Rechtsprechungsticker von Tacheles KW 34/2010

1.   Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 19.08.2010 zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

BSG Urteil vom 19.08.2010, – B 14 AS 47/09 R –

Keine Kostenerstattung für Schulbücher eines Leistungsempfängers nach dem SGB II

Das SGB II enthält ein abgeschlossenes und pauschaliertes Leistungsregime, das anders etwa als für die Kosten von mehrtägigen Klassenfahrten in § 23 Abs 3 Nr. 3 SGB II keine Rechtsgrundlage für die Kostenerstattung von Schulbüchern vorsieht.

Bei Schulbüchern handelt es sich um einen einmaligen Bedarf und gerade nicht um einen laufenden Bedarf, so dass § 21 Abs. 6 SGB II keine Anwendung findet.

Ein Anspruch über § 73 SGB XII gegen den Sozialhilfeträger scheitert daran, dass es sich nicht um einen atypischen Bedarf von Kindern handelt.

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BSG Urteil vom 19.08.2010, – B 14 AS 13/10 R –

Sozialhilfeträger war zuständig gemäß § 73 SGB XII für den Hygienebedarf eines an AIDS erkrankten Leistungsempfängers der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für den Zeitraum bis zum 02.06.2010.

Für den Zeitraum bis zum 02.06.2010 war der Sozialhilfeträger zuständig für den Hygienebedarf eines an AIDS erkrankten Leistungsempfängers der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II).Ab dem 03.06.2010 ist der Grundsicherungsträger für Fälle wie den vorliegenden aufgrund der neuen Norm des § 21 Abs 6 SGB II zuständig.

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2.   Entscheidungen zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

2.1 – Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Urteil vom 27.04.2010, – L 3 AS 79/08 -, Bundessozialgericht B 14 AS 104/10 B

Eine nach Antragstellung zugeflossene einmalige Einnahme (Krankengeld vgl. BSG, Urteil vom 16.12.2008, Az.: B 4 AS 70/07 R) ist rechtlich auch über den Zuflussmonat und den Bewilligungszeitraum hinaus ungeachtet der Tatsache, dass der Hilfebedürftige das Einkommen für seine Schuldentilgung verbraucht hat, zu berücksichtigendes Einkommen.

Die Lebensunterhaltssicherung durch eigene Mittel hat grundsätzlich der Schuldentilgung vorzugehen, so dass Einkommen zu förderst zur Sicherung des Lebensunterhalts der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft einzusetzen ist. § 3 Alg II-V in der bis zum 31.12.2007 geltenden Fassung vom 22.08.2005 i.V.m. § 11 Abs. 2 SGB II regelt abschließend, welche Positionen vom Einkommen in Abzug zu bringen sind. Hierzu gehören Schulden nicht. Dies gilt selbst dann, wenn sich der Hilfeempfänger dadurch außerstande setzt, bestehende vertragliche Verpflichtungen zu erfüllen (vgl. auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21.6.2006, L 29 B 314/06). Aus der Subsidiarität der staatlichen Fürsorge folgt, dass diese erst dann eingreifen soll, wenn die Hilfebedürftigen ihnen zur Verfügung stehende Mittel – für die Sicherung ihres Lebensunterhalts – verbraucht haben (vgl. BSG, Urteil vom 15.04.2008 – B 14 AS 27/07 R). Dies hat zur Konsequenz, dass eine nach Antragstellung zugeflossene einmalige Einnahme rechtlich auch über den Zuflussmonat und den Bewilligungszeitraum hinaus ungeachtet der Tatsache, dass der Hilfebedürftige das Einkommen für seine Schuldentilgung verbraucht hat, zu berücksichtigendes Einkommen bleibt.

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2.2 – Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Urteil vom 30.03.2010,- L 3 AS 138/08-

Ein Bescheid, der frühere Bewilligungsbescheide aufhebt und gewährte Leistungen nach dem SGB II zurückfordert, ist nur dann hinreichend bestimmt gemäß § 33 Abs. 1 SGB X wenn erkennbar ist, für welchen Zeitraum in welcher Höhe welche Art von Leistungen aufgehoben bzw. zurückgefordert werden.

Die gewährten Regelleistungen nach § 20 SGB II, die Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 SGB II oder der Zuschlag nach § 24 SGB II. Hierbei handelt es sich aber um unterschiedliche Arten von Leistungen, sodass auch grundsätzlich klar sein muss, welche dieser Leistungen bewilligt sind. Sowohl aus einem Bewilligungsbescheid als auch aus einem Aufhebungs- oder Rücknahmebescheid, der das Spiegelbild eines Bewilligungsbescheides darstellt, muss mit hinreichender Deutlichkeit hervorgehen, welche Art von Leistungen in welcher Höhe bewilligt bzw. in welcher Höhe die Gewährung welcher Leistung aufgehoben oder zurückgenommen wird.

Maßstab für die Auslegung des Verwaltungsaktes ist die Sicht eines verständigen Empfängers, der als Beteiligter die Zusammenhänge berücksichtigt, welche die Behörde nach ihrem wirklichen Willen in ihre Entscheidung einbezogen hat, wobei Unklarheiten zu Lasten der Behörde gehen (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2009, Az.: B 4 AS 30/09 R).

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2.3 – LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 27.07.2010, – L 9 AS 1049/09 B ER-

Ermittlung der Angemessenheit der Unterkunftskosten

Das LSG Niedersachsen-Bremen hat sich erstmals mit dem Mietwertgutachten 2009 des Landkreises Celle befasst und festgestellt, dass dieses Gutachten nach summarischer Prüfung als schlüssiges Konzept zur Ermittlung der Mietobergrenze für die betroffene Familie angesehen werden kann.

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2.4 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 12.08.2010, – L 19 AS 911/10 B –

Eine Aufrechnung ist mit Erstattungsforderungen gemäß § 43 Abs. 1 S. 1 SGB II nur zulässig, wenn der Hilfebedürftige durch vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige und unvollständige Angaben diese veranlasst hat.

Denn hat der Hilfebedürftige seine Arbeitsaufnahme ordnungsgemäß angezeigt und konnte er vor Auszahlung des Arbeitslosengeldes II auch noch keinen Entgeltzufluss nachweisen, sind die Voraussetzungen des § 43 SGB II nicht erfüllt.

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2.5 – Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Beschluss vom 04.08.2010, – L 11 AS 105/10 B PKH –

Ist zwar grundsätzlich eine Rückführung des Kindes aus der stationären Einrichtung in die Familie geplant, die zeitliche Perspektive jedoch unklar, besteht aufgrund des Umgangsrechts der Mutter mit ihrem Sohn kein Anspruch auf erhöhten Wohnraumbedarf.

Es bedarf der Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles. Kriterien für die Bestimmung einer angemessenen Wohnungsgröße können insoweit insbesondere der zeitliche Umfang der Ausübung des Umgangsrechts, das Alter der Kinder, individuell erhöhte Raumbedarfe, gegebenenfalls auch die Entfernung zum Haushalt des Elternteils usw. sein (Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17. Juni 2008 – L 20 B 225/07 AS ER).

Bei Alleinerziehenden kann die Wohnung so gestaltet sein, dass ein an den Wochenenden oder während der Ferienzeiten anwesendes Kind nicht angemessen untergebracht werden kann. Das Umgangs- und Elternrecht des Hilfebedürftigen kann dann eine Rolle spielen, wenn er eine Wohnung bewohnt, die evident für Besuche durch ein oder mehrere Kinder nicht geeignet ist. Dann kann z. B. im Einzelfall im Anwendungsbereich des § 22 SGB II ein erforderlicher Umzug in eine größere Wohnung bejaht werden. Allerdings verbleibt es grundsätzlich dabei, dass staatliche Leistungen zur Existenzsicherung im Rahmen familienrechtlicher Beziehungen nicht dazu bestimmt sind, die fehlende Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen in allen Bereichen zu ersetzen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 14/06 R). Die Leistungen zur Sicherung des Existenzminimums müssen die Ausübung des Umgangsrechts bei Bedürftigkeit ermöglichen, aber nicht optimieren. Ermöglicht wird das Umgangs- und Elternrecht, wenn bei der zeitweiligen Aufnahme eines Kindes bzw. eines weiteren Kindes keine unzumutbaren Verhältnisse entstehen (vgl. Sozialgericht Berlin, Urteil vom 22. April 2010 – S 128 AS 11433/08- Rn. 23).

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++ Anmerkung: Vgl. dazu Sozialgericht Berlin Urteil vom 22.04.2010,- S 128 AS 11433/08- ; Sozialgericht Duisburg Urteil vom 14.04.2010, -S 31 AS 490/08- und SG Bremen Beschluss vom 31.05.2010, – S 23 AS 987/10 ER- im Rechtsprechungsticker von Tacheles 24/2010).

2.6 – Sozialgericht Detmold Urteil vom 09.04.2009, – S 10 (7) AS 142/06 –

Eine Kostensenkungsaufforderung ist – nicht – rechtswidrig , wenn sie nicht jedes Detail des Angemessenheitsmaßstabes ausweist, noch dass der angemessene Mietzins zu niedrig angegeben war.

Denn aus dem Verständnis einer Zumutbarkeitsregelung heraus ist es im Regelfall ausreichend, dass der Hilfebedürftige den von der Behörde als angemessenen erachteten Mietzins und die Folgen einer mangelnden Kostensenkung kennt (vgl. BSG, Urteile vom 19.3.2008, Az.: B 11b AS 41/06 R und B 11b AS 43/06 R, Urteil vom 27.2.2008, Az.: B 14/7b AS 70/06 R). Zudem bleibt die Obliegenheit zur Kostensenkung selbst im Falle subjektiver Unzumutbarkeit bestehen (vgl. BSG, Urteil vom 19.2.2009, Az.: B 4 AS 30/08 R).

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++ Anmerkung: Anderer Auffassung SG Koblenz Gerichtsbescheid vom 20.05.2010, – S 16 AS 444/08-(Rechtsprechungsticker von Tacheles 24/2010)

Eine Kostensenkungsaufforderung ist unwirksam, wenn der Hilfebedürftige unzutreffend über die angemessenen Unterkunftskosten belehrt wird, das gilt zumindest dann, wenn die vom Grundsicherungsträger angegebenen Werte zum Nachteil des Hilfebedürftigen, also zu niedrig sind.

Einem Hilfebedürftigen sind Kostensenkungsmaßnahmen nur dann möglich, wenn dieser Kenntnis davon hat, dass ihn überhaupt eine entsprechende Obliegenheit trifft (vgl. BSG Urteil vom 19.2.2009 – B 4 AS 30/08 R; BSG, Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 19/09 R). 
Erforderlich ist, dass zumindest die Angabe des angemessenen Mietpreises erfolgt, da dieser nach der Produkttheorie der entscheidende Maßstab zur Beurteilung der Angemessenheit ist (vgl. hierzu auch BSG Urteil vom 7.11.2006 – B 7b AS 18/06 R – BSGE 97, 254 = SozR 4-4200 § 22 Nr. 3). Diese Mindestanforderung an die Kostensenkungsaufforderung folgt aus der der Vorschrift des § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II auch innewohnenden Schutzfunktion (vgl. hierzu BSG Urteil vom 19.9.2008 – B 14 AS 54/07 R).

Eine Kostensenkungsaufforderung ist auch dann unwirksam, wenn eine zu knappe Frist für den Wohnungswechsel gesetzt wurde , denn nach § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II sind die Aufwendungen für die Unterkunft, wenn sie den angemessenen Umfang übersteigen, so lange zu berücksichtigen, wie es dem Hilfebedürftigen nicht möglich oder nicht zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel die Kosten zu senken, längstens jedoch für sechs Monate. Bei dieser Frist handelt es sich zwar um eine Regelhöchstfrist und keine strikte Such- und Überlegungsfrist, die der Hilfeempfänger beliebig ausschöpfen könnte. In atypischen Fällen kann damit auch eine kürzere Frist festgelegt oder unter Umständen die Frist auch verlängert werden (vgl. Riepenstock in jurisPK-SGB II, § 22 Anm. 84, ein Abweichen von dem Sechsmonatszeitraum ist begründungsbedürftig durch die Arge ).

2.7 – Sozialgericht Detmold Urteil vom 05.08.2009, – S 10 (12) AS 54/06 -, anhängig beim LSG NRW – L 19 (20) AS 44/09 –

Für einen Fünf-Personen-Haushalt ist ein Hausgrundstück mit einer Wohnfläche von 227 qm unangemessen

Denn angemessenen wären für einen Fünf-Personenhaushalt bis zu 150 qm. Die Verwertung des Hauses ist nicht unwirtschaftlich oder stellt auch keine unangemessene Härte dar.

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2.8 – Sozialgericht Detmold Urteil vom 30.03.2010, – S 18 AS 168/09 –

Bei der Umweltprämie gemäß der Richtlinie zur Förderung des Absatzes von Personenwagen handelt es sich um Einkommen in Form einer zweckbestimmten, im Rahmen der Leistungen nach dem SGB II nicht anrechenbaren Einnahme.

Die Umweltprämie eine zweckbestimmte Einnahme im Sinn von § 11 Abs. 3 Nr. 1 a SGB II dar (so auch LSG Hessen, Beschluss vom 15.01.2010, L 6 AS 515/09 B ER). § 11 Abs 3 Nr. 1 a SGB II soll einerseits bewirken, dass die besondere Zweckbestimmung einer Leistung durch ihre Berücksichtigung im Rahmen des SGB II nicht verfehlt wird. Andererseits soll die Vorschrift die Leistungserbringung für einen identischen Zweck, also eine Doppelleistung verhindern. Es kommt demnach darauf an, ob die in Frage stehende Leistung ebenso wie die Leistungen nach dem SGB II der Existenzsicherung des Begünstigten dient (BSG, Urteil vom 30.09.2008, B 4 AS 19/07 R; BSG, Urteil vom 06.12.2007, B 14/7b AS 62/06 R). Unter die Regelung von § 11 Abs 3 Nr. 1 a SGB II fallen solche Einnahmen, die einem anderen Zweck als Unterhalt oder Eingliederung dienen und deren Zweck im Falle der Anrechnung vereitelt würde.

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++ Anmerkung: Vgl. dazu auch Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Beschlüsse vom 16.06.2010, – L 12 AS 807/10 B ER – und – L 12 AS 808/10 B – (Rechtsprechungsticker von Tacheles 31/2010).

Bei der staatlichen Umweltprämie handelt es sich um eine zweckbestimmte Einnahme im Sinne des § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II, die nicht bedarfsmindernd als Einkommen im Sinne des § 11 Abs. 1 SGB II im Rahmen des Leistungsbezugs nach dem SGB II zu berücksichtigen ist.

2.9 – Sozialgericht Duisburg Urteil vom 20.07.2010, – S 31 AS 306/09 –

Ein Arbeitsplatzverlust wegen einer arbeitgeberseitigen Kündigung stellt einen typischen Anwendungsfall von § 31 Abs. 4 Nr. 3b SGB II dar (vgl. BSG, Urteil vom 22.03.2010, B 4 AS 68/09 R). Seine Anwendung gilt auch in dem Fall, dass ein Grenzgänger keine Anwartschaft auf SGB III-Leistungen erwirbt.

Das Merkmal der Beziehung zum Rechtskreis des SGB III ergibt sich nicht unmittelbar aus dem Gesetz. Seine Anwendung auch in dem Fall, dass ein Grenzgänger keine Anwartschaft auf SGB III-Leistungen erwirbt, würde eine Lücke in das Sanktionensystem des SGB II reißen. Eine solche Lücke entspricht nach Auffassung der Kammer nicht dem Willen des Gesetzgebers. Nach der Auslegung des BSG sind arbeitgeberseitige Kündigungen gerade durch § 31 Abs. 4 Nr. 3b SGB II erfasst (vgl. BSG, Urteil vom 22.03.2010, B 4 AS 68/09 R, Rdnr. 12 f.). Geschützt werden soll hier nicht die Versichertengemeinschaft im Sinne des SGB III, sondern die Solidargemeinschaft, die bei vorwerfbarem – also steuerbarem – Veranlassen einer arbeitgeberseitigen Kündigung durch die entstehende Hilfebedürftigkeit im Sinne des SGB II unnötig belastet wird (a.A. wohl BSG, Urteil vom 10.12.2009, B 4 AS 30/09 R, Rdnr. 24; Urteil vom 22.03.2010, B 4 AS 68/09 R, Rdnr. 16). Dies entspricht dem Grundgedanken der übrigen Tatbestände in § 31 Abs. 4 SGB II, der in den Nrn. 1 und 2 besonders deutlich zum Ausdruck kommt. Auch vor dem Hintergrund des in § 2 SGB II kodifizierten Grundsatz des Forderns macht es dabei keinen Unterschied, ob jemand seine Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II durch ein vorwerfbares Veranlassen einer arbeitgeberseitigen Kündigung im Ausland oder im Inland verursacht. Demnach sind § 31 Abs. 4 Nr. 3b SGB II i.V.m. § 144 SGB III im Fall einer arbeitgeberseitigen Kündigung eines Beschäftigungsverhältnisses im Ausland wortlautgetreu anzuwenden beziehungsweise ist das vom BSG aufgestellte Erfordernis der Beziehung zum Rechtskreis des SGB III einschränkend auszulegen

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2.10 – Sozialgericht Marburg Beschluss vom 05.08.2010, – S 5 AS 309/10 ER –

Kosten einer Schülerjahresfahrkarte können für Hartz IV- Empfänger vom Leistungsträger nach § 21 Abs. 6 SGB II als Zuschuss zu übernehmen sein.

Es handelt es sich um einen atypischen Bedarf, da Schülerbeförderungskosten gerade nicht jeden SGB II- Empfänger gleichermaßen treffen, sondern nur die, die wegen ihrer Fähigkeiten die Möglichkeiten haben, eine weiterführende Schule zu besuchen.

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2.11 – Sozialgericht Gießen, Beschluss vom 19.08.2010, – S 29 AS 981/10 ER –

Arge muss Schülermonatskarte ab der 11. Klasse zahlen

Schülerbeförderungskosten, die einem Hartz IV-Empfänger für den Besuch der 11. Klasse eines Gymnasiums entstehen, können einen unabweisbaren Mehrbedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II darstellen.

Mit Wirkung zum 03.06.2010 wurde die Regelung des § 21 Abs.6 SGB II eingeführt , wonach ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger dann Leistungen für einen Mehrbedarf erhält, wenn im Einzelfall ein unabweisbarer , laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Dies ist für die Schülerbeförderungskosten anzunehmen , denn Bildung kommt in unserer Gesellschaft eine Schlüsselrolle zu . Gerade bei Jugendlichen und Heranwachsenden ist sie ein wesentlicher Faktor bei der Eingliederung in den Arbeitsmarkt und vermeidet hierdurch auch eine fortgesetzte Hilfebedürftigkeit. Es verstößt gegen die Würde des Menschen nach Art. 1 Grundgesetz, wenn der Hilfebedürftige gezwungen wäre, die Schulausbildung aus finanziellen Gründen abzubrechen.

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++ Anmerkung: Vgl. dazu Sozialgericht Marburg Beschluss vom 05.08.2010,- S 5 AS 309/10 ER –

Kosten einer Schülerjahresfahrkarte sind für Hartz IV- Empfänger vom Leistungsträger nach § 21 Abs. 6 SGB II als Zuschuss zu übernehmen.

2.12 – Sozialgericht Wiesbaden Urteil vom 07.07.2010, – S 23 AS 799/08 –

Behörden dürfen zu hohe Auszahlungen an einen Hartz-IV-Bezieher aufgrund einer überzahlten Mehraufwandsentschädigung nicht mit späteren Leistungen verrechnen, sondern müssen diese im normalen Verwaltungsweg zurückfordern, denn Pfändungsgrenzen gelten auch zwischen Behörde und Hartz-IV-Bezieher.

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2.13 – Sozialgericht Düsseldorf Urteil vom 19.07.2010, – S 25 AS 84/07-

Vom Leistungsträger angegebene Mietobergrenze ist rechtswidrig, wenn sie nicht auf einem schlüssigen Konzept zur Ermittlung der Aufwendungen für eine einfache Wohnung abstrakt angemessener Größe im unteren Segment des maßgeblichen Wohnungsmarktes beruht. 

 
++ Anmerkung :Vgl. dazu Sozialgericht Kassel Beschluss vom 15.07.2010, – S 6 AS 164/10 ER-(Rechtsprechungsticker von Tacheles 30/2010)

Ist der Leistungsträger nicht in der Lage, ein schlüssiges Konzept zu präsentieren, sind nach der neuen Rechtsprechung des BSG die tatsächlichen Kosten der Unterkunft zu gewähren, welche "nach oben" jedoch durch die Angemessenheitsgrenze begrenzt werden. 
Legt der Leistungsträger im Rahmen der Auswertung des Wohnungsmarktes lediglich Wohnungen des sogenannten einfachen Wohnungssegments zugrunde, muss er zwingend definieren, was er unter dem einfachen Segment versteht.

2.14 – Sozialgericht Düsseldorf Urteil vom 19.07.2010, – S 25 AS 209/07 –

Die Übernahme überhöhter Unterkunftskosten hat angesichts der Rechtsfolgenanordnung in § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II exzeptionellen Charakter, somit sind im Rahmen der Bestimmung der Ausnahmen vom Regelfall strenge Anforderungen an die Auslegung der Tatbestandsmerkmale der Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit von Kostensenkungsmaßnahmen zu stellen. Die Erstattung nicht angemessener Unterkunftskosten bleibt der durch sachliche Gründe begründungspflichtige Ausnahmefall, und die Obliegenheit zur Kostensenkung bleibt auch bei Unmöglichkeit oder subjektiver Unzumutbarkeit bestehen (vgl. BSG, Urteil vom 19.02.2009, B 4 AS 30/08 R).

Beruft sich der Hilfebedürftige auf gesundheitliche Einschränkungen wie Hörbehinderung und Schlafstörung, muss er der Arge den Nachweis erbringen, dass in den von ihm gefundenen konkreten Wohnungen ein Lärmpegel herrscht, der für ihn gesundheitliche Nachteile mit sich bringt.

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2.15 – Sozialgericht Stade Urteil vom 29.07.2010, – S 17 AS 169/10 –

Ausbildungsgeld gemäß § 105 Abs 1 Nr 2 SGB III ist als Einkommen im Sinne des § 11 Abs 1 SGB II zu berücksichtigen (Sächsisches Landessozialgericht Urteil vom 1. November 2007 – L 3 AS 158/06 -).

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3.   Entscheidungen zur Sozialhilfe (SGB XII)
Sächsisches Landessozialgericht Beschluss vom 11.08.2010, – L 7 SO 43/10 B ER –

Es ist nicht menschenunwürdig für einen Sozialhilfebezieher, gereinigte und von den Kleiderkammern der Träger der freien Wohlfahrtspflege auf ihre weitere Gebrauchstauglichkeit geprüfte Gebrauchtunterwäsche, Gebrauchtsocken und Gebrauchthandtücher zu tragen bzw. zu nutzen.

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Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de