Rechtsprechungsticker von Tacheles KW 46/2011

1.   Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 27.09.2011 zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

1.1 – BSG, Urteil vom 27.09.2011, – B 4 AS 180/10 R –

Der Erwerbstätigenfreibetrag im Sinne des § 30 SGB II a. F. (jetzt § 11b SGB II) ist grundsätzlich nicht vom Krankengeld als Entgeltersatzleistung in Abzug zu bringen. Seine Absetzfähigkeit ist auf Erwerbseinkommen beschränkt.

Freibeträge nach § 11 Abs 2 S 1 SGB II, insbesondere nach § 11 S 1 Nr 5 SGB II a. F.(jetzt § 11b Abs 1 Satz 2 SGB II), sind jedoch auch vom Krankengeld vor der Berücksichtigung als Einkommen bei der Berechnung des Alg II abzuziehen.

Weihnachtsgeld ist als Einmalige Einnahme um den Erwerbstätigenfreibetrag nach § 11b SGB II zu bereinigen.

juris.bundessozialgericht.de

Anmerkung: vgl. dazu auch den Beitrag im Blog von RA L. Zimmermann

Einmalige Einnahmen (vor dem 01.04.2011), die im Zuflussmonat den Leistungsanspruch beenden, sind mit Beginn eines neuen Stammrechts auf
Grundsicherungsleistungen als Vermögen zu behandeln.
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1.2 – BSG, Urteil vom 27.09.2011, – B 4 AS 160/10 R –

Es besteht kein Anspruch auf Übernahme der Kosten der privaten Krankenversicherung beim Studium durch das Jobcenter

Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Urteil vom 27.09.2011 (Az. B 4 AS 160/10 R) festgestellt, dass für einen in der privaten Krankenversicherung versicherten Studenten nach dem SGB II kein Anspruch auf Übernahme der Kosten für die private Krankenversicherung gegen das für ihn zuständige Jobcenter besteht.

Wortlaut, Gesetzesbegründung, systematische Einbindung von § 26 SGB II und § 12 Abs 1c VAG sowie ihr Sinn und Zweck verdeutlichen, dass im Falle des § 12 Abs 1c S 6 VAG nicht nur “Hilfebedürftigkeit” allein eine Leistungsberechtigung für den Beitragszuschuss hervorruft, sondern ein Alg II-Anspruch zumindest realisierbar sein muss.

Das ist bei dem Kläger wegen des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II nicht der Fall. Für die Beiträge zur privaten Pflegeversicherung gelten keine anderen Überlegungen.

Dem Anspruch des Klägers auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts steht der Leistungsausschluss des § 7 Abs 5 Satz 1 SGB II entgegen. Er absolvierte im streitigen Zeitraum eine dem Grunde nach förderfähige Ausbildung und war nur wegen in seiner Person liegender Gründe vom BAföG-Bezug ausgenommen. Die Voraussetzungen der Rückausnahme des § 7 Abs 6 SGB II liegen ebenfalls nicht vor.

Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 5 S 1 SGB II betrifft zwar nur Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, die ausbildungsbedingt entstehen. Die Vorschrift soll nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ausschließlich gewährleisten, dass neben den gesetzlich vorgesehenen Grundlagen für die Ausbildungsförderung durch BAföG oder SGB III keine weitere begründet wird. Ob es sich bei den Beiträgen zur privaten Krankenversicherung um Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts handelt, kann hier jedoch dahinstehen. Die Aufwendungen für Beiträge zur privaten Krankenversicherung sind ausbildungsbedingt, denn ob und in welcher Höhe sie entstehen, ist von der jeweils ausgeübten Tätigkeit, ihrer rechtlichen Einordnung und dem damit verbundenen sozialversicherungsrechtlichen Status abhängig, hier dem des Klägers als Student.

Wollte man die Beiträge zur privaten Krankenversicherung nicht als Teil der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ansehen, hätte der Kläger gleichwohl keinen Anspruch auf Tragung seiner Beiträge durch den Beklagten. Er kann einen solchen insbesondere nicht aus § 12 Abs 1c VAG herleiten. Wegen seiner auch ohne die Aufwendungen für die Beiträge bestehenden Hilfebedürftigkeit könnte hier nur S 6 dieser Vorschrift zur Anwendung gelangen. Bei § 12 Abs 1c S 6 VAG handelt es sich jedoch nicht um eine selbstständige Anspruchsgrundlage, die eine Verpflichtung des Grundsicherungsträgers unabhängig von dem Vorliegen der Leistungsvoraussetzungen des SGB II zu begründen vermag. Es müssen die Voraussetzungen des § 26 SGB II gegeben sein.

sozialgerichtsbarkeit.de

2.  Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

2.1 – Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Beschluss vom 06.10.2011, – L 11 AS 146/11 –

Leistungen nach dem SGB II sollen das Existenzminimum sichern, allerdings führt nicht jede Unterdeckung des Bedarfs grundsätzlich zu einer Existenzbedrohung und damit zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes.

In einem gestern veröffentlichtem, rechtskräftigem Beschluss hat das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht festgestellt, dass das Rechtsmittel des einstweiligen Rechtsschutzes vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) die Aufgabe hat, in denjenigen Fällen effektiven Rechtsschutz zu gewährleisten, in denen eine Entscheidung in dem grundsätzlich vorrangigen Verfahren der Hauptsache zu schweren und unzumutbaren, nicht anders abwendbaren Nachteilen führen würde, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht in der Lage wäre (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 22. November 2002 – 1 BvR 1586/02 – und vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05).

Zwar sollen grundsätzlich Leistungen nach dem SGB II das Existenzminimum sichern. Wird durch die seitens des Leistungsträgers erbrachte Leistung der Bedarf nicht gedeckt, ist die Existenz des Hilfebedürftigen zeitweise nicht sichergestellt.

Allerdings führt nicht jede Unterdeckung des Bedarfs grundsätzlich zu einer Existenzbedrohung und damit zum Vorliegen eines Anordnungsgrundes. Erforderlich ist eine existentielle Notlage (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24. März 2009, L 5 AS 5/09 B ER, Rdn. 3).

Hier liegt keine existenzbedrohende Notlage vor.

Bei der Bedarfs- Berechnung ist allerdings der Einkommensfreibetrag nach § 11b Abs. 3 SGB II nicht vom Einkommen abgezogen worden.

Das ist jedoch nach Ansicht des Senats bei dem ihm im Rahmen von § 86b Abs. 2 eingeräumten Ermessen zumutbar.

Allerdings ist zu bedenken, dass der Einkommensfreibetrag nicht nur Anreiz für eine Beschäftigung geben, sondern zugleich auch dem Ausgleich kleinerer erwerbsbedingter Mehraufwendungen dienen soll (vgl. Meckel in: Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 2. Aufl. 2008, § 30, Rdn. 5).

Jedenfalls dann, wenn der Einkommensmehrbedarf nicht vollständig eingesetzt werden muss, kann er als Einkommen zur Behebung einer kurzfristigen, existentiellen Notlage eingesetzt werden, sodass im Rahmen einer einstweiligen Anordnung kein Abzug vom Einkommen vorzunehmen ist (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 24. März 2009, L 5 AS 5/09 B ER, a.a.O., Rdn. 3; Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 21. Januar 2011, L 7 AS 962/10 B ER, Rdn. 11).

Das gilt umso mehr, als der Antragsteller Einstiegsgeld von monatlich 197,40 EUR erhält. Das Einstiegsgeld, das nach § 11 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 11a Abs. 1 Nr. 1 SGB II grundsätzlich von einer Einkommensanrechnung freibleibt, soll ebenso wie die Freibeträge für Erwerbstätigkeit Anreiz zur Aufnahme einer beruflichen Tätigkeit bieten.

Es soll faktisch als Lohnsubvention wirken. Zwar handelt es sich dabei nicht um eine Leistung zur Sicherung des Lebensunterhalts, sondern zur Eingliederung in Arbeit.

Dabei dient das Einstiegsgeld aber nicht – wie die Antragsteller meinen – lediglich der Anschaffungen von Gegenständen und Materialien zur die Durchführung der selbstständigen Tätigkeit.

Gemäß § 16b Abs. 2, Abs. 3 SGB II ist für die Höhe des Einstiegsgeldes die vorherige Dauer der Arbeitslosigkeit, die Größe der Bedarfsgemeinschaft und der maßgebliche Regelbedarf zu berücksichtigen. Dementsprechend ist in § 1 der Einstiegsgeldverordnung vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2342) in der Fassung vom 24. März 2011 (BGBl. I S. 453/494) berücksichtigt, dass sich der monatliche Grundbetrag an dem jeweils maßgebenden Regelbedarf orientiert und die Ergänzungsbeträge an der Dauer der Arbeitslosigkeit und der Größe der Bedarfsgemeinschaft.

Das Einstiegsgeld bezweckt also nicht allein, die Kosten abzudecken, die für den Aufbau einer selbstständigen Tätigkeit anfallen, sondern berücksichtigt vielmehr bedarfsbezogene Aspekte im Hinblick auf die Hilfe zum Lebensunterhalt.

sozialgerichtsbarkeit.de

Anmerkung: vgl. dazu auch den Beitrag im Blog von RA L. Zimmermann

Sozialgericht Magdeburg vertritt die Auffassung, dass es einem Hartz IV-Empfänger zuzumuten ist, die Mehrbedarfsleistungen für erwerbsfähige Menschen mit Behinderung zur Begleichung seines KdU-Defizits einzusetzen.
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2.2 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 07.11.2011, – L 19 AS 1468/11 B –

Ein Anspruch auf Erstausstattung für Bekleidung nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB II a.F.(jetzt § 24 Abs. 3 Nr. 2 SGB II) kann bei einem Erwachsenen bestehen, wenn außergewöhnliche Umstände wie Obdachlosigkeit, langjährige Inhaftierung, ggf erheblich Gewichtsschwankungen einen besonderen Bedarf begründen, weil so gut wie keine brauchbaren Kleidungstücke mehr vorhanden sind (vgl. BSG Urteil vom 23.03.2010 – B 14 AS 81/08 R,26).

Die pauschale Angabe einer medikamentös bedingten Gewichtszunahme von 35 Kilogramm begründet allenfalls eine entfernte Erfolgschance einer Beweisaufnahme.

Der Kläger hat aber weder die von ihm geltend gemachte außergewöhnliche Gewichtszunahme durch Beweisantritte oder die Vorlage geeigneter Unterlagen, wie z.B. eines ärztlichen Attests, substantiiert noch hat er näher konkretisiert, in welchem Zeitraum die Gewichtszunahme erfolgt ist, obwohl der Beklagte in der Klageerwiderung darauf hingewiesen hat.

sozialgerichtsbarkeit.de

Anmerkung: vgl. dazu auch den Beitrag im Blog von RA L. Zimmermann

Hartz IV- Empfänger haben für die Wohnungserstausstattung als auch für die Erstausstattung mit Bekleidung nach Haftentlassung nur Anspruch auf Grundausstattungen, die einfachen Bedürfnissen genügen – Inhaftierung –

Arbeitslosengeld II – Sonderbedarf – Wohnungs- und Bekleidungserstausstattung – Bemessung von Pauschalbeträgen
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2.3 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 14.10.2011, -L 12 AS 1360/11 B –

Bewilligung von Prozesskostenhilfe bei Regelsatzklage.

Mit Beschluss vom 14.10.2011 hat das LSG NRW (AZ – L 12 AS 1360/11 B-) festgestellt, dass der Klägerin für die Durchführung des Verfahrens ab 21.02.2011 PKH zu bewilligen ist.

Gründe:

Gem. §§ 73a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) 114 ff Zivilprozessordnung (ZPO) ist Prozesskostenhilfe u.a. zu bewilligen, wenn das Verfahren hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet. Diese Voraussetzung ist vorliegend gegeben.

Die Klägerin begehrt höhere Regelleistungen für die Zeit ab 01.01.2011 und macht geltend, dass die gesetzlichen Regelungen verfassungswidrig seien.

Aufgrund der damit im Zusammenhang stehenden Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Berechnung des Regelsatzes – s. hierzu die verfassungsrechtliche Bewertung in den für die Hans-Böckler-Stiftung erstellten Gutachten der Frau Irene Becker und des Johannes Münder (Soziale Sicherheit extra, September 2011, S. 7 ff bzw.S. 63 ff) – kann dem Verfahren nicht von vornherein die hinreichende Erfolgsaussicht abgesprochen werden.

Quelle: Wir bedanken uns bei Willy V. für die Übersendung.

Anmerkung: vgl. dazu auch den Beitrag im Blog von RA L. Zimmermann

Hartz IV Regelsätze- Und sie sind doch verfassungswidrig
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2.4 – Bayerisches Landessozialgericht Beschluss vom 06.10.2011, – L 7 AS 476/11 B PKH –

Wenn bereits hinreichender Schutz durch gesetzliche Sozialversicherung gegeben ist, scheidet die Absetzbarkeit von Beiträgen für private Versicherungen, die dieselben Risiken abdecken, im Grundsicherungsrecht schon aus systematischen Gründen aus.

Die Klägerinnen sind im Rahmen des Leistungsbezugs pflichtversichert. Zusätzliche Absicherungen im Rahmen der Krankenversicherung und der Pflegeversicherung sind nicht mehr angemessen, wenn eine Pflichtversicherung besteht (so schon BSG Urteil vom 01.06.2010, B 4 AS 67/09 R).

Wenn bereits hinreichender Schutz durch gesetzliche Sozialversicherung gegeben ist, scheidet die Absetzbarkeit von Beiträgen für private Versicherungen, die dieselben Risiken abdecken, im Grundsicherungsrecht schon aus systematischen Gründen aus (BSG Urteil vom 10.05.2011, B 4 AS 139/10 R).

Soweit hier zusätzlicher, über den gesetzlich vorgesehen hinausgehender Krankenversicherungsschutz als einkommensmindernd berücksichtigt werden soll, besteht hierfür schon deshalb keine Notwendigkeit, weil der gesetzliche Schutz vom BSG als ausreichend anerkannt und darüber hinausgehender Schutz nicht mehr angemessen ist.

Die Unangemessenheit des zusätzlichen privaten Krankenversicherungsschutzes lässt sich im Übrigen auch mit der Einkommens- und Verbraucherstichprobe 2008 (Statistisches Bundesamt, Fachserie 15 Heft 4, Wirtschaftsrechnungen, EVS, Einnahmen und Ausgaben privater Haushalte unter www.destatis.de) belegen.

Ausweislich dieser Stichprobe geben Bezieher niedriger Einkommen – abgesehen von der Untergruppe der Beamten – nur minimale Beträge für private Krankenversicherungen aus. Es handelt sich insoweit also um Aufwendungen, die für Bezieher von Einkommen knapp unterhalb der Grundsicherungsgrenze gerade nicht zu den üblichen Vorsorgeaufwendungen gehören (vgl BSG aaO Rz 21).

Persönliche Lebensumstände der Klägerinnen zu 3) und 4), die eine privatärztliche Behandlung erfordern und bewirken könnten, dass die Zusatzversicherung ausnahmsweise angemessen sein könnte (vgl dazu BSG aaO Rz 21, 23), sind nicht ersichtlich; seitens der Bf ist hierzu auch nichts vorgetragen.

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2.5 – Landessozialgericht Baden-Württemberg Beschluss vom 24.10.2011, – L 13 AS 4526/11 B –

Bei der Beurteilung der Mutwilligkeit i.S.d. § 114 Satz 1 ZPO ist ein strenger Maßstab anzulegen.

Zu bejahen ist Mutwilligkeit allerdings bei Begehren, bei denen im objektiven Sinne die Rechtsverfolgung – bei Ausnutzung der Kostenfreiheit – missbräuchlich ist. Solches mit öffentlichen Mitteln zu unterstützen, kann einer Rechtsordnung nicht zugemutet werden (Anschluss an BSG, Beschluss vom 5. September 2005 – B 1 KR 9/05 BH – SozR 4-1500 § 73a Nr. 2).

Wird die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beantragt, obwohl ein Rechtverlust für den Antragsteller bzw. dessen Bevollmächtigte erkennbar überhaupt nicht droht, erweist sich die Rechtsverfolgung als missbräuchlich i.S.d. § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG und als mutwillig i.S.d. § 114 Satz 2 ZPO.

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3.   Entscheidung zur Arbeitsförderung nach dem (SGB III)

3.1 – Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Urteil vom 11. Mai 2011,- L 5 AS 62/08 –

Rückzahlungspflicht von Eingliederungszuschüssen

Ein dem Arbeitgeber geleisteter Eingliederungszuschuss muss zurückgezahlt werden, wenn der Arbeitnehmer schon während der Nachbeschäftigungszeit entlassen wird.

Dies gilt aber nicht, wenn die Kündigung nach dem Kündigungsschutzgesetz zulässig war.

Ein Arbeitgeber hatte für sieben Monate die Hälfe der Lohnkosten als Zuschuss erhalten. Er kündigte dem Arbeitnehmer schon kurz nach dem Ende der Förderung; der wehrte sich nicht dagegen. Die Behörde forderte daraufhin 1.800 € vom Arbeitgeber zurück. Seine Klage gegen die Rückforderung blieb erfolglos.

Die Richter sahen in den unterschiedlichsten und widersprüchlichen Vorwürfen gegen den Arbeitnehmer keine nachgewiesenen Kündigungsgründe. Auch wenn für den Arbeitgeber als Kleinunternehmer das Kündigungsschutzgesetz nicht gelte, hätten die Voraussetzungen einer sozial gerechtfertigten Kündigung erfüllt sein müssen. Die Berufsausübungsfreiheit sei dadurch nicht verletzt, weil der Arbeitgeber auf eine Förderung des Beschäftigungsverhältnisses hätte verzichten können.

www.asp.sachsen-anhalt.de

Anmerkung: vgl. dazu auch den Beitrag im Blog von RA L. Zimmermann

Erfolgt die Beendigung einer Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung (§ 16d S 2 SGB 2) durch den Maßnahmenträger und nicht durch das Jobcenter, muss die auf Fortführung des Einsatzes gerichtete Klage gegen den Maßnahmenträger gerichtet werden.
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4.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)

4.1 – Bayer. Landessozialgericht Beschluss vom 2.11.2011 – L 8 SO 164/11 B ER (Sozialgericht Augsburg S 15 SO 110/11 ER) sowie Bayer. Landessozialgericht Beschluss vom 2.11.2011 – L 8 SO 165/11 B ER (Sozialgericht Augsburg S 15 SO 111/11 ER).

Im Eilverfahren kein Sozialhilfeanspruch auf Gebärdensprachdolmetscher

Behinderte Kinder sind alltäglicher integrativer Teil unserer Gesellschaft. Inklusive Schulen mit Klassen, in denen behinderte und nichtbehinderte Kinder gleichen Unterricht erhalten, zählen mittlerweile zum gesetzlichen Entwicklungsziel aller Schulen.

Was aber bedeutet diese Zielsetzung im konkreten Einzelfall? Das Bayerische Landessozialgericht hatte in zwei Eilverfahren zu entscheiden, welche Leistungen die Sozialhilfe in den Fällen zweier gerade eingeschulter sechsjähriger gehörloser Mädchen zu erbringen hat.

Ausgangspunkt und Hintergrund der Entscheidung

Die beiden Kinder hatten seit dem Kindergartenalter eine schulvorbereitende Fördereinrichtung mit Schwerpunkt Hören besucht. Dort hatte man die Einschulung in eine Förderschule empfohlen. Die Eltern aber hatten sich für einen inklusiven Unterricht entschieden, also den Besuch einer Grundschule mit Hilfe von Gebärdensprachdolmetschern für ihre Töchter.

Die Übernahme der Dolmetschervergütung iHv gut 5.000 €/Monat hatte der Sozialhilfeträger wegen der hohen Kosten abgelehnt. Dagegen richteten sich die Eilanträge, über die das Bayerische Landessozialgericht mit Beschlüssen vom 2. November 2011 letztinstanzlich entschieden hat.

Der Beschluss des Gerichts

Kinder sollen in der Schule nicht nur formale Fähigkeiten wie Rechnen, Lesen und Schreiben erlernen, sondern sie sollen durch Bildung Teil unserer sozialen und kulturellen Welt werden. Dazu erwerben sie kommunikative Kompetenzen; sie lernen, Verantwortung in der Klassengemeinschaft zu tragen sowie Ursache und Wirkung sozialen Verhaltens zu erkennen. Zur Erreichung dieser Ziele steht den Kindern im konkreten Fall zunächst der empfohlene Weg über die Förderschule zur Verfügung. Wenn aber die steuerfinanzierte Sozialhilfe den von den Eltern gewählten Weg eines inklusiven Unterrichts fördern soll, dann muss das gesetzliche Erfordernis der Angemessenheit erfüllt sein. Diese richtet sich nicht in erster Linie an einem Kostenvergleich aus, sondern an der Bewertung, wie die Bildungsziele am Besten erreicht werden können. Im Vergleich von Förderschule und inklusivem Unterricht ist entscheidend, dass das gesetzgeberische Ziel der inklusiven Schule heute noch nicht erreicht ist, also eine Übergangsphase besteht.

Eine Regelschule mit Gebärdensprachdolmetscher allein kann aber für die gehörlosen Kinder nicht in gleichem Maße wie die Förderschule sicherstellen, dass sie das Ziel der Teilhabe an der Gesellschaft erreichen.

Damit scheidet eine Orientierung an dem nur kurzfristigen Ziel der Integration in die Regelschule aus. Der Sozialhilfeträger kann deshalb jedenfalls im Rahmen des Eilverfahrens nicht zur Kostenübernahme für die Gebärdensprachdolmetscher verpflichtet werden.

Ergänzend hat das Bayerische Landessozialgericht darauf hingewiesen, dass der Eilantrag auch daran scheitere, dass die Gefahr eines irreparablen Bildungsrückstands durch den Besuch der Förderschule nicht erkennbar sei.

Auswirkung der Entscheidung

Auch in der derzeitigen Übergangsphase, in der das Ziel der Inklusion noch nicht erreicht ist und der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen programmatische Bedeutung zukommt, bedarf es aktuell fassbarer Kriterien, um die Angemessenheit von Eingliederungsleistungen zu bestimmen.

Dafür hat das Bayerische Landessozialgericht klare Fingerzeige gegeben. In Fällen schulischer Bildung von behinderten Kindern hat sich die Angemessenheit an dem Teilhabeziel der Bildung auszurichten und nicht am sog. Mehrkostenvorbehalt.

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5.   Entscheidung der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

5.1 – Sozialgericht Dresden Urteil vom 04.10.2011, – S 38 AS 4463/10 –

Die Frage ob Hilfebedürftige, die eine Ausbildung im Rahmen einer Rehabilitierungsmaßnahme nach §§ 97 ff. SGB III absolvieren, von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen sind, wird in der Rechtsprechung streitig behandelt.

Der Bezug von Leistungen zur Teilhabe von Arbeitsleben nach §§ 97ff. SGB III steht einer Leistungsberechtigung nach § 7 SGB II nicht entgegen, so urteilte das Sozialgericht Dresden mit Urteil vom 04.10.2011, – S 38 AS 4463/10 –

Ohne weitere Begründung hat das LSG NRW (Beschluss vom 13.07.2010, Az. L 6 AS 587/10 B ER) einen Leistungsausschluss bejaht, weil die Ausbildung dem Grunde nach förderfähig sei. Dem Umstand, dass es sich auch um eine Rehabilitationsmaßnahme handelte, hat es keine Rechnung getragen. Die 36. Kammer des SG Dresden (Urteil vom 12.05.2010, Az. S 36 AS 1891/08) geht davon aus, der Leistungsausschluss sei, wenn auch nicht ausdrücklich in § 7 Abs. 5 SGB II normiert aus einem Umkehrschluss des § 22 Abs. 7 SGB II herzuleiten, denn danach könnten auch Auszubildende, die Ausbildungsgeld beziehen, einen Zuschuss zu ihren ungedeckten angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung erhalten.

Nach Auffassung des SG Chemnitz (Urteil vom 01.04.2009, Az. S 22 AS 3533/07) kommt es allein auf die Förderfähigkeit der Ausbildung, nicht auf die Förderungsfähigkeit der auszubildenden Person an. Deshalb sei es nicht maßgeblich, ob der Auszubildende Berufsausbildungsbeihilfe gemäß § 60 ff. SGB III bzw. gemäß §§ 97 Abs. 1, 98 Abs. 1 Nr. 1, 100 Nr. 5 SGB III als allgemeine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalte oder mit Ausbildungsgeld gemäß §§ 97 Abs. 1, 98 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 102 Abs. 1, 103 S. 1 Nr. 2, 104 SGB III gefördert werde. Hinzu komme, dass sich der Leistungsausschluss auch aufgrund der Vorschrift des § 22 Abs. 7 SGB II ergebe. Der Gesetzgeber sei selbst davon ausgegangen, dass auch Bezieher von Ausbildungsgeld vom Ausschluss betroffen sein können.

Das Gericht folgt jedoch der Auffassung, wonach in Fällen, wie dem vorliegenden, ein Leistungsausschluss nicht besteht (vgl. LSG Hessen, Urteil vom 24.11.2010, Az. L 6 AS 168/08; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 10.03.2009, Az. L 20 AS 47/09 B ER).

Einigkeit besteht bei allen Entscheidungen – auch den ablehnenden – insoweit, als dass der Ausschluss sich nicht aus § 7 Abs. 5 SGB II ergibt. Zum einen werden die §§ 97 ff. SGB III nicht ausdrücklich genannt, zum anderen galt der Leistungsausschluss des § 26 BSHG, der vor Einführung des SGB II maßgeblichen Vorschrift, nicht für Eingliederungsmaßnahmen nach §§ 97 ff. SGB III

Soweit der Gesetzgeber bei Einführung des § 22 Abs. 7 SGB II davon ausging, Auszubildende, die Ausbildungsgeld nach dem SGB III beziehen, seien gleichermaßen von dem Anspruchsausschluss nach § 7 Abs. 5 S. 1 SGB II betroffen, wie Schüler, Studierende oder Auszubildende, die Leistungen nach dem BAföG oder BAB beziehen (vgl. BT-Drs. 16/1410, S. 24), hat bereits das LSG Hessen (a.a.O.) ausgeführt und begründet, dass es sich um einen Irrtum des Gesetzgebers handelt. Die Kammer schließt sich dieser Auffassung an. Wenn weder § 26 BSHG noch § 7 Abs. 5 SGB II vor Einführung des § 22 Abs. 7 SGB II dahingehend verstanden wurden, dass Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben unter den Leistungsausschluss gefasst wurden, kann nicht durch Einführung einer Vorschrift, die sich allein auf die Kosten der Unterkunft bezieht, § 7 Abs. 5 SGB II dahingehend interpretiert werden, dass er einen grundsätzlichen Leistungsausschluss auch für Maßnahmen zur Teilhabe am Arbeitsleben enthält.

Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 07.05.2009, Az. B 14 AS 14/08 R) gehört das Nutzungsentgelt für Einrichtungsgegenstände zu den Leistungen für Unterkunft und Heizung, wenn die Wohnung nur mit dem Zuschlag anmietbar war und der Mietpreis sich auch unter Einschluss des Zuschlags noch innerhalb des Rahmens der Angemessenheit für den maßgeblichen Wohnort hält.

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Anmerkung: vgl. dazu auch den Beitrag im Blog von RA L. Zimmermann

Landessozialgericht Hamburg Beschluss vom 06.07.201, – L 5 AS 191/11 B ER –

Eine als Teilhabe am Arbeitsleben von der Bundesagentur für Arbeit geförderte Ausbildung zum Kaufmann für Bürokommunikation schließt den Anspruch auf SGB II-Leistungen nicht aus.
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6.   Sozialgericht Dortmund: Kosten-der-Unterkunft (KdU) – Berechnung des Jobcenter Bochum nicht in Einklang mit BSG-Rechtsprechung

Wie das Sozialgericht Dortmund jetzt in einem „Hinweis“ an das Jobcenter Bochum feststellt, „… dürfte die von Ihnen vorgenommene Methode der Berechnung der Betriebskosten nicht in Einklang mit der Rechtsprechung des BSG stehen. Gleiches dürfte für die Heizkosten gelten…. “.

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Anmerkung: vgl. dazu auch den Beitrag im Blog von RA L. Zimmermann

Beträgt die angemessene Wohnfläche für einen Singel in NRW 45 oder 50 Quadratmeter- neues Verfahren beim 4. Senat des Bundessozialgerichts anhängig

Können bei der Prüfung der abstrakt angemessenen Unterkunftskosten gem § 22 Abs 1 S 1 SGB 2 bei der Anwendung eines Mietspiegels zur Bestimmung des unteren Bereichs der marktüblichen Wohnungsmiete pauschal die Mindestwerte ausgewiesener Preisspannen zugrunde gelegt werden oder sind die Mittelwerte bzw Mediane der Wohnungskategorien eines unteren Standards maßgebend?
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Der 4. Senat des BSG muss in Kürze für alle Hartz IV- Empfänger in NRW folgende Frage beantworten: Sind für eine Einzelperson 50 qm oder bis 47 qm angemessen in Nordrhein- Westfalen ?

19. Senat des Landessozialgerichts NRW geht auf 50 qm Wohnungsgröße

Landessozialgericht Nordrhein- Westfalen, Urteil vom 16.05.2011, – L 19 AS 2202/10 -,Revision anhängig beim BSG unter dem AZ.: – B 4 AS 109/11 R –

50 qm Wohnfläche für alleinstehende Hartz-IV-Bezieher
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Autor des Rechtsprechungstickers: Willi 2 von Tacheles

Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de