Rechtsprechungsticker von Tacheles KW 42/2011 – Teil 2

 


Teil 1 des Rechtsprechungsticker von Tacheles KW 41/2011 ist hier zu finden.

 

 4.3 – Sozialgericht Dresden Beschluss vom 05.08.2011, – S 36 AS 3461/11 ER –

Eine reine Folgenabwägung, welche zu einer vorläufigen Leistungsgewährung führen würde (vgl. etwa LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss v. 30.06.2011 – L 25 535/11 ER), erscheint nicht angezeigt.

Der Sachverhalt ist hinreichend geklärt. Rechtsfragen sind auch in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes grundsätzlich zu entscheiden, mögen sie auch streitig sein und eine Positionierung erfordern.
Lediglich wenn die Aufklärung der Rechtslage wegen besonders atypischer Konstellationen oder außergewöhnlicher Komplexität einer zeitnahen Prüfung entgegensteht, vermag auch insoweit auf eine Folgenabwägung abgestellt werden können. Vorliegend existieren indes bereits zahlreiche – nicht auf eine Folgenabwägung abstellende – veröffentlichte Gerichtsentscheidungen sowie Erläuterungen aus dem Schrifttum mit ausgetragenen Argumenten zur Frage der europarechtlichen Konformität des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II.

Die Rechtslage ist, wenngleich eine einhellige Auffassung nicht besteht, bekannt und damit einer Entscheidung zugänglich. Allein mit dem Hinweis auf streitige, höchstrichterlich noch nicht entschiedene Rechtsfragen darf im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht auf eine Folgenabwägung abgestellt werden.

Der Ausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II für Unionsbürger ist mit höherrangigem europäischem Sekundärrecht in Form des Art. 4 VO (EG) Nr. 883/2004 nicht vereinbar (LSG Hessen, Beschluss v. 14.07.2011 – L 7 AS 107/11 B ER; vgl auch LSG Bayern, Beschluss v. 12.03.2008 – L 7 B 1104/07 AS ER und SG Berlin, Urteil v. 24.05.2011 – S 149 AS 17644/09).

sozialgerichtsbarkeit.de

Vgl. dazu auch den Beitrag im Blog von RA L. Zimmermann

Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II für bulgarische Staatsangehörige(vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 07.10.2011, – L 19 AS 1560/11 B ER -).
sozialrechtsexperte.blogspot.com

5.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)

5.1 – Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen Urteil vom 28.07.2011, – L 8 SO 10/09 -, Revision zugelassen

Die Einkommensgrenze des § 43 Abs 2 Satz 1 SGB XII gilt nicht für beide Eltern gemeinsam, sondern – pro Elternteil -.

Dies ergebe sich aus dem Zweck der Vorschrift. Der Gesetzgeber habe mit der Regelung verhindern wollen, dass Personen mit einem durchschnittlichen Einkommen von den Sozialbehörden in Regress genommen würden.

Gemäß § 43 Abs 2 Satz 1 SGB XII bleiben Unterhaltsansprüche der Leistungsberechtigten gegenüber ihren Kindern und Eltern unberücksichtigt, sofern deren jährliches Gesamteinkommen i. S. des § 16 SGB IV unter einem Betrag von 100.000,00 EUR liegt. Nach § 43 Abs 2 Satz 2 SGB XII wird vermutet, dass das Einkommen der Unterhaltspflichtigen nach Satz 1 die dort genannte Grenze nicht überschreitet. Gemäß § 43 Abs 2 Satz 6 SGB XII haben Leistungsberechtigte keinen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen, wenn die nach Satz 2 geltende Vermutung widerlegt ist.

Gemäß § 16 SGB IV ist Gesamteinkommen die Summe der Einkünfte i. S. des Einkommenssteuerrechts. Hierunter fallen nach § 2 Abs 2 Einkommenssteuergesetz (EStG) Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb, selbstständiger Arbeit, nichtselbstständiger Arbeit, Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung. Bei den Einkünften aus selbstständiger Arbeit zählt der Gewinn vor Steuern. Bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit, Kapitalvermögen, Vermietung und Verpachtung ergeben sich die Einkünfte aus dem Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten. Einkünfte aus Kapitalvermögen sind unter Abzug des Sparerfreibetrages zu berücksichtigen, § 2 Abs 2 Satz 2, § 20 Abs 9 EStG (vgl. BSG, Urteil vom 22. Mai 2003 B 12 KR 13/02 R ; BFG, Urteil vom 26. September 2000 VI R 85/99 ; Klattenhoff, in: Hauck/Haines, Kommentar zum SGB IV, § 16, Rdnr 25). Die in den einzelnen Einkommensarten errechneten Ergebnisse werden schließlich zur Summe der Einkünfte zusammengefasst. Hierbei kommt im Rahmen eines die Einkunftsarten übergreifenden vertikalen Verlustausgleichs eine Verrechnung negativer und positiver Einkünfte verschiedener Art in Betracht (vgl. Klattenhoff, a. a. O., Rdnr 2).

Der Betrag von 100.000,00 EUR Jahreseinkommen ist in § 43 Abs 2 Satz 1 SGB XII auf jeden Elternteil getrennt zu beziehen (vgl. Falterbaum, in: Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB XII, § 43, Rdnr 13; Schoch, in: LPK-Grundsicherungsgesetz (GSiG), § 2, Rdnr 57 und in: LPK-SGB XII, 8. Auflage, § 43, Rdnr 9; H. Schellhorn, in: Schellhorn/Schellhorn/Hohm, 18. Auflage, § 43, Rdnr 14; Wenzel, in: Fichtner/Wenzel, Kommentar zum SGB XII, 4. Auflage, § 43, Rdnr 10; Wahrendorf, in: Grube/Wahrendorf, Kommentar zum SGB XII, 3. Auflage, § 43 Rdnr 17; Münder, NJW 2002, Seite 3661, 3663; Kreiner, in: Oestreicher, Kommentar zum SGB II/SGB XII, § 43 SGB XII, Rdnr 8; anderer Ansicht: Adolph, in: Linhart/Adolph, Kommentar zum SGB II/SGB XII, § 43 SGB XII, Rdnr 28; Steimer, in: Mergler/Zink, Kommentar zum SGB XII, § 43, Rdnr 15; Blüggel, jurisPK-SGB XII, 1. Auflage 2010, § 43 SGB XII, Rdnr 32).

Um die Bedeutung einer Gesetzesvorschrift zu ermitteln, sind die herkömmlichen Auslegungsmethoden heranzuziehen. Danach ist auf den Wortlaut der Norm (grammatische Auslegung), ihren Zusammenhang (systematische Auslegung), ihrem Zweck (teleologische Auslegung) sowie auf die Gesetzesmaterialen und die Entstehungsgeschichte (historische Auslegung) abzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juni 2010 B 10 EG 12/09 R).

Der Wortlaut des § 43 Abs 2 Satz 1 SGB XII ist insoweit nicht eindeutig. Die Verwendung des Plurals sowohl bezogen auf die Kinder als auch auf die Eltern könnte darauf schließen lassen, dass in beiderlei Hinsicht die Jahreseinkommen zu addieren sind (vgl. Falterbaum, in: Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB XII, § 43, Rdnr 12). Bezüglich der Berücksichtigung des Einkommens der Kinder besteht – soweit ersichtlich – jedoch Einigkeit darüber, dass nur das Einkommen jedes einzelnen Kindes gemeint sein kann (vgl. Falterbaum, a. a. O., Rdnr 12 m. w. N.). Dies wird daraus gefolgert, dass Kinder jeweils gesonderte Steuerbescheide erhalten und es dem Sinn und Zweck der Grundsicherung widerspräche, wenn bei einer größeren Anzahl von Kindern diesen auch bei einem relativ geringen Einkommen gegenüber der Grundsicherung vorrangige Unterhaltsleistungen zugemutet würden (vgl. Münder, NJW 2002, Seite 3661, 3663; Falterbaum, a. a. O., Rdnr 12; Schoch, in: LPK- GSiG, § 2, Rdnr 56). Da im Gesetz hinsichtlich der Ermittlung des Einkommens zwischen Eltern und Kindern nicht unterschieden wird, spricht dies dafür, auch bei den Eltern auf das Einkommen jedes einzelnen Elternteils abzustellen (vgl. Falterbaum, a. a. O., Rdnr 13; Wahrendorf, a. a. O., Rdnr 17).

Systematisch handelt es sich bei § 43 Abs 2 Satz 1, 2. Halbsatz SGB XII um eine Ausnahmeregelung, die als solche eng zu interpretieren ist (vgl. Schoch, in: LPK-GSiG, § 2 Rdnr 54; allgemein zur Auslegung von Ausnahmevorschriften: BSG, Urteil vom 24. Juni 2010, a. a. O.). Denn grundsätzlich sieht das Gesetz einen Verzicht auf die Inanspruchnahme des Einkommens von Kindern und Eltern vor (vgl. Schoch, a. a. O., Rdnr 57). Der ursprüngliche Gesetzesbeschluss zur Einführung der Grundsicherung sah zunächst vor, das Einkommen von Kindern und Eltern generell unberücksichtigt zu lassen. Erst im Vermittlungsverfahren zwischen Bundestag und Bundesrat wurde die Einkommensobergrenze in das Grundsicherungsgesetz vom 26. Juni 2001 (BGBl I, Seite 1335) eingefügt und bei der Eingliederung in das Sozialhilferecht durch das Gesetz zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch vom 27. Dezember 2003 (BGBl I, Seite 3022) übernommen (vgl. Falterbaum, in: Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB XII, § 43, Rdnr 14).

Für die getrennte Berücksichtigung der Einkommensgrenze bei jedem Elternteil spricht insbesondere auch der Zweck des Gesetzes. Denn der Gesetzgeber hat bei der Grundsicherung bewusst weitgehend auf einen Unterhaltsrückgriff gegenüber Eltern und Kindern verzichtet (vgl. BT-Drucksache 14/5150, Seite 49; BSG, Urteil vom 16. Oktober 2007 B 8/9b SO 8/96 R). Ziel war es, verschmähte Armut im Alter und bei dauerhafter voller Erwerbminderung zu verhindern (vgl. BT-Drucksache 14/4595, Seiten 72, 73). Die Nichtberücksichtigung von Unterhaltsansprüchen gegen die Eltern stärkt im Interesse der Versorgung der dauerhaft voll Erwerbsgeminderten die Einheit der Familie und den familiären Zusammenhalt (BSG, Urteil vom 8. Februar 2007 B 9b SO 6/05 R ; BT-Drucksache 14/4595, Seite 73). Dem liegt die rechtspolitische Wertung zugrunde, für den Lebensunterhalt dieses Personenkreises habe in der Regel vorrangig die staatliche Gemeinschaft einzustehen (vgl. Falterbaum, in: Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB XII, § 43, Rdnr 2; BSG, Urteil vom 8. Februar 2007, a. a. O.).

Der Sinn der Ausnahmeregelung des § 43 Abs 2 Satz 1, 2. Halbsatz SGB XII besteht darin, eine Handhabe für die ausführende Verwaltung zur Verfügung zu stellen, um in offensichtlichen Fällen von sehr hohen Einkommen nicht auf Kosten des Steuerzahlers eine ungerechtfertigte Sozialleistung erbringen zu müssen (vgl. Schoch, in: LPK- GSiG, § 2, Rdnr 54). Für diese Interpretation spricht die gesetzliche Vermutung des § 43 Abs 2 Satz 2 SGB XII, wonach die Einkommen von Kindern und Eltern unter einem Betrag von 100.000,00 EUR liegen (vgl. Schoch, a. a. O.). Sowohl die Vermutungsreglung des § 43 Abs 2 Satz 2 SGB XII als auch die gesetzgeberische Absicht, Unterhaltsansprüche gegen die Eltern im Interesse der Versorgung der dauerhaft voll Erwerbsgeminderten weitgehend unberücksichtigt zu lassen, würden unterlaufen, wenn sich die Einkommensgrenze auf das gemeinsame Einkommen der Eltern bezöge. Denn der Einkommensbegriff in § 43 Abs 2 Satz 1 SGB XII knüpft nicht an die tatsächliche Leistungsfähigkeit an, sondern bei selbstständiger Arbeit an den Gewinn vor Steuern und bei nichtselbstständiger Arbeit an das Bruttoeinkommen, lediglich bereinigt um die steuerlich anzuerkennenden berufsbedingten Aufwendungen (vgl. Schoch, LPK-GSiG, § 2, Rdnr. 55) an. Wäre für die Einkommensgrenze auf das gemeinsame Einkommen der Eltern abzustellen, würden auch Bezieher mittlerer Einkommen erfasst sowie Unterhaltsansprüche gegenüber einem gering verdienenden Elternteil nur deshalb berücksichtigt, weil der andere Elternteil über ein hohes Einkommen verfügt. Dies widerspräche sowohl der Vermutungsregelung des § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB XII als auch dem Zweck der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.

Mithin folgt aus dem Sinn und Zweck, der Entstehungsgeschichte und der Systematik der Vorschrift, dass sich die Einkommensgrenze von 100.000,00 EUR jährlich auf jeden Elternteil gesondert bezieht.

Soweit der Beklagte anführt, dass diese Auffassung zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung von Kindern mit nur einem Elternteil führe, weil sie von Grundsicherungsleistungen bereits ausgeschlossen seien, wenn das Elterneinkommen 100.000,00 EUR erreiche, während bei zwei Elternteilen Grundsicherung noch bis zu einem elterlichen Gesamteinkommen von bis zur zweifachen Höchstgrenze beansprucht werden könne, ist dem entgegen zu halten, dass, wie das SG zutreffend ausgeführt hat, sich Unterhaltsansprüche immer gegen einzelne Personen richten und sich schon aus diesem Grund eine Gesamtbetrachtung der Unterhaltspflichtigen verbietet. Auch das Argument, dass für Kinder anders als für Eltern kein Gesamteinkommen i. S. des Steuerrechts ermittelt werde und auch keine gemeinsame steuerliche Veranlagung erfolge (vgl. Blüggel, jurisPK-SGB XII, § 43 SGB XII, Rdnr 32), vermag nicht zu überzeugen. Denn für geschiedene oder getrennt lebende Eltern ergehen ebenfalls gesonderte Einkommenssteuerbescheide. Mithin wären dann getrennt lebende oder geschiedene Eltern gegenüber verheirateten Eltern ungerechtfertigt privilegiert (vgl. Schoch, in LPK- Grundsicherungsgesetz, § 2, Rdnr 57; Wenzel, in: Fichtner/ Wenzel, Kommentar zum SGB XII, 4. Auflage, § 43, Rdnr 10), weshalb selbst die Vertreter der Gegenansicht bei getrennt lebenden und geschiedenen Eltern von einer gemeinsamen Einkommensgrenze für beide Elternteile ausgehen (vgl. Adolph in: Linhart/Adolph, Kommentar zum SGB II/SGB XII, § 43 SGB XII, Rdnr 28).

 Auch die vergleichbare Formulierung in § 94 Abs 2 Satz 1 SGB XII, die unstreitig so auszulegen ist, dass der Unterhaltsanspruch gegenüber beiden Elternteilen gemeinsam in Höhe von bis zu 26,00 EUR monatlich übergeht (vgl. Falterbaum, in: Hauck/Noftz, Kommentar zum SGB XII, § 43 Rdnr 13), steht der hier vertretenen Ansicht nicht entgegen. Denn die Vorschrift des § 94 Abs 2 Satz 1 SGB XII betrifft lediglich den Übergang von Unterhaltsansprüchen bei Leistungen nach dem 6. und 7. Kapitel des SGB XII, nicht jedoch die vorliegend streitigen Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Im Rahmen der Grundsicherung ist ein Anspruchsübergang nach § 94 SGB XII gerade ausgeschlossen (vgl. Wolf, in: Fichtner/Wenzel, Kommentar zum SGB XII, 4. Auflage, § 94, Rdnr 42).

sozialgerichtsbarkeit.de

6.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)

6.1 – Sozialgericht Aachen Urteil vom 11.10.2011, – S 20 SO 134/10 –

Zur Bestimmung der Angemessenheit einer Bestattungsvorsorge im Rahmen der Härtefallprüfung nach § 90 Abs. 3 SGB XII darf sich der Sozialhilfeträger nicht auf Pauschalen berufen.

Das BSG hat im Urteil vom 18.03.2008 (B 8/9 b SO 9/06 R) ausgeführt, dass bereits nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 11.12.2003 – 5 C 84/02) dem Wunsch des Menschen, für die Zeit nach seinem Tod durch eine angemessene Bestattung und Grabpflege vorzusorgen, Rechnung zu tragen und Vermögen aus einem Bestattungsvorsorgevertrag sowohl für eine angemessene Bestattung als auch für eine angemessene Grabpflege als Schonvermögen im Sinne der Härtefallregelungen anzusehen ist. Für diese Auffassung – so das BSG – spricht nicht zuletzt, dass die Bundesregierung eine Gesetzesinitiative des Bundesrates, mit der die ausdrückliche Privilegierung eines Bestattungsvorsorgevertrages im Gesetz vorgesehen war, mit der Begründung abgelehnt hat, die vorgesehene Regelung sei nicht erforderlich, weil bereits nach geltendem Recht mit der Härtefallregelung in § 90 Abs. 3 SGB XII sowie mit der Vorschrift des § 74 SGB XII eine menschenwürdige Bestattung für Sozialhilfeempfänger sicher gestellt sei (vgl. BT-Drucksache 16/239, S. 10, 15 und 17 zu Art. 3 Nr. 4).

Soweit demgegenüber der Beklagte eine Pauschale in Höhe von 2.500,00 EUR zur Sicherstellung einer würdigen Bestattung als ausreichend und angemessen erachtet und sich hierbei auf eine für seinen Zuständigkeitsbereich für die Zeit am 01.08.2008 (!) getroffene Vereinbarung mit dem Bestatterverband Nordrhein-Westfalen e.V. stützt, wird dies den von der sozial- und verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Kriterien zur Bestimmung der Angemessenheit einer Bestattungsvorsorge nicht gerecht.

Das BSG hat zuletzt durch Urteil vom 25.08.2011 (B 8 SO 20/10 R) zu § 74 SGB XII entschieden, dass die erforderlichen Bestattungskosten durch den Sozialhilfeträger nicht nach Maßgabe pauschal entwickelter Vergütungssätze zu übernehmen sind.

Nach Auffassung der Kammer gilt dies gleichermaßen für die Bestimmung der Angemessenheit einer Bestattungsvorsorge im Rahmen der Härtefallprüfung nach § 90 Abs. 3 SGB XII.

sozialgerichtsbarkeit.de

Vgl. dazu auch den Beitrag im Blog von RA L. Zimmermann

Hartz IV – Muss eine Sterbegeldversicherung aufgelöst werden, wenn dadurch die Vermögensfreibeträge überschritten werden?
sozialrechtsexperte.blogspot.com



7.   Entscheidung zur Arbeitsförderung nach dem SGB III

7.1 – Landessozialgericht Hessen Urteil vom 23.09.2011, – L 7 AL 104/09 –

Bundesagentur muss Übernahme einer Pizzeria in Österreich fördern – Überbrückungsgeld für Arbeitslose auch bei Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit im Ausland

Nehmen Arbeitslose eine selbstständige, hauptberufliche Tätigkeit auf, können sie in der Zeit nach der Existenzgründung eine finanzielle Förderung zur Sicherung ihres Lebensunterhalts beanspruchen. Dies gilt auch für eine Tätigkeit im Ausland.

sozialgerichtsbarkeit.de

8.   Sozialrecht aktuell Heft 5 2011

Rechtsfragen der Schuldnerberatung nach Hartz IV: Kritische Anmerkungen zum Urteil des Bundessozialgerichts vom 13. 7. 2010 (B 8 SO 14/09 R) zu § 16a SGB II sowie § 11 Abs. 5 Satz 3 SGB XII

von Professor Dr. Utz Krahmer

www.sozialrecht-aktuell.nomos.de (pdf)

9.   Heizkosten-Schock – Bis zu 300 Euro Nachzahlung

Von Stefan Ernst und Christin Martens

Kosten-Schock für Millionen Mieter! In diesen Wochen wird ein Großteil der Heizkostenabrechnungen für das vergangene Jahr verschickt. Es drohen Nachzahlungen von bis zu 300 Euro.

Schuld an den Extrakosten sind der lange, harte Winter und die drastisch gestiegenen Energiepreise. Besonders Heizöl hat sich verteuert.

Demnach werden für eine 70 Quadratmeter große Wohnung mit Ölheizung im Schnitt 850 Euro Heizkosten fällig (siehe Tabelle). Das sind fast 35 Prozent mehr als in 2009. Mieter mit Erdgasheizungen müssen durchschnittlich 805 Euro zahlen, 20 Euro oder 2,5 Prozent mehr als im Vorjahr.

Die Heizkosten für Fernwärme stiegen ebenfalls um 20 Euro auf 880 Euro. Das ist ein Plus von 2,3 Prozent.
Auch wenn die Energiekosten gestiegen sind, nicht jede Nachforderung ist rechtens.
Denn: Nach Einschätzung des Deutschen Mieterbundes ist jede zweite Abrechnung falsch. Jede dritte Rechtsberatung der 320 örtlichen DMB-Mieterverein dreht sich um das Thema „Betriebskosten“.

Mit wie viel Nachzahlungen Sie rechnen müssen und was für 2011 fällig wird, zeigt die Tabelle:

Mit soviel Nachzahlung müssen Sie rechnen:

Anmerkung : Für alle Leistungsbezieher nach dem SGB II gilt, dass Nachforderungen, die nach zuvor erfolgten monatlichen Vorauszahlungen für die Heizkosten entstehen, als einmal geschuldete Zahlung zum aktuellen Bedarf im Fälligkeitsmonat zu übernehmen sind(vgl. BSG, Urteil vom 07.07.2011, – B 14 AS 154/10 R -, RdNr. 14).
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Autor des Rechtsprechungstickers: Willi 2 von Tacheles

Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de


Teil 1 des Rechtsprechungsticker von Tacheles KW 42/2011 ist hier zu finden.