Rechtsprechungsticker von Tacheles KW 05/2011

1.  Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 19.10.2010 zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

1.1 – BSG Urteil vom 19.10.2010, – B 14 AS 51/09 R –

Selbst wenn ein Erwerbsunfähigkeitsrentner keine Leistungen nach dem SGB II beziehen konnte, bildet er mit seinem 21- jährigem Sohn eine gemischte Bedarfsgemeinschaft, die Erwerbsunfähigkeitsrente ist beim Sohn als Einkommen zu berücksichtigen.

Die Regelung des § 7 Abs 3 Nr 2 SGB II (iVm § 9 Abs 2 Satz 2 SGB II) verletzt nicht Art 1 iVm Art 20 Abs 1 GG.

Der fürsorgerechtliche Gesetzgeber darf bei der Frage, ob der Einsatz staatlicher Mittel gerechtfertigt ist, von den Regelungen des Unterhaltsrechts abweichen und typisierend unterstellen, dass in einem Haushalt zusammenlebende Familienangehörige (die hier in gerader Linie verwandt sind) sich unterstützen.

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1.2 – BSG, Urteil vom 19.10.2010, – B 14 AS 23/10 R –
In Deutschland lebender Franzose hat Anspruch auf Arbeitslosengeld II

Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB II ist hier nicht anwendbar, weil der Kläger sich auf das Gleichbehandlungsgebot des Art 1 EFA berufen kann (ebenso LSG Niedersachsen-Bremen Beschluss vom 14.1.2008 – L 8 SO 88/07 ER – FEVS 59, 369, 373 ff; LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 14.1.2010 – L 14 AS 1565/09 B ER – ; SG Berlin Urteil vom 25.3.2010 – S 26 AS 8114/08 – ; Brühl/Schoch in LPK-SGB II, 3. Aufl 2009, § 7 RdNr 35).

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2.  Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
 
2.1 – Hessisches Landessozialgericht Urteil vom 20.12.2010, – L 9 AS 239/08 –

1. Leistungen für Unterkunft werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind. Die Ermittlung der regionalen Angemessenheitsgrenze durch den Grundsicherungsträger muss auf der Grundlage eines überprüfbaren schlüssigen Konzepts erfolgen (vgl. BSG, Urteile vom 18. Juni 2008 – B 14/7b AS 44/06 R – und vom 22. September 2009 – B 4 AS 18/09 R -).

Ein Konzept, das bei der Ermittlung der Angemessenheitsgrenze lediglich die teuerste und die preiswerteste aller der Datenerhebung zugrunde liegenden Wohnungen berücksichtigt, ist nicht schlüssig.

Fehlt es an einem schlüssigen Konzept, sind vom Grundsicherungsträger die tatsächlichen Aufwendungen des Hilfebedürftigen bis zur Höhe der durch einen Zuschlag (10%) maßvoll erhöhten Tabellenwerte nach § 8 WoGG a.F. (vgl. BSG, Urteile vom 2. Juli 2009 – B 14 AS 33/08 R – und vom 22. September 2009 – B 4 AS 18/09 R -) zu übernehmen.

2. Die Grenze der offensichtlichen Unwirtschaftlichkeit i.S.d. § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 6 SGB II ist als überschritten anzusehen, wenn im Falle einer Verwertung einer Lebensversicherung und einer Vermögensbildungsversicherung Verluste von mehr als 35 % bzw. mehr als 65 % sich ergeben.

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++ Anmerkung: Vgl. dazu BSG Urteil vom 19.10.2010, – B 14 AS 15/09 R –

Fehlen nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten weitere Erkenntnismöglichkeiten zu den angemessenen Kosten der Unterkunft, sind die tatsächlichen Unterhaltsaufwendungen bis zur Höhe der durch einen Zuschlag maßvoll erhöhten Tabellenwerte iS von § 8 Wohngeldgesetz zu übernehmen((grundlegend BSG Urteil vom 17.12.2009 – B 4 AS 50/09 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 29; vgl auch Urteil des Senats vom 20.8.2009 – B 14 AS 65/08 R = SozR 4-4200 § 22 Nr 26, insbesondere RdNr 21).

2.2 – LSG Saarbrücken Urteil vom 9.2.2010, – L 9 AS 5/09 –

Das Rechtsschutzbedürfnis einer Klage entfällt, wenn der Kläger, ein Angebot der Beklagten, mit dem er in der Sache vollständig obsiegen würde, ablehnt.

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2.3 – Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Beschluss vom 21.12.2010, – L 2 AS 49/10 B ER –

Keine Bewilligung von Prozesskostenhilfe, wenn dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung von Anfang an das Rechtsschutzbedürfnis gefehlt hat.

Für Hartz IV – Empfänger ist es zumutbar und geboten, vor der Einreichung des einstweiligen Rechtsschutzantrags bei der Leistungsbehörde telefonisch nachzufragen und zur Überbrückung auf das Guthaben auf dem Girokonto zurückzugreifen.

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2.4 – Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Beschluss vom 22.12.2010, – L 2 AS 425/10 B ER –

Keine Übernahme der Kosten für die Trockenlegung des Bauwerks, wenn die Gesamtkosten der Unterkunft einschließlich der Kosten für die Bauwerkstrockenlegung unangemessen sind.

Erhaltungsaufwendungen im Rahmen des SGB II fallen nur dann unter die Kosten der Unterkunft und Heizung, wenn sie angemessen i.S.v. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind (vgl. BSG Urteil vom 18. Februar 2010 – B 4 AS 28/09 R – Rn. 20).

Bei der Beurteilung der Angemessenheit von Erhaltungsaufwendungen sind die jeweiligen Einzelfallumstände zu berücksichtigen, etwa das sicher bevorstehende Ende des Leistungsbezugs, der Umfang der Bedürftigkeit, das Ausmaß der Beeinträchtigung der Wohnqualität, der Gesamtwert und der Zustand des Hauses, die Höhe der aktuellen sowie der künftig zu erwartenden Sanierungskosten und die ansonsten aufzubringenden Kosten für Unterkunft und Heizung oder ähnliches (vgl. LSG Sachsen-Anhalt v. 06.07.2010 – L 5 AS 136/10 B ER – Rn. 40).

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3.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

3.1 – Sozialgericht Düsseldorf Urteil vom 04.01.2011, – S 25 AS 221/08 –

Die Übernahme überhöhter Unterkunftskosten hat angesichts der Rechtsfolgenanordnung in § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II exzeptionellen Charakter, so dass im Rahmen der Bestimmung der Ausnahmen vom Regelfall strenge Anforderungen an die Auslegung der Tatbestandsmerkmale der Unmöglichkeit und Unzumutbarkeit von Kostensenkungsmaßnahmen zu stellen sind.

Die Erstattung nicht angemessener Unterkunftskosten bleibt der durch sachliche Gründe begründungspflichtige Ausnahmefall, und die Obliegenheit zur Kostensenkung bleibt auch bei Unmöglichkeit oder subjektiver Unzumutbarkeit bestehen (vgl. BSG, Urteil vom 19.02.2009, B 4 AS 30/08 R).

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4.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)

4.1 – Sozialgericht Aachen Urteil vom 25.01.2011, – S 20 SO 24/10 –

Durch den Nachranggrundsatz des § 2 Abs. 1 SGB XII und die bei speziell einer drohenden Behinderung geltende Regelung des § 53 Abs. 2 Satz 2 SGB XII ergibt sich auch für das Recht der Sozialhilfe nach dem SGB XII, dass Eingliederungshilfe nur gewährt wird, wenn Krankenbehandlung nicht ausreicht, das – deckungsgleiche – Ziel der Eingliederungshilfe zu erreichen.

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5.   Anmerkung zu: BSG 14. Senat, Urteil vom 18.02.2010 – B 14 AS 74/08 R- von RA Jörg Neunaber, Fundstelle: jurisPR-SozR 2/2011 Anm. 1

Die als privilegiertes Einkommen anerkannte Eigenheimzulage kann nur dann von den Kosten der Unterkunft abgezogen werden, wenn sie tatsächlich eine Verminderung der monatlich anfallenden Schuldzinsen des Haus- oder Wohnungseigentümers bewirkt.

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6.   Fragen und Antworten zum SGB II

Können Kinderbetreuungskosten vom Erwerbseinkommen eines Leistungsbeziehers der Grundsicherung nach dem SGB II als Werbungskosten abgezogen werden?

Kinderbetreuungskosten können auch nur dann als Werbungskosten abgezogen werden, wenn die Betreuung der Kinder erforderlich ist, damit eine Arbeit ausgeführt werden kann (BSG, Urteil vom 09.11.2010 – B 4 AS 7/10 R). D.h. ist ein (Ehe-)Partner arbeitslos können die Kosten für Kinderbetreuung nicht nach § 11 Abs. 2 Nr. 5 SGB II abgezogen werden.

 
 

Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de