Rechtsprechungsticker von Tacheles KW 14/2011

1.   Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 16.12.2010 zur Sozialhilfe (SGB XII)
 
BSG Urteil vom 16.12.2010, – B 8 SO 9/09 R-

Keine Übernahme der Mehrbedarfsregelung des § 23 Abs 1 S 2 BSHG in SGB 12.

§ 30 Abs 1 Nr 2 SGB XII erkennt den Mehrbedarf nur noch für alte oder erwerbsunfähige schwerbehinderte Menschen mit dem Merkzeichen G an. Gegen die Neuregelung bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken.

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2.  Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

 
2.1 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 28.03.2011, – L 19 AS 43/11 B –

Keine Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine Zusicherung für die neue Unterkunft nach § 22 Abs. 2 SGB II, wenn die Wohnung nicht mehr zur Verfügung steht, somit den Hilfebedürftigen das erforderliche Feststellungsinteresse für die Fortsetzung des Verfahrens fehlt.

Eine solche Erfolgsaussicht kann nicht schon daraus abgeleitet werden, dass der Beklagte den Widerspruch zu Unrecht als unzulässig behandelt hat. Die Entscheidung des Leistungsträgers über die begehrte Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB II erfüllt die Anforderungen an einen Verwaltungsakt(vgl. Berlit in LPK-SGB II, 3. Aufl., § 22 Rn 83; Lauterbach in Gagel, SGB II/SGB III, § 22 Rn 67). Ein solcher ist nach § 31 S. 1 SGB Zehntes Buch (X) jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist. Hierunter fallen auch Zusicherungen im Sinne des § 34 SGB X(Engelmann in von Wulffen, SGB X, 6. Aufl., § 34 Rn 5 m.w.N.). Mit der Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB II erkennt der Leistungsträger nicht nur die Berechtigung zum Umzug der Leistungsempfänger an, sondern er wird aufgrund dieser Entscheidung auch verpflichtet, die Kostenübernahme durch einen zukünftigen Leistungsbescheid für die neue Unterkunft in dem ihm angezeigten Umfang zu regeln(Lang/Link in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 22 Rn 69; Piepenstock in jurisPK, 2. Aufl., § 22 Rn 92). Damit stellt die Zusicherung aber eine Regelung mit entsprechender Außenwirkung auf dem Gebiet des öffentlichen Leistungsrechts dar.

Allein der Umstand, dass die Zusicherung nicht Voraussetzung für den Anspruch auf höhere Kosten der Unterkunft im Falle eines notwendigen Umzugs in eine angemessene Wohnung ist (BSG Urt. v. 07.11.2006 – B 7b AS 18/06 R = SozR 4-4200 § 22 Nr. 2 Rn 27) und aus diesem Grund die Verpflichtung des SGB II-Leistungsträgers zur Abgabe der Zusicherung in einstweiligen Rechtsschutz-Verfahren regelmäßig abgelehnt wird, enthebt die Zusicherung nicht ihres Regelungscharakters. Mit ihrer Abgabe wird nämlich das Verhältnis zwischen Leistungserbringer und Leistungsempfänger dahin geregelt, dass die tatsächlichen Kosten der neuen Unterkunft angemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II und daher den zukünftigen Leistungsbewilligungen zugrunde zu legen sind.

Auch wenn die Verwerfung des Widerspruchs als unzulässig daher rechtswidrig gewesen ist, ist infolge des Umstands, dass jedenfalls bei Vorlage des vollständigen Prozesskostenhilfegesuchs die Wohnung, für die die Zusicherung begehrt worden ist, nicht mehr zur Verfügung stand, eine Erledigung des angefochtenen Verwaltungsakts eingetreten, sodass auch kein Interesse mehr an der ggf. isolierten Aufhebung des Widerspruchsbescheides bestehen kann.

Verweigert der zuständige Leistungsträger zu Unrecht eine Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB II, besteht vielmehr grundsätzlich ein Interesse des Hilfebedürftigen an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Ablehnung(ebenso LSG Berlin-Brandenburg Beschl. v. 15.12.2006 – L 5 B 1147/06 AS ER- ; einschränkend LSG Berlin-Brandenburg Urt. v. 11.05.2010 – L 5 AS 1576/09 -; Krauß in Hauck/Noftz, SGB II, § 22 Rn 105). Anderenfalls könnte der Leistungsempfänger bei einem Verbleib in seiner bisherigen Wohnung nicht klären lassen, unter welchen Voraussetzungen ein Umzug in eine andere Wohnung ohne leistungsrechtliche Nachteile für ihn möglich ist, oder er trüge bei einem gleichwohl durchgeführten Umzug das Risiko, die Mietdifferenz tragen zu müssen, sofern sich die Entscheidung des Leistungsträgers als zutreffend erweist. Dies gilt insbesondere in Ansehung des Umstands, dass nach der überwiegenden Rechtsprechung des LSG NRW (vgl. z. B. Beschl. v. 27.05.2008 – L 20 B 75/08 AS) eine Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB II nicht im Wege einstweiligen Rechtsschutzes erlangt werden kann. Daher besteht ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse regelmäßig nicht nur, soweit der Leistungserbringer den Umzug als solchen als nicht notwendig angesehen hat, sondern auch soweit er die Zusicherung wegen Unangemessenheit der neuen Unterkunft abgelehnt hat(a.A. LSG Berlin-Brandenburg Urt. v. 11.05.2010 a.a.O.; Krauß a.a.O.). Diesbezüglich liegt auch nicht die bloße Klärung von Anspruchselementen vor (a.A. LSG Berlin-Brandenburg Beschl. v. 15.12.2006 a.a.O.), sondern es wird vielmehr die Rechtsbeziehung zwischen den Beteiligten in Bezug auf den zustehenden angemessenen Wohnraum einschließlich des Anspruchs auf Erlass zukünftiger Leistungsbescheide auf dieser Grundlage über die Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 SGB II geklärt.

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2.2 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Urteil vom 16.02.2010, – L 20 AS 21/09 -, Berufung anhängig beim BSG – B 4 AS 67/11 R –

Die Berücksichtigung von Einkommen des Ehemannes der Mutter der Hilfebedürftigen nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II ist nicht verfassungswidrig(vgl. BSG Urteil vom 13.11.2008 – B 14 AS 2/08 R -, Rn. 33; Verfassungsbeschwerdeverfahren beim Bundesverfassungsgericht anhängig- 1 BvR 1083/09 –

Die Entscheidung des BSG ist in der Literatur auf deutliche Kritik gestoßen; ihr werden insbesondere eine nicht zulässige Sichtweise zu familienrechtlichen Unterhaltsvorschriften(vgl. Großmann, in: NZS 2009, S. 641, Münder/Geiger, in: NZS 2009, S. 597) sowie erhebliche methodische Mängel (Münder/Geiger, a.a.O., S. 598) vorgehalten.

Aus diesem Grund erscheint eine nochmalige höchstrichterliche Befassung angezeigt. Ein Abwarten des bundesverfassungsgerichtlichen Verfahrens vor einer Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit kommt nicht in Betracht; weil ein übereinstimmender Antrag der Beteiligten auf ein Ruhen des Verfahrens bis zur Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts im Verfahren 1 BvR 1083/09 auch auf entsprechende Anfrage des Senats nicht herbeigeführt werden konnte; eine Aussetzung des Verfahrens ist zwar grundsätzlich zustimmungslos möglich, würde jedoch den Anspruch der Beteiligten auf gerichtliche Entscheidung des zur Entscheidung reifen Rechtsstreits missachten (vgl. hierzu auch Dollinger, in: Umbach/Clemens/Dollinger, Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 2. Aufl. 2005, § 80 Rn. 90 f.).

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Anmerkung: Einstandspflicht für Partnerkinder abhängig von tatsächlichen Leistungen: Münder und Geiger widersprechen der BSG-Entscheidung vom 13.11.2008

Kurznachricht zu "Die generelle Einstandspflicht für Partnerinkinder in der Bedarfsgemeinschaft nach § 9 Abs. 2 Satz 2 SGB II" von Prof. Dr. Johannes Münder und RiSG Udo Geiger, original erschienen in: NZS 2009 Heft 11, 593 – 599.

Münder und Geiger kommentieren eine Entscheidung des BSG vom 13.11.2008 (Az.: B 14 AS 2/08 R, NDV-RD 2009, 62). Damit beurteilt das Gericht die Einstandspflicht für ein Kind des Partners innerhalb einer sozialrechtlichen Bedarfsgemeinschaft nach § 9 Abs. 2 S. 2 SGB II als verfassungsgemäße Ausprägung des Subsidiaritätsprinzips.

Die Autoren halten diese weite Annahme der Verfassungsmäßigkeit für bedenklich. Sie meinen zwar auch, dass die Norm letztlich verfassungsgemäß ist, jedoch nur mit einer verfassungskonformen Einschränkung. Unter Berücksichtigung der Entscheidung des BVerfG vom 17.11.1992(Az.: 1 BvL 8/87, BVerfGE 87, 234) sei es nicht haltbar, schlicht davon auszugehen, dass ein Kind in einer Bedarfsgemeinschaft Leistungen erhalte, ohne zu prüfen, ob tatsächlich Leistungen fließen.

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2.3 – Bayerisches Landessozialgericht Beschluss vom 21.01.2011, – L 7 AS 941/10 B ER –

Bei der Beurteilung der Frage, ob eine eheähnliche Gemeinschaft vorliegt, kommt es nicht auf die Bewertung an, die die Betroffenen diesem Begriff beimessen.

Entscheidend ist vielmehr, ob aus äußeren Hinweistatsachen auf einen partnerschaftliche Gemeinschaft geschlossen werden kann, die auf Dauer angelegt ist, daneben keine weitere Lebensgemeinschaft gleicher Art zulässt und sich durch innere Bindungen auszeichnet, die ein gegenseitiges Einstehen der Partner füreinander begründen, also über die Beziehungen einer reinen Haushalts- und Wirtschaftsgemeinschaft hinausgehen.

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2.4 – Bayerisches Landessozialgericht Beschluss vom 23.12.2010, – L 7 AS 923/10 B ER –

Eine Zusicherung von Wohnungsbeschaffungskosten (z.B. für Wohnungsinserate oder Maklerkosten für eine angemessene Wohnung) und Umzugskosten nach § 22 Abs.3 Satz 1 SGB II ist auch möglich, wenn noch keine konkrete neue Wohnung in Aussicht steht.

Allerdings liegt diese Zusicherung im Ermessen der zuständigen Behörde. Ein Anspruch auf die Leistungen besteht daher nur, wenn das Ermessen zugunsten der Antragsteller auf null reduziert wäre.

Eine Zusicherung von Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten nach § 22 Abs. 3 Satz 2 SGB II steht im gebundenen Ermessen der Behörde. Die Zusicherung soll erfolgen, wenn die dortigen Voraussetzungen vorliegen. Für die Notwendigkeit des Umzugs nach Satz 2 genügt aber nicht, dass der Auszug aus der bisherigen Wohnung notwendig ist – dies wurde von der Antragsgegnerin mehrfach bestätigt – es ist auch auf die konkrete künftige Wohnung abzustellen. Der Umzug in eine unangemessene Wohnung ist regelmäßig nicht notwendig, weil die dauerhafte Finanzierung der neuen Wohnung nicht sichergestellt wäre(Münder LPK-SGB II, 3. Auflage 2009, § 22 Rn. 107). Deshalb muss sich eine Zusicherung nach Satz 2 auf eine konkrete in Aussicht stehende Wohnung beziehen. Eine derartige Zusicherung haben die Antragsteller nicht beantragt. Auch jetzt – nachdem der Umzug offenkundig erfolgt ist, haben die Antragsteller nichts mitgeteilt, was es erlauben würde, die Angemessenheit der neuen Wohnung zu beurteilen.

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2.5 – Bayerisches Landessozialgericht Beschluss vom 22.12.2010, – L 7 AS 924/10 B ER –

Kein Anspruch auf eine Erstausstattung der Wohnung nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II, weil es sich um Ersatzbeschaffungen handelt.

Denn Couches, Betten, Schränke und Regale sind bereits vorhanden. Allein der Wunsch nach einer anderen Möblierung begründet keinen Erstausstattungsbedarf. Auch eine Beeinträchtigung des Knies der Ehefrau – deren Umfang und Dauer ungewiss ist – begründet keinen Anspruch auf eine Erstausstattung.

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2.6 – Hessisches Landessozialgericht Urteil vom 09.02.2011, – L 6 AS 338/09 –

Der Arbeitgeberanteil zu den vermögenswirksamen Leistungen ist kein anrechenbares Einkommen. Denn anders als der normale Lohn oder das übliche Gehalt sind vermögenswirksame Leistungen des Arbeitgebers nicht dazu bestimmt, dem allgemeinen Lebensunterhalt zu dienen, sondern der Schaffung von Vermögen (so überzeugend LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 10.9.2009 – L 34 AS 1308/08;offen gelassen in BSG, Urteil vom 27.02.2008 – Az.: B 14/7b AS 32/06 R).

Die von der Antragstellerin ausweislich ihrer Gehaltsabrechnung erbrachte Eigenleistung in Höhe von 40,- Euro ist im Rahmen der vermögenswirksamen Leistungen nicht gemäß § 11 Abs. 2 SGB II vom Einkommen absetzbar.

Die Eigenleistungen zu vermögenswirksamen Leistungen sind in den dort aufgezählten Privilegierungstatbeständen nicht genannt. Ebenso wenig enthält die Alg II-V eine zusätzliche Privilegierung dieser Eigenleistungen. Dies erscheint auch konsequent, weil es grundsätzlich nicht Sinn und Zweck des SGB II ist, zum Vermögensaufbau beizutragen. Ein solcher Aufbau von Geldvermögen wird gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 3 Buchst a und b sowie § 11 Abs. 2 Nr. 4 SGB II nämlich nur dann privilegiert, wenn das Vermögen ausdrücklich zur Altersvorsorge dient(so BSG, Urteil vom 27.2.2008- B 14/7b AS 32/06 R Rdnr. 50).

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2.7 – Landessozialgericht Hamburg Urteil vom 11.11.2010, – L 5 AS 58/07 -, Revision zugelassen

Vom Einkommen Minderjähriger, die in Bedarfsgemeinschaft mit volljährigen Hilfebedürftigen leben, ist keine Versicherungspauschale abzuziehen. Nachgewiesene Beiträge für Versicherungen, die speziell für den Minderjährigen abgeschlossen wurden, sind absetzbar, wenn sie nach Grund und Höhe angemessen sind.

Diese insoweit eindeutige Eingrenzung des von der Regelung begünstigten Personenkreises präzisiert die gesetzliche Regelung aus § 11 Abs. 1 Satz 3, § 9 Abs. 2 Sätze 1 und 2 und § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II, lässt die Abzugsfähigkeit für gesetzlich vorgeschriebene Versicherungen unberührt und ist deshalb von der Ermächtigungsnorm des § 13 SGB II gedeckt (vgl. BSG Urteil 19.3.2008, Az.: B 11b AS 7/06 R und vom 18.6.2008, Az.: B 14 AS 55/07 R).

Die ab 1. August 2009 geltende Neufassung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 Alg II-V, wonach die Pauschale von 30,- EUR für Beiträge zu privaten Versicherungen nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II, die nach Grund und Höhe angemessen sind, von dem Einkommen Minderjähriger bereits dann abzusetzen ist, wenn diese eine entsprechende Versicherung abgeschlossen haben, ist auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden, weil der hier streitige Zeitraum noch von den früher geltenden abweichenden Fassungen der Alg II-V erfasst wird.

Hat der HB keinen Anspruch auf Absetzung des Pauschbetrages nach § 3 (Abs.1) Nr. 1 Alg II-V so kann er aber gleichwohl geltend machen, in unmittelbarer Anwendung von § 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II die von ihm konkret nachgewiesenen Beiträge zu privaten Versicherungen von seinem Einkommen absetzen zu lassen, wenn die durch ihn abgeschlossenen Versicherungen die Voraussetzungen der Norm erfüllen. Insbesondere ist der HB nicht dadurch von der Berücksichtigung von Versicherungsbeiträgen ausgenommen, dass der HB in der mit seiner Mutter gelebten konkreten sozialrechtlichen Bedarfsgemeinschaft durch § 3 (Abs. 1) Nr. 1 Alg II-V von der Gewährung der Absetzung des Pauschbetrages ausgenommen ist.

Die Vorschrift schließt schon nach ihrem Wortlaut nicht aus, dass Personen, die nicht unter die pauschalierende Abzugsregel der Verordnung fallen, gleichwohl noch in Anwendung von § 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II von der Absetzungsmöglichkeit privater Versicherungsbeiträge profitieren können. Die Alg II-V hat vornehmlich die Aufgabe, staatlicher Massenverwaltung in Umsetzung einer Vielzahl von Einzelfallgestaltungen Durchführungshilfen für die Verwaltung anhand zu geben, um eine einheitliche Handhabung von Standardfällen sicherzustellen. Durch den pauschalen Abzug soll letztlich dem Großteil der betroffenen Hilfebedürftigen Erleichterung zuteil und der Verwaltung zeitraubende Einzelfallermittlungen erspart werden.

Fällt eine Sachverhaltskonstellation hingegen aus dem groben Raster der Verordnungsvorgabe heraus, so hat die gesetzliche Regelung von § 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II wieder unmittelbar zu gelten. § 11 Abs. 2 Nr. 3 SGB II sieht für Fälle der vorliegenden Art grundsätzlich eine Abzugsmöglichkeit vom Einkommen des Hilfeempfängers vor. Dieses höherrangige Gesetzesrecht kann durch den Verordnungsgeber nicht außer Kraft gesetzt werden. Erfüllt der Hilfeempfänger die Voraussetzungen von § 3(Abs. 1) Nr. 1 Alg II-VO nicht, so ist bei ihm die dort ausgewiesene Pauschale von 30,- EUR nicht in Abzug zu bringen; eine vollständige Verweigerung des Kostenabzugs wegen der fehlenden Zugehörigkeit zu dem von der Verordnung privilegierten Personenkreis ist damit jedoch nicht verbunden.

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3.  Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

3.1 – Sozialgericht Köln Gerichtsbescheid vom 29.03.2011, – S 32 AS 4740/10 –

Keine Erteilung einer Zusicherung zu den Aufwendungen für eine neue Wohnung, denn ist der Umzug bereits vollzogen, entfällt das Bedürfnis für die Zusicherung nach § 22 Abs. 2 SGB II jedenfalls dann, wenn wie hier der Leistungsträger über die Kosten der (neuen) Unterkunft bereits eine Entscheidung getroffen hat.

Gemäß § 22 Abs. 2 Satz 1 SGB II soll der erwerbsfähige Hilfebedürftige vor Abschluss eines Vertrages über eine neue Unterkunft die Zusicherung des für die Leistungserbringung bisher örtlich zuständigen kommunalen Trägers zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft einholen. Der kommunale Träger ist nach § 22 Abs. 2 Satz 2 SGB II nur zur Zusicherung verpflichtet, wenn der Umzug erforderlich ist und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind. Angesichts dieses Wortlauts handelt es sich bei der Beantragung einer solcher Zusicherung um eine Obliegenheit des Antragstellers gegen sich selbst. Bezieht er eine neue Unterkunft ohne diese Zusicherung, so hat dies keine nachteiligen Folgen für ihn, sofern der Umzug objektiv erforderlich gewesen ist und die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen sind. Zweck der Zusicherung ist es daher nicht, den Umzug überhaupt zu ermöglichen, sondern lediglich, in einem Vorabverfahren sicherzustellen, dass die Kosten der neuen Unterkunft künftig übernommen werden, womit dem Hilfebedürftigen das Risiko genommen wird, bei Umzug ohne Zusicherung die Kosten nicht zu erhalten, bzw. auf die bisherigen Unterkunftskosten beschränkt zu werden. Dieses besondere Zusicherungsverfahren ist rechtsdogmatisch vom Verfahren über die tatsächliche Zahlung der Kosten abzugrenzen. Ein Rechtsstreit über die Erteilung einer Zusicherung erledigt sich daher bei dem tatsächlichen Bezug der neuen Wohnung bzw. mit Erlass des maßgeblichen Bewilligungsbescheides über die Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung, da der Sinn der Zusicherung eben nur in der Vorabklärung der Übernahme der Kosten besteht(Landessozialgericht Mecklenburg-Vorpommern, Beschluss vom 22.07.2008, Az: L 10 B 203/08; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 19.11.2011, Az. L 7 AS 4623/10 B).

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3.2 – Sozialgericht Duisburg Urteil vom 10.02.2011, – S 5 AS 252/09 –

Der Schimmelbefall im 15 qm großen Kellerraum, die niedrigen Decken für den 196 cm großen Hilfebedürftigen, die psychische Vorgeschichte des unter 25 – jährigen HB und die familiäre Gesamtsituation erfüllen nach alledem den Tatbestand eines Härtefalles im Sinne von § 22 Abs. 2a S. 2 Nr. 1 SGB II, der das Jobcenter zur Zustimmung zum Umzug verpflichtet

Das Nichtvorliegen der Voraussetzungen von § 22 Abs.2a SGB II führt nicht zur Übernahmefähigkeit der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung. Vielmehr ist ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal von §§ 22 Abs. 2a und 20 Abs. 2a SGB II die Angemessenheit der Unterkunftskosten (vgl. Lang/Link in Eicher/Spellbrink, 2. Aufl. 2008, § 22 Rn. 80 u). Bei Vorliegen eines die Zusicherungspflicht auslösenden Härtefalles geht die Kammer daher davon aus, dass der Leistungsträger nur zur Zusicherung der künftigen Übernahme der angemessenen Unterkunftskosten im Sinne von § 22 Abs. 1 SGB II verpflichtet ist. § 22 Abs. 2a S. 2 SGB II überspielt insoweit nicht die allgemeinen Voraussetzungen und Grenzen der Berücksichtigung von Unterkunftskosten (so ausdrücklich Berlit in: LPK-SGB II, 3. Auf. 2009, § 22 Rn. 97; SG Berlin, Beschluss v. 16.2.2006 – S 37 AS 1301/06 ER -; vgl. auch BSG, Urteil vom 6.5.2010 – B 14 AS 7/09 R-).

Eine Anrechnung der von der Mutter des HB übernommenen Warmmiete als Einkommen des HB im Sinne von § 11 Abs. 1 SGB II scheidet aus.

Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung sind Leistungen Dritter, die gleichsam aushilfsweise erbracht werden, weil ein Leistungsträger gerade nicht zahlt, gerade nicht als Einkommen anrechenbar. Unterstützungsleistungen unter Verwandten sind dabei konkret dann nicht als als zu berücksichtigendes Einkommen im Gesetzessinne anzurechnen, wenn es sich zivilrechtlich um ein Darlehen handelt und der Darlehensnehmer einer ernsthaften Rückzahlungsverpflichtung ausgesetzt ist (BSG, Urteil v. 19.8.2010 – B 14 AS 10/09 R; Urteil v. 17.6.2010 – B 14 AS 46/09 R m.w.N.).

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3.3 – Sozialgericht Berlin Urteil vom 08.02.2011, – S 197 AS 9343/09 – Berufung anhängig beim Landessozialgericht Berlin-Brandenburg – L 34 AS 490/11 –

Eine Bedarfsgemeinschaft zweier Minderjähriger hat einen Anspruch auf eine Gesamtregelleistung von 180 vom Hundert.

Für die Regelleistung minderjähriger Partner in einer Bedarfsgemeinschaft hat der Gesetzgeber keine Schlechterstellung beabsichtigt, was auch die Regelung in § 20 Abs. 2 S 1 SGB 2 zeigt, wonach der Partner eines Minderjährigen die volle Regelleistung erhält, damit die Partner der Bedarfsgemeinschaft über eine Gesamtregelleistung von 180 vom Hundert verfügen können. Gründe, die vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich gebotenen Existenzsicherung durch die Leistungen des SGB 2 eine Reduzierung der – hypothetischen – Gesamtregelleistung von 180 auf 160 vom Hundert rechtfertigen könnten, sind nicht ersichtlich.

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4.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)

4.1 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Urteil vom 10.02.2011, – L 9 SO 11/08 –

§ 54 Abs. 1 S. 2 SGB XII steht der Erbringung der Petö-Therapie als Leistung der Eingliederungshilfe nicht entgegen.

Der entgegenstehenden Auffassung des Sozialhilfeträgers, wonach es sich bei der Petö-Therapie um eine medizinische Maßnahme handele, deren Kosten allerdings nicht von den Krankenkassen übernommen würden und bei der daher wegen § 54 Abs. 1 S. 2 SGB XII eine Übernahme durch den Sozialleistungsträger ausgeschlossen sei, ist das BSG in seinem Urteil vom 29.09.2009(Az. B 8 SO 19/08 R) ausdrücklich entgegengetreten. Es hat festgestellt, dass die Petö-Therapie als sozialhilferechtliche Eingliederungshilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nicht deshalb ausgeschlossen ist, weil sie als Heilmittel in der gesetzlichen Krankenversicherung nicht verordnet werden darf.

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4.2 – Sächsisches Landessozialgericht Beschluss vom 04.01.2011, – L 7 SO 28/10 B ER –

In Deutschland lebender polnischer Staatsbürger hat Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, er ist nicht gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 2. Alternative SGB XII von Leistungen des SGB XII ausgeschlossen (Sächsisches LSG Beschlüsse vom 14.10.2008, L 7 B 293/08 SO ER, sowie vom 17.12.2009, L 7 AS 416/09 B ER).

Die Ausschlussregelung des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II, wonach Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, und ihre Familienangehörigen von Leistungen nach dem SGB II ausgenommen sind, ist auf diejenigen in Deutschland lebenden Ausländer, die sich auf das Europäische Fürsorgeabkommen (EFA) vom 11.12.1953(BGBl II 1956, S. 564) berufen können, nicht anwendbar (BSG vom 19.10.2010 zu B 14 AS 23/10 R).

Der Anspruch aus dem EFA ist auf Bürger der Staaten beschränkt, die das EFA ratifiziert haben, dies sind Belgien, Dänemark, Deutschland, Estland, Frankreich, Griechenland, Irland, Island, Italien, Luxemburg, Malta, Niederlande, Norwegen, Portugal, Schweden, Spanien, Türkei und das Vereinigte Königreich. (Quelle: Internetseite des Europarats, www.coe.int). Polen ist diesem Abkommen jedoch nicht beigetreten, weshalb es bei der Anwendbarkeit der Ausschlussregelung verbleibt.

Ob § 23 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB XII bzw. Art. 24 Abs. 2 RL 2004/38/EG darüber hinaus mit den Vorgaben des primären Gemeinschaftsrechts vereinbar sind (vgl. hierzu mit unterschiedlichen Ergebnissen LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 23.07.2008, Az. L 7 AS 3031/08 ER-B; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.06.2007, L 20 B 59/07 AS ER; Hessisches LSG, Beschluss vom 13.09.2007, Az. L 9 AS 44/07 ER; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 09.08.2007, Az. L 9 AS 447/07 ER) kann vorliegend dahin stehen. 
Denn den Antragstellern ist mangels Vorliegen des in § 23 Abs. 3 Satz 1 2. Alt. SGB XII normierten Ausschlussgrundes jedenfalls so lange ihr aufenthaltsrechtlicher Status nicht geklärt ist bzw. bis angesichts ihres Angewiesen seins auf Sozialhilfe ihre Ausweisung veranlasst worden ist, Sozialhilfe zu gewähren.

Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Leistungsberechtigung gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 SGB XII an den tatsächlichen Aufenthalt im Inland anknüpft (Münder u.a., Sozialgesetzbuch XII, Lehr- und Praxiskommentar, 8. Aufl. 2008, § 23 RdNr. 5) und somit sogar Ausländern, die sich illegal im Inland aufhalten, Leistungen der Sozialhilfe(in eingeschränktem Umfang) zu gewähren sind.

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5.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)

5.1 – Sozialgericht Duisburg Urteil vom 15.02.2011, – S 44(2) SO 194/09 –

Nach § 104 Abs. 1 SGB X hat ein nachrangig verpflichteter Leistungsträger Sozialleistungen erbracht, ohne dass die Voraussetzung von § 103 Abs. 1 SGB X vorliegen, so ist der Leistungsträger erstattungspflichtig, gegen den der Berechtigte vorrangig einen Anspruch hat oder hatte, soweit der Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat.

Ein Erstattungsanspruch besteht dann nicht, soweit der nachrangige Leistungsträger seine Leistung auch bei Leistung des vorrangig verpflichteten Leistungsträgers hätte erbringen müssen. Gemäß § 104 Abs. 3 SGB X richtet sich der Umfang des Erstattungsanspruch nach den für den vorrangig verpflichteten Leistungsträger geltenden Vorschriften.

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6.  Textsammlung Existenzsicherung. Hier noch ein paar Ausführungen von Harald Thome dazu.

Das Buch umfasst ca. 800 Seiten, die Texte Zusammenstellung ist nach bestem Wissen und Gewissen durch mich unter Beratschlagung mit diversen Fachleuten erfolgt. Besonderheiten sind: vollständige Textesammlung SGB II/SGB XII/SGB I/SGB X/SGG mit allen Verordnungen und bei den vollständigen Gesetzen mit Inhaltsverzeichnis. Das SGB III ist in den leistungsrelevanten Teilen auch vollständig und diverse Gesetze wie Wohngeld, Erziehungsgeld, ZPO, BGB… bis hin zum Passgesetz und Düsseldorfer Tabelle und Pfändungsfreigrenzen. Einschließlich vor jedem Satz hochgestellt die Satznummer. Also ein umfassender Praktikerschmöcker zu einem unschlagbaren Preis von 10 EUR, neben einem Euro für Tacheles. Wenn das Buch ausreichend Verbreitung findet – wovon ich ausgehe – wird es das auch regelmäßig in Neuauflage geben. Was für Praktiker, bei der Änderungsrate im Sozialrecht auch sehr wichtig ist

Leseprobe : www.nomos-shop.de (pdf)

7.   Fragen und Antworten zu Hartz IV

100 Fragen und Antworten für Betroffene und ihre Berater- Von RA Ludwig Zimmermann-, 2011, 126 S., Broschiert, 16,90 €.

Nachdem endlich eine politische Einigung erreicht werden konnte, treten mit(Rück-)Wirkung zum 1.1.2011 zahlreiche Neuregelungen des Existenzsicherungsrechts in Kraft. In 100 Fragen und Antworten bereitet Ludwig Zimmermann, Autor des Standardwerks "Das Hartz-IV-Mandat" alltägliche und besondere Fragen zur Rechtsanwendung des SGB II in kompakter und leicht verständlicher Sprache auf. Dabei wird auch die aktuelle Entwicklung in der sozialgerichtlichen Praxis der Jahre 2009 und 2010 nachgezeichnet. Einsteiger erhalten einen ersten Überblick über die aktuellen Fragen, gestandene Praktiker können dem Werk wertvolle Anregungen zum Umgang mit den Änderungen entnehmen und ihr Fachwissen mit geringem Aufwand auf den neuesten Stand bringen.

Das Werk richtet sich an die Praktiker der Sozialverwaltung in den Rechtsbehelfsstellen, Berater in den Sozialverbänden, Rechtsanwälte und Richter.

www.existenzsicherung.de

Autor des Rechtsprechungstickers: Willi 2 von Tacheles

Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de