Rechtsprechungsticker von Tacheles KW 47/2010

1.  Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
 
1.1 – Bayerisches Landessozialgericht Urteil vom 21.07.2010, – L 16 AS 532/09 – , Revision zugelassen

Heizkostennachforderung ist in voller Höhe zu übernehmen, denn eine Warmwasserabrechnung nach der Heizkostenverordnung lässt keine konkrete Erfassung der Warmwasserkosten zu.

Zwar wird über einen Zähler in der Wohnung des HB gemessen, wie viele Kubikmeter Warmwasser verbraucht werden. Es wird jedoch nicht gemessen, wie viel Energie für die Erwärmung dieses Warmwassers benötigt wird. Die durchgeführte Berechnung nach der Heizkostenverordnung stellt keine konkrete Berechnung des verbrauchten Energiebedarfs dar, sondern es wird durch eine Näherungsberechnung, die auf Erfahrungswerten beruht, der Anteil des HB am Gesamtenergieverbrauch ermittelt. Hierbei wird zum einen auf den individuellen Verbrauch abgestellt, zum anderen der Verbrauch aus dem Flächenanteil an den Gesamtkosten ermittelt.

Dies stellt keine konkrete Erfassung der Warmwasseraufbereitungskosten dar (so auch Brehm/Schifferdecker, Die Warmwasserpauschale im Regelsatz des SGB II, SGb 2010, 331). Beachtlich ist hierbei, dass in den Kosten für Warmwasser auch Kosten für den Wasserverbrauch enthalten sind, der nach § 22 SGB II zu den Kosten der Unterkunft zählt.

www.sozialgerichtsbarkeit.de

++ Anmerkung: Vgl. dazu Landessozialgericht Berlin-Brandenburg vom 29.12.2009, Az. L 32 AS 1639/09, Rz. 33, Revision hiergegen anhängig beim BSG unter dem AZ. : B 14 AS 16/10 R, , veröffentlicht im Rechtsprechungsticker von Tacheles 16/2010 mit weiteren vielen Rechtsprechungshinweisen .

Warmwasserbereitungskosten sind auch dann nur in dem Umfang, in welchem sie bereits pauschaliert im Regelsatz enthalten sind, kein Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 SGB II, wenn sie zwar separat ausgewiesen an den Vermieter zu leisten sind, sie jedoch nicht nach dem tatsächlichen Verbrauch, sondern als Bruchteil des Gesamtverbrauchs nach dem Wohnflächenanteil zu tragen sind.

++ Anmerkung: Vgl. dazu LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26.05.2009, Az. L 14 AS 1830/08, Revision hiergegen anhängig unter B 14 AS 52/09 R -, veröffentlicht im Rechtsprechungsticker von Tacheles 16/2010 mit weiteren vielen Rechtsprechungshinweisen.

Bisher gibt es keine höchstrichterliche Klärung zu der Frage, ob eine nach Maßgabe der HeizkostenV vorgenommene Abrechnung der Warmwasserkosten als konkrete Erfassung anzusehen ist, welche die sich aus der Bemessung des Regelsatzes ergebende Pauschale verdrängt, und welcher Maßstab dann gegebenenfalls für die Bemessung des Abschlags während der noch laufenden Abrechnungsperiode gilt. Von ALG-II-Leistungen abziehbare Warmwasserkosten können nicht nach Heizkostenverordnung berechnet werden.

1.2 – Bayerisches Landessozialgericht Beschluss vom 23.09.2010 , – L 11 AS 586/10 B ER –

Verfügbarkeit im Sinne des § 119 Abs. 5 Sozialgesetzbuch (SGB III) ist keine Anspruchsvoraussetzung für den Leistungsbezug nach dem SGB II.

Denn mit der Einführung des § 7 Abs 4a SGB II hat der Gesetzgeber nur eine Regelung über die Ortsabwesenheit der Leistungsbezieher treffen und keine neue (positive) Anspruchsvoraussetzung etablieren wollen (vgl. Spellbrink in Eicher/ Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 7 Rn. 78), so dass der Leistungsbezug der Hilfebedürftigen nicht an deren fehlender Verfügbarkeit (iSd § 119 Abs 5 SGB III) scheitern kann, denn die EAO setzt den Begriff der Verfügbarkeit als gesetzliche Anspruchsvoraussetzung voraus und definiert diesen lediglich.

www.sozialgerichtsbarkeit.de

1.3 – Bayerisches Landessozialgericht Beschluss vom 14.09.2010 , – L 7 AS 591/10 B ER –

Ein Abschlag von der vollen Leistung ist im einstweiligen Rechtsschutz auch bei existenzsichernden Leistungen möglich (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12.05.2005, 1 BvR 569/05, Rn. 26).

Hier wurden dem Antragsteller 80 % der Regelleistung zugesprochen.

www.sozialgerichtsbarkeit.de

 
1.4 – Bayerisches Landessozialgericht Beschluss vom 15.09.2010 , – L 7 AS 612/10 B PKH –

Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren ist abzulehnen.

Denn für das PKH-Verfahren wird selbst keine Prozesskostenhilfe gewährt (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage 2008, § 73a RdNr. 2b). Dies gilt auch für das zugehörige Beschwerdeverfahren. Das PKH-Verfahren dient nicht unmittelbar der Rechtsverfolgung im Sinn von § 114 Satz 1 ZPO; es handelt sich um ein separates Verfahren zur Prüfung, ob die Rechtsverfolgung finanzieller Unterstützung bedarf (so BayLSG, Beschluss vom 07.05.2010, L 17 U 133/10 B PKH und schon BGH, Beschluss vom 30.05.1984, VIII ZR 298/83 = NJW 1984, S. 2106). Einen Antrag auf Prozesskostenhilfe kann der Betroffene selbst stellen und ggf. zuvor Beratung nach dem Beratungshilfegesetz in Anspruch nehmen.

www.sozialgerichtsbarkeit.de

1.5 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Beschlüsse vom 10.11.2010 , – L 9 AS 1346/10 B ER – und – L 9 AS 1347/10 –

Das SGB II enthält keine Anspruchsgrundlage zur Übernahme von Kosten eines DNA-Gutachtens als Zuschuss.

www.sozialgerichtsbarkeit.de

1.6 – Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern Urteil vom 27.05.2010, – L 8 AS 71/08 –

Für die Übernahme von Auszugsrenovierungskosten als Kosten der Unterkunft muss kein unstreitiger Anspruch des Vermieters vorliegen.

Denn nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II können auch Renovierungskosten (Schönheitsreparaturen) als Kosten der Unterkunft anzusehen sein. Erforderlich und ausreichend ist, dass die diesbezügliche streitige Forderung des ehemaligen Vermieters soziale Wirksamkeit besitzt.

www.landesrecht-mv.de

 
1.7 – Landessozialgericht Hamburg Urteil vom 20.04.2010 , – L 5 AS 55/07 –

Die Kosten der Auszugsrenovierung sind von den zu gewährenden Kosten der Unterkunft gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II erfasst und sind nicht aus dem Regelsatz zu bestreiten .

Erforderlich ist die Durchführung der Renovierungsarbeiten durch eine Fremdfirma , wenn es dem Hilfebedürftigen in Eigenregie krankheitsbedingt nicht möglich ist . Eine Verpflichtung der Verwandtschaft, diese Aufwendungen für den erkrankten HB zu tragen, ergibt sich aus dem SGB II hingegen nicht.

www.sozialgerichtsbarkeit.de

 
1.8 – Landessozialgericht Hamburg Urteil vom 02.09.2010, – L 5 AS 19/08 -, Revision zugelassen

Der Mischregelsatz gilt nicht für eine Bedarfsgemeinschaft, in der ein Partner Alg II und der andere Partner Leistungen nach dem AsylbLG bezieht.

Denn die Vorschrift des § 20 Abs. 3 SGB II, nach der die Regelleistung jeweils nur 90 % beträgt, wenn zwei Partner der Bedarfsgemeinschaft das 18. Lebensjahr vollendet haben, passt nicht auf solche Bedarfsgemeinschaften, deren einer volljähriger Partner Leistungen nach dem SGB II, deren anderer volljähriger Partner aber lediglich Grundleistungen nach § 3 AsylbLG erhält (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 14.4.2010 – L 10 AS 1228/09-; Beschl. v. 3.5.2007 – L 18 B 472/07 AS, FEVS 58 S. 573 ff.; SG Hamburg, Beschl. v. 24.4.2008 – S 56 AS 796/08 ER, InfAuslR 2009 S. 39 f.; Krauß, in: Hauck/Noftz, SGB II, § 20 Rn. 69, Stand März 2008; O. Loose, in: Hohm, SGB II, § 20 Rn. 53.1, Stand März 2008).

www.sozialgerichtsbarkeit.de

++ Anmerkung: Vgl. dazu LSG Berlin, L 10 AS 1228/09, Urteil vom 14.04.2010, Revision anhängig beim BSG unter dem Az. : – B 14 AS 105/10 R- , veröffentlicht im Rechtsprechungsticker von Tacheles 30/2010.

Der Mischregelsatz gilt nicht für eine Bedarfsgemeinschaft, in der ein Partner Alg II und der andere Partner Leistungen nach dem AsylbLG bezieht (Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 03. Mai 2007 , L 18 B 472/07 AS).

1.9 – Sächsisches Landessozialgericht Beschluss vom 12.11.2010 , – L 7 AS 593/10 B ER –

Sofortige Vollziehung des vom Leistungsträgers ausgesprochenen Hausverbots gegen den Hilfebedürftigen ist zulässig.

Denn materiell rechtlich verlangt der Erlass eines Hausverbotes eine nachhaltige Störung des Dienstbetriebes, wobei der Grundsicherungsträger besondere Anstrengungen unternehmen muss, um sich anbahnende oder bereits entstandene Konflikte zu überwinden.

Schon die Forderung des Antragstellers, die Dienststelle täglich aufsuchen und telefonische Erstkontakte über die Telefonanlage der Antragsgegnerin ausführen zu können, steht außer Verhältnis zu dem Beratungs- und Betreuungsbedarf, den er im Rahmen des § 14 Satz 1 SGB II vernünftigerweise beanspruchen kann. Es liegt auf der Hand, dass durch eine derart häufige Vorsprache bei der Fallmanagerin ein geordneter Ablauf der übrigen dienstlichen Geschäfte in der Dienststelle nicht mehr gewährleistet werden kann.

Die von der Behörde mit ihrem Hausverbot ausgesprochenen Beschränkungen für das persönliche Aufsuchen der Dienststelle sind nicht nur dann gerechtfertigt , wenn von einem Hilfebedürftigen eine objektive Gefahr ausgeht, sondern schon dann, wenn der Dienstbetrieb wiederholt erheblich gestört wird.

www.sozialgerichtsbarkeit.de

 
1.10 – Sächsisches Landessozialgericht Urteil vom 25.10.2010, – L 7 AS 346/09 – , Revision zugelassen

Gebühren für die Gemeinschaftsantenne sind keine erstattungsfähigen Kosten der Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II, weil sie der Hilfebedürftige nicht kraft Mietvertrags zu tragen hat. Denn nur für diesen Fall können die Aufwendungen für die Gemeinschaftsantenne unter § 2 Betriebskostenverordnung (BetrKV) fallen.

Da diese Kosten der Gemeinschaftsantenne somit nicht unter die Kosten der Unterkunft zu fassen sind, sondern der Regelleistung zuzuordnen sind und in dieser enthalten sind, ist eine Anspruchsgrundlage für die Übernahme der Kosten des (freiwilligen) Vertrags über die Nutzung der Gemeinschaftsantenne nicht gegeben.

In der zitierten Entscheidung vom 19.02.2009 (B 4 AS 48/09 R, RdNr. 20) hat das Bundessozialgericht ausdrücklich offen gelassen, ob die Kosten eines Kabelanschlusses, der aufgrund eines freiwilligen Entschlusses des Mieters tatsächlich genutzt wird, auch dann von Leistungen für Kosten der Unterkunft ausgeschlossen sind, wenn der vorhandene Kabelanschluss der einzige technische Zugang zum Fernsehen ist und der Vermieter jeden anderen Anschluss untersagt (Übernahme als Unterkunftskosten nur dann, wenn Kabelanschlussgebühren nicht zur Disposition des Hilfebedürftigen stehen; (siehe Kahlhorn in Hauck/Noftz, SGB II, Stand VII/07, § 22 RdNr. 13, so auch Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 22 RdNr. 23). Dies ist eine sich auch für den Fall des Beitritts zu einer Antennengemeinschaft stellende Rechtsfrage.

www.sozialgerichtsbarkeit.de

 
1.11 – Sächsisches Landessozialgericht Beschluss vom 03.11.2010 , – L 7 AS 677/10 B ER –

Personen, deren Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II vor dem 01.01.2008 entstanden ist und die das 58. Lebensjahr vor diesem Tag vollendet haben, konnten gemäß § 65 Abs. 4 SGB II Leistungen unter entsprechender Anwendung des § 428 SGB III erhalten. In diesen Fällen ist der Hilfebedürftige generell nur dann aufzufordern, einen Rentenantrag zu stellen, wenn die Voraussetzungen für eine ungeminderte Rente vorliegen.

www.sozialgerichtsbarkeit.de

2. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

 
2.1 – Sozialgericht Gießen Beschluss vom 30.04.2010, – S 26 AS 352/10 ER –

Die Deckelung der Kosten der Unterkunft und Heizung nach einem nicht erforderlichen Umzug gem. § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II in der ab 1. August 2006 geltenden Fassung gilt nur für einen Wohnungswechsel innerhalb des für die Bestimmung der Angemessenheit maßgeblichen örtlichen Bereichs.

Das Erfordernis einer vorherigen Zusicherung zum Umzug von Personen unter 25 Jahren ist nur auf Personen anzuwenden, die zum Zeitpunkt des Umzuges Leistungen nach dem SGB II beantragt haben oder erhalten (Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 2. Juli 2009, L 3 AS 128/08, Rn. 36 m.w.N.).

www.sozialgerichtsbarkeit.de

++ Anmerkung: Vgl. dazu BSG , Urteil vom 01.06.2010 , – B 4 AS 60/09 R – , veröffentlicht im Rechtsprechungsticker von Tacheles 23/2010.

§ 22 Abs 1 Satz 2 SGB II findet auf Fallgestaltungen, bei denen ein Umzug über die Grenzen des Vergleichsraums iS der Rechtsprechung des BSG (s BSG Urteil vom 19.2.2009 – B 4 AS 30/08 R) hinaus vorgenommen wird, von vornherein keine Anwendung.

++ Anmerkung: Nach § 22 Abs. 2 a Satz 1 SGB II werden, sofern Personen, die das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, umziehen, Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Zeit nach einem Umzug bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres nur erbracht, wenn der kommunale Träger dies vor Abschluss des Vertrages für die Unterkunft zugesichert hat.Diese Regelung ist nur für Fälle eines erstmaligen Bezuges einer (eigenen) Wohnung – im Regelfall durch Auszug aus der elterlichen Wohnung – anwendbar, da es Intention des Gesetzgebers ist, die Entstehung weiterer Bedarfsgemeinschaften zu vermeiden (vgl. hierzu: Berlit in: Münder, SGB II, 3. Auflage, 2009, § 22 Rn. 89 ff. und Lang/Link in: Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage, 2008, § 22 Rn. 80 b und e).

2.2 – Sozialgericht Karlsruhe Beschluss vom 10.11.2010 , – S 15 AS 3923/10 ER –

Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entschuldigt nicht immer Nichterscheinen zum Meldetermin bei der Agentur für Arbeit.

Nämlich dann, wenn in der Meldeaufforderung ausdrücklich darauf hingewiesen worden war, dass im Fall einer krankheitsbedingten Unfähigkeit zur Wahrnehmung des Termins eine besondere Bescheinigung vorzulegen sei.

www.sozialgericht-karlsruhe.de

++ Anmerkung: Vgl. dazu BSG, Urteil vom 09.11.2010 , – B 4 AS 27/10 R – , veröffentlicht im Rechtsprechungsticker von Tacheles KW 46/2010.

Krankenschein schützt nicht vor Meldung bei der Arge.

Denn die Bescheinigung der Arbeitsunfähigkeit an sich begründet noch keinen Nachweis eines gesundheitlichen Unvermögens, zu einem Meldetermin zu erscheinen Gesundheitliche Umstände können einen wichtigen Grund für das Nichterscheinen darstellen.

2.3 – Sozialgericht Frankfurt (Oder) Urteil vom 02.09.2010 , – S 21 AS 375/10 – , anhängig beim LSG Berlin-Brandenburg – L 29 AS 1914/10 –

Die Angemessenheitsprüfung der Unterkunftskosten ist nicht ins Belieben der Verwaltung gestellt.

Vielmehr sind weitere Konkretisierungen erforderlich, die schon auf Grund des allgemeinen Gleichheitssatzes nach einheitlichen Kriterien erfolgen müssen. Zum anderen fordert das Rechtsstaatsprinzip die Verlässlichkeit und Vorhersehbarkeit der Begrenzung (Bundessozialgericht – BSG –, Urteil vom 22.09.2009, B 4 AS 18/09 R, Rdnr. 12).

www.sozialgerichtsbarkeit.de

2.4 – Sozialgericht Frankfurt (Oder) Gerichtsbescheid vom 21.10.2009, – S 21 AS 2059/07 –
Aufhebungsbescheide sind nur dann hinreichend bestimmt, wenn bezogen auf jeden Monat und jeden Leistungsempfänger erkennbar ist, in welcher Höhe eine Aufhebung erfolgt.

Denn nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts handelt es sich bei den Ansprüchen auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) auch bei einer Bedarfsgemeinschaft angehörenden Personen um Individualansprüche, die monatsweise zu berechnen sind. Wenn einer der Bedarfsgemeinschaft angehörende Person zu geringe Leistungen bewilligt wurden, so kann sie die Bewilligung der ihr zustehenden Leis-tungen sogar dann verlangen, wenn die Bedarfsgemeinschaft insgesamt Leistungen in zutreffender Höhe erhalten hat und die Leistungen vom Grundsicherungsträger nur innerhalb der Bedarfsgemeinschaft auf die einzelnen Personen unzutreffend aufgeteilt wurden (Urteil des Bundessozialgerichtes vom 18.06.2008, Az.: 14 AS 55/07 R, Rdnr. 27-28). Auch bei derselben Person dürfen auch innerhalb eines Bewilligungszeitraums Überzahlungen für einzelne Monate nicht mit zu geringen Leistungen für andere Monate saldiert werden (Urteil des Bundessozialgerichts vom 05.09.2007, Az. B 11b AS 15/06 R, Rdnr. 42).

www.sozialgerichtsbarkeit.de


2.5 – Sozialgericht Düsseldorf Urteil vom 18.10.2010 , – S 7 (28) AS 224/08 –

Keine Gewährung der Leistungen für die Kosten der Unterkunft , wenn die unter 25 – jährige Hilfebedürftige es unterlassen hat, professionelle Hilfe zur Lösung des Konflikts mit ihrer Mutter in Anspruch zu nehmen .

Dabei kann die unterlassene Einschaltung eines professionellen Helfers, etwa eines Jugendhilfeträgers, einer Erziehungsberatung, eines Familientherapeuten und bei Gewalttätigkeiten auch der Polizei ein Indiz dafür sein, dass nicht hinreichend versucht worden ist, die Konflikte zu lösen. Auch wenn die beschriebenen professionellen Anlaufstellen für junge Erwachsene Hilfsangebote sind, die nicht aufgezwungen werden sollen und können, kann ein Verzicht auf professionelle Hilfe nicht automatisch dazu führen, dass der leichtere Weg einer Trennung durch die Gewährung von Sozialleistungen (hier KdU gemäß SGB II) zu finanzieren ist. Etwas anderes kann gelten, wenn das Zerwürfnis so tiefgreifend ist, dass die Inanspruchnahme professioneller Hilfe von vornherein aussichtslos ist (vgl. Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 16.06.2010, Az. L 5 AS 383/09 ER).

www.sozialgerichtsbarkeit.de

3. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)

3.1 – Bayerisches Landessozialgericht Urteil vom 23.09.2010 , – L 8 SO 1/08 –

Erhält die Sozialhilfeempfängerin über den vom überörtlichen Träger der Sozialhilfe finanzierten Werkstattbesuch (WfbM) ein kostenloses Mittagessen , rechtfertigt das eine abweichende Festlegung des Regelbedarfs((BSG Urteil vom 11.12.2007, B 8/9b SO 21/06 R).

www.sozialgerichtsbarkeit.de

 
++ Anmerkung: Vgl. dazu BSG, Urteile vom 23.03.2010 – B 8 SO 15/08 R – und B 8 SO 17/09 R – , veröffentlicht im Rechtsprechungsticker von Tacheles 36/2010.

Das in der Werkstatt für behinderte Menschen im Rahmen einer von der Bundesagentur für Arbeit geförderten Maßnahme kostenlos zur Verfügung gestellte Mittagessen mindert nicht den Sozialhilfeanspruch des behinderten Menschen (Abgrenzung zu BSG vom 11.12.2007 – B 8/9b SO 21/06 R = BSGE 99, 252 = SozR 4-3500 § 28 Nr 3).

3.2 – Hessisches Landessozialgericht Beschluss vom 09.11.2010 , – L 7 SO 134/10 B ER –
Die Übernahme von Mietschulden ist nur gerechtfertigt, wenn sie geeignet ist, die Unterkunft dauerhaft zu sichern. Daran fehlt es, wenn die Umstände, die für die aufgelaufenen Mietrückstände verantwortlich gewesen sind, trotz Übernahme der Mietschulden nicht zu beseitigen sind. Das ist insbesondere anzunehmen, wenn das Verhalten des Schuldners die Prognose erlaubt, dass auch in Zukunft rechtzeitige Mietzahlungen weder mit der erforderlichen Regelmäßigkeit zu erwarten sind noch anderweitig sichergestellt werden können.

Es ist fraglich, ob der Sozialhilfeträger die Referenzmiete zur Bestimmung der abstrakten Angemessenheitsgrenze nach Baualtersklassen differenzieren darf. Die Referenzmiete soll nicht bestimmen, ob die derzeit bewohnte Unterkunft angemessen ist (konkrete Betrachtungsweise), sondern bis zu welcher Höchstgrenze sich der Leistungsberechtigte im maßgeblichen Vergleichsraum eine Unterkunft beschaffen darf (abstrakte Betrachtungsweise) – BSG, 22. März 2010 – B 8 SO 24/08 R unter Verweis auf Rspr des BSG zu § 22 SGB II: grundlegend BSG, 7. November 2006 – B 7b AS 18/06 R; 22. September 2009 – B 4 AS 18/09 R -. Es dürften daher für die Bestimmung der Höchstgrenze alle Baualtersklassen – ggf. statistisch gewichtet – einzubeziehen sein, die das untere Wohnsegment im Vergleichsraum abbilden (so Mietspiegel für Stadt Essen: BSG, 17. Dezember 2009 – B 4 AS 27/09 R).

Zweitens hat der Sozialhilfeträger das untere Drittel allein mittels einer arithmetischen Auswertung des Mietspiegels vorgenommen, ohne eine Häufigkeitsverteilung anhand der Grunddaten oder anderer Quellen zu berücksichtigen. Eine realitätsgerechte Abbildung des Vergleichsraumes ist damit aber fraglich, weil Höchst- und Niedrigstspannen die Referenzmiete bestimmen können, die auf dem tatsächlichen Wohnungsmarkt möglicherweise keine statistische Relevanz besitzen (vgl. hierzu: BSG, 19. Oktober 2010 – B 14 AS 50/10 R – Terminbericht Nr. 58/10 Nr. 2).

www.sozialgerichtsbarkeit.de

 

4. Anmerkung zu: BSG 14. Senat, Urteil vom 23.03.2010 – B 14 AS 1/09 R – , Autor: Dr. Michael E. Reichel, RiSG, Fundstelle: jurisPR-SozR 23/2010 Anm. 1

Hängt die Teilnahme an einer mehrtägigen Klassenfahrt in schulrechtlich zulässiger Weise von der vorherigen Teilnahme an einer eintägigen Veranstaltung ab, gehören auch diese Kosten zu den Kosten der mehrtägigen Klassenfahrt.

 
5. Fragen und Antworten zur Grundsicherung nach dem SGB II

Zählen die Kosten für die Erneuerung und Ausbesserung von Kanalanschlüssen für das selbst genutzte Hausgrundstück, für die die Kommune Kosten bzw einen Kostenersatzanspruch geltend macht, zu den grundsätzlich berücksichtigungsfähigen Betriebskosten bzw tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung im Sinne des § 22 Abs 1 S 1 SGB II ?

Kosten für die Erneuerung und der Ausbesserung der Anschlusskanäle bei einem von dem Hilfebedürftigen selbst bewohnten Eigenheim sind nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu übernehmen , denn zu den erstattungsfähigen Aufwendungen für die Unterkunft bei Eigenheimen gehören alle mit dem Eigentum verbundenen notwendigen Ausgaben, die bei der Berechnung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung abzusetzen sind (BSG, Urteil vom 15.04.2008 – B 14/7b 34/06 R – Rn. 38; Knickrehm/Voelzke/Spellbrink, DSGT Praktikerleitfäden, Kosten der Unterkunft nach § 22 SGB II, S. 19, Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Urteil vom 25.02.2010 , – L 7 AS 47/09- , Revision anhängig beim BSG unter dem AZ. : B 14 AS 61/10 R.

Für die Übernahme dieser Kosten scheidet § 23 Abs 1 SGB II als Anspruchsgrundlage zur Deckung des vorliegenden Bedarfes aus. Die Tatbestandsvoraussetzungen für die Gewährung eines Darlehens bei einem unabweisbaren Bedarf im Sinne des § 23 Abs 1 SGB II liegen nicht vor. Danach kann im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts bei entsprechendem Nachweis durch Darlehensleistungen gedeckt werden.

Der geltend gemachte Bedarf ist als Unterkunftsbedarf zu qualifizieren, denn er betrifft das existenzielle Bedürfnis nach angemessenem Wohnraum. Die Leistungen hierfür werden jedoch zusätzlich zu den Regelleistungen gewährt und sind durch diese nicht abgegolten. Wegen dieser Differenzierung scheidet für nicht von der Regelleistung umfasste Bedarfe eine abweichende Erbringung von Leistungen nach § 23 Abs 1 SGB II aus(Bayerisches Landessozialgericht Urteil vom 18.03.2010,- L 11 AS 455/09 -, Bundessozialgericht B 4 AS 60/10 B vom 01.07.2010.

Auf eine Ratenzahlung darf die Arge nicht verweisen, denn einzelne Kosten, die in einer Summe fällig werden, sind als tatsächlicher, aktueller Bedarf im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu berücksichtigen und nicht auf längere Zeiträume zu verteilen. Sie gehören als einmalig geschuldete Zahlungen zum aktuellen Bedarf im Fälligkeitsmonat.

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Dabei erfasst § 22 Abs. 1 SGB II nicht nur laufende, sondern auch einmalige Kosten für Unterkunft und Heizung (BSG, Urteil vom 18.02.2010 – B 4 AS 28/09 R -; Urteil vom 16.12.2008 B 4 AS 49/07 R -; Urteil vom 19.09.2008 – B 14 AS 54/07 R -; Beschluss vom 16.05.2007 – B 7b AS 40/06 R -). Soweit einzelne Kosten in einer Summe fällig werden, sind sie als tatsächlicher, aktueller Bedarf im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu berücksichtigen, nicht aber auf längere Zeiträume zu verteilen (vgl. BSG, Urteil vom 22.03.2010 – B 4 AS 62/09 R -; Urteil vom 15.04.2008 – B 14/7b AS 58/06 R -). Sie gehören als einmalig geschuldete Zahlungen zum aktuellen Bedarf im Fälligkeitsmonat (vgl. BSG, Urteil vom 22.03.2010 – B 4 AS 62/09 R -; Urteil vom 02.07.2009 – B 14 AS 36/08 R -; Urteil vom 16.05.2007 – B 7b AS 40/06 R -).

Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de