Rechtsprechungsticker von Tacheles KW 46/2010

1.  Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 09.11.2010 zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

1.1 – BSG , Urteil vom 09.11.2010 , – B 4 AS 27/10 R –

Krankenschein schützt nicht vor Meldung bei der Arge.

Denn die Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit an sich begründet noch keinen Nachweis eines gesundheitlichen Unvermögens, zu einem Meldetermin zu erscheinen Gesundheitliche Umstände können einen wichtigen Grund für das Nichterscheinen darstellen.

Keine Addition der einzelnen Sanktionsbeträge bei mehreren zeitgleichen Verstößen.

An einer weiteren wiederholten Pflichtverletzung im Sinne des § 31 Abs 3 Satz 3 SGB II fehlt es, wenn für den gleichen Zeitraum mehrere Minderungsbescheide mit demselben Absenkungsbetrag erlassen werden. Denn nach dem gesetzgeberischen Konzept sollen dem Hilfebedürftigen durch den jeweils vorangehenden Sanktionsbescheid mit einer Minderung des Alg II in einer niedrigeren Stufe die Konsequenzen seines Verhaltens vor Augen geführt werden, bevor eine Minderung mit einem erhöhten Absenkungsbetrag erfolgt.

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++ Anmerkung: Vgl. dazu Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 13.10.2010 , – L 6 AS 1076/10 B – , veröffentlicht im Rechtsprechungsticker von Tacheles KW 44/2010 .

Liegt ein Meldeversäumnis vor, so obliegt es dem Hilfebedürftigen, einen wichtigen Grund dafür zu belegen, warum es ihm nicht möglich war, der Meldeaufforderung nachzukommen.

Allein die Behauptung des Hilfebedürftigen, er sei so krank gewesen, dass er nicht habe kommen können, genügt hierfür nicht. Vielmehr müssen ärztliche Befunde erhoben worden sein, die konkret dokumentieren, dass an eben dem streitigen Tag eine so gravierende Erkrankung vorgelegen hat, dass die Wahrnehmung der Meldepflicht gesundheitlich nicht möglich gewesen ist.

++ Anmerkung: Vgl. dazu Sozialgericht Koblenz Urteil vom 07.07.2010 , – S 16 AS 212/10 –

Keine Addition der einzelnen Sanktionsbeträge bei mehreren zeitgleichen Verstößen gegen die Eingliederungsvereinbarung.

1. Liegen mehrere zeitgleiche Verstöße gegen eine Eingliederungsvereinbarung vor, so kann dies nicht zu mehreren gleichzeitigen Sanktionen führen, deren Sanktionshöhe sich addiert.

2. Die sog. wiederholte Pflichtverletzung ist der einzige vom Gesetz vorgesehene Fall der Erhöhung des Sanktionsbetrages. Diese Vorschrift darf nicht dadurch umgangen werden, dass die Behörde zeitgleich mehrere einzelne Sanktionsbescheide erlässt, deren Summe den Hilfebedürftigen so stellt, als läge eine wiederholte Pflichtverletzung vor.

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1.2 – BSG , Urteil vom 09.11.2010 , – B 4 AS 78/10 R –

Zahlungen eines Elternteils aufgrund eines Unterhaltstitels zugunsten eines minderjährigen Kindes sind auch dann gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB II vom Einkommen abzusetzen, wenn der Elternteil durch die Zahlung selbst hilfebedürftig wird, weil ihm der aufgrund dieses Titels geleistete Betrag nicht mehr als bereites Mittel im Sinne des Sozialhilferechts zur Verfügung steht.

Von einer Absetzung der Unterhaltszahlungen vom Einkommen kann in diesem Fall auch nicht allein unter dem Gesichtspunkt unterlassener Selbsthilfe (§ 2 SGB II) mit der Begründung abgesehen werden, der Leistungsempfänger habe nicht auf eine Abänderung seines Unterhaltstitels hingewirkt. § 2 SGB II enthält insoweit keine durchsetzbaren Rechtspflichten, sondern Obliegenheiten, deren Verletzung lediglich leistungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann, die speziell und abschließend in §§ 31, 32 SGB II geregelt sind.

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1.3 – BSG , Urteil vom 09.11.2010 , – B 4 AS 37/09 R –

Nach § 41 Abs 2 SGB X können bestimmte Verfahrenshandlungen, zu denen auch die Anhörung gehört, bis zur letzten Tatsacheninstanz nachgeholt werden.

Der Senat hält mit dem 7. Senat des BSG daran fest, dass die wirksame Nachholung der Anhörung ein förmliches Verfahren in dem Sinne voraussetzt, dass die beklagte Behörde (und nicht das Gericht) dem Kläger förmlich und in angemessener Weise Gelegenheit zur Äußerung zu den entscheidungserheblichen Tatsachen einräumt und danach zu erkennen gibt, ob sie nach erneuter Prüfung dieser Tatsachen am Verwaltungsakt festhält. Die Zwecke des § 24 SGB X erfordern, dass sich die Nachholung der Verfahrenshandlung möglichst in einer dem Anhörungsverfahren vergleichbaren Situation vollzieht.

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1.4 – BSG , Urteil vom 09.11.2010 , – B 4 AS 7/10 –

Arbeitgeberbeiträge zur betrieblichen Altersvorsorge können nach § 11 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGB II bis zur Höhe des Mindesteigenbeitrages für die Riesterförderung nach § 86 EStG vom Erwerbseinkommen abgesetzt werden.

Kann aber der Hartz-IV-Bezieher aus vertraglichen Gründen höhere, vom Arbeitgeber gezahlte betriebliche Altersvorsorgebeiträge erst zu einem späteren Zeitpunkt senken, muss bis dahin das Jobcenter eine Schonfrist gewähren.

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2.   Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 30.08.2010 zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

BSG Urteil vom 30.08.2010 , – B 4 AS 70/09 R –

Die dinglich gesicherte Forderung des Antragstellers aus dem notariellen Überlassungsvertrag ist Vermögen im Sinne des § 12 SGB II und nicht Einkommen (§ 11 SGB II).

Nach § 11 Abs 1 SGB II sind nur Einnahmen in Geld oder Geldeswert als Einkommen zu berücksichtigen; dagegen ist die Berücksichtigung als Vermögen nach den Regelungen des § 12 SGB II auch dann möglich, wenn weitere Verwertungshandlungen "zwischengeschaltet" sind. Vermögensgegenstände können daher neben beweglichen Sachen und Immobilien auch (künftig fällig werdende) Forderungen und Rechte sein. Insofern haben die für die Grundsicherung nach dem SGB II zuständigen Senate des BSG im Zusammenhang mit der Differenzierung zwischen Einkommen und Vermögen im SGB II in grundsätzlicher Anlehnung an die Rechtsprechung des BVerwG zur Sozialhilfe ua ausgeführt, dass – unabhängig von dem rechtlichen Schicksal einer Forderung – für deren Berücksichtigung als Einkommen ausschließlich auf die Erzielung von Einkünften in Geld oder Geldeswert im Sinne eines tatsächlichen Zuflusses abzustellen ist (BSG Urteil vom 30.9.2008 – B 4 AS 29/07 R – BSGE 101, 291 ff = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, jeweils RdNr 18; BSG Urteil vom 30.7.2008 – B 14 AS 26/07 R – SozR 4-4200 § 11 Nr 17 RdNr 24; vgl auch BVerwG Urteil vom 18.2.1999 – 5 C 16/98 – NJW 1999, 3210 ff; so auch Hänlein in Gagel, SGB II/SGB III, § 12 SGB II RdNr 23 f, Stand April 2010).

Auch nicht bereite Mittel sind jedoch, wenn es sich um verwertbares Vermögen handelt, zur Existenzsicherung einzusetzen.

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3.  Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

3.1 – Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil vom 29.10.2010 , – L 12 AS 1110/09 –

Bei der Ausbildung zum Arbeitserzieher gemäß der Verordnung der Landesregierung Baden-Württemberg über Schulen für Arbeitserziehung und Heilerziehungshilfe handelt es sich nicht um eine Weiterbildung im Sinne von § 77Abs. 1 SGB III, sondern um eine schulische Ausbildung. Wird diese nach dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz konkret gefördert, steht dies der Gewährung von Eingliederungsleistungen nach § 16 Abs. 2 Satz 1 SGB II entgegen.

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3.2 – Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Beschluss vom 08.09.2010 , – L 2 AS 292/10 B ER –

Der Hilfebedürftige muss ihm zumutbare Anstrengungen unternehmen , die nicht mehr zutreffende Unterhaltstitulierung abändern zu lassen bzw. einen Unterhaltstitel, der einen fiktiven Unterhalt festsetzt, abändern zu lassen (so auch LSG Sachsen v. 12. Mai 2009, L 7 AS 146/09 B ER – , mit zustimmender Anm. von Schürmann, jurisPR-FamR, 1/ 2010 Anm. 3; a.A. LSG Baden-Württemberg v. 22. April 2010, L 7 AS 5458/09 – , nicht rechtskräftig, Revision beim BSG unter dem Az. B 4 AS 78/10 R anhängig).

Die Obliegenheit zur Anpassung des Unterhaltstitels folgt zum einen aus §§ 2, 3 Abs. 3 SGB II und daraus, dass der Sinn und Zweck der Regelung in § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB II gerade nicht ist, genügende Mittel für den Unterhalt von Personen außerhalb einer Bedarfsgemeinschaft zur Verfügung zu stellen. Die Rechtfertigung der Regelung folgt wie gezeigt vielmehr aus dem Gedanken, dass nur tatsächlich zum Lebensunterhalt verfügbare ("bereite") Mittel auch eingesetzt werden können. Dies ist nicht der Fall, wenn Einkommensteile von Anfang gepfändet sind oder aber jederzeit gepfändet werden können. Durch § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB II wird folglich auch keine Aussage zum Rangverhältnis zwischen der Pflicht, selbst für den eigenen Bedarf und den der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zu sorgen und den bürgerlich-rechtlichen Unterhaltspflichten dergestalt getroffen, dass die zivilrechtlichen Unterhaltspflichten stets vorrangig sind und folglich entsprechende Mittel der Grundsicherung zur Verfügung zu stellen sind.

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++ Anmerkung: Anderer Auffassung BSG , Urteil vom 09.11.2010 , – B 4 AS 78/10 R –

Zahlt ein Vater Unterhalt für ein getrennt lebendes Kind, so ist dies bei der Berechnung von Hartz-IV-Leistungen einkommensmindernd zu berücksichtigen. Das gilt für beim Jugendamt festgelegte Unterhaltszahlungen, unabhängig vom Einkommen.

Von einer Absetzung der Unterhaltszahlungen vom Einkommen kann in diesem Fall auch nicht allein unter dem Gesichtspunkt unterlassener Selbsthilfe (§ 2 SGB II) mit der Begründung abgesehen werden, der Leistungsempfänger habe nicht auf eine Abänderung seines Unterhaltstitels hingewirkt. § 2 SGB II enthält insoweit keine durchsetzbaren Rechtspflichten, sondern Obliegenheiten, deren Verletzung lediglich leistungsrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann, die speziell und abschließend in §§ 31, 32 SGB II geregelt sind.

3.3 – Bayerisches Landessozialgericht Beschluss vom 13.09.2010 , – L 11 AS 475/10 B ER –

Ablehnende Beschlüsse auch im einstweiligen Rechtsschutzverfahren erwachsen, wenn kein Rechtsmittel mehr möglich ist, in Rechtskraft, und ein erneuter Antrag ist unzulässig, wenn er den abgelehnten Antrag – bei unveränderter Sach- und Rechtslage – lediglich wiederholt (vgl. Beschluss des Senates vom 18.03.2009 – L 11 AS 125/09 ER; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl., § 86b Rn.45a).

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3.4 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 05.11.2010 , – L 19 AS 1603/10 B ER –

Der Antrag auf Zuweisung eines/einer anderen Betreuers/Betreuerin ist nicht zulässig. Über den Einsatz ihrer personellen Mittel entscheidet der Leistungsträger nach dem SGB II selbst, ohne dass die Rechtsordnung dem Leistungsbezieher einen Anspruch auf eine/einen bestimmten/bestimmte Bearbeiter/Bearbeiterin einräumt, noch die Gerichte befugt, in das insoweit bestehende Selbstbestimmungsrecht der Behörde einzugreifen.

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++ Anmerkung: Vgl. dazu Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Urteil vom 26.03.2010 , – L 32 AS 2431/08 – , veröffentlicht im Rechtsprechungsticker von Tacheles 21/2010.

Der erwerbsfähige Hilfebedürftige hat Anspruch auf Arbeitsvermittlung und Beratung (vgl. § 16 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 35 SGB III), das Gesetz räumt ihm aber keinen klagbaren Anspruch auf Einsetzung eines Arbeitsvermittler mit bestimmter Qualifikation ein, noch nicht einmal auf einen hinreichend qualifizierten Ansprechpartner.

++ Anmerkung: Vgl. dazu Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 23.04.2010 , – L 6 B 93/09 AS – , veröffentlicht im Rechtsprechungsticker von Tacheles 21/2010.

Hartz IV – Empfänger kann vom Leistungsträger nicht die Zuweisung eines anderen Fallmangers/Sachbearbeiters beanspruchen , denn es besteht kein subjektiv-öffentliches Recht auf Vornahme der beantragten Maßnahme (vgl. auch BSG, Urteil vom 22. September 2009 – B 4 AS 13/09 R -; Bayerisches LSG, Beschluss vom 22. Juni 2009 – L 7 AS 348/09 B ER – ).

Auch aus § 14 S. 2 SGB II, nach dem hilfebedürftigen Erwerbsfähigen vom Grundsicherungsträger ein persönlicher Ansprechpartner benannt werden soll, lässt sich kein durchsetzbarer subjektivrechtlicher Anspruch gerichtet auf die Auswechslung eines Fallmanagers und Zuweisung eines anderen Sachbearbeiters ableiten. Denn die Vorschrift enthält (allenfalls) eine objektiv-rechtliche Aufgabenzuweisung an den Leistungsträger zwecks Sicherstellung eines kompetenten Fallmanagements, nicht aber den Rechtsanspruch auf bestimmte Personalstrukturen in der Fallbearbeitung (vgl. BSG, Urteil vom 22. September 2009 – B 4 AS 13/09 R – m.w.N ) .

Auch § 17 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gewährt kein Recht des Beteiligten eines Verwaltungsverfahrens auf förmliche Ablehnung eines Amtsträgers auf Seiten der Behörde .

4.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

4.1 – Sozialgericht Berlin Beschluss vom 08.11.2010, – S 128 AS 33550/10 ER –

Leben der Antragsteller und seine Partnerin mehr als ein Jahr unter einem Dach, bedeutet dies aber nicht, dass sie im Sinne des § 7 Abs. 3a Nr. 1 SGB II zusammenleben.

Denn nicht jede Form des Zusammenlebens, sondern nur ein qualifiziertes Zusammenleben im Sinne auch einer Wirtschaftsgemeinschaft löst die Vermutung nach § 7 Abs. 3a SGB II aus (vgl. LSG Sachsen, Beschluss vom 10. September 2009 – L 7 AS 414/09 B ER – ). Auch ist für ein Zusammenleben ein auf Dauer angelegtes gemeinsames Wohnen notwendig (vgl. Bayerisches LSG, Beschluss vom 9. Dezember 2009 – L 16 AS 779/09 B ER – ).

Die Arge kann als Mitwirkungshandlung vom Antragsteller nicht verlangen, Dokumente Dritter vorzulegen. Es ist dem Antragsteller nicht möglich, Unterlagen eines Dritten vorzulegen, insbesondere wenn dieser das – wie wohl hier –verweigert (vgl. SG Bremen, Beschluss vom 26. Juni 2009 – S 18 AS 884/09 ER – Beschluss vom LSG Niedersachsen-Bremen vom 14. Januar 2008 – L 7 AS 772/07 ER – ). § 60 Abs. 4 SGB II ermöglicht es vielmehr dem Grundsicherungsträger, sich unmittelbar an den Dritten zu wenden. Nach § 60 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB II hat der Partner der Agentur für Arbeit auf Verlangen Auskunft zu erteilen, soweit Einkommen oder Vermögen des Partners zu berücksichtigen sind. Während § 60 Abs 1 Nr. 1 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch nur den Antragsteller oder Leistungsempfänger selbst betrifft, erfasst § 60 SGB II Auskunftspflichten Dritter, die für den Leistungsanspruch des Antragstellers von Bedeutung sein können. Hierbei erfasst § 60 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB II die Fälle einer Partnerschaft nach § 7 Abs 3 Nr. 3 SGB II (vgl. zur Vorstehendem BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 – B 4 AS 78/08 R – SozR 4-1200 § 66 Nr. 5).

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++ Anmerkung: Vgl. dazu SG Berlin Beschluss vom 20.05.2010 , – S 128 AS 14550/10 ER , veröffentlicht im Rechtsprechungsticker von Tacheles 21/2010 .

5.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)
5.1 – Sozialgericht Augsburg Urteil vom 28.10.2010 , – S 15 SO 113/10 –

Zahlungen aus Medikamentenstudien stellen Einkünfte in Geld und damit rechtlich Einkommen gemäß § 82 SGB XII dar.

Es handelt sich bei der Aufwandsentschädigung auch nicht um eine nach Zweck und Inhalt bestimmte Leistung gemäß § 83 Abs. 1 SGB XII. Danach sind Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, nur soweit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Sozialhilfe im Einzelfall demselben Zweck dient.

Dabei ist von der Rechtsprechung anerkannt, dass die Zwecksetzung einer Leistung nur dann im Sinne des § 83 Abs. 1 SGB XII beachtlich sein kann, wenn mit der Leistung ein Bedarf gedeckt werden soll, der sich von den durch die Leistungen der Sozialhilfe zu deckenden Bedarfen unterscheidet. Nur dann soll dem Empfänger der Leistung diese Bedarfsdeckung nicht dadurch unmöglich gemacht werden, dass er durch Versagung von Sozialhilfe gezwungen wird, die andere Leistung ihrer Zweckbestimmung zuwider zu verwenden (Bundessozialgericht – BSG – vom 23.03.2010 – B 8 SO 15/08 R)

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++ Anmerkung: Vgl. dazu zum SGB II Sozialgericht Düsseldorf Urteil vom 20.11.2007, – S 42 AS 60/07 –

Aufwandsentschädigung für Teilnahme an klinischer Studie ist nicht als Einkommen auf ALG-II anzurechnen.

5.2 – Sozialgericht Düsseldorf Beschluss vom 05.11.2010 , – S 42 SO 480/10 ER –

Keine Übernahme von Mietkosten im Rahmen der Hilfe zur Überwindung besondere sozialer Schwierigkeiten für einen Zeitraum von 15 Monaten .

Auch in der aktuellen Rechtsprechung ist kein Fall ersichtlich, wonach die Übernahme der Mietkosten im Rahmen der Hilfe zur Überwindung besondere sozialer Schwierigkeiten für einen derart langen Zeitraum von 15 Monaten (oder sogar mehr) als gerechtfertigt angesehen wurde. Als maximaler Zeitraum wurde in einer älteren Entscheidung die Übernahme der Miete für etwa 13 Monate im Rahmen der vorbeugenden Hilfe als möglich angesehen (vgl. OVG Berlin Beschl. v. 13.12.1979 – VI S 77.79-), andererseits wurde auch angenommen, dass die Übernahme von Mieten für mehr als ein Jahr schon nicht gerechtfertigt sei (SG Hannover Beschl. v 14.04.2005 – S 52 SO 185/05 ER zitiert bei Grube/Wahrendorf, 3. Aufl. 2010, § 68 Rn. 11).

Bei der Prüfung der Erforderlichkeit ist auch zu berücksichtigen, dass Ziel der Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten ist, die Hilfesuchenden zur Selbsthilfe zu befähigen (vgl. § 2 Abs. 1 VO). Dabei sind vor Geld- und Sachleistungen vorrangig als Hilfe zur Selbsthilfe Dienstleistungen der Beratung und persönlichen Unterstützung für die Hilfesuchenden bei der Erhaltung und Beschaffung einer Wohnung (vgl. § 4 Abs. 2 S. 2 VO). Das Ziel der Hilfe zur Selbsthilfe kann jedoch nach Ansicht des Gerichts mit Unterstützung der Wohnungslosenhilfe, die sich hier bereits mehrfach für den Antragsteller eingesetzt hat und mit deren Unterstützung bereits einmal eine Wohnung erfolgreich angemietet und bewohnt werden konnte, auch dann erreicht werden, wenn vor bzw. zum Termin der Haftentlassung erneut mit Hilfe des Caritasverbandes eine Wohnung nach den Vorstellungen des Antragstellers angemietet wird.

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++ Anmerkung: Vgl. dazu Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Beschluss vom 10.03.2010 , – L 8 SO 10/09 B – , veröffentlicht im Rechtsprechungsticker von Tacheles 31/2010 mit weiteren Rechtsprechungshinweisen .

Keine Übernahme von Mietschulden nach § 34 SGB XII nach Antritt der Haftstrafe, wenn das Mietverhältnis bereits gekündigt war – Kein Anspruch auf Hilfe zur Überwindung sozialer Schwierigkeiten gemäß §§ 67, 68 SGB XII.

5.3 – Sozialgericht Aachen Urteil vom 09.11.2010 , – S 20 SO 85/09 –

Kein Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung bei Bluthochdruck – koronarer Herzkrankheit, – chronischer Emphysembronchitis bei Nikotinkonsum, – wiederkehrenden Oberbauchbeschwerden und Verdauungsstörungen bei Schleimhautentzündungen der Speiseröhre und des Magens, Colondivertikulose und Polypen im Dickdarm, Refluxsophagitis (GERD = Gastro Esophageal Reflux disease), – Übergewicht (Adipositas Grad I), – Fettstoffwechselstörung (Hypercholesterinämie), – wiederkehrenden LWS-Beschwerden.

Der HB bedarf keiner Ernährung, deren Kosten über den üblichen Bedarf hinausgehen. Bei den bei ihm bestehenden Krankheitsbildern und seinem Übergewicht ist nach den Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkostzulagen in der Sozialhilfe vom 01.10.2008 (im Folgenden: Empfehlungen 2008) eine Vollkost-Ernährung angezeigt.

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6.   Fragen und Antworten zur Grundsicherung nach dem SGB II

Ist die Überprüfung bestandskräftiger Bescheide nach § 44 SGB X auch im Rahmen des einstweiligen Rechtsschutzes möglich ?

Auch im Rahmen der begehrten Überprüfung bestandskräftiger Bescheide nach § 44 SGB X ist die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes möglich. Allerdings sind hierbei besonders strenge Anforderungen an die Glaubhaftmachung des Anordnungsgrundes zu stellen, da es dem Antragsteller im Regelfall zuzumuten ist, die Entscheidung im Verwaltungs- und gegebenenfalls in einem anschließenden gerichtlichen Hauptsacheverfahren abzuwarten. Denn das Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG ist regelmäßig auf die Bewilligung von Leistungen nicht für die Vergangenheit, sondern für die Gegenwart und Zukunft gerichtet.

Etwas anderes gilt allenfalls dann, wenn für den Antragsteller ein Abwarten der Entscheidung im Hauptsacheverfahren unzumutbar ist

7. Harald Thomé hat eine neue Übersicht und Kurzkommentierung erstellt zu den geplanten Änderungen im Regelbedarfsermittlungsgesetz, diese hat den Stand 15.11.2010 und ist hier zu finden: www.harald-thome.de (pdf)

Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de