Rechtsprechungsticker von Tacheles KW 29/2011

1.   Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 10.05.2011 zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

1.1 – BSG, Urteil vom 10.05.2011, – B 4 AS 11/10 R-

Kein Anspruch auf Übernahme der Aufwendungen für Schulbedarfe für das Schuljahr 2006/2007 als Zuschussleistung nach dem SGB II (vgl. BSG Urteil vom 19.08.2010, -B 14 AS 47/09 R, SozR 4-3500 § 73 Nr 2).

Auch über die in der Entscheidung abgehandelten Anspruchsgrundlagen der § § 21, 23 Abs 3 und 24a SGB II, § 73 SGB XII und einen Anspruch direkt aus der Verfassung auf Grundlage der Entscheidung des BVerfG vom 9.2.2010 (1 BvL 1/09, 3/09, 4/09, BVerfGE 125, 175) hinaus ist keine Rechtsgrundlage vorhanden.

Der Schulbedarf ist nicht vom Kindergeld als zur Bedarfsdeckung bei den HB dienendes Einkommen vorab in Abzug zu bringen.

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1.2 – BSG, Urteil vom 10.05.2011, – B 4 AS 139/10 R-

Seit dem 1.8.2009 kann nach § 6 Abs 1 Nr 2 Alg II-V auch von dem Einkommen Minderjähriger, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ein Betrag in Höhe von 30 Euro monatlich für Beiträge zu privaten Versicherungen in Abzug gebracht werden, bevor dieses Einkommen bei der Berechnung des Sozialgeldes berücksichtigt wird.

Für die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit in § 6 Abs 1 Nr 2 Alg II-V kommt es nicht darauf an, ob Leistungen aus der privaten Versicherung zu einer Entlastung staatlicher Sozialversicherungsträger beitragen können. Im Gegenteil, wenn bereits ein hinreichender Schutz durch die gesetzliche Sozialversicherung gegeben ist, scheidet die Absetzbarkeit von Beiträgen für private Versicherungen, die dieselben Risiken abdecken, im Grundsicherungsrecht schon aus systematischen Gründen aus. Beiträge zur Sozialversicherung werden vom Grundsicherungsträger als Annexleistung übernommen (zur Krankenversicherung und im hier streitigen Zeitraum auch noch zur Rentenversicherung). Dahinter steht die Erwägung, dass durch Leistungen aus der gesetzlichen Sozialversicherung auch ein grundsicherungsrechtlicher Bedarf gedeckt wird, für den wegen des Schutzes durch die gesetzliche Sozialversicherung keine besonderen Leistungen im SGB II vorgesehen sind. Einkommen aus Leistungen der gesetzlichen Sozialversicherung ist daher auch zu berücksichtigendes Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II, das den Hilfebedarf mindert. Für Bezieher von Erwerbseinkommen knapp oberhalb der Grundsicherungsgrenze gelten die gleichen Überlegungen. Dort ersetzen die Leistungen aus der gesetzlichen Sozialversicherung – entsprechend ihrem originären Zweck – das etwa durch einen Unfall entgangene Erwerbseinkommen bzw dienen der Erlangung der ansonsten zu "erkaufenden" Gesundheitsleistungen.

Wenn bestimmte Risiken nicht durch Leistungen aus der gesetzlichen Sozialversicherung abgedeckt werden, wie beispielsweise die gesundheitlichen Folgen aufgrund von Freizeitunfällen von Kindern, mag das zwar für eine private Vorsorge sprechen. Ob damit jedoch zugleich eine grundsicherungsrechtliche Angemessenheit der Aufwendungen hierfür einhergeht, bestimmt sich im Rahmen des Leistungssystems – wie bei der Bemessung der existenzsichernden Leistungen auch – nach dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Lebensbedingungen (vgl BVerfG Urteil vom 9.2.2010 – 1 BvL 1/09 ua, BVerfGE 125, 175).

Daher wird in der Rechtsprechung von BSG und BVerwG zur Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Angemessenheit im Hinblick auf Versicherungsbeiträge im existenzsichernden Bereich darauf abgestellt, für welche Lebensrisiken (Grund) und in welchem Umfang (Höhe) Bezieher von Einkommen knapp oberhalb der Grundsicherungsgrenze üblicherweise Vorsorgeaufwendungen zu tätigen pflegen und andererseits, welche individuellen Lebensverhältnisse die Situation des Hilfebedürftigen prägen (BSG Urteil vom 9.11.2010 – B 4 AS 7/10 R; abgrenzend zur Arbeitslosenhilfe wegen deren Funktion der Lebensstandardsicherung: BSG Urteil vom 9.12.2004 – B 7 AL 24/04 R – BSGE 94, 109 = SozR 4-4220 § 3 Nr 1; s zur Sozialhilfe nach dem SGB XII: BSG Urteil vom 29.9.2009 – B 8 SO 13/08 R – BSGE 104, 207 = SozR 4-3530 § 6 Nr 1; vgl zum BSHG: BVerwG Urteil vom 27.6.2002 – 5 C 43/01 – BVerwGE 116, 342; Schellhorn/Schellhorn, BSHG, 16. Aufl 2002, § 76 RdNr 38; Schmitt/Hillermeier, BSHG, Stand Dezember 1996, § 76 RdNr 92).

Es bestehen Zweifel, dass der Abschluss einer privaten Unfallversicherung für Kinder bei Beziehern von Einkommen knapp oberhalb der Grundsicherungsgrenze üblich ist. Das Jobcenter hat in der Revisionsbegründung auf seine Erkenntnisse durch den Kundenmonitor Assekuranz der Psychonomics AG für 2008 hingewiesen, wonach 31 % aller deutschen Haushalte eine private Unfallversicherung abgeschlossen hatten.

Das LSG Hamburg hat in einer Entscheidung aus dem Jahre 2010 auf Grundlage einer beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft eV eingeholten Auskunft für das Jahr 2008 ausgeführt, dass der Prozentsatz von 50 % der gesamten Bevölkerung, die eine derartige Versicherung hielten, nicht erreicht werde. Der Anteil an privat unfallversicherten Kindern aus Familien mit geringen finanziellen Mitteln werde dementsprechend geringer sein; die private Unfallversicherung für Kinder zähle in diesen Kreisen daher nicht zu den üblichen Versicherungen (LSG Hamburg Urteil vom 11.11.2010 – L 5 AS 58/07).

Auch besondere Umstände des Einzelfalls können dazu führen, dass eine solche private Absicherung als angemessen zu bewerten ist. Diese können beispielsweise in einer besonderen Gefährdung des jungen Menschen aufgrund einer Erkrankung oder Behinderung oder einer sonstigen besondere Gefährdungen hervorrufenden Lebenssituation erblickt werden.

Unschädlich ist, dass der Minderjährige die Versicherung nicht selbst – also eigentätig – abgeschlossen hat. Es kommt auch nicht darauf an, dass er die rechtliche Möglichkeit hierzu mit nachträglicher Genehmigung durch die erziehungsberechtigte gehabt hätte. Hiergegen spricht weder die von dem Jobcenter zitierte Begründung der Neufassung der Alg II-V, noch die bisherige Rechtsprechung des BSG.

Grundsätzlich ist nach der Rechtsprechung der für die Grundsicherung zuständigen Senate des BSG die Versicherungspauschale unabhängig davon in Abzug zu bringen, ob tatsächlich Beiträge zu privaten Versicherungen aufgewendet worden sind (vgl BSG Urteile vom 7.11.2006 – B 7b AS 18/06 R – SozR 4-4200 § 22 Nr 3; 18.6.2008 – B 14 AS 55/07 R – SozR 4-4200 § 9 Nr 4; 13.5.2009 – B 4 AS 39/08 R – SozR 4-4200 § 11 Nr 23). Die mangelnde Abzugsmöglichkeit der Versicherungspauschale vom Einkommen des Kindes, das in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, ist in der Rechtsprechung des BSG damit gerechtfertigt worden, dass im Regelfall das Kind an den für die Bedarfsgemeinschaft abgeschlossenen Versicherungen partizipiert und sein Einkommen in erster Linie zur Deckung des eigenen Lebensunterhalts dienen soll (BSG Urteil vom 13.5.2009 – B 4 AS 39/08 R – SozR 4-4200 § 11 Nr 23).

Unter Berücksichtigung dessen soll die durch die Änderung der Alg II-V eröffnete Möglichkeit, auch vom Einkommen des minderjährigen Kindes in der Bedarfsgemeinschaft eine Versicherungspauschale in Abzug zu bringen, daher nur dann ergriffen werden können, wenn für das Kind eine eigene Versicherung abgeschlossen worden ist, die sein Einkommen auch tatsächlich belastet. Dieses setzt jedoch nur voraus, dass eine für das Kind zu finanzierende Versicherung vorhanden ist, die nicht in der Gesamtvorsorge der Bedarfsgemeinschaft aufgeht. Nicht erforderlich ist, dass das Kind den Versicherungsvertrag selbst geschlossen hat.

Ebenfalls unschädlich ist, dass es sich um eine "Paketversicherung" handelt. Sie enthält einen selbstständigen, ausschließlich auf das Kind bezogenen Anteil, für den Versicherungsbeiträge aufzubringen sind.

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2.   Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 06.04.2011 zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

2.1 – BSG, Urteil vom 06.04.2011, – B 4 AS 12/10 R-

Betriebskostennachzahlungen, welche einen Zeitraum betreffen, in welchem der Leistungsträger auch unangemessene Kosten im Sinne des § 22 Abs. 1 SGB II zu übernehmen hatte, sind Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II, auch wenn die laufenden Kosten nicht mehr voll zu tragen sind.

Die Nachforderung ist als tatsächlicher, aktueller Bedarf im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zu berücksichtigen. Dies bedeutet jedoch nicht, diesen Bedarf auch hinsichtlich der Angemessenheit nach den Verhältnissen im Fälligkeitsmonat zu beurteilen. Vielmehr richtet sich die Beurteilung der Angemessenheit nach den tatsächlichen und rechtlichen Bedingungen im Zeitraum der Entstehung der Kosten im tatsächlichen Sinn. Nur eine derartige Auslegung der § § 22 Abs 1 Satz 1 und 3 SGB II wird der den Vorschriften innewohnende Schutzfunktion gerecht. Unerheblich ist mangels konkreter Umsetzung, dass das Jobcenter bereits mit Kostensenkungsaufforderungen deutlich gemacht hatte, dass er die Unterkunftskosten für unangemessen hoch hielt.

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3.  Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

3.1 – Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss vom 04.07.2011, – L 7 AS 5381/09 B –

Im Unterschied zur Entscheidung nach § 73a SGG i.V.m. § 124 ZPO über die Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist gegen die Abänderung der Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen durch das Sozialgericht nach § 73a SGG i.V.m. § 120 Abs. 4 ZPO (hier: nachträgliche Anordnung von Ratenzahlungen) die Beschwerde gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG ausgeschlossen.

Nach § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG in der ab dem 1. April 2008 geltenden Fassung des Gesetzes zur Änderung des SGG und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom 26. März 2008 (BGBl. I S. 444) ist die Beschwerde gegen die Ablehnung von PKH ausgeschlossen, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse für die PKH verneint. Dies gilt auch für die Abänderungsentscheidung des SG nach § 73a SGG i.V.m. § 120 Abs. 4 der Zivilprozessordnung (ZPO).

Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Beschwerdemöglichkeit gegen Entscheidungen im PKH-Verfahren ab dem 1. April 2008 nur noch gegeben sein, wenn die Erfolgsaussicht im Hauptsacheverfahren vom Gericht verneint worden ist (BT-Drs. 16/7716 S. 22 zu Nr. 29 Buchstabe b Nr. 2). Die im Fall der Festsetzung von Monatsraten mit der Bewilligung von PKH verbundene (Teil-)Ablehnung beruht demgegenüber (ebenso wie die vollständige Ablehnung) ausschließlich auf den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Klägers; gegen die Festsetzung von Monatsraten gemäß § 73a Abs. 1 SGG i.V.m. § 120 Abs. 1 ZPO im Rahmen der Bewilligung von PKH ist die Beschwerde gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG daher nicht statthaft (Senatsbeschluss vom 23. Februar 2009 – L 7 SO 5829/08 PKH-B -; Landessozialgericht (LSG) Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 7. Dezember 2009 – L 19 B 13/09 AL – und vom 14. Januar 2011 – L 20 AS 2026/10 B -; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12. Oktober 2009 – L 19 AS 817/09 B PKH – (jeweils juris)). Es ist kein sachlicher Grund ersichtlich, den Fall der nachträglichen Zahlungsanordnung nach § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO anders zu behandeln. Denn auch hier beruht die darin enthaltene teilweise Aufhebung der Bewilligung von PKH nur auf der Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der bedürftigen Partei (LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.; vgl. auch Sächsisches LSG, Beschluss vom 3. Mai 2010 – L 3 AS 608/09 B PKH – (juris)).

Dass etwas anderes hinsichtlich der Aufhebungsentscheidung nach § 124 ZPO gilt, die von dem Beschwerdeausschluss des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG nicht erfasst wird (Senatsbeschluss vom 30. März 2011 – L 7 SO 2087/10 B – (nicht veröffentlicht); LSG Baden-Württemberg, Beschlüsse vom 8. Februar 2011 – L 13 AS 2819/10 B – und vom 21. Februar 2011 – L 13 AL 5384/10 B -; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 16. Juni 2008 – L 5 B 163/08 AS – (jeweils juris)), findet seine Rechtfertigung darin, dass diese Aufhebungstatbestände nicht allein die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen der Partei zur Grundlage haben, sondern an das Vorliegen weiterer Voraussetzungen geknüpft sind. Die nachträgliche Festsetzung von Zahlungen nach § 120 Abs. 4 Satz 1 ZPO hat darüber hinaus weniger weitgehende Auswirkungen als die Aufhebung der Bewilligung von PKH nach § 124 ZPO. Die sonstigen Wirkungen der Bewilligung, wie sie in § 122 ZPO festgelegt sind, bleiben nämlich bestehen. Insbesondere kann der beigeordnete Prozessbevollmächtigte seine Gebührenansprüche nicht gegen die vertretene Partei geltend machen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14. Januar 2011, a.a.O. m.w.N.).

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3.2 – Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss vom 11.07.2011, – L 2 AS 1462/11 B –

1. In der Sozialgerichtsbarkeit ist für das der Beschlussfassung nach § 124 Nr. 2 Alt. 2 ZPO vorausgehende Überprüfungsverfahren gem. § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO ausschließlich der Richter zuständig (Anschluss an Beschluss des 13. Senats LSG Baden-Württemberg vom 09.06.2011, Az. L 13 AS 120/11 B).

2. Für die Einleitung des Überprüfungsverfahrens ohne konkreten Anlass im Zuge einer rein routinemäßigen Überprüfung besteht keine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage; § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO setzt einen konkreten Anlass für die Einleitung des Überprüfungsverfahrens voraus (Anschluss an Beschluss des 13. Senats LSG Baden-Württemberg vom 09.06.2011, Az. L 13 AS 120/11 B).

3. Die Aufforderung zur Abgabe einer Erklärung über eine Änderung der Verhältnisse gemäß § 73a SGG i.V.m. § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO ist dem bevollmächtigten Rechtsanwalt zuzustellen, der die Kläger insoweit auch nach dem Abschluss des Hauptsacheverfahrens weiter vertritt (Anschluss an Urteil des BGH vom 08.12.2010, Az. XII ZB 38/09, MDR 2011, 183 f.).

4. Die Aufforderung zur Abgabe einer Erklärung über eine Änderung der Verhältnisse gemäß § 73a SGG i.V.m. § 120 Abs. 4 Satz 2 ZPO bedarf der Ausgestaltung als Richterbrief; die zugrunde liegende Verfügung und die zu übermittelnde Ausfertigung/beglaubigte Abschrift sind vom Richter mit vollem Namen zu unterzeichnen (vgl. Urteil des BSG zu § 102 Abs. 2 SGG vom 01.07.2010, Az. B 13 R 58/09 R, SozR 4-1500 § 102 Nr. 1).

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3.3 – Landessozialgericht Hamburg Urteil vom 08.06.2011, – L 5 AS 29/09 –

Diese von der HB zur Absicherung ihres Alters abgeschlossene Versicherung unterfällt nicht der Privilegierung nach § 12 Abs. 2 Nr. 3 SGB II, denn das dort vorausgesetzte Verwertungsverbot aufgrund vertraglicher Vereinbarung besteht unstreitig nicht.

Die vertragliche Vereinbarung muss zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherungsgeber in der Form abgeschlossen sein, dass eine Verwertung des Versicherungsguthabens vor dem Eintritt in den Ruhestand ausgeschlossen ist (Brühl in Münder, LPK, 3. Auflage, § 12 Rn. 44; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 27.2.2009, Az. L 12 AS 3486/07; BSG, Urteil vom 7.5.2009, Az. B 14 AS 35/08 R-. Dies ist durch eine Regelung nach § 165 Versicherungsvertragsgesetz – VVG – zwischen den Vertragsparteien rechtlich auch vereinbar.

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3.4 – Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil vom 11.05.2011, – L 5 AS 24/08 -, Revision anhängig beim BSG unter dem AZ.: B 14 AS 108/11 R –

Bezüge aus einer ehrenamtlichen Tätigkeit als Bürgermeister sind grundsätzlich als Einkommen i.S.v. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II anzurechnen.

Es handelt sich um eine Einnahme in Geldeswert, wobei es auf die Bezeichnung und den Rechtscharakter nicht ankommt (BSG, Urteil vom 1. Juni 2010, B 4 AS 89/09 R (17)).

Es handelt sich um Entgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung i.S.v. § 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften (SGB IV). Kommunale Ehrenbeamte, die eine Aufwandsentschädigung erhalten, üben grundsätzlich sozialrechtliche Beschäftigungsverhältnisse gegen Entgelt aus (vgl. BSG, Urteil vom 25. Januar 2006, B 12 KR 12/05 R zu ehrenamtlichen Bürgermeistern verbandsangehöriger Gemeinden in Sachsen; BSG, Urteil vom 23. Juli 1998, B 11 AL 3/98 R zu ehrenamtlichen Ortsvorstehern in Rheinland-Pfalz; Urteil vom 15. Juli 2009, B 12 KR 1/09 R für ehrenamtliche Feuerwehrführungskräfte in Bayern; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 17. Mai 2010, L 3 R 18/10 B ER zu ehrenamtlichen Bürgermeistern in Sachsen-Anhalt).

Die Nichtberücksichtigung von Einnahmen erfolgt unabhängig davon, ob sie steuerpflichtig sind. Unerheblich ist daher, ob der Kläger zu 1. im Jahr 2005 einkommensteuerpflichtig war. Die Nichtberücksichtigung muss aber ausdrücklich durch den Zweck der weiteren Einnahmen gerechtfertigt sein. Dabei soll es bei einer Einkommensberücksichtigung verbleiben, wenn eine Zweckidentität mit Sozialleistungen festgestellt oder die andere Leistung ohne ausdrückliche Nennung eines Zwecks zweckneutral gewährt wurde. Aufgabe von § 11 Abs. 3 Nr. 1a SGB II ist es zu verhindern, dass die besondere Zweckbestimmung einer Leistung durch ihre Berücksichtigung als Einnahme nach dem SGB II verfehlt wird bzw. dass für einen identischen Zweck Doppelleistungen erbracht werden (BSG, Urteil vom 1. Juni 2010, B 4 AS 89/09 R(17) mit weiteren Hinweisen zur Rechtsprechung).

Die Zweckbestimmung wird sich regelmäßig aus einer öffentlich-rechtlichen Norm ergeben. Unerheblich ist dabei, wenn für eine Einnahme ausdrücklich verschiedene Zweckbestimmungen genannt sind (BSG, Urteil vom 17. März 2009, B 14 AS 62/07 R (25) zu BAföG-Leistungen).

Eine Zweckbestimmung kann nicht aus Art. 28 Abs. 2 GG entnommen werden. Dieser regelt lediglich die Verfassungsgarantie der kommunalen Selbstverwaltung sowie in diesem Rahmen der finanziellen Eigenverantwortung. Eine Regelung hinsichtlich einer besonderen Zweckbestimmung für die in der kommunalen Selbstverwaltung ehrenamtlich Tätigen enthält die Vorschrift nicht.

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3.5 – Hessisches Landessozialgericht Beschluss vom 24.05.2011, – L 7 AS 88/11 B ER –

1. Die Aufforderung an den Hilfeempfänger, eine Altersrente zu beantragen, stellt einen Verwaltungsakt dar, der eine Ermessensausübung des SGB II-Leistungsträgers notwendig macht.

2. Für Hilfebedürftige, deren Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II vor dem 01.01.2008 entstanden ist und die das 58. Lebensjahr vor diesem Tag vollendet haben, hat der Gesetzgeber in § 65Abs. 4 SGB II eine Vertrauensschutzregelung geschaffen. Sie dürfen nicht zur vorzeitigen Inanspruchnahme ihrer Altersrente aufgefordert werden.

3. Es ist unerheblich, ob der Hilfebedürftige tatsächlich die erleichterten Voraussetzungen nach § 58 SGB II in Anspruch genommen hat, oder ob er dem Arbeitsmarkt uneingeschränkt zur Verfügung gestanden hat.

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3.6 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 05.07.2011, – L 6 AS 18/11 B –

Die Zusicherung gem. § 22 Abs. 2 S. 1 SGB II a.F. hat nach erfolgtem Umzug für den Leistungsberechtigten keine Relevanz mehr, weil diese für die Höhe seines Anspruchs auf Gewährung der Unterkunftskosten nicht konstitutiv ist (vgl. BSG Urteil vom 30.08.2010 – B 4 AS 10/10 R Rn 17).

Ein etwaiges Begehren auf höhere endgültige Leistungen kann zulässig in Gestalt einer Leistungsklage verfolgt werden (vgl. BSG Urteil vom 06.04.2011 – B 4 AS 119/10 R Rn 21).

Erforderlich ist ein Umzug, wenn für ihn ein vernünftiger Grund vorliegt, von dem sich auch ein Nichthilfeempfänger leiten lassen würde. Nicht hingegen genügt es, wenn der Umzug lediglich sinnvoll oder wünschenswert erscheint (LSG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 31.03.2011 – L 5 AS 359/10 B ER Rn 42).

Die Notwendigkeit, in eine Vierzimmerwohnung umzuziehen, ist nicht erkennbar, denn die von der Ärztin bescheinigten Rückenschmerzen begründen eine solche Notwendigkeit nicht. Diesen kann grundsätzlich mit einer geeigneten Auswahl der Schlafgelegenheit (zB Bettsofa mit Lattenrost oder durch geschickte Möblierung im Wohnzimmer abgetrenntes Bett) begegnet werden.

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Anmerkung : Vgl. dazu auch folgenden Beitrag:

Beim BSG ist folgende Rechtsfrage anhängig: – B 14 AS 107/10 R-

Unter welchen Voraussetzungen ist ein Umzug erforderlich iS von § 22 Abs 1 S 2 SGB 2 (hier Auszug einer unter Rückenschmerzen leidenden, alleinerziehenden Hilfebedürftigen mit Kleinkind aus einer Wohnung im 4. Obergeschoss ohne Aufzug)?

weiter hier: sozialrechtsexperte.blogspot.com

4.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)

4.1 – Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss vom 27.06.2011, – L 2 SO 2138/11 ER-B

Kein Anspruch auf Hartz IV für im Ausland lebende Deutsche

§ 24 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XII ist ausgehend von seinem Wortlaut und auch im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte dahingehend auszulegen, dass als Mindestvoraussetzung beim Antragsteller zumindest ein ernsthafter Wille bestehen muss, gemeinsam mit dem Kind, dessen Pflege und Erziehung übernommen wird, zur Beseitigung der Hilfebedürftigkeit nach Deutschland zurückzukehren.

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4.2 – Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil vom 29.06.2011, – L 2 SO 5226/10 –

1. Keine Umwandlung darlehensweise gewährter Sozialhilfe in eine Gewährung als verlorener Zuschuss im Rahmen eines Zugunstenverfahrens nach § 44 SGB X.

2. Darlehensweise Gewährung von Sozialhilfe stellt kein Minus sondern ein Aliud gegenüber einer Gewährung als Zuschuss dar (Anschluss an BSGE Urteil vom 31. März 1992 – 9b RAr 17/90 -).

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4.3 – Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil vom 29.06.2011, – L 2 SO 5698/10 –

Auch bei völliger Zahnlosigkeit mit fortgeschrittener Kieferatrophie besteht weder ein Anspruch gegen den Sozialhilfeträger auf die Gewährung eines Zuschusses noch eines Darlehens zum Zwecke einer Finanzierung implantatgestützten Zahnersatzes. Vielmehr ist der Sozialhilfeempfänger wie alle gesetzlich Krankenversicherten in diesem Fall auf die Versorgung mit einem normalen Zahnersatz/-Prothese zu verweisen.

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5.   Das Teilhabe – und Bildungspaket

Die gesetzlichen Neuregelungen des SGB II,SGB XII und BKGG.

Ludwig Zimmermann, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeits – und Sozialrecht

www.neue-justiz.nomos.de (pdf)

Autor des Rechtsprechungstickers: Willi 2 von Tacheles

Quelle Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de