Rechtsprechungsticker von Tacheles KW 40/2011 – Teil 2

Teil 1 des Rechtsprechungsticker von Tacheles KW 40/2011 ist hier zu finden.


7.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)

7.1 – Sozialgericht Freiburg Urteil vom 27.07.2011, – S 6 SO 6485/09 –

Nach § 90 Abs. 1 SGB XII ist das gesamte verwertbare Vermögen einzusetzen. Zu diesem Vermögen gehört auch der Schenkungsrückforderungsanspruch nach § 528 BGB.

Ein solcher ist hier nicht nach § 529 Abs. 1 BGB ausgeschlossen.

sozialgerichtsbarkeit.de

Anmerkung: vgl. dazu auch den Beitrag im Blog von RA L. Zimmermann

Die Kammer schließt sich damit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 2325 Abs. 3 BGB an (BGH, Urt. v. 27.04.1994 – IV ZR 132/93, BGHZ 125, 395 ff.). Über den vergleichbaren Wortlaut der Normen hinaus ist die dortige Interessenlage entgegen der Ansicht der Klägerin – jedenfalls in der hier streitigen Konstellation der Verarmung des Schenkers und darauf gestützter Inanspruchnahme des Sozialhilfeträgers – auf den Schenkungsrückforderungsanspruch übertragbar (ebenso: Gühlstorf/Ette, ZfF 2008, 13 ff.; Littig/Mayer, Sozialhilferegress gegenüber Erben und Beschenkten, 1999, Rn. 76).

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7.2 – Sozialgericht Augsburg Urteil vom 15.09.2011, – S 15 SO 73/11 –

Leistungsempfänger nach dem SGB XII muss sein Kraftfahrzeug im Werte von 8.500 EUR nicht verwerten.

Es ist im Einzelfall gerechtfertigt , bezüglich des Umfangs, bis zu dem ein Kraftfahrzeug, auf das der Hilfebedürftige aufgrund seiner Behinderung angewiesen ist, jedenfalls in der Regel auf die vom BSG im Urteil vom 06.09.2007, (B 14/7b AS 66/06 R)festgestellte Grenze von 7.500 EUR zurückzugreifen.

Aus Gründen der Rechtssicherheit und Gleichbehandlung erscheint es angemessen, den in Ausfüllung des unbestimmten Begriffs der Angemessenheit in § 12 Abs. 3 Nr. 2 SGB II aufgestellten Wert von 7.500 EUR jedenfalls dann auf Fälle einer sozialhilferechtlich anerkennungsfähigen Kraftfahrzeughaltung zu übertragen, wenn im Einzelfall keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass eine andere Beurteilung erforderlich ist.

Solche könnten sich werterhöhend insbesondere im Fall einer behindertengerechten Ausstattung eines Kraftfahrzeugs ergeben.

Ein Anhaltspunkt für die Herabsetzung des Betrags könnte etwa ein vorhersehbar nur kurzfristiges Angewiesen sein auf das Kraftfahrzeug sein.

Grundsätzlich stellen Kraftfahrzeuge keine Vermögensgegenstände dar, die während des Bezugs von Sozialhilfe als schützenswert angesehen werden. Ausdrücklich geregelt hat der Gesetzgeber nur den Fall, dass ein Kraftfahrzeug wie andere Vermögensgegenstände für die Aufnahme oder Fortsetzung einer Berufstätigkeit erforderlich ist. Im Übrigen hängt es vom Einzelfall ab, ob ein Kraftfahrzeug als Vermögensgegenstand geschützt ist.

Darin liegt, worauf der Kläger zu Recht hingewiesen hat, auch der wesentliche Unterschied zum SGB II, wo von der Zielsetzung des Gesetzgebers von einem erwerbsfähigen Hilfebedürftigen erwartet wird, dass sämtliche Anstrengungen unternommen werden, die Hilfebedürftigkeit durch Aufnahme einer Erwerbstätigkeit wieder zu beenden. Diesen Zielen wäre es nicht förderlich, wenn vor Beginn des Leistungsbezugs nach dem SGB II Kraftfahrzeuge verwertet werden müssten, da dies die Integration in den Arbeitsmarkt und die Aufnahme einer Erwerbstätigkeit jedenfalls erschweren würde. Vor diesem Hintergrund ist gemäß § 12 Abs. 3 Nr. 2 SGB II ein angemessenes Kraftfahrzeug für jede in der Bedarfsgemeinschaft lebende erwerbsfähige Person nicht als Vermögen zu berücksichtigen. 
Es hat aber auch in der Vergangenheit stets Fälle gegeben, in denen unter Berücksichtigung der gleichlautenden Regelungen im Bundessozialhilfegesetz (BSHG) Ausnahmen von der grundsätzlichen Verwertungspflicht gesehen wurden (vgl. etwa BayVGH vom 02.12.1983 – 12 B 83 A. 618, Hamburgisches OVG vom 20.12.1994 – Bs IV 196/94). All diese Fälle waren jeweils Einzelfallentscheidungen unter Berücksichtigung der individuellen Lebenssituation in Bezug auf das konkrete Fahrzeug. Entsprechend argumentiert vorliegend auch der Kläger damit, dem Beigeladenen sei es auch mit einem günstigeren Fahrzeug möglich, den behinderungsbedingten Bedarf zu decken.

Diese Überlegungen erscheinen grundsätzlich zulässig. Denn es gibt im SGB XII anders als im SGB II keine Unterscheidung dahingehend, ob ein Kraftfahrzeug angemessen oder unangemessen ist; entscheidend sind tatsächlich die individuelle Lebenssituation sowie das jeweilige Fahrzeug. Allerdings vertritt die Kammer gleichwohl die Auffassung, dass es im Einzelfall gerechtfertigt ist, bezüglich des Umfangs, bis zu dem ein Kraftfahrzeug, auf das der Hilfebedürftige aufgrund seiner Behinderung angewiesen ist, jedenfalls in der Regel auf die vom BSG im Urteil vom 06.09.2007 festgestellte Grenze von 7.500 EUR zurückzugreifen.

Denn auch die Prüfung eines Härtefalles nach diesen Grundsätzen setzt gedanklich zwei Schritte voraus. Zum einen ist zunächst zu prüfen, ob und für welche Zweck jemand auf ein Kraftfahrzeug angewiesen ist und ob diese Zwecke sozialhilferechtlich anerkennungsfähig sind. In einem weiteren Schritt ist zu prüfen, ob auch die Beibehaltung des konkreten Fahrzeugs zu diesem Zweck erforderlich ist. Entsprechend hat vorliegend auch der Kläger über das Staatliche Gesundheitsamt zunächst geklärt, in welchem Umfang der Beigeladene auf die Haltung eines Kraftfahrzeugs angewiesen ist; in einem weiteren Schritt hat es geprüft, welche Anforderungen vor dem Hintergrund dieses Bedarfs an ein Kraftfahrzeug gestellt werden müssen und ob die Haltung dieses konkreten Fahrzeugs mit den Lebensverhältnissen eines SGB-XII-Beziehers vereinbar sind.

Nichts anderes regelt § 12 Abs. 3 Nr. 2 SGB II, wenn dort aufgeführt ist, dass auch vor dem Hintergrund der im SGB II bei einem erwerbsfähigen Hilfeempfänger pauschal unterstellten Notwendigkeit der Haltung eines Kraftfahrzeugs für die Arbeitssuche beziehungsweise Aufnahme einer Erwerbstätigkeit nur ein angemessenes Fahrzeug geschützt ist. Es ist also zulässig, zur Beantwortung der Frage, bis zu welcher Ausstattung bzw. Wertgrenze die Haltung eines Kraftfahrzeugs zu sozialhilferechtlich grundsätzlich anerkennungsfähigen Zwecken noch mit den Lebensverhältnissen während des Leistungsbezugs nach dem SGB XII vereinbar ist, den unbestimmten Begriff der Angemessenheit in § 12 Abs. 3 Nr. 2 SGB II heranzuziehen.

So hat das BSG inzwischen in mehreren Entscheidungen klargestellt, dass sich die materiellen Lebensverhältnisse von Leistungsbeziehern nach dem SGB II und dem SGB XII nicht unterscheiden und zur Vermeidung von Ungleichbehandlung gleichartige Sachverhalte auch in gleicher Weise zu regeln sind (BSG, Urteil vom 19.05.2009 – B 8 SO 8/08 R). Insbesondere verbietet sich danach eine Argumentation dahingehend, dass etwa Leistungsbezieher nach dem SGB II Anspruch auf einen Mittelklassewagen hätten, während Leistungsbezieher nach dem SGB XII nur Anspruch auf einen Kleinwagen hätten.

Danach wird zwar ausgehend von einem vom Beigeladenen selbst angegebenen Wert von 8.500 EUR bei Antragstellung im November 2008 jedenfalls anfangs auch diese Wertgrenze noch überschritten mit der Folge, dass grundsätzlich das Fahrzeug nicht mehr als angemessen anzusehen ist.

Zu Recht weist aber der Beklagte in seiner Entscheidung darauf hin, dass das BSG aber auch diesen Fall in einer auf das SGB XII übertragbaren Weise geregelt hat. Es hat nämlich entschieden, dass der die Angemessenheitsgrenze übersteigende Betrag (hier 1.000 EUR) noch unter dem Gesichtspunkt der Ausschöpfung der Freibetragsgrenzen für Barvermögen zu beurteilen ist. Denn soweit der aus der Verwertung zufließende Geldbetrag im Moment der Verwertung als Geldvermögen wieder geschützt wäre, würde dies nicht zu einer Beendigung der Hilfebedürftigkeit führen. Auch diese Grundsätze sind auf das SGB XII in vollem Umfang zu übertragen. Insbesondere wäre der Beigeladene auch dann noch hilfebedürftig geblieben, wenn er das Fahrzeug verkauft, ein angemessenes Fahrzeug erworben und den Differenzbetrag als Barvermögen angelegt hätte.

sozialgerichtsbarkeit.de

8.   Darlegungslast bei behaupteter Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebotes in Betriebskostenabrechnung

Anmerkung zu: BGH 8. Zivilsenat, Urteil vom 06.07.2011 – VIII ZR 340/10, Autor:Klaus Schach, RA, Vors. RiLG a.D.
Fundstelle: jurisPR-MietR 19/2011 Anm. 1 , Herausgeber: Norbert Eisenschmid, RA

Quelle : Juris

Darlegungslast bei behaupteter Verletzung des Wirtschaftlichkeitsgebotes in Betriebskostenabrechnung

Leitsätze(von Juris)

1. Der Mieter trägt die Darlegungs- und Beweislast für eine Verletzung des Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit bei der Abrechnung der Betriebskosten durch den Vermieter.

2. Mit der Behauptung, ein Kostenansatz in der Betriebskostenabrechnung des Vermieters übersteige den insoweit überregional ermittelten durchschnittlichen Kostenansatz für Wohnungen vergleichbarer Größe, genügt der Mieter seiner Darlegungslast nicht.

3. Den Vermieter trifft regelmäßig keine sekundäre Darlegungslast für die tatsächlichen Grundlagen seines Betriebskostenansatzes.

Auswirkungen für die Praxis

Der BGH zieht konsequent seine Linie: Der Mieter ist gehalten, seine Einwendungen gegen Betriebskostenabrechnung substantiiert darzulegen und muss dazu die entsprechenden Belege einsehen. Nötigenfalls kann er auch Auskunft vom Vermieter verlangen (BGH, Urt. v. 25.10.2006 – VIII ZR 251/05 [zum Vorwegabzug von gewerbebedingten Betriebskosten]). Auf einen ausreichend substantiierten Tatsachenvortrag des Mieters muss dann der Vermieter nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen ebenfalls substantiiert erwidern. Tut er das nicht, kann das dazu führen, dass der Vortrag des Mieters als unstreitig angesehen werden kann.

www.juris.de

Anmerkung: vgl. dazu auch den Beitrag im Blog von RA L. Zimmermann

sozialrechtsexperte.blogspot.com

Autor des Rechtsprechungstickers: Willi 2 von Tacheles

Quelle Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de

Teil 1 des Rechtsprechungsticker von Tacheles KW 40/2011 ist hier zu finden.