft vor, denn im SGB II ist grundsätzlich den zum familienrechtlichen Begriff des Getrenntlebens entwickelten Grundsätzen zu folgen, nach denen für Konstellationen der vorliegenden Art ein Getrenntleben zu verneinen ist, soweit nicht ein Trennungswille dokumentiert wird. Aus der Systematik des SGB II folgt nicht, dass dem SGB II ein anderer Begriff des Getrenntlebens zugrunde liegt, bei dem auf die Feststellung eines Trennungswillens im Sinne der familienrechtlichen Rechtsprechung verzichtet werden kann (Rechtsprechungsticker von Tacheles 18/2010).
LSG Berlin L 5 AS 457/10 B ER , Beschluss vom 06.05.2010
Bei einer unklaren und im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht zu klärenden Sachlage ist es regelmäßig angemessen und ausreichend, bei einer einstweiligen Anordnung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II nach einer Folgenabwägung nur 80 v. H. der Regelleistung zu berücksichtigen.
Der Abschlag von 20 v. H. der Regelleistung entspricht etwa der Höhe des in der Regelleistung enthaltenen Ansparbetrages für einmalige Bedarfe (vgl. die ausführliche Darstellung der Gesetzesentstehung bei Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 9. Februar 2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09, Rn. 53 ff.). Dementsprechend genügen 80 v. H. der Regelleistung, um den gegenwärtigen Bedarf zu befriedigen und eine Notlage abzuwenden (für einen Abschlag von bis zu sogar 30 v. H.: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 2. Februar 2006 – L 14 B 1157/05 AS ER; für einen Abschlag von 20 v. H.: Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. Januar 2007 – L 7 SO 5672/06 ER-B- ).
Anmerkung: LSG Berlin L 5 AS 797/10 B ER , Beschluss vom 19.05.2010
Werden im Wege der einstweiligen Anordnung zusätzliche Leistungen nach dem SGB II in Höhe von 14 v. H. der Regelleistung geltend gemacht, so liegt regelmäßig kein Anordnungsgrund vor.
LSG Berlin L 5 AS 797/10 B ER , Beschluss vom 19.05.2010
Bei Leistungsklagen ist § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II in der Fassung des Sozialversicherungs-Stabilisierungsgesetzes vom 14. April 2010 auch auf Zeiträume vor In-Kraft-Treten des Sozialversicherungs-Stabilisierungsgesetzes anzuwenden.
LSG Berlin L 5 AS 557/10 B ER , Beschluss vom 02.06.2010
Nach § 22 Abs. 5 SGB II können Schulden übernommen werden, soweit dies zur Sicherung der Unterkunft oder zur Behebung einer vergleichbaren Notlage gerechtfertigt ist und sofern Leistungen für Unterkunft und Heizung erbracht werden. Die Schulden sollen nach S. 2 übernommen werden, wenn dies gerechtfertigt und notwendig ist und sonst Wohnungslosigkeit droht. Wie bereits das Sozialgericht Berlin geht auch der Senat davon aus, dass die Übernahme der Schulden vorliegend nicht gerechtfertigt ist. Bei dem Begriff gerechtfertigt handelt sich um ein Tatbestandsmerkmal, das als unbestimmter Rechtsbegriff der vollen gerichtlichen Überprüfung unterliegt (vgl. Schmidt in: Oestreicher, SGB XII/SGB II, Stand: März 2009, § 22 SGB II Rdnr. 146).
Ob der Antragsteller überhaupt die Übernahme von Mietschulden nach § 22 Abs. 5 SGB II beanspruchen kann, obgleich er lediglich einen Zuschuss zu den ungedeckten Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 7 SGB II erhält (dies bejahend etwa: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 5. Juni 2009 – L 14 AS 748/09 B ER), kann dahinstehen, denn vorliegend ist die Übernahme der Mietschulden jedenfalls nicht gerechtfertigt, da sie nicht geeignet ist, die Wohnung dem Antragsteller dauerhaft zu erhalten.
Bei einer einstweiligen Anordnung, welche auf eine Zusicherung nach § 22 Abs. 2 S. 1 SGB II gerichtet ist, liegt regelmäßig kein Anordnungsgrund im Sinne von § 86 b Abs. 2 S. 2 SGG vor, wenn die Kosten der neuen Unterkunft niedriger als die der alten Wohnung sind.
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LSG Berlin L 5 AS 425/10 B ER, Beschluss vom 05.05.2010
Kosten für die Reparatur des Daches sind bei einem selbst bewohnten angemessenen Haus nach § 22 Abs. 1 SGB II zu übernehmen.
Derartige Kosten sind umzulegen in eine Umlage von 11 v. H. jährlich entsprechend § 559 BGB oder können durch die Dauer des bisherigen Leistungsbezugs aufgezeigt werden.
LSG NRW L 6 AS 432/10 B ER und L 6 AS 433/10 B , Beschlüsse vom 14.06.2010 , rechtskräftig
Nachgezahlter Trennungsunterhalt ist während des Bezugs von ALG II anrechenbares Einkommen, eine Schuldentilgung steht der Anrechnung als Einkommen nicht entgegen.
Eine Schuldentilgung steht der Anrechnung als Einkommen nicht entgegen , denn zum einen regelt § 11 Abs. 2 SGB II abschließend, welche Positionen vom Einkommen in Abzug zu bringen sind , bevor es der Aufteilung unterfällt , zum anderen ist Einkommen zuförderst zur Sicherung des Lebensunterhalts einzusetzen. Dies gelte selbst dann, wenn sich der Leistungsempfänger dadurch außerstande sehe, bestehende vertragliche Verpflichtungen zu erfüllen (BSG, Urteil vom 30.09.2008, B 4 AS 29/07).
Verbraucht der Hilfebedürftige ihm zufließendes Einkommen vorzeitig, sind die Einnahmen dennoch bis zum Ende des nach § 2 Abs. 4 Alg II-V angemessenen Zeitraums mit den jeweiligen Teilbeträgen anzurechnen (ebenso LSG NRW, Urteil vom 02.04.2009, L 9 AS 58/07; BSG, Urteil vom 30.09.2008, B 4 AS 29/07 R; Bay. LSG, Urteil vom 13.04.2007, L 7 AS 309/06; Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl. 2008, § 11 Rn 66) .
Anderer Auffassung wohl Brühl in LPK-SGB II, 3. Aufl. 2009, § 11 Rn 16; SG Bremen, Urteil vom 15.05.2008, S 3 V 1349/08 (in juris und LPK-SGB II fälschlich: VG); wohl auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 27.11.2008, L 14 B 1818/08 AS ER; Geiger, info also 2009, 20, 23). Dies ergibt sich sowohl aus Wortlaut und Systematik der gesetzlichen Vorschriften wie auch aus dem Gesetzeszweck.
Nach § 11 Abs. 1 S. 1 SGB II sind als Einkommen alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert (bis auf die ausdrücklich normierten Ausnahmen) zu berücksichtigen. Einkommen ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts dabei grundsätzlich alles, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, wobei der tatsächliche Zufluss maßgeblich ist (BSG, Urteil vom 30.07.2008, B 14 AS 26/07 R; Urteil vom 30.09.2008, B 4 AS 29/07 R). Welche Positionen von den Einnahmen abziehbar sind, regeln § 11 Abs. 2 SGB II und § 13 Abs. 1 SGB II i.V.m. der Alg II-V abschließend (BSG, Urteil vom 30.09.2008, B 4 AS 29/07 R Rn 19 = BSGE 101, 291-301; Bay. LSG, Urteil vom 13.04.2007, L 7 AS 309/06 Rn 20). Die genannten Vorschriften sehen einen Abzug für Schulden bzw. Darlehenstilgungen nicht vor, so dass deren Berücksichtigung bei der Prüfung des Anspruchs auf Gewährung von Arbeitslosengeld II nach § 19 SGB II nicht möglich ist. Einkommen ist somit selbst dann zuförderst zur Sicherung des Lebensunterhalt des Hilfebedürftigen bzw. der Mitglieder einer Bedarfsgemeinschaft einzusetzen, wenn es den Hilfebedürftigen dadurch außerstande setzt, bestehende vertragliche Verpflichtungen zu erfüllen (BSG, Urteil vom 30.09.2008, B 4 AS 29/07 R Rn 19; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21.6.2006 – L 29 B 314/06; LSG NRW, Urteil vom 14.02.2007, L 12 AS 12/06; bereits auch schon BVerwG, Urteil vom 27.01.1965, V C 32.64 Rn 15 zur damaligen Sozialhilfe nach dem BSHG). Das SGB II erlaubt bei der Prüfung der Bedürftigkeit weder eine Saldierung von Aktiva und Passiva (BSG, Urteil vom 15.04.2008, B 14 AS 27/07 R Rn 44) noch ermöglicht es, den vorzeitigen Verbrauch von verfügbaren Mitteln z.B. durch Schuldentilgung, zu berücksichtigen.
Dass bestehende Verbindlichkeiten (und deren Begleichung) bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit damit grundsätzlich außer Acht gelassen werden müssen entspricht dabei dem SGB II zugrundeliegenden Grundsatz, dass staatliche Fürsorge lediglich subsidiär ist und erst dann eingreifen soll, wenn der Hilfebedürftige ihm zur Verfügung stehende Mittel (zur Deckung seines Lebensunterhalts) verbraucht hat. Dies gilt auch dann, wenn der Leistungsempfänger ihm zufließende Einkünfte entgegen dem Gebot, vor der Befriedigung seiner Gläubiger zunächst seinen eigenen Lebensunterhalt sicherzustellen, – wie hier – zur Tilgung von Schulden einsetzt (BSG, Urteil vom 30.09.2008, B 4 AS 29/07 R Rn 19; Urteil vom 15.04.2008, B 14 AS 27/07 R Rn 44). Unmaßgeblich ist dabei, ob besondere Gründe bestehen, die eine Rückzahlung privater Schulden dringlich erscheinen lassen.
Kann ein Antragsteller nach den gesetzlichen Vorschriften des § 19 SGB II i.V.m. §§ 11, 13 SGB II i.V.m. der Alg II-V nicht als hilfebedürftig im Sinne von § 9 SGB II angesehen werden, fehlen ihm aber gleichwohl tatsächlich die notwendigen Mittel zum Lebensunterhalt, steht der faktisch Hilfebedürftige nach der Konzeption des SGB II nicht schutzlos da. Vielmehr besteht die Möglichkeit, nach § 23 Abs. 1 SGB II ein ergänzendes Darlehen zu erhalten (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 03.02.2010, L 12 AS 91/10 B).
Auch aus den Vorschriften der § 31 Abs. 4 SGB II und § 34 SGB II ergibt sich kein anderes Ergebnis. Insbesondere lässt sich hieraus nicht ein Anspruch darauf ableiten, bei vorzeitigem Verbrauch eines Einmaleinkommens vollständige Grundsicherungsleistungen lediglich mit einer Ersatzforderung nach § 34 SGB II belastet, zu erhalten. Anspruchsgrundlage für die Gewährung von Grundsicherungsleistungen als Zuschuss ist wie oben aufgeführt allein § 19 SGB II, zur Gewährung dieser Leistungen als Darlehen § 23 SGB II. Die Regelung des § 31 Abs. 4 SGB II sieht keinen Anspruch des Hilfebedürftigen, sondern vielmehr die Möglichkeit vor, einen Hilfebedürftigen durch Leistungskürzungen zu sanktionieren. § 34 SGB II hingegen normiert allein einen Ersatzanspruch des Leistungsträgers gegen den Hilfebedürftigen, nicht aber umgekehrt einen Anspruch des Hilfebedürftigen auf Gewährung von Leistungen.
Anmerkung: Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 19 B 327/09 AS, 23.03.2010 rechtskräftig, Beschluss
Bei der Aufteilung einer Einmalzahlung zur Anrechnung über einen längeren Zeitraum ist umstritten, ob und unter welchen Voraussetzungen zu berücksichtigen ist, dass das Einkommen tatsächlich nicht mehr zur Bedarfsdeckung zur Verfügung steht, etwa weil Schulden getilgt worden sind. Nach einer Auffassung wird die Berücksichtigung abgelehnt mit dem Hinweis darauf, dass ansonsten der Hilfebedürftige in der Hand hätte, die Einkommensberücksichtigung nachträglich zu seinen Gunsten zu verändern und die Behörde auf einen – nicht unbedingt zu realisierenden – Anspruch nach § 34 Abs. 1 SGB II zu verweisen (vgl. LSG NRW, Urteil vom 2.04.2009 – L 9 AS 58/07; Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 11 Rdnr. 66). Andererseits wird die Auffassung vertreten, dass eine Anrechnung ein Ende findet, wenn die entsprechenden Mittel, auf deren Verbrauch der Hilfebedürftige angewiesen ist, tatsächlich nicht mehr vorhanden sind (so LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19.11.2007 – L 10 B 1845/07 AS ER – , Rechtsprechungsticker von Tacheles 13/2010).
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 6 B 129/09 AS ER 30.03.2010 rechtskräftig , Beschluss
Einkommen, das zum Ausgleich eines überzogenen Kontos verwendet wird, ist bedarfsmindernd zu berücksichtigen (BSG , Urteil vom 30.09.2008,- B 4 AS 29/07 R – , Rechtsprechungsticker von Tacheles 14/2010).
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 12 AS 91/10 B 03.02.2010 rechtskräftig , Beschluss
Auch bei Abtretung der Forderung an das Finanzamt ist Einkommenssteuererstattung bei Zufluss anrechenbares Einkommen, dass der Leistungsempfänger die ihm einmal zugeflossenen Einkünfte entgegen dem Gebot, vor der Befriedigung seiner Gläubiger zunächst seinen eigenen Lebensunterhalt sicherzustellen, einsetzt, ändert an dem Zufluss als Einkommen und damit an der Rechtmäßigkeit der vorgenommenen Einkommensanrechnung nichts (BSG, Urt. v. 30.09.2008 – B 4 AS 29/07 R – Rd 19; LSG NRW, Urt. v. 02.04.2009 – L 9 AS 58/07 – , Rechtsprechungsticker von Tacheles 07 KW / 2010).
LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.06.2010 – L 13 AS 678/10
Hartz IV-Empfänger hat keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für Schüler-Austausch mit den USA
Schüler, die Arbeitslosengeld II (Hartz IV) beziehen, haben keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten eines Schüleraustauschs, wenn an dem Austausch nur wenige speziell ausgewählte Schüler teilnehmen. Dies hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg im Fall eines Gymnasiasten entschieden, der im Rahmen eines Austauschprogramms eine High-School in Arizona/USA besucht hatte. Laut Gericht hätten Empfänger von Arbeitslosengeld II zwar einen Anspruch auf Übernahme der Kosten von Klassenfahrten. Um eine solche habe es sich hier aber nicht gehandelt, so das LSG (Urteil vom 22.06.2010, Az.: L 13 AS 678/10).
Leasingfahrzeug ist nicht als berücksichtigungsfähiger Vermögensgegenstand heranzuziehen
Denn es ist dem Betriebsvermögen zuzuordnen, es ist zudem nicht in dem Sinne verwertbar , dass bei Kündigung des Leasingvertrages ein geldwerter Vorteil entstehen würde, der die Hilfebedürftigkeit der Antragsteller entfallen lassen würde.
3. Entscheidungen zur Sozialhilfe (SGB XII)
LSG NRW L 20 SO 19/10 , Beschluss vom 18.06.2010
Kosten im Zusammenhang mit der Ausübung des Umgangsrechts, die den Kindern selbst entstehen, können vom Vater nicht gegenüber dem Sozialhilfeträger geltend gemacht werden.
In Anwendung der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 14/06 R) ist zwischen den Ansprüchen des Vaters selbst und denen seiner Kinder zu unterscheiden. Der Vater ist darauf zu verweisen, sich ggf. mit der Kindesmutter dahingehend zu verständigen, dass diese ihm anteilige Leistungen aus dem für die Kinder bestimmten Einkommen überlässt . Die Fahrt- und Unterhaltskosten, die für die beiden Kinder des Vaters anlässlich ihrer Besuchsaufenthalte bei ihm entstehen, sind ein allein in ihrer Person auftretender Bedarf. Denkbar ist insoweit allein ein eigener Sozialhilfeanspruch der Kinder nach § 73 SGB XII für deren Fahrtkosten und nach §§ 27, 28 SGB XII für ihren Lebensunterhalt während ihres Aufenthalts beim Vater.
Anmerkung : BSG , Urteil vom 02.07.2009, – B 14 AS 54/08 R-
Bei gemeinsamer Ausübung des Sorgerechts getrennt lebender Eltern besteht im sozialgerichtlichen Verfahren kein Alleinvertretungsrecht des umgangsberechtigten Elternteils. Bei fehlendem Einvernehmen ist ein Antrag beim Familiengericht auf Übertragung der Entscheidung zu stellen.
Wird ein Kind im Laufe des sozialgerichtlichen Verfahrens handlungsfähig, kann es die bisherige Prozessführung genehmigen. Einschränkungen der Handlungsfähigkeit können die Sorgeberechtigten allenfalls gemeinsam erklären.
4. Relevante Themen aus dem SGB II bzw. SGB XII – Revisionen anhängig beim BSG
Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen L 20 SO 18/09 , Urteil vom 19.04.2010 , Revision hiergegen anhängig unter – B 8 SO 18/10 R –
Die Heiz- und Betriebskostennachforderung ist als Leistung nach § 29 SGB XII zu übernehmen, auch wenn sie von der Hilfebedürftigen bereits bezahlt wurde und verspätet beantragt wurde.
Das Gesetz sieht für die Geltendmachung des Nachforderungsbedarfs keine Ausschlussfrist vor. Eine solche ist insbesondere nicht in § 44 Abs. 1 Satz 2 SGB XII enthalten (Rechtsprechungsticker von Tacheles 23/2010).