Rechtsprechungsticker von Tacheles KW 15/2011

1.   Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 06.04.2011 zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

1.1 – BSG Urteil vom 06.04.2011, – B4 AS 117/10 R-

Langzeitarbeitslose in Weiterbildungsmaßnahmen haben Anspruch auf Kilometergeld für die Hin- und Rückfahrt zu ihrem Praktikumsplatz.

Die Entscheidung über den Umfang der zu erstattenden Fahrtkosten richtet sich ausschließlich nach den Vorschriften des SGB III, wenn die Maßnahme selbst – wie hier – als Weiterbildungsmaßnahme nach § 77 SGB III bewilligt worden ist. Das Ob der Bewilligung steht insoweit nach § 16 Abs 1 Satz 2 SGB II zwar im Ermessen des Grundsicherungsträgers, die Gewährung der Fahrtkostenerstattung ist in Folge der Grundentscheidung jedoch eine gebundene Entscheidung nach § 81 SGB III.

Soweit es den Umfang der Fahrtkostenerstattung betrifft, ist auch keine abweichende Regelung iS des § 16 Abs 2 Satz 1 SGB II im Grundsicherungsrecht vorhanden. Eine analoge Anwendung des § 6 Abs 1 Nr 3b Alg II-V scheidet aus. Es mangelt bereits an einer planwidrigen Lücke im Hinblick auf die Fahrtkostenerstattung im SGB II.

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1.2 – BSG Urteil vom 06.04.2011, – B 4 AS 5/10 R-

Die von den HB zutreffend erhobene Verpflichtungsklage, ob der Nachweis eines konkreten Angebots auf Abschluss eines Mietvertrags als Voraussetzung für eine Zusicherung verlangt werden kann, ist spätestens im Revisionsverfahren unzulässig geworden.

Das Rechtsschutzinteresse ist entfallen. Denn aufgrund des von den HB zwischenzeitlich vollzogenen Umzugs ist nunmehr in einem Streitverfahren wegen der Höhe der Kosten der Unterkunft über den Gegenstand einer möglichen Zusicherung selbst zu befinden. Das dortige Klagebegehren ist mit einer kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage zu verfolgen. In diesem Verfahren ist als Vorfrage notwendigerweise auch über die Erforderlichkeit eines Umzuges zu befinden. Für eine gesonderte Zusicherung als vorgreiflicher Teilregelung besteht vor diesem Hintergrund kein Rechtsschutzinteresse mehr.

Die angestrebte Klärung der Rechtsfrage, ob Gegenstand einer Zusicherung auch die abstrakte Erforderlichkeit eines Umzuges sein kann, lässt sich nur auf der Grundlage eines konkreten Lebenssachverhaltes klären.

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1.3 – BSG Urteil vom 06.04.2011, – B 4 AS 3/10 R-

Kein Anspruch auf pauschale Leistungen wegen Mehrbedarfs aufgrund der Erbringung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben iS des § 21 Abs 4 SGB II.

Denn Beratung und Betreuung durch den Grundsicherungsträger sind bereits keine – grundsätzlich nach § 21 Abs 4 SGB II erforderliche – regelförmigen Maßnahmen. Sie erfolgen vielmehr aufgrund der allgemeinen Beratungs- und Unterstützungspflicht des Leistungsträgers nach § § 13, 14 SGB I sowie der besonderen Beratungsverpflichtung im Rahmen des Förderauftrags des Grundsicherungsrechts nach § 14 Satz 1 SGB II.

Es handelt sich insoweit auch nicht um eine sonstige Hilfe zur Erlangung eines geeigneten Platzes im Arbeitsleben. Bereits aus systematischen Gründen muss die sonstige Hilfe iS des § 21 Abs 4 SGB II über das hinausgehen, was dem Jobcenter etwa im Rahmen des § 14 Satz 1 SGB II als allgemeine Unterstützungsaufgabe zugewiesen ist.

Die Therapie nach Inhalt und Schwerpunkt keine Maßnahme zur Teilhabe am Arbeitsleben nach § 33 SGB IX dar. Ihr Schwerpunkt lag in der medizinischen Versorgung des HB. Das vom HB umschriebene Ziel der Therapie, ein Mindestmaß an Leistungsfähigkeit zu erlangen, ist kein spezifisches Ziel im Hinblick auf die Befähigung zur Teilhabe am Arbeitsleben, sondern kann sich ebenso auf die körperliche und psychische Gesundheit beziehen. Im Übrigen liegt es im Wesen vieler, auch spezifischer Rehabilitationsmaßnahmen, dass sie multifunktional wirken. Auch medizinische Maßnahmen der Rehabilitation können nach § 26 SGB IX auf die Wiederherstellung oder den Erhalt der Erwerbsfähigkeit ausgerichtet sein.

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1.4 – BSG Urteil vom 06.04.2011, – B 4 AS 12/10 R-

Betriebskostennachzahlungen, welche einen Zeitraum betreffen, in welchem der Leistungsträger auch unangemessene Kosten im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II zu übernehmen hatte, sind Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II, auch wenn die laufenden Kosten nicht mehr voll zu tragen sind.

Die Nachforderung ist als tatsächlicher, aktueller Bedarf im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu berücksichtigen. Dies bedeutet jedoch nicht, diesen Bedarf auch hinsichtlich der Angemessenheit nach den Verhältnissen im Fälligkeitsmonat zu beurteilen. Vielmehr richtet sich die Beurteilung der Angemessenheit nach den tatsächlichen und rechtlichen Bedingungen im Zeitraum der Entstehung der Kosten im tatsächlichen Sinn. Nur eine derartige Auslegung der § § 22 Abs 1 Satz 1 und 3 SGB II wird der den Vorschriften innewohnende Schutzfunktion gerecht. Unerheblich ist mangels konkreter Umsetzung, dass das Jobcenter bereits mit Kostensenkungsaufforderungen deutlich gemacht hatte, dass er die Unterkunftskosten für unangemessen hoch hielt.

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1.5 – BSG Urteil vom 06.04.2011, – B 4 AS 16/10 R-
Eine mietvertraglich gesonderte Erfassung der Warmwasserbereitungskosten nach einem allgemeinen Berechnungsschlüssels führt nicht allein dazu, dass diese Kosten nicht mehr übernommen werden müssten.

Nur in Höhe desjenigen Anteils, mit dem über die Regelleistung der Bedarf für Kosten der Warmwasserbereitung bei pauschalierter Betrachtung regelmäßig gedeckt werden soll, kann zu Lasten des Hilfebedürftigen ein Abzug wegen ansonsten vorliegender doppelter Bedarfsdeckung erfolgen.

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2.   Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 16.12.2010 zur Sozialhilfe (SGB XII)

2.1 – BSG Urteil vom 16.12.2010, – B 8 SO 7/09 R-

Keine Übernahme der Zuzahlungen für Arzneimittel und der Praxisgebühren eines HIV-Infizierten in der gesetzlichen Krankenversicherung durch die Sozialhilfeträger

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3.  Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

3.1 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Beschluss vom 16.02.2011, – L 29 AS 2314/10 B PKH –

Keine Bewilligung von PKH nach § 73a SGG in Verbindung mit § 114 der ZPO bei einem Bagatell-Rechtsstreit um 27 EUR.

Dass bei dem Bundesverfassungsgericht eine Verfassungsbeschwerde gegen die Prozesskostenhilferechtsprechung bei so genannten Bagatell-Rechtsstreiten anhängig ist (vgl. 1 BvR 411/10), führt nicht zu einer Änderung der Sach- oder Rechtslage. Dies gilt umso mehr, als der erkennende Senat in seiner Entscheidung vom 6. November 2008 bereits auf die grundlegende Entscheidung eben dieses Bundesverfassungsgerichts vom 22. Januar 1959 (1 BvR 154/55) und die heutige Rechtsprechung (u.a. Beschluss vom 13. März 1990, 2 BvR 94/88) hingewiesen hat.

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Anmerkung: Vgl. Beschluss des BVerfG vom 24.03.2011 – 1 BvR 2493/10 -, eine Anmerkung von RA Ludwig Zimmermann

Eine sehr gute Nachricht für alle bedürftigen Kläger und ihre Rechtsanwälte.

Das Bundesverfassungsgericht hat die Bagatellrechtsprechung des Landessozialgerichtes Berlin-Brandenburg gekippt.

Mit Beschluss des BVerfG vom 24.03.2011 – 1 BvR 2493/10 wurde eine Entscheidung des 10. Senates des LSG Berlin-BRB vom 11.01.2010 aufgehoben. vgl Hierzu LSG Berlin Brb 11.03.2011 L 10 SF 295/10 B PKH juris mit weiteren Nachweisen.

Die Entscheidung in Kürze:

„Ob in einem sozialgerichtlichen Verfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen ist, hängt in erster Linie davon ab, ob die Beiordnung eines Rechtsanwaltes notwendig ist. Dies ist der Fall, wenn eine unbemittelte Person in der gleichen Lage einen Rechtsanwalt einschaltet. Dabei kommt in erster Linie nicht, wie das LSG meint, auf die Kosten des Rechtsanwaltes, sondern in erster Linie auf die Ungleichheit von Kläger und Behörde hinsichtlich ihrer Kenntnisse und ihrer Prozesserfahrung an. Es sei auch nicht fern liegend, dass ein Bemittelter auch verhältnismäßig hohe Rechtsanwaltskosten nicht scheut, wenn er mit einem Obsiegen und der Erstattung seiner Aufwendungen rechnet.“

Es ging um Kosten der Heizung iHv 7 EUR monatlich und 42 EUR in einem halben Jahr.

3.2 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Beschluss vom 26.01.2011, – L 5 AS 2197/10 B ER –

Ein Anordnungsgrund ist hinsichtlich der Erbringung von Regelleistungen zu verneinen, wenn der laufende Lebensunterhalt durch ein privates Darlehen bestritten werden kann. Bezüglich der Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung ist ein Anordnungsgrund erst anzunehmen, wenn eine Räumungsankündigung vorliegt, so dass der Wohnraumverlust konkret droht.

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3.3 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Beschluss vom 21.02.2011, – L 5 AS 2430/10 –

Bei Streitigkeiten über den Erlass oder die Stundung von Gerichtskosten der Fachgerichtsbarkeiten ist der Rechtsweg zur Verwaltungsgerichtsbarkeit gegeben (Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10. 01. 2011, OVG 1 S 1.11).

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3.4 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Beschluss vom 23.03.2011, – L 5 AS 2297/10 B PKH –

Für die Beurteilung der hinreichenden Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 Satz 1 ZPO ist der Zeitpunkt der Entscheidungsreife maßgeblich. Auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung kommt es insofern nicht an. Erkenntnisse, die sich nach dem Zeitpunkt der Entscheidungsreife und vor der gerichtlichen Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ergeben, sind für die Entscheidung zur Prozesskostenhilfe ohne Bedeutung. Die Entscheidungsreife tritt erst ein, wenn der vollständige Antrag auf Prozesskostenhilfe in der durch § 117 Abs. 1 ZPO vorgegebenen Form einschließlich der gemäß § 117 Abs. 2 ZPO erforderlichen Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse und der nötigen Belege eingegangen ist und das Gericht dem Prozessgegner gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 ZPO angemessene Zeit zur Stellungnahme und erforderlichenfalls den Beteiligten gemäß § 118 Abs. 2 ZPO die Gelegenheit gegeben hat, ihre tatsächlichen Behauptungen glaubhaft zu machen (Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 19. März 2009, L 7 AS 64/09 B PKH).

Eine Fortsetzungsfeststellungsklage ist nur zulässig, soweit der Streitgegenstand von dem ursprünglichen Anfechtungs- und Verpflichtungsbegehren umfasst war. Eine Weiterführung des Begehrens mit dem Antrag, der ablehnende Bescheid sei rechtswidrig gewesen, ist daher grundsätzlich nur möglich, wenn der für eine solche Feststellung maßgebliche Zeitpunkt sich mit dem des Verpflichtungsbegehrens deckt, da der Fortsetzungsfeststellungsantrag anderenfalls über den Streitgegenstand einer Verpflichtungsklage hinausgeht (Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 16. Mai 2007, 3 C 8/06; Urteil vom 24. Januar 1992, 7 C 24/91).

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3.5 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Urteil vom 24.03.2011, – L 5 AS 1349/10 –

Hartz IV- Empfänger hat keinen Anspruch auf eine einmalige Gewährung von 500.000,- EUR und eine entsprechende Erhöhung seiner Regelleistungen aufgrund von allgemeinen Menschenrechten, insbesondere aus dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz, nachdem die Bundesregierung wirtschaftlich angeschlagene Banken mit erheblichen finanziellen Mitteln unterstützt hat.

Für die Gewährung von 500.000,- EUR zum Ausgleich sozialer Ungerechtigkeiten besteht im SGB II keine Rechtsgrundlage.

Soweit der HB meint, er könne einen Anspruch aus seiner Stellung als natürliches Völkerrechtssubjekt herleiten, weil der Viermächtestatus völkerrechtswidrig andauere und der Bundesrepublik Deutschland jegliche Legitimation fehle, steht dem bereits entgegen, dass dieser Status durch Art. 7 des Vertrages über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland vom 12. September 1990 (BGBl. II S. 1317) beendet wurde, so dass Deutschland die volle Souveränität über seine inneren und äußeren Angelegenheiten wiedererlangt hat (Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 12. Juli 1991, 2 BvR 1463/90; Beschluss vom 18. Oktober 1994, 2 BvR 611/91).

Die Klagebefugnis nach § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG fehlt, wenn dem Kläger der behauptete Anspruch unter keinem erdenklichen Gesichtspunkt zustehen kann (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 28. Oktober 2009, B 6 KA 42/08 R; Urteil vom 30. August 2001, B 4 RA 114/00 R; Urteil vom 28. April 1967, 3 RK 26/63).

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3.6 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Beschluss vom 07.03.2011, – L 29 AS 4/11 B ER –

Unangemessene Kosten für eine Dachrenovierung sind auch nicht als Darlehen zu übernehmen, wenn die Immobilie von den HB bereits mit einem beschädigten Dach erworben wurde und eine Komplettsanierung schon zum Kaufzeitpunkt absehbar gewesen ist.

Die Möglichkeit, ein Darlehen nach § 22 Abs. 5 SGB II zu gewähren, folgt als Annex nur einem grundsicherungsrechtlich auch hinsichtlich der weiteren Kosten anerkennenswerten Wunsch an der Nutzung und Beibehaltung der Unterkunft (vgl. Beschluss des LSG Sachsen-Anhalt vom 22. Dezember 2010, L 2 AS 425/10 B ER).

Gegen eine Darlehensgewährung spricht ferner, dass auch aktuell noch umfangreicher Erhaltungsrückstand besteht, der weitere erhebliche Reparatur- bzw. Sanierungskosten fordern wird. Die Kosten für eine Instandsetzung der Immobilie sind dann nicht als angemessen anzusehen, wenn die Immobilie in einem derart schlechten Zustand ist, dass auch künftig mit der Notwendigkeit erheblicher Reparaturkosten zu rechnen ist. Denn es ist nicht Aufgabe der Leistungen nach dem SGB II, die Mittel für umfangreiche Sanierungsmaßnahmen einer Immobilie zur Verfügung zu stellen (Urteil des LSG Berlin-Brandenburg, L 29 AS 328/10; Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen vom 30. August 2007, L 9 B 136/07 AS ER).

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3.7 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Beschluss vom 04.04.2011, – L 10 AS 517/11 B ER –

Buchung und Durchführung einer gemeinsamen Reise legen durchaus nahe, dass eine Partnerschaft i.S.d. der Vermutungsregelung besteht, womit eine Beziehung bezeichnet ist, die auf eine gewisse Ausschließlichkeit (Treue) hin ausgerichtet ist (vgl. Spellbrink in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Aufl., § 7 Rdnr 45).

Es kann jedoch jedenfalls nicht mit dem erforderlichen Maß an Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass beide i.S.v. § 7 Abs. 3a 1. Alt SGB II zusammenleben, was das Führen eines gemeinsamen Haushalts voraussetzt, was wiederum das Bestehen einer Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft – letztere erfordert Wirtschaften aus einem Topf – verlangt (vgl. Brühl/Schoch in LPK-SGB II, 3. Aufl., § 7 Rdnr 84, 58; BT-Drucks 15/1516 S 53).

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3.8 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Urteil vom 24.03.2011, – L 5 AS 1547/09 –

Die Jahresfrist aus § 48 Abs. 4 SGB X in Verbindung mit § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X beginnt erst zu laufen, wenn die Aufhebung keine weiteren Ermittlungen mehr erfordert. Erst dann darf der Leistungsempfänger davon ausgehen, dass die Behörde den rechtsfehlerhaften Bescheid innerhalb eines Jahres nicht mehr revidiert. Das ist regelmäßig erst nach der gemäß § 24 SGB X durchgeführten Anhörung des Betroffenen der Fall (Bundessozialgericht, Urteil vom 27. Juli 2000, B 7 AL 88/99 R; Urteil vom 28. November 1996, 7 RAr 56/96; Urteil vom 8. Februar 1996, 13 RJ 35/94; Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 18. Juli 2006, 1 C 15/05; Urteil vom 20. September 2001, 7 C 6/01).

Auf Zwischenberechnungen sind die allgemeinen Grundsätze aus § 338 SGB III anzuwenden (Bundessozialgericht, Urteil vom 19. März 2008, B 11b AS 23/06 R).

Die Rundungsvorschrift des § 41 Abs. 2 SGB II findet keine Anwen-dung, wenn es um Leistungen für Unterkunft und Heizung geht, für die gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II die tatsächlichen Aufwendungen maßgeblich sind.

Kein Anspruch auf Verteilung der einmaliger Einnahme- Urlaubsgeld- auf künftige Zeiträume, wenn durch die Berücksichtigung einer einmaligen Einnahme die Bedürftigkeit des Hilfebedürftigen und die Leistungspflicht des Grundsicherungsträgers im Zuflussmonat nicht in vollem Umfang entfällt (Urteil vom 18. Januar 2011, B 4 AS 90/10 R; Urteil vom 19. Mai 2009, B 8 SO 35/07 R-).

Der monatliche Beitrag in Höhe von 30,90 EUR zur betrieblichen Altersversorgung ist gem. § 11 Abs. Satz 1 Nr. 3 SGB II vom Einkommen abzusetzen(BSG, Urteil vom 9. November 2010, B 4 AS 7/10 R).

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3.9 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Urteil vom 24.03.2011, – L 5 AS 365/08 –

Ist mit einem erstinstanzlichen Urteil ein beigeladener Leistungsträger dem Grunde nach zur Leistungserbringung verpflichtet worden, der daraufhin seine Zuständigkeit ausdrücklich anerkannt hat, fehlt einer gegen dieses Urteil eingelegten Berufung das Rechtsschutzbedürfnis, wenn damit nur erreicht werden soll, dass anstelle des beigeladenen Leistungsträgers der ursprünglich beklagte Leistungsträger dem Grunde nach zur Erbringung derselben Leistungen verpflichtet werden soll.

Der gewöhnliche Aufenthalt im Sinne des § 36 SGB II ist nicht ausschlaggebend für die Frage, ob die Kosten für eine doppelte Haushaltsführung vom Einkommen abzusetzen sind.

Denn welche Aufwendungen für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen sind, ist nach dem tatsächlichen Wohnbedarf zu beurteilen (Bundessozialgericht, Urteil vom 17. Juni 2010, B 14 AS 79/09 R). Ob eine doppelte Haushaltsführung anzuerkennen ist, richtet sich danach, ob der Hilfesuchende außerhalb des Ortes beschäftigt ist, in dem er einen eigenen Hausstand unterhält, und ihm weder der Umzug noch die tägliche Heimfahrt zuzumuten sind (Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 11 Rn 118).

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3.10 – Bayerisches Landessozialgericht Beschluss vom 09.03.2011, – L 7 AS 151/11 B ER –

Nach § 65a Abs. 1 Satz 1 SGG können dem Gericht elektronische Dokumente übermittelt werden, soweit dies für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich durch Rechtsverordnung zugelassen worden ist. Es gibt in Bayern keine derartige Rechtsverordnung. Daher können keine verfahrenserheblichen Schriftsätze durch E-Mail eingereicht werden (Breitkreuz/Fichte, Sozialgerichtsgesetz, 2009, § 65a Rn. 4). Dies gilt sowohl für die Beschwerde als auch für den erstinstanzlichen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz. Auch der erstinstanzliche Eilantrag ist in elektronischer Form nur unter den Voraussetzungen von § 65a SGG möglich (Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage 2008, § 86b Rn. 8b).

Die Beschwerde per E-Mail ist aus einem weiteren Grund unwirksam. Ein E-Mail, das einem unterzeichneten Schriftstück gleichstehen soll, müsste nach § 65a Abs. 1 Satz 3 und 4 SGG mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen sein oder in einem anderen zugelassenen sicheren Verfahren übermittelt worden sein. Eine Beschwerde muss nach § 173 Satz 1 SGG schriftlich eingelegt werden. Dies bedeutet, dass ein eigenhändig unterschriebener Schriftsatz vorgelegt werden muss (vgl. § 126 Abs. 1 BGB und Meyer-Ladewig, Sozialgerichtsgesetz, 9. Auflage 2008, § 173 Rn. 3). Eine Vorschrift, die das Unterschriftserfordernis relativiert (so § 92 Abs. 1 Satz 3 SGG bei der Klage: "Die Klage soll… unterzeichnet sein), gibt es bei der Beschwerde nicht,. Das E-Mail vom 17.02.2011 hatte aber keine qualifizierte Signatur.

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3.11 – Bayerisches Landessozialgericht Beschluss vom 03.01.2011, – L 7 AS 921/10 B ER –

Das wortlose kurze Erscheinen des Antragstellers ist keine Erfüllung der Meldepflicht nach § 59 SGB II i.V.m. § 309 SGB III.

Für die Arbeitsförderung nach SGB III wird teilweise vertreten, dass der Meldepflichtige nur ein persönliches Erscheinen schuldet (Niesel, SGB III, § 309 Rn. 18). Dem wird für die Grundsicherung für Arbeitsuchende teilweise widersprochen (Eicher/Spellbrink, SGB II, 2. Auflage 2008, § 59 Rn. 13a). Der Zweck eines Meldetermins würde mit einem derartigen passiven Verständnis der Meldepflicht vereitelt werden und es wäre bei einem bloßen passiven Erscheinen eine völlige Entziehung oder Versagung der Leistung nach § 66 SGB I denkbar, während der Nichterscheinende nur mit einer in der Regel kleinen Absenkung rechnen müsste. Außerdem verträgt sich das passive Verständnis nicht mit dem ausgeprägten Grundsatz des Forderns in § 2 SGB II. Inwieweit das aktive Verständnis der Meldepflicht zu Abgrenzungsproblemen führt (mit welchen Aktivitäten ist der Meldepflicht genüge getan?), muss hier nicht entschieden werden.

Das bloße wortlose Erscheinen zum Meldetermin entspricht einer völligen Verweigerung und ist wie ein Nichterscheinen zu werten.

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3.12 – Hessisches Landessozialgericht Beschluss vom 17.03.2011, – L 7 AS 687/10 B ER –

Die ½ des Erlöses aus dem Verkauf des geerbten Hausgrundstückes im Wert von 103.500,00 Euro ist nicht als Vermögen des Antragstellers zu berücksichtigen.

Nicht zum Vermögen des Hilfebedürftigen gehören Ansprüche, die er bereits vor dem Zeitpunkt des Antrags auf Leistungsbewilligung oder der Wiederbewilligung abgetreten hat.

Denn im Fall der Abtretung nach § 389 BGB tritt der neue Gläubiger an die Stelle des alten Gläubigers und die abgetretene Forderung scheidet damit aus dem Vermögen des bisherigen Gläubigers aus (Palandt, BGB, 70. Aufl. 2011, § 389 Rn. 2; Mecke in: Eicher/Spellbrink, 2. Aufl. 2008, § 12 Rn. 23; Brühl in LPK-SGB II, 3. Aufl. 2009, § 3 12 Rn. 9).

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3.13 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Beschlüsse vom 06.04.2011, – L 12 AS 74/11 B ER – und – L 12 AS 75/11 B –

Jobcenter muss keine außergerichtlichen Kosten tragen, wenn es der Antragstellerin vor der Beauftragung eines Rechtsanwalts und Einleitung des gerichtlichen Verfahrens zum einstweiligen Rechtsschutz zumutbar gewesen wäre, durch eine telefonische oder – falls diese, wie die Antragstellerin vorträgt, erfolglos geblieben ist – persönliche Vorsprache die unterbliebene Zahlung des Alg II geltend zu machen.

Es ist in der Regel billig, dass derjenige die Kosten trägt, der unterliegt(Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 193 Rdnr. 12a m.w.N.). Allerdings sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, so dass nicht alleine auf den Ausgang des Rechtsstreits abgestellt werden darf. So kann eine Kostenentscheidung auch unter Berücksichtigung des sog. Veranlassungsprinzips ergehen (vgl. Leitherer, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., § 193 Rdnr. 12b m.w.N.)

Die Bescheinigung von Arbeitsunfähigkeit erbringt nicht ohne Weiteres den Nachweis, dass der Antragstellerin auch die persönliche Vorsprache bei dem Antragsgegner aus gesundheitlichen Gründen unzumutbar gewesen ist. So ist Arbeitsunfähigkeit auch nicht in jedem Einzelfall gleichbedeutend mit einer krankheitsbedingten Unfähigkeit, zu einem Meldetermin zu erscheinen (BSG 09.11.2010 – B 4 AS 27/10 R – Rdnr. 32).

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3.14 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 30.03.2011, – L 19 AS 230/11 B –

1. Gewährung von Prozesskostenhilfe, denn vorliegend könnte der sich aus Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz (GG) ergebende besondere Schutz der Ehe eines deutschen Staatsangehörigen ein Abweichen vom Kopfteilprinzip rechtfertigen.

2. Gewährung von Prozesskostenhilfe, ob die Vorschrift des § 20 Abs. 3 SGB II über die auf 90% abgesenkte Regelleistung Anwendung findet, wenn ein volljähriger Hilfebedürftiger mit einem volljährigen Partner in einer Bedarfsgemeinschaft – vorliegend nach § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II – zusammenlebt, der Partner aber – wie im vorliegenden Fall – nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 SGB II von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist.

Zu 1. Da durch den dreimonatigen Ausschluss eines ausländischen Ehepartners im Fall des Zuzugs zu einem deutschen Ehepartner von den Leistungen nach dem SGB II bei Anwendung des Kopfteilprinzips der Bestand der gemeinsamen Wohnung, deren Erhalt für eine gemeinsame Begründung und Fortführung einer Lebensgemeinschaft erforderlich ist, durch infolge der Leistungskürzung entstehende Mietrückstände gefährdet sein kann.

Art. 6 Abs 1 GG enthält sowohl ein klassisches Grundrecht auf Schutz vor Eingriffen des Staates wie eine Institutsgarantie als auch eine wertentscheidende Grundsatznorm für das den gesamten Bereich der Ehe und Familie betreffende private und öffentliche Recht. Er schützt das Interesse des deutschen Ehepartners, seine Ehe als eine Lebensgemeinschaft gleichberechtigter Partner im Bundesgebiet zu begründen und fortzusetzen. Da es grundsätzlich allein den Ehepartnern zusteht, selbstverantwortlich und frei von staatlicher Einflussnahme den räumlichen und sozialen Mittelpunkt ihres gemeinsamen Lebens zu bestimmen, verdient die freie Entscheidung beider Eheleute, gemeinsam im Bundesgebiet zu leben, nach verfassungsgerichtlicher Rechtsprechung besonderen staatlichen Schutz, falls einer der Ehepartner die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt (vgl. BVerfG Beschluss vom 18.07.1979 – 1 BvR 650/77 = BVerfGE 51, 386).

Zu2. In der Rechtsprechung wird die Auffassung vertreten, dass die Vorschrift des § 20 Abs. 3 SGB II nur auf Bedarfsgemeinschaften Anwendung findet, in denen beide Partner leistungsberechtigt nach dem SGB II sind bzw. der Partner, der vom Leistungssystem des SGB II ausgeschlossen ist, einen entsprechend gleich hohen Leistungsanspruch gegenüber einen anderen Leistungsträger hat (vgl. hierzu LSG Hamburg Urteil vom 02.09.2010 – L 5 AS 19/08 – m.w.N.,Revisionverfahren anhängig: – B 14 AS 171/10 R -; LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 14.04.2010 – L 10 AS 1228/09 – ; a. A. LSG Berlin-Brandenburg Urteil vom 02.12.2010 – L 20 AS 2022/09 – m.w.N.)

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3.15 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 30.03.2011, – L 19 AS 212/11 B ER –

Stellt der Antragsteller keinen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Widersprüche – soweit er sie eingelegt hat – bzw. Klagen gegen diese Bescheide beim SG gestellt hat, steht die sofortige Vollziehbarkeit dieser Bescheide einer vorläufigen Leistungsverpflichtung des Jobcenters entgegen.

Mangels einer Entscheidung des SG über die vorläufige Vollziehbarkeit dieser Bescheide fehlt es insoweit auch an einer beschwerdefähigen erstinstanzlichen Entscheidung, sodass im anhängigen Beschwerdeverfahren hierüber nicht befunden werden kann, weil das Beschwerdegericht nicht das zur Entscheidung berufene Gericht der Hauptsache im Sinne des § 86b Sozialgerichtsgesetz (SGG) ist.

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3.16 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Beschlüsse vom 04.04.2011, – L 6 AS 406/11 B ER RG – und – L 6 AS 409/11 B RG –

Liegt eine Verletzung rechtlichen Gehörs vor, ist weitere Voraussetzung für den Erfolg der Anhörungsrüge, dass die angegriffene Entscheidung auf dem Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG beruht. Von einem Beruhen kann dann ausgegangen werden, wenn sich nicht ausschließen lässt, dass bei Unterbleiben des Verstoßes eine günstigere Entscheidung ergangen wäre (BVerfG Beschluss vom 03.10.1961 – 2 BVR 4/60 – BVerfGE 13, 132; LSG NRW Beschluss vom 08.02.2010 – L 19 B 381/09 AS ER RG; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Aufl. 2008, § 178a Rn 5b mwN).

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3.17 – Sächsisches Landessozialgericht Beschluss vom 22.03.2011, – L 7 AS 217/09 B ER –

Der Ausschlussregelung des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II liegt die Erwägung zugrunde, dass bereits die Ausbildungsförderung nach dem BAföG oder eine Förderung gemäß §§ 60 bis 62 SGB III auch die Kosten des Lebensunterhalts umfasst und die Grundsicherung nach dem SGB II nicht dazu dienen soll, durch Sicherstellung des allgemeinen Lebensunterhalts das Betreiben einer dem Grunde nach anderweitig förderungsfähigen Ausbildung zu ermöglichen.

Die Ausschlussregelung im SGB II soll die nachrangige Grundsicherung (vgl. § 3 Abs. 3 SGB II) mithin davon befreien, eine – versteckte – Ausbildungsförderung auf zweiter Ebene zu ermöglichen. Allein die Förderungsfähigkeit der Ausbildung dem Grunde nach zieht die Rechtsfolge des § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II nach sich. Individuelle Versagensgründe, die im Verhältnis zum Träger der Förderungsleistung eingetreten sind, bleiben dem gegenüber außer Betracht (Bundessozialgericht -BSG-, Urteil vom 19.08.2010 – B 14 AS 24/09 R, RdNr. 15 m.w.N).

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4.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

4.1 – Sozialgericht Neuruppin Beschluss vom 04.04.2011, – S 26 AS 316/11 ER –

Im Rahmen der Mitwirkungspflicht besteht grundsätzlich besteht keine Ermittlungspflicht des Leistungsempfängers gegenüber Dritten.

Er braucht sich keine Erkenntnisse zu verschaffen. Daraus folgt, dass auch keine Verpflichtung besteht, Beweismittel – etwa Urkunden – von einem privaten Dritten zu beschaffen und vorzulegen. Dem Antragsteller steht nicht die Rechtsmacht zu, dessen Einkommens- und Vermögensnachweise zu verlangen beziehungsweise diesen zur Ausfüllung der entsprechenden Antragsformulare veranlassen zu können (vgl. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 29. Juni 2006 – L 9 AS 239/05 ER -).

Da das Jobcenter insoweit von dem Antragsteller etwas subjektiv Unmögliches verlangt hat, kann von einer Mitwirkungsobliegenheitsverletzung im Sinne der §§ 60 Abs. 1, 66 Abs. 1 S. 1 SGB I von vornherein nicht ausgegangen werden (vgl. Kampe: juris PK-SGB I, § 65 Rdnr. 18).

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5.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)

5.1 – Sozialgericht Düsseldorf Urteil vom 22.03.2011, – S 42 SO 70/09 –

Bei gemeinsam sorgeberechtigten Eltern, von denen einer einen Antrag auf Sozialhilfe für die Kinder stellt, obwohl die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen, haftet deshalb der Antrag stellende Elternteil (auch) nach § 104 S. 1 SGB XII, während der andere nur nach § 103 Abs. 1 S. 2 SGB XII zum Kostenersatz herangezogen werden kann (vgl. dazu Weber, Kostenerstattung und Kostenersatz bei rechtswidrig oder zu Unrecht gewährter Sozialhilfe nach dem SGB XII, DVP 2010, 278, 279 mit weiteren Beispielen).

Dies gilt jedoch eben nur bei gemeinsam sorgeberechtigten Eltern. Ist nur der eine Elternteil sorgeberechtigt und tritt für die Kinder gegenüber dem Sozialamt in Erscheinung, kann – wie hier – der andere Elternteil nicht zum Kostenersatz herangezogen werden.

Der Wortlaut der Norm spricht ausdrücklich von einem Vertreter – und nicht von einem Dritten. Gerade aus dem Zusammenspiel der Vorschriften bei Kostenersatz für rechtswidrig erbrachte Leistungen – nämlich § 104 S. 1 SGB XII und § 103 Abs. 1 S. 2 SGB XII – ergibt sich, dass der der sich nur auf gesetzlich oder vertraglich bevollmächtigte Vertreter beziehende § 103 Abs. 1 S. 2 SGB XII enger ist als der von § 104 S. 1 SGB XII erfasste Personenkreis (vgl. Weber, Kostenerstattung und Kostenersatz bei rechtswidrig oder zu Unrecht gewährter Sozialhilfe nach dem SGB XII, DVP 2010, 278, 279). Diese Differenzierung zwischen einem Vertreter im Sinne eines ausschließlich rechtsgeschäftlichen oder gesetzlichen Vertreters einerseits und eines Dritten andererseits erscheint im Hinblick auf die sonstigen Voraussetzungen für einen Kostenersatz nach § 103 Abs. 1 S. 2 SGB XII bzw. § 104 S. 1 SGB XII auch sachgerecht: während der Dritte nach § 104 SGB XII nur haftet, wenn er die Hilfegewährung vorsätzlich oder grob fahrlässig herbeigeführt hat, reicht bei einem Vertreter – und eben nur bei einem Vertreter, der für den Hilfeempfänger rechtlich bindend auftreten kann – schon die Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis von der Rechtswidrigkeit der der Leistung zu Grunde liegenden Verwaltungsaktes.

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5.2 – Sozialgericht Aachen Urteil vom 25.01.2011, – S 20 SO 24/10 –

Keine Gewährung von Eingliederungshilfe, wenn keine oder allenfalls nur geringe – nicht anspruchsbegründende – Aussicht besteht, dass die Aufgabe der Reha-Leistung Eingliederungshilfe speziell durch die Fachleistungsstunden im Rahmen des betreuten Wohnens erfüllt wird.

Denn durch den Nachranggrundsatz des § 2 Abs. 1 SGB XII und die bei speziell einer drohenden Behinderung geltende Regelung des § 53 Abs. 2 Satz 2 SGB XII ergibt sich auch für das Recht der Sozialhilfe nach dem SGB XII, dass Eingliederungshilfe nur gewährt wird, wenn Krankenbehandlung nicht ausreicht, das – deckungsgleiche – Ziel der Eingliederungshilfe zu erreichen. Die von den Trägern der Sozialhilfe zu erbringende Eingliederungshilfe ist eine Leistung der Rehabilitation (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 4 SGB IX).

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6.   Folien zum SGB II, erarbeitet von Harald Thome, Stand: 08.04.2011

www.harald-thome.de

7.   Textsammlung Existenzsicherung. Hier noch ein paar Ausführungen von Harald Thome dazu.

Das Buch umfasst ca. 800 Seiten, die Textezusammenstellung ist nach bestem Wissen und Gewissen durch mich unter Beratschlagung mit diversen Fachleuten erfolgt. Besonderheiten sind: vollständige Textesammlung SGB II/SGB XII/SGB I/SGB X/SGG mit allen Verordnungen und bei den vollständigen Gesetzen mit Inhaltsverzeichnis. Das SGB III ist in den leistungsrelevanten Teilen auch vollständig und diverse Gesetze wie Wohngeld, Erziehungsgeld, ZPO, BGB… bis hin zum Passgesetz und Düsseldorfer Tabelle und Pfändungsfreigrenzen. Einschließlich vor jedem Satz hochgestellt die Satznummer. Also ein umfassender Praktikerschmöcker zu einem unschlagbarem Preis von 10 EUR, neben einem Euro für Tacheles. Wenn das Buch ausreichend Verbreitung findet – wovon ich ausgehe – wird es das auch regelmäßig in Neuauflage geben. Was für Praktiker, bei der Änderungsrate im Sozialrecht auch sehr wichtig ist

7.   Fragen und Antworten zu Hartz IV


100 Fragen und Antworten für Betroffene und ihre Berater- Von RA Ludwig Zimmermann-, 2011, 126 S., Broschiert, 16,90 €.

Nachdem endlich eine politische Einigung erreicht werden konnte, treten mit (Rück-)Wirkung zum 1.1.2011 zahlreiche Neuregelungen des Existenzsicherungsrechts in Kraft. In 100 Fragen und Antworten bereitet Ludwig Zimmermann, Autor des Standardwerks "Das Hartz-IV-Mandat" alltägliche und besondere Fragen zur Rechtsanwendung des SGB II in kompakter und leicht verständlicher Sprache auf. Dabei wird auch die aktuelle Entwicklung in der sozialgerichtlichen Praxis der Jahre 2009 und 2010 nachgezeichnet. Einsteiger erhalten einen ersten Überblick über die aktuellen Fragen, gestandene Praktiker können dem Werk wertvolle Anregungen zum Umgang mit den Änderungen entnehmen und ihr Fachwissen mit geringem Aufwand auf den neuesten Stand bringen.

Das Werk richtet sich an die Praktiker der Sozialverwaltung in den Rechtsbehelfsstellen, Berater in den Sozialverbänden, Rechtsanwälte und Richter.

www.existenzsicherung.de

Autor des Rechtsprechungstickers: Willi 2 von Tacheles

Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de