Rechtsprechungsticker von Tacheles KW 36/2011

1.  Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

1.1 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 25.08.2011, – L 19 AS 2192/10 B –

Entscheidend für die Auslegung eines Bescheides ist nicht seine Überschrift, sondern sein Regelungsgehalt.

Bei einem Änderungsbescheid, mit dem eine bewilligte Leistung nach dem SGB II für Juli 2008 herabgesetzt wird, handelt es sich nach seinem Regelungsgehalt um eine Aufhebungsentscheidung betreffend den Zeitraum Juli 2008 (vgl.  BSG Urteil vom 09.11.2010 – B 4 AS 37/09 R), deren Rechtmäßigkeit nach den Vorschriften der §§ 40 SGB II, 330 SGB III, 45ff SGB X zu beurteilen ist.

Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X zur teilweisen Aufhebung der bewilligten Leistung sind wegen des Zuflusses weiteren Arbeitsentgelts von 180,00 EUR im Juli 2008 gegeben (vgl.  zur Berücksichtigung von nachträglich gezahltem Arbeitsentgelt: BSG Urteil vom 30.07.2008 – B 14 AS 43/07 R).

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1.2 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 08.08.2011, – L 19 AS 760/11 B –

Gewährung von Prozesskostenhilfe, denn bei einem Wechsel der örtlichen Zuständigkeit für die Leistungen der Grundsicherung ist in Literatur und Rechtsprechung umstritten (zum Meinungsstand s. LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 11.05.2011 – L 5 AS 92/07, Rn. 45), ob § 36 SGB II, hier anzuwenden in der bis 31.12.2010 geltenden Fassung, über die formelle Regelung der örtlichen Zuständigkeit hinaus auch eine Leistungsvoraussetzung enthält bzw. gegenüber der Grundvorschrift des § 7 Abs. 1 SGB II eine ergänzende Anspruchsvoraussetzung regelt.

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1.3 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 22.08.2011, – L 19 AS 796/11 B –

Der Anspruch auf Übernahme der Aufwendungen für eine Mietkaution nach § 22 Abs. 6 Satz 1 SGB II setzt voraus, dass der Grundsicherungsträger vor der Entstehung der Mietkautionsforderung eine Zusicherung über die Übernahme dieser Kosten erteilt hat (vgl.  BSG Urteile vom 06.05.2010 – B 14 AS 7/09 R, Rn 12f und vom 07.11.2006 – B 7b AS 10/06 R, Rn 7).

Eine vorherige Zusicherung der Mietkaution ist nicht erforderlich, wenn die fristgerecht mögliche Entscheidung vom Verwaltungsträger treuwidrig verzögert worden ist(vgl.  hierzu BSG Urteil vom 06.05.2010 – B 14 AS 7/09 R, Rn 13).

Der Leistungsbezieher muss die Erteilung einer solchen Zusicherung vor der Unterzeichnung Mietvertrages beantragen.

Die Mietkaution wäre zu übernehmen, wenn der Hilfebedürftige durch einen von einem Bediensteten des Jobcenters hervorgerufenen Rechtsirrtum von der Antragstellung abgehalten worden ist (vgl.  hierzu Berlit in LPK-SGB II, 3 Aufl., § 22 Rn 106).

Ein Anspruch auf Übernahme der Aufwendungen für die Leistung einer Mietkaution als Darlehen lässt sich auch nicht aus § 24 Abs. 1 SGB II ableiten. Wenn im Einzelfall ein von den Regelleistungen umfasster und nach den Umständen unabweisbarer Bedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts weder durch das Vermögen nach § 12 Abs 2 Nr 4 SGB II noch auf andere Weise gedeckt werden kann, erbringt die Agentur für Arbeit bei entsprechendem Nachweis den Bedarf als Sach- oder als Geldleistung und gewährt dem Hilfesuchenden ein entsprechendes Darlehen. Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Denn der geltend gemachte Bedarf – Aufwendungen für eine Mietkaution – ist nicht von der Regelleistung umfasst, es handelt sich um Kosten der Unterkunft i.S.v. § 22 SGB II (vgl.  BSG Urteil vom 01.06.2010 – B 4 AS 63/09 R – zu den Voraussetzungen eines Darlehens nach § 23 Abs. 1 SGB II a.F.).

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1.4 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 15.08.2011, – L 19 AS 936/11 NZB –

Es ist noch nicht in der Rechtsprechung geklärt, ob es sich bei den Aufwendungen für den Erwerb eines Genossenschaftsanteils um Wohnungsbeschaffungskosten i.S.v. § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II in der Fassung bis zum 31.12.2010 (a. F.) oder um eine Mietkaution i.S.v. § 22 Abs. 3 Satz 1 SGB II a. F. handelt (vgl.  LSG NRW Beschluss vom 08.06.2011 – L 19 AS 958/11 B ER mit Zusammenfassung des Meinungstandes in Rechtsprechung und Literatur).

Auch ist nicht geklärt, ob im Fall eines Umzuges nach § 22 Abs. 3 Satz 2 SGB II – wie im vorliegenden Fall von der ARGE J anerkannt – andere Wohnungsbeschaffungskosten als eine Mietkaution im Rahmen der Angemessenheitsprüfung (vgl.  BSG Urteil vom 06.05.2010 – B 14 AS 7/09 R, Rn 14, wonach bei einem Umzug i.S.v. § 22 Abs. 3 Satz 2 SGB II die angemessenen Kosten zu übernehmen sind) in der Regel nur als Darlehen zu gewähren sind.

Diese Rechtsfragen sind vorliegend aber nicht klärungsfähig. Klärungsfähig ist eine (konkrete) Rechtsfrage nur dann, wenn sie in einem nach erfolgter Zulassung durchgeführten Berufungsverfahren entscheidungserheblich ist. Dies ist der Fall, wenn es für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits auf die Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfrage ankommt und die Entscheidung bei Zugrundelegung der Rechtsauffassung der Klägerin in ihrem Sinne hätte ausfallen müssen. Daran mangelt es u. a., wenn die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts auf verschiedene Begründungen gestützt wird, die nicht alle von der aufgeworfenen Rechtsfrage betroffen sind (vgl.  BSG Beschlüsse vom 23.02.2011 – B 4 AS 170/10 B – und vom 30.08.2004 – B 2 U 401/03 B zum gleichlautenden § 160 Abs. 2 SGG).

Dies ist vorliegend der Fall, da das Sozialgericht die Verwerfung des Widerspruchs der Klägerin wegen der Versäumung der Widerspruchfrist durch die Beklagte als rechtmäßig angesehen hat und damit an einer sachlich-rechtlichen Überprüfung des angefochtenen Bescheides vom 16.01.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.05.2009 gehindert gewesen ist.

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Anmerkung: Vgl.  dazu auch den Beitrag im Blog von RA L. Zimmermann

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 08.06.2011, – L 19 AS 958/11 B ER –
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1.5 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 15.08.2011, – L 19 AS 938/11 NZB –

Der Grundsicherungsträger hat im Fall der Ersatzbeschaffung für Ausstattungsgegenstände nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB II (a. F.) nicht aufzukommen.

Eine Ersatzbeschaffung eines Gegenstandes einer Wohnungseinrichtung liegt u. a. vor, wenn ein Gegenstand wegen Unbrauchbarkeit durch einen andern Gegenstand ersetzt werden muss (BSG Urteil vom 01.07.2009 – B 4 AS 77/08 R, Rn 16).

Die Rechtsprechung des BSG hat hinreichend geklärt, unter welchen Voraussetzungen der Grundsicherungsträger eine Beihilfe für die Anschaffung eines Gegenstandes der Wohnungseinrichtung – vorliegend eines Wohnzimmerschranks – als Erstausstattung i.S.v. § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in der Fassung bis zum 31.12.2010 (a. F.) zu erbringen hat (BSG Urteil vom 24.02.2011 – B 14 AS 75/10 R – mit weiteren Rechtsprechungshinweisen).

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Anmerkung: Vgl.  dazu auch den Beitrag im Blog von RA L. Zimmermann

BSG, Urteil vom 13.04.2011, – B 14 AS 53/10 R-
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1.6 – Landessozialgericht Rheinland-Pfalz Urteil vom 31.05.2011, – L 3 AS 147/09 –

1. Ein Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 BGB ist als Vermögen im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB II anzusehen.

2. Vermögen dient nicht der „baldigen“ Beschaffung eines Hausgrundstücks von angemessener Größe, wenn die Eigentumsübertragung erst fünf Jahre nach Antragstellung erfolgen soll.

3. Bei der Frage, ob die Verwertung des Vermögens eine besondere Härte im Sinne des § 12 Abs. 3 Nr. 6 SGB II bedeutet, kommt es nicht darauf an, ob die Verwertung eine besondere moralische Härte darstellen würde.

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Anmerkung: Vgl.  dazu auch den Beitrag im Blog von RA L. Zimmermann

Sozialgericht Lüneburg Urteil vom 16.06.2011, – S 22 SO 73/09 –
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1.7 – Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Beschluss vom 23.06.2011, – L 5 AS 129/11 B ER –

Hilfebedürftiges minderjähriges Kind kann von seinem Kindergeld gem. § 11b Abs. 1 Nr. 3 SGB II – Krankenzusatzversicherung und (erweiterte) Unfallversicherung im Rahmen der Privatschutz-Police – nicht absetzen.

Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Alg II-V ist von dem Einkommen Minderjähriger ein Betrag iHv 30,00 EUR monatlich für die Beiträge zur privaten Versicherungen nach § 11b Abs. 1 Nr. 3 SGB II abzusetzen, wenn der oder die Minderjährige eine entsprechende Versicherung abgeschlossen hat und diese nach Grund und Höhe angemessen ist.

Krankenzusatzversicherung ist dem Grund und der Höhe nach nicht angemessen, denn im Regelfall ist für gesetzlich krankenversicherte Leistungsberechtigte der von der GKV gewährleistete Leistungsstandard für die Versorgung ausreichend. Eine diesen Standard übersteigende Versorgung ist im Regelfall nicht geboten und daher unangemessen.

Dem Grund nach angemessen sind Versicherungsbeiträge dann, wenn ein Risiko abgesichert wird, das entweder üblich oder durch besondere Lebensumstände gerechtfertigt ist. Dabei ist auf die aktuellen Lebensumstände, hier also auf die Inanspruchnahme staatlicher Fürsorgeleistungen, und nicht auf den Lebenszuschnitt ohne staatliche Unterstützung abzustellen.

Es kann offen bleiben, ob eine private Unfallversicherung zur Absicherung gegen Freizeitunfälle bei den maßgeblichen einfachen wirtschaftlichen Lebensverhältnissen (vgl.  BSG, Urteil vom 7. November 2006, Az.: B 7b AS 18/96 R, RN 26) angemessen ist.

Kinder sind während des Besuchs von Kindertageseinrichtungen oder Schulen gegen das Risiko von Invalidität und Tod durch Unfallfolgen durch die Gesetzliche Unfallversicherung nach dem Siebten Buch Sozialgesetzbuch (§ 2 Abs. 1 Nr. 8 Buchstabe a und b SGB VII) geschützt.

Jedenfalls handelt es sich bei der Privatschutz-Police nicht um eine reine Unfallversicherung, sondern es werden weitere Risiken abgedeckt, die zweifellos als Luxusversicherung zu bewerten sind. Dies gilt insbesondere für die Krankenhaustagegeldversicherung iHv 20,00 EUR täglich (obwohl Minderjährige gemäß § 39 Abs. 4 Satz 1 SGB IV keine Zuzahlung zu vollstationären Krankenhausbehandlungen zu erbringen haben), die Auslandskrankenversicherung mit Rückholkosten, die Versicherungen für die Kosten von kosmetischen Operationen iHv bis zu 10.000,00 EUR und von Kuren iHv bis zu 3.000,00 EUR. Hierfür sind individuell begründete besondere Risiken der Antragstellerin zu 3 nicht erkennbar.

Bei der abgeschlossenen Privatschutz-Police handelt es sich insgesamt um eine unangemessene Versicherung, die den Abzug der Versicherungspauschale nach § 6 Alg II-V nicht auslöst (so auch: LSG Hamburg, Urteil vom 11. November 2010, Az.: L 5 AS 58/07, RN 24ff.).

Auch aus dem Urteil des BSG vom 13. Mai 2009 (Az.: B 4 AS 39/08 R, juris) folgt im Hinblick auf die Abzugsfähigkeit der Versicherungspauschale bei S. nichts anderes. Zwar wird ausgeführt, dass vom Einkommen Minderjähriger die Versicherungspauschale abzuziehen sei, wenn diese aus der Bedarfsgemeinschaft allein aufgrund überschießenden Einkommens herausfallen würden. Die Entscheidung erging jedoch noch zur Rechtslage vor Inkrafttreten der Neuregelung in § 6 Abs. 1 Nr. 1 und 2 Alg II-V ab dem 1. August 2009. 
Denn offensichtlich in Reaktion auf die Rechtsprechung des BSG hatte sich der Verordnungsgeber dazu entschlossen, in der Alg II-V eine grundsätzliche Abzugsmöglichkeit der Versicherungspauschale von dem Einkommen Minderjähriger vorzusehen. Nach der nunmehr geltenden Regelung ist es ohne Belang, ob die Kinder einer Familie “formal” Mitglied der Bedarfsgemeinschaft sind oder nicht. Darauf stellt die Neuregelung nach ihrem eindeutigen Wortlaut nicht mehr ab.

Maßgeblich ist der tatsächliche Abschluss einer entsprechenden Versicherung durch die minderjährige Person deren Angemessenheit nach Grund und Höhe. Das o.g. Urteil des BSG ist nur auf Fälle anwendbar, die nach der alten Regelung in der Alg II-V zu beurteilen sind (vgl.  so auch SG Chemnitz, Urteil vom 11. November 2010, Az.: S 35 AS 1612/10, juris RN 38 f.). Die nunmehr getroffene Differenzierung bei der Absetzbarkeit zwischen Erwachsenen und Minderjährigen ist ermächtigungskonform und steht im Einklang mit Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz.

Denn soweit Kinder im Hinblick auf den Versicherungsschutz privater Versicherungen an dem ihrer Eltern teilnehmen können, ist die Versagung der Versicherungspauschale für Minderjährige nicht zu beanstanden, wie dies das BSG bereits im Urteil vom 18. Juni 2008 (Az.: B 14 AS 55/07 R, RN 40; vgl.  auch Urteil vom 7. November 2006, Az.: B 7b AS 18/06 R, RN 27) ausgeführt hat.

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Anmerkung: Vgl.  dazu auch den Beitrag im Blog von RA L. Zimmermann

Wann kann von dem Einkommen Minderjähriger, die in einer Bedarfsgemeinschaft leben, ein Betrag in Höhe von 30 Euro monatlich für Beiträge zu privaten Versicherungen in Abzug gebracht werden?

Muss der Minderjährige die Versicherung selbst – also eigentätig – abgeschlossen haben? -Private Unfallversicherung – Paketversicherung-.
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1.8 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Beschluss vom 06.07.2011, – L 5 AS 673/11 B ER –

Für Hartz – IV Empfänger ist eine Anstellung in einem Zeitarbeitsbetrieb zumutbar, denn gemäß § 10 Abs. 1 SGB II ist grundsätzlich jede Arbeit zumutbar.

Bei der Ausnahmevorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 3 SGB II (Gefährdung der Kindeserziehung) ist ausschließlich die objektive Betreuungssituation maßgeblich, die von Amts wegen zu ermitteln ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 15. Dezember 2010, B 14 AS 92/09 R).

Die Rechtsfolgenbelehrung muss konkret, richtig, vollständig und verständlich sein und zeitnah im Zusammenhang mit dem Arbeitsangebot zutreffend erläutern, welche unmittelbaren und konkreten Auswirkungen eine unbegründete Arbeitsablehnung auf den Leistungsanspruch haben kann (Bundessozialgerichts, Urteil vom 15. Dezember 2010, B 14 AS 92/09 R; Urteil vom 18. Februar 2010, B 14 AS 53/08 R).

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1.9 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Beschluss vom 21.07.2011, – L 14 AS 999/11 B ER –

In einer Meldeaufforderung ist ein Verwaltungsakt iSd § 31 SGB X) zu erblicken, jedenfalls dann, wenn wie hier, die Meldeaufforderung mit der Androhung versehen ist, ein (weiteres) Meldeversäumnis (erneut) nach § 32 SGB II sanktionieren zu wollen (in diesem Sinne auch Düe in Niesel/Brandt, SGB III, 5. Aufl., § 309 RdNr 6; Winkler in Gagel, SGB III § 309 RdNr 20).

Die stichwortartige Benennung eines oder mehrerer Meldezwecke in einer Meldeaufforderung ist ausreichend.

Zwar setzt die Sanktion eines Meldeversäumnisses den Erlass eines Sanktionsbescheides vor-aus. Insoweit bedarf es eines weiteren verwaltungsseitigen Umsetzungsschrittes und kann nicht allein in der Meldeaufforderung die Verfügung einer Sanktion zu erblicken sein. Allerdings dient die Meldeaufforderung nicht nur der Aufklärung von Sachverhalten oder der Vorbereitung einer den Einzelfall regelnden Entscheidung, sondern begründet auch eine selbständige Obliegenheit, zu einem bestimmten Zeitpunkt, aus einem bestimmten Grund, an einem bestimmten Ort zu sein und stellt damit im Sinne einer Vorabentscheidung gleichzeitig das Vor-liegen eines Tatbestandsmerkmals einer Sanktion iSd § 32 SGB II fest (in diesem Sinne Behrend in Eicher/Schlegel, SGB III, Ausgabe November 2004, zu § 309 Rnr. 54 mwN).

Darüber hinaus sprechen für einen Verwaltungsakt § 39 Nr. 3 SGB II und § 336a Satz 1 Nr. 4 SGB III, deren gesetzgeberische Existenz sich nicht erklären lässt, wenn ausdrücklich geregelt wird, dass Widerspruch und Klage keine aufschiebende Wirkung bei Aufforderungen nach § 59 SGB II iVm § 309 SGB III haben, sich bei der Agentur für Arbeit oder einer sonstigen Dienststelle der Bundesagentur persönlich zu melden.

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Anmerkung: Vgl.  dazu auch den Beitrag im Blog von RA L. Zimmermann

Hessisches Landessozialgericht Urteil vom 20.06.2011,- L 7 AS 255/10 –
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2.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

2.1 – Sozialgericht Lübeck, Beschluss vom 31.08.2011,- S 47 AS 748/11 ER –

Tilgungsbeträge betrieblicher Darlehen sind in voller Höhe als Betriebsausgaben zu berücksichtigen, so urteilte das SG Lübeck mit Beschluss v. 31.08.2011.

Denn dies entspricht auch den Dienstanweisungen des Jobcenters im Zusammenhang mit betrieblichen Darlehen (11.30a).

Dem steht auch nicht entgegen, dass ALG 2 als subsidiäre Sozialleistung nicht der Vermögensbildung dient.

sozialberatungkiel.files.wordpress.com (pdf)

Anmerkung: Rz. 11.30a: Regelung zu betrieblichen Darlehen neu eingefügt;§ 3 Abs. 3 Satz 4 und 5 Alg II-V

(3a) Betriebliche Darlehen sind nicht als Betriebseinnahme zu werten (§ 11 Abs. 1 Satz 2). Die mit dem Darlehen getätigten Investitionen sind demgegenüber bis zur Höhe des gewährten Darlehens nicht als Betriebsausgabe anzuerkennen (§ 3 Abs. 3 Satz 4 Alg II-V). Gleiches gilt, wenn Investitionen mit anderen als betrieblichen Darlehen (von Verwandten oder Privatdarlehen) finanziert werden und das Darlehen keine ausdrückliche Zweckbestimmung hat. Die Tilgungsbeträge sind in voller Höhe als Betriebsausgabe zu berücksichtigen.

2.2 – Sozialgericht Neuruppin Beschluss vom 22.08.2011, – S 26 AS 1233/11 ER –

Den Antragstellern steht für die im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes begehrte Erteilung einer Zusicherung im Sinne des § 22 Abs. 4 S. 1 SGB II sowie einer Zusicherung gemäß § 22 Abs. 6 S. 1 SGB II kein Rechtsschutzbedürfnis mehr zur Seite, nachdem die in Aussicht genommene Wohnung zwischenzeitlich nicht mehr zur Verfügung steht und damit ein erledigendes Ereignis eingetreten ist.

Eine Zusicherung kann nur dann erteilt werden kann, wenn die neue (noch beziehbare) Unterkunft konkret bezeichnet ist.

Mit der Zusicherung nach § 22 Abs 4 SGB II kann nur dann eine Einzelfallregelung im Sinne des § 31 SGB X) getroffen werden, wenn auch die künftigen Unterkunftskosten der Höhe nach bestimmt sind.

Die abstrakte Feststellung der Erforderlichkeit eines Umzuges oder des Angemessenheitswertes im Zuständigkeitsbereich des jeweiligen Grundsicherungsträgers ist weder in § 22 Abs. 4 SGB II noch in § 22 Abs. 6 SGB II vorgesehen (vgl.  zur Rechtslage vor dem 01. April 2011 auch Bundessozialgericht, Urteil vom 06. April 2011 – B 4 AS 5/10 R-).

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Anmerkung: vgl.  dazu auch den Beitrag im Blog von RA L. Zimmermann

Landessozialgericht Berlin-Brandenburg Beschluss vom 04.07.2011, – L 5 AS 956/11 B ER –
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2.3 – Sozialgericht Koblenz Beschluss vom 07.06.2011, – S 6 AS 725/11 ER –

Kosten des Umgangsrechts sind durch den Träger der Grundsicherung nach dem SGB II in angemessenem Umfang auch für Fahrten in die USA zu übernehmen.

Unter Berücksichtigung der Sozialüblichkeit kommt für die Wahrnehmung des Umgangsrechts mit einem 6-jährigen Kind, das in den USA lebt, eine Kostenerstattung für die Flugkosten allenfalls einmal pro Jahr in Betracht

Als Anspruchsgrundlage für die vom Antragsteller am 01.06.2011 geltend gemachten Reisekosten im Rahmen des Umgangsrechtes mit seinem in den USA lebenden Sohn kommt alleine § 21 Abs. 6 SGB II in der ab dem 03.06.2010 geltenden Fassung in Betracht.

Auch wenn die Kosten des Umgangsrechtes in der dem Antragsteller gewährten Regelleistung nicht enthalten sind (vgl.  BSG in BSGE 97, 242), bewegen sich jedenfalls die vorliegend vom Antragsteller geltend gemachten Kosten bezüglich der Wahrnehmung seines Umgangsrechtes mit dem in den USA lebenden Sohn in einem unangemessenen hohen Bereich. Aufgrund der Entfernung zum aktuellen Wohnort des Sohnes und den dabei bezüglich der Reisewege anfallenden Flugkosten ist trotz der Entscheidung des LSG Rheinland-Pfalz vom 24.11.2010 – L 1 SO 133/10B ER eine Rechtfertigungskontrolle anhand des Maßstabes der Sozialüblichkeit angezeigt.

Gerade in den Fällen, in den die Ausübung des Umgangsrechtes durch eine große Entfernung erschwert wird, ist nach dieser Sozialüblichkeit zu fragen. Insofern ist zu prüfen, wie oft ein im Arbeitsleben stehender umgangsberechtigter Elternteil bei vollschichtiger Ausübung einer Tätigkeit bei einer solchen Entfernung sein Umgangsrecht ausüben würde (vgl.  Beschluss des Thüringer LSG vom 12.11.2007 – L 8 SO 90/07 ER).

www.mjv.rlp.de

Anmerkung: Vgl.  dazu auch den Beitrag im Blog von RA L. Zimmermann

LSG Rheinland-Pfalz Beschluss vom 24.11.2010 – L 1 SO 133/10B ER-
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2.4 – Sozialgericht Lüneburg Beschluss vom 16.05.2011, – S 45 AS 183/11 ER –

Der erforderliche Anordnungsgrund ergibt sich bereits aus der Erwägung, dass Leistungsbeziehern nach dem SGB II die ihnen zustehenden existenzsichernden Leistungen nicht länger, d.h. bis zum Abschluss eines Hauptsacheverfahrens, vorenthalten werden können. Das gilt auch mit Blick auf die Kosten der Unterkunft.

Der Zweck des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II liegt darin, die existenziell notwendigen Bedarfe der Unterkunft und Heizung sicherzustellen. Dem Antragsteller kann nicht zugemutet werden, zunächst das Hauptsacheverfahren abzuwarten, in der Zwischenzeit zu geringe Mietzahlungen zu leisten und damit die Kündigung des Mietverhältnisses sowie die Räumung der Wohnung zu riskieren. Da es um die Gewährleistung des grundrechtlich verbürgten Existenzminimums geht, kann dessen Verletzung nicht durch eine nachträgliche Leistungsgewährung im Falle eines Obsiegens im Hauptsacheverfahren beseitigt werden. Die Kammer folgt daher nicht der in der Rechtsprechung vereinzelt vertretenen Auffassung, hinsichtlich der Leistungen für Unterkunft und Heizung könne ein Anordnungsgrund nur dann bejaht werden, wenn der Hilfesuchende glaubhaft macht, dass ohne den Erlass einer einstweiligen Anordnung unmittelbar mit einer Kündigung oder Räumungsklage zu rechnen ist (wie hier auch LSG Nds.-Bremen, Beschl. v. 23.02.1011 – L 9 AS 1287/10 B ER -).

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2.5 – Sozialgericht Lüneburg Beschluss vom 26.07.2011, – S 45 AS 282/11 ER –

SGB II- Umgangsrecht erhöht Wohnraumbedarf – In Niedersachsen beträgt die angemessene Wohnraumfläche für eine Alleinerziehende mit Kind und einer temporärer im Haushalt lebenden Person, welche sich in der überwiegenden Zeit in einem Internat aufhält, 80 m²

Im Anschluss an eine neuere Tendenz in der Rechtsprechung ist allerdings davon aus-zugehen, dass die Antragsteller sich nicht auf die Angemessenheitswerte eines Zwei-Personen-Haushalts verweisen lassen müssen.

Denn in der Wohnung der Antragstellerin hält sich zeitweilig neben dem Antragsteller zu 2. auch der Antragsteller zu 3. auf, und zwar überschlägig an jedem zweiten Wochenende sowie während der Schulferien, also insgesamt in etwa an einem Drittel der Tage im Jahresverlauf. Es ist daher vom Bestehen einer sogenannten temporären Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 4 SGB II auszugehen (vgl.  zu einer vergleichbaren Konstellation SG Dort-mund, Beschl. v. 28.12.2010 – S 22 AS 5857/10 ER – unter Verweis auf BSG, Urt. v. 07.11.2006 – B 7b AS 14/06 R -).

Der Annahme einer temporären Bedarfsgemeinschaft steht nicht entgegen, dass sich der Antragsteller zu 3. nur zeitweise in der Wohnung der Antragstellerin zu 1. aufhält. Es genügt nach der einschlägigen Rechtsprechung ein dauerhafter Zustand in der Form, dass Kinder mit einer gewissen Regelmäßigkeit länger als einen Tag bei einem Elternteil wohnen, also nicht nur sporadische Besuche vorliegen (BSG, Urt. v. 02.07.2009 – B 14 AS 75/08 R -).

Sind diese Voraussetzungen – wie hier – erfüllt, kann es auch keinen Unterschied machen, ob mehrere Kinder regelmäßig länger als einen Tag bei dem Elternteil wohnen oder ob es sich – wie hier – lediglich um ein Kind handelt. 19a) Der Annahme einer temporären Bedarfsgemeinschaft steht auch nicht entgegen, dass sich der Antragsteller zu 3. in der überwiegenden Zeit in einem Internat in Tauberbischofsheim aufhält. Zwar wurde diese Rechtsfigur vom Bundessozialgericht im Hinblick auf die Ausübung des Umgangsrecht getrennt lebender Eltern entwickelt. Doch diese Situation unterscheidet sich qualitativ nicht maßgeblich von dem vorliegenden Fall, in dem der Antragsteller zu 3. den überwiegenden Teil des Jahres in einem Internat verbringt, sich die übrige Zeit dagegen im Haushalt seiner Mutter aufhält. Es kommt lediglich darauf an, dass sich ein Kind nicht dauerhaft bei seinem im Leistungsbezug nach dem SGB II stehenden Elternteil aufhält und keinerlei anderweitige Leistungen zur Sicherung seines Lebensunterhalts erhält.

Wo sich das Kind dagegen in der restlichen Zeit befindet – ob bei dem anderen Elternteil, einer Schule oder einer sonstigen Einrichtung -, ist für die Frage nach dem Vorliegen einer zeitweisen Bedarfsgemeinschaft irrelevant. Eine hiervon abweichende Auslegung des § 7 Abs. 3 Nr. 4 SGB II wäre mit der besonderen Förder-pflicht des Staates nach Artikel 6 Abs. 1 Grundgesetz nicht vereinbar (vgl.  BSG, Urt. v. 02.07.2009 – B 14 AS 75/08 R -).

Dies hat inzwischen auch der Gesetzgeber erkannt und auf die neuere Rechtsprechung zum erhöhten Unterkunftsbedarf im Falle temporärer Bedarfsgemeinschaften reagiert. Dazu hat er in § 22b Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 SGB II nun-mehr bestimmt, dass eine Satzung nach § 22a SGB II den erhöhten Raumbedarf wegen der Ausübung des Umgangsrechts im Wege einer Sonderregelung berücksichtigen muss.

Es ist damit zu entscheiden, wie die angemessene Wohnungsgröße für eine temporäre Bedarfsgemeinschaft aus zwei dauerhaft im Haushalt lebenden Personen und einer temporärer im Haushalt lebenden Person rechnerisch zu bestimmen ist. Insofern kommt zum einen in Betracht, die angemessene Wohnungsgröße danach zu ermitteln, wie häufig sich das Kind in der Wohnung aufhält, und den Bedarf entsprechend dem Verhältnis der monatlichen Anwesenheitstage des Kindes zu den Monatstagen zu erhöhen. Art. 6 Abs. 1 GG verlangt jedoch in den Fällen, in denen die verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen dem Elternteil und seinen Kindern durch regelmäßige Aufenthalte der Kinder bei diesem Elternteil aufrechterhalten werden, dass auch ein entsprechender Wohn- und Lebensraum zur Verfügung steht, innerhalb dessen dies möglich ist.
Es kann dann zur Ermittlung eines solchen Mindestmaßes an Wohn- und Lebensraum aber nicht darauf ankommen, an wie vielen Tagen im Monat ein Kind sich bei dem getrennt lebenden Elternteil aufhält.

Das Gericht schließt sich demgegenüber – jedenfalls in der vorliegenden Konstellation eines Eilverfahrens – den Teilen der neuen Rechtsprechung an, die im Falle einer temporären Bedarfsgemeinschaft die für jedes temporär der Bedarfsgemeinschaft zuzurechnende Kind die Hälfte der Wohnfläche zu Grunde legt, die für ein weiteres Voll-mitglied der Bedarfsgemeinschaft anzusetzen wäre (vgl.  SG Fulda, Urt. v. 27.01.2010 -S 10 AS 53/09 -; SG Kassel, Beschl. v. 23.06.2010 – S 6 AS 144/10 ER -, bestätigt durch Hessisches LSG, Beschl. v. 01.11.2010 – L 6 AS 441/10 B ER -).

Diese Vorgehensweise trägt dem berechtigten Einwand Rechnung, dass nicht in jedem Fall des Vorliegens einer temporären Bedarfsgemeinschaft für jedes Kind der volle zusätzliche Wohnflächenbedarf angesetzt werden kann, da dies im Vergleich zu sonstigen Hilfebedürftigen mit Kindern zu unbilligen Ergebnissen führen könnte. Sie berücksichtigt zugleich, dass bei einem hälftigen Aufenthalt der Kinder bei jedem Elternteil die Grenze dafür erreicht sein muss, bei-den Elternteilen den Wohnflächenbedarf für die gesamte temporäre Bedarfsgemeinschaft zuzusprechen, um eine trennungsbedingte Benachteiligung der Mitglieder der jeweiligen gemeinsamen Bedarfsgemeinschaft zu vermeiden. Darüber hinaus spricht für diesen Ansatz, dass er entgegen einer auf jeden Einzelfall abstellenden, tageweisen Betrachtung für die Verwaltung praktikabel bleibt und am ehesten einer abstrakt-generellen Regelung in einer Satzung nach § 22a SGB II zugänglich ist.

Gemäß Ziffer 11.4 der WFB 2003 erhöht sich die angemessene Wohnfläche jedoch für Alleinerziehende und für jeden schwerbehinderten Menschen um jeweils weitere 10 m². Dies entspricht im Bereich oberhalb eines Zwei-Personen-Haushalts der Berücksichtigung eines weiteren Haushaltsmitglieds, so dass zur Ermittlung der angemessenen Wohnfläche und der angemessenen Miete rechnerisch auf einen Dreieinhalb-Personen-Haushalt abzustellen ist, also 80 m² als angemessen zu betrachten sind.

Eine Begrün-dung für eine größere Wohnfläche bei Alleinerziehung ist, dass hier – anders als bei erwachsenen Partnern – neben Räumlichkeiten für den Schlafbereich und den gemeinsamen Wohnbereich auch ein zusätzliches Kinderzimmer vorhanden sein muss. Bis zu einer geänderten höchstrichterlichen Rechtsprechung stützt sich die erkennende Kammer weiter auf Wohnraumförderungsbestimmungen, so dass für die Bedarfsgemeinschaft der Antragsteller 80 m² als angemessen anzusehen sind.

Nur dieses Verständnis ist im Übrigen mit der bereits erwähnten Neuregelung in § 22b Abs. 3 SGB II zu vereinbaren. Zu den dort geregelten Mehrbedarfen, die eine Satzung nach § 22a SGB II zukünftig zu berücksichtigen haben wird, zählt nach der Gesetzesbegründung gerade auch der Bedarf wegen Alleinerziehung, der aus “allgemeinen sozialen Gründen vom typischen Bedarf abweicht” (BT-Drs. 17/3404, S. 102).

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Anmerkung: Vgl.  dazu auch den Beitrag im Blog von RA L. Zimmermann

Alleinerziehende Hartz- IV Empfänger können gem. § 22b Abs. 3 SGB II einen erhöhten Wohnraumbedarf haben.
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3.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)

3.1 – Bayerisches Landessozialgericht Urteil vom 19.07.2011, – L 8 SO 26/11 –

Übernahme von Beiträgen zur privaten Krankenversicherung durch Sozialhilfeträger

Das LSG München hat entschieden, dass der Sozialhilfeträger auch dann Aufwendungen zur privaten Krankenversicherung zu übernehmen hat, wenn der Sozialhilfeempfänger einen anderen Tarif als Basistarif gewählt hat.

Aufwendungen nach § 32 Abs. 5 Satz 1 SGB V würden nur übernommen, soweit sie angemessen seien. Es bestehe daher nur ein Anspruch auf Kostenübernahme von Beiträgen, die Leistungen der Krankenkasse im Umfang des Basistarifs sicherstellten. Dafür genüge in den meisten Fällen die Erstattung des halben Basistarifs, wenn die Beitragshöhe für die Dauer der Hilfebedürftigkeit unter den Vor-aussetzungen des § 12 Abs. 1c VAG kraft Gesetzes um die Hälfte vermindert ist. Dies sei bei der Klägerin der Fall. Die bereits vor dem 1. Januar 2009 privat krankenversicherte Klägerin habe schon keine rechtliche Möglichkeit gehabt, ihren Versicherungsvertrag zu kündigen. Ein Tarifwechsel in den Basistarif könne – trotz der rechtlichen Möglichkeit – nach den Vorschriften des SGB XII jedoch nicht verlangt werden.

Das Bayerische Sozialgericht hat mit seiner Entscheidung die Leistungspflichten von Sozialhilfeträgern im Rahmen des Sonderbedarfs nach § 34 Abs. 5 SGB XII weiter konkretisiert. Nunmehr ist klargestellt, dass privat krankenversicherte Sozialhilfeempfänger zwar nicht zu einem Tarifwechsel in den Basistarif gezwungen werden können. Der Sozialhilfeträger ist aber nur zur Übernahme von Aufwendungen entsprechender Beitragsleistungen nach dem Basistarif verpflichtet.

Anmerkung: Das SGB XII geht bei den Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung von einzelnen Ansprüchen und nicht von bloßen Berechnungselementen einer Gesamtleistung aus, über die sich die Beteiligten allenfalls im Wege eines Teilvergleichs bzw. Teilanerkenntnisses wirksam binden können.

So wird in § 42 SGB XII zwischen dem Regelsatz (jetzt Regelbedarfsstufe der leistungsberechtigten Person), den Leistungen für Unterkunft und Heizung und den Sonderbedarfen nach §§ 30 bis 34 SGB XII in enumerativer Aufzählung unterschieden. Insoweit hat das BSG seine frühere Rechtsansicht im Urteil des BSG vom 16.10.2007 – B 8/9b SO 2/06 R aufgegeben (BSG, Urteil vom 26.08.2008, B 8/9b SO 10/06 R, fortgeführt im Urteil vom 19.05.2009,B 8 SO 8/08 R).

Entgegen der zum SGB II geäußerten Ansicht des BSG zur Abtrennbarkeit eines Zuschusses nach § 26 SGB II (nicht abtrennbar laut Urteil vom 18.01.2011, Az.: B 4 AS 108/10 R) hält der Senat hier die Prüfung eines einzelnen Anspruchs im Rahmen der gesamte Regelung der periodisch bewilligten Grundsicherung für gerechtfertigt. Denn hier besteht die Hilfebedürftigkeit unabhängig von der Zahlung des Krankenversicherungsbeitrags (vgl.  insoweit aaO Rn. 13 zur „Akzessorietät“ des Anspruchs nach § 12 Abs. 1c Satz 5 VAG).

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Anmerkung: vgl.  dazu auch den Beitrag im Blog von RA L. Zimmermann

Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Urteil vom 16.05.2011, – L 19 AS 2130/10 -, Revision anhängig beim BSG unter dem AZ.: – B 14 AS 110/11 R-
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3.2 – Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Urteil vom 27.01.2011, – L 8 SO 171/08 –

Der Kläger hat gemäß §§ 53, 54 Abs 1 Satz 1 Nr 2 SGB XII iVm § 13 Abs 1 Nr 5 EinglHVO einen Anspruch auf Eingliederungshilfe durch Übernahme der Kosten für eine studienbedingt erforderliche Vorlesehilfe in voller Höhe ohne die streitige teilweise Anrechnung des Landesblindengeldes und der Blindenhilfe.

Die Blindenhilfe stellt nach dem Wortlaut des § 82 Abs 1 Satz 1 SGB XII bereits kein Einkommen im Sinne des SGB XII dar.

Beim Landesblindengeld handelt es sich zwar um Einkommen im Sinne von § 82 Abs 1 Satz 1 SGB XII. Den (teilweisen) Einsatz dieses Einkommens zur Deckung der Kosten der Vorlesehilfe darf aber gemäß § 83 Abs 1 SGB XII nicht verlangt werden.

Nach dieser Vorschrift sind Leistungen, die aufgrund öffentlich-rechtlicher Vorschriften zu einem ausdrücklich genannten Zweck erbracht werden, nur soweit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Sozialhilfe im Einzelfall demselben Zweck dient.

Das Landesblindengeld ist also als sog. Zweckleistung nur soweit als Einkommen zu berücksichtigen, als die Sozialhilfe im Einzelfall – hier die Eingliederungshilfe in Gestalt der Übernahme der Kosten der Vorlesehilfe – demselben Zweck dient.

Der Zweck der sozialhilferechtlichen Einzelleistung ist anhand des konkret zu deckenden Bedarfs zu ermitteln. Zweckidentität besteht sodann in dem Umfang, in dem beide Leistungen der Deckung desselben Bedarfs dienen (Brühl in LPK-SGB XII, 8. Aufl 2008, § 83 Rdnr 5 mwN). Der Zweck der hier den entsprechenden Bedarfs deckenden Eingliederungshilfe in Gestalt der Übernahme der Kosten einer für sein Studium erforderlichen Vorlesehilfe ergibt sich zunächst bereits aus § 53 Abs 3 SGB XII.

Danach ist es unter anderem besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe, eine Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und die behinderten Menschen in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört insbesondere, den behinderten Menschen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihnen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder sie soweit wie möglich unabhängig von Pflege zu machen. Der Zweck, behinderten Menschen die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen, findet sich in § 54 Abs 1 Nr 2 SGB XII wieder, wonach eine Leistung der Eingliederungshilfe insbesondere die hier gewährte Hilfe zur schulischen Ausbildung für einen angemessenen Beruf einschließlich des Berufs einer Hochschule ist.

Diese Hilfe umfasst gemäß § 13 Abs 1 Nr 5 EinglHVO vor allem Hilfe zur Ausbildung an einer Hochschule oder einer Akademie. Besonderer Zweck der Eingliederungshilfe in Gestalt der hier vorliegenden sogenannten Hochschulhilfe ist es, alle behinderungsbedingten Hindernisse und Erschwernisse auszuräumen, die dem Hochschulbesuch entgegenstehen.

Damit dient die gewährte Eingliederungshilfe in Gestalt der Übernahme der Kosten der für sein Hochschulstudium erforderlichen Vorlesehilfe nicht (auch nicht teilweise) demselben Zweck wie das pauschal den Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen bezweckenden und stark versorgungsrechtliche Züge aufweisende Landesblindengeld (vgl.  ebenfalls eine Zweckidentität von Eingliederungshilfe und Landesblindengeld verneinend: OVG Lüneburg, Urteil vom 13. März 1968 – IV OVG A 150/67 – FEVS, 16, 426; BVerwG, Urteil vom 5. November 1969 – V C 43.69 -, juris Rn. 14; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 20. April 1988 – 6 S 2217/86 -, FEVS 38, 247).

Seine vom Sozialhilfeträger bei der Gewährung der Eingliederungshilfe vorgenommene Berücksichtigung als Einkommen verstößt daher gegen § 83 Abs 1 SGB XII. Die streitige teilweise „Anrechnung“ des Landesblindengeldes auf die Eingliederungshilfeleistung ist auch unbillig, weil das Landesblindengeld (als vorrangige gleichartige Leistung gemäß § 72 Abs. 1 Satz 1 SGB XII) in der gewährten Höhe (220,00 EUR) an die Stelle der Blindenhilfe getreten ist und diese gemäß § 82 Abs 1 Satz 1 SGB XII nicht als Einkommen anzurechnen ist (vgl.  auch OVG Lüneburg, aaO, 428).

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Anmerkung: Vgl.  dazu auch den Beitrag im Blog von RA L. Zimmermann

Sozialgericht Landshut Urteil vom 02.02.2011, – S 10 SO 36/09 –
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4.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)

4.1 – Sozialgericht Lüneburg Urteil vom 12.05.2011, – S 22 SO 19/09 –

Im Rahmen des § 74 SGB XII gehören nicht zu den erforderlichen Aufwendungen Kosten einer Auslandsbeerdigung – Beisetzung in der Türkei – islamische Glaube – Aus der Tragung der Flugkosten im Verwandtenkreis ist nicht auf die Leistungsfähigkeit der SGB II – LB zu schließen.

Bei dem Rechtsbegriff der Erforderlichkeit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der gerichtlich voll überprüfbar ist (vgl.  Urteil der Kammer vom 18. Januar 2010 – S 22 SO 87/09 -; Grube/Wahrendorf, 2. Auflage 2008, § 74, Rd. 30). Die Erforderlichkeit bezieht sich sowohl auf die Art der Kosten als auch auf deren Höhe (vgl.  Schellhorn/Schellhorn/Hohm, Kommentar zum SGB XII, 18. Auflage 2010, § 74, Rd. 14). Was ortsüblich und angemessen ist, bestimmt sich in erster Linie nach den einschlägigen friedhofsrechtlichen Vorschriften der Kommune und ist nach objektiven Maßstäben zu beurteilen (vgl.  Urteil des Verwaltungsgerichtshofes (VGH) Baden-Württemberg vom 19. Dezember 1990 – 6 S 1639/90 -).

Zu übernehmen sind die Kosten, die üblicherweise für eine würdige, den örtlichen Gepflogenheiten entsprechende einfache Bestattung anfallen, die aber nicht beschränkt sind auf die Aufwendungen einer von der Ordnungsbehörde im Wege der Ersatzvornahme veranlassten Einfachbestattung (vgl.  LPK/SGB XII/Berlit, 8. Auflage 2007, § 74, Rd. 12; Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Nordrhein-Westfalen vom 04. März 1996 – 19 A 194/96 -; Beschluss des Hessischen Landessozialgerichtes vom 20. März 2008 – L 9 SO 20/08 B ER -). Dabei ist der Eindruck eines Armengrabes zu vermeiden und auf ein Begräbnis auch in ortsüblicher einfacher Art in Würde zu achten (vgl.  Urteil des Hessischen VGH vom 10. Februar 2004 – 10 UE 2497/03 -; Urteil des Verwaltungsgerichtes Hannover vom 06. Juni 2000 – 3 A 5028/99 -). Eine generelle Feuerbestattung oder anonyme Beisetzung sind nicht statthaft und nicht vom Rechtsbegriff der Erforderlichkeit gedeckt (vgl.  Urteil des Verwaltungsgerichtes Hannover vom 16. September 1997 – 3 A 2204/96 -). Andererseits sind nicht alle Traditionen und Gebräuche sozialhilferechtlich angemessen, wobei Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine standesgemäße Beerdigung (§ 1968 BGB) nicht besteht (LPK/SGB XII/Berlit aaO.; Beschluss des Hessischen VGH vom 13. Januar 2006 – 10 ZU 1391/05 -).

Nicht zu den erforderlichen Aufwendungen zählen Kosten einer Auslandsbeerdigung. Dies betrifft insbesondere die Überführungs-, Transport- und Beisetzungskosten nach örtlichen Gepflogenheiten. Im vorliegenden Fall wäre dem Verstorbenen eine Beisetzung auf einen islamischen Friedhof in Deutschland, insbesondere Hamburg, möglich und zumutbar gewesen, so dass eine sozialhilferechtliche Erforderlichkeit der Beisetzung in der Türkei zu verneinen ist (vgl.  so auch Urteil des OVG Hamburg vom 21. Februar 1992 – Bf IV 44/90 -, FEVS 43, 66). Dass sein persönlicher Wunsch dahin ging, in der Türkei bestattet zu werden, begründet keine Leistungsverpflichtung im Rahmen der Sozialhilfe, da sie mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden war. Die Beisetzung im Ausland war somit sozialhilferechtlich nicht erforderlich (vgl.  Schellhorn, in: Schellhorn/Schellhorn/ Hohm, § 74, Rd. 17). Eine Beisetzung im Inland wäre auch nicht unüblich gewesen, wie die nennenswerte Zahl islamischer Friedhöfe in Großstädten gerade zeigt. Der islamische Glaube gebietet dabei nicht zwingend, eine Beisetzung in heimischer Erde vorzunehmen. Somit kann eine Versagung der Leistungen hierfür die Freiheit der Religionsausübung gemäß Artikel 4 Absatz 2 Grundgesetz (GG) nicht verletzten. Denn davon sind alle denkbaren kultischen Handlungen sowie die Beachtung und Ausübung religiöser Gebräuche umfasst (vgl.  Maunz/Dürig, Kommentar zum GG, Loseblattsammlung, Artikel 4, Rd. 101).

Zudem ist das Grundrecht auf Religionsausübungsfreiheit als Abwehrgrundrecht ausgestaltet und eröffnet keine weitere Teilhabemöglichkeiten, welche zulasten eines Dritten gingen (vgl.  von Münch/Kunig/Mager, Kommentar zum GG, 5. Auflage 2000, Artikel 4, Rd. 61; Dreier/Morlok, Kommentar zum GG, 2. Auflage 2004, Artikel 4, Rd. 103). Somit ist weder die Religionsausübungsfreiheit des Verstorbenen oder der Klägerin verletzt durch die Nichtübernahme der Überführungskosten.

Im Rahmen des § 74 SGB XII sind lediglich die tatsächlich angefallenen Kosten berücksichtigungsfähig und nicht fiktive Kosten einer vergleichbaren Beisetzung im Bundesgebiet (vgl.  Urteil des OVG Hamburg vom 21. Februar 1992 aaO.).

Im vorliegenden Fall waren somit weder die Überführungskosten Hamburg-Istanbul (700,- Euro) noch die Aufwendungen für den Überführungssarg (600,- Euro) zu übernehmen.

Aus der Bestatterpauschale waren erforderlich und angemessen im vollen Umfang die Aufwendungen für Sargzubehör (61,36 Euro), Einkleiden und Einbetten (76,69 Euro), Überführung bis 80 km (91,15 Euro), Überführungsträger (61,36 Euro), Aufbahrung zur Trauerfeier (71,58 Euro), Verwaltungskosten (38,35 Euro) und Transportsarg (29,65 Euro). Nicht erforderlich waren Beratung und Erledigung der Formalitäten und der Sargschmuck, da eine einfache, ortsübliche Bestattung zugrunde zu legen ist. Zudem können die entsprechenden Formalitäten auch zumutbar in Eigenleistung erbracht werden, zumal die beschäftigungslose Klägerin hierzu auch zeitlich in der Lage war.

Hinsichtlich der Pauschale 2 von 366,- Euro waren voll übernahmefähig die Beschaffung von Leinentüchern, die Waschraumnutzung und die Beiziehung eines Imam zum Totengebet, da dies zu einer islamischen Beerdigung erforderlich und die Würde des Verstorbenen dies erfordert. Die muslimische Beerdigung ist aufgrund des Artikels 3 Absatz 3 Grundgesetz der christlichen Bestattung gleichzustellen, in der die rituelle Waschung und das Totengebet zum Kernbereich gehören (vgl.  Urteil des Verwaltungsgerichtes Berlin vom 03. November 1992 – 8 A 286/89 -).

In Höhe der erforderlichen Kosten ist der Klägerin als Hinterbliebene aufgrund ihrer Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II eine Kostentragung unzumutbar, so dass sich insoweit ein gebundener Anspruch gegen den Beklagten ergibt. Die Kammer vermag der Argumentation des Beklagten nicht zu folgen, aus der Tragung der Flugkosten im Verwandtenkreis auf die Leistungsfähigkeit der Klägerin zu schließen.

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4.2 – Sozialgericht Lüneburg Urteil vom 16.06.2011, – S 22 SO 73/09 –

Ein während des SGB-12 Leistungsbezugs aus einer Erbschaft zufließender Geldbetrag ist Vermögen, wenn der Erbfall vor der Beantragung von Grundsicherungsleistungen eingetreten ist.

Nach dem Urteil des BSG vom 24. Februar 2011 (B 14 AS 45/09) stellt der aufgrund einer Erbschaft ausgezahlte Betrag Vermögen dar. Denn im Falle der Gesamtrechtsnachfolge gehe die Erbschaft unmittelbar kraft Gesetzes gemäß § 1922 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auf die Erben über, und zwar unbeschadet der Tatsache, dass wegen des Ausschlagungsrechtes ein Erbe erst mit Annahme erworben wird. Das BSG geht dabei davon aus, dass bereits die Verfügungsmöglichkeit über das Erbe den Zufluss begründet. Der Zufluss des Geldbetrages mehr als vier Jahre nach Eintritt des Erbfalls stelle somit ein Versilbern bereits vorhandenen Vermögens dar und sei weiterhin als Vermögen zu qualifizieren. Einkommen liege lediglich dann vor, wenn der Leistungsberechtigte Inhaber einer Forderung gegen den Nachlass geworden ist (vgl.  Urteil des BSG vom 28. Oktober 2009 – B 14 AS 62/08 R -).

Diesem Urteil des BSG ist zu folgen, welches eine Abkehr von der bisherigen obergerichtlichen Rechtsprechung darstellt (vgl.  Urteil des Landessozialgerichtes (LSG) Nordrhein-Westfalen vom 06. April 2011 – L 12 (20) AS 34/09 -; Urteil des Sächsischen LSG vom 21. Februar 2011 – L 7 AS 724/09 -; Urteil des LSG Berlin-Brandenburg vom 16. November 2010, – L 18 AS 1826/08 -; Beschluss des LSG Niedersachsen-Bremen vom 13. Februar 2008 – L 13 AS 237/07 ER -, Beschluss des LSG Nordrhein-Westfalen vom 23. März 2006 – L 20 B 72/06 AS -; Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 21. Februar 2007 – L 7 AS 690/07 ER-B -).

Die Sozialhilfeempfängerin hatte bereits mit dem Eintritt des Erbfalls ein Anwartschaftsrecht an ihrem Erbanteil für den Fall des Eintritts des Nacherbfalls erworben. Dieses Anwartschaftsrecht stellt ebenso wie der Pflichtteilsanspruch, für welchen das BSG bereits mit Urteil vom 06. Mai 2010 – B 14 AS 2/09 – die Vermögenseigenschaft angenommen hat, Vermögen des Leistungsberechtigten gemäß § 90 SGB XII dar, sofern es vor Leistungsbeginn angefallen ist (vgl.  auch LPK/SGB II/Brühl, 3. Auflage 2009, § 12, Rd. 10).

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Anmerkung: Vgl.  dazu auch den Beitrag im Blog von RA L. Zimmermann

Nach § 82 Absatz 1 Satz 1 SGB XII gehören zum Einkommen alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert mit Ausnahme der Leistungen nach diesem Buch, des befristeten Zuschlags nach § 24 SGB II, der Grundrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) und nach den Gesetzen, die eine entsprechende Anwendung des BVG vorsehen und der Renten oder Beihilfen nach dem Bundesentschädigungsgesetz für Schaden an Leben sowie an Körper oder Gesundheit, bis zur Höhe einer vergleichbaren Grundrente nach dem BVG. Die Verwertung von Vermögen richtet sich nach § 90 SGB XII.
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Autor des Rechtsprechungstickers: Willi 2 von Tacheles

Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de