Beschluss
In dem Verwaltungsstreitverfahren
des Herrn xxx
– Kläger –
gegen
xxx
– Beklagter –
wegen
Polizeirechts
hat die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Meiningen durch den xxx des Verwaltungsgerichts xxx, den Richter am Verwaltungsgericht xxx und die Richterin am Verwaltungsgericht xxx am 16. November 2011 beschlossen:
Dem Kläger wird Prozesskostenhilfe ab Klageerhebung gewährt. Ihm wird Rechtsanwalt Adam, Göttingen beigeordnet, wobei keine höheren Kosten als bei Vertretung durch einen im Gerichtsbezirk des Verwaltungsgerichts Meiningen ansässigen Rechtsanwalt entstehen dürfen.
Gründe:
Gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO ist einer Partei auf Antrag Prozesskostenhilfe zu gewähren, wenn sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann und wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist dem Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten stattzugeben.
Die Kosten des Verfahrens kann die Klägerseite nicht aufbringen, die Nachweise nach § 117 Abs. 2 ZPO wurden vorgelegt.
Die Prüfung der Erfolgsaussichten der Klage darf nicht überspannt werden, insbesondere darf § 114 Satz 1 ZPO nicht dahingehend ausgelegt werden, dass noch nicht hinreichend geklärte Rechtsfragen im Prozesskostenhilfeverfahren entschieden werden (BVerfG, B. v. 12.01.1993, Az.: 2 BvR 1584/92, Juris). Das Grundgesetz gebietet eine weitgehende Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes. Art 3 Abs. 1 GG stellt die Beachtung dieses Gebots der Rechtsschutzgleichheit unter grundrechtlichen Schutz. Eine Auslegung von § 114 Satz 1 ZPO dahin gehend, dass auch schwierige, noch nicht geklärte Rechtsfragen im Prozesskostenhilfeverfahren durchentschieden werden können, würde die Bedeutung der Rechtsschutzgleichheit verkennen (BVerfG, B. v. 13. 3, 1990, Az: 2 BvR 94/88, BVerfGE 81, 347= DVBI 1990, 926 = NJW 1991, 413). Ein Auslegungsmaßstab, durch den einer unbemittelten Partei im Vergleich zur bemittelten die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung unverhältnismäßig erschwert wird, wäre demgemäß mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht vereinbar.
Prozesskostenhilfe ist damit immer dann zu gewähren, wenn im Verfahren entweder noch nicht hinreichend geklärte Rechtsfragen zu entscheiden sind oder das Gericht zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Prozesskostenhilefeantrag nicht absehen kann, wie der Rechtstreit ausgehen wird, weil die Beurteilung des Sachverhalts rechtlich schwierig ist oder der Sachverhalt noch etwa durch eine Beweisaufnahme aufklärungsbedürftig ist, und somit der Ausgang des Rechtsstreits noch offen ist.
Die Klage hat hinreichende Aussicht auf Erfolg. Nach dem derzeitigen Erkenntnisstand des Gerichts spricht alles für eine Zulässigkeit und Begründetheit der Klage.
Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage analog § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig. Vorliegend hat sich das Verfahren mit Erlass des Verwaltungsaktes bezüglich der Löschung der Bilder auf der Kamera und der Feststellung der Personalien oder durch den unmittelbar sich anschließenden Vollzug also vor Klageerhebung erledigt. Auch in solchen Fällen ist die Fortsetzungsfestellungsklage zulässig, da andernfalls Rechtsschutz unter Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG unmöglich wäre.
Der Kläger hat auch ein berechtigtes Interesse an. der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Verwaltungsakte, weil Wiederholungsgefahr besteht. Dies ergibt sich unter anderem auch daraus, dass die Behörde in der Klageerwiderung deutlich gemacht hat, dass sie in derartigen Fällen die gewählte Vorgehensweise für richtig und veranlasst hält und damit deutlich wird, dass sie auch in Zukunft so verfahren wird.
Das Gericht wird aller Voraussicht nach im Urteil zu dem Ergebnis kommen, dass die Klage auch begründet ist, weil das Vorgehen der Polizeibeamten rechtswidrig war.
Die Besonderheit des vorliegenden Falles ist dabei, dass keine Behördenakten vorliegen. Nach Aussagen der Behörde trotz Hinweises des Gerichts wurden über die Vorgänge zwischen dem Kläger und dem Polizeibeamten keine Vermerke angefertigt. Erst über einen Monat später nach Klageerhebung wurde, wohl zur Vorbereitung der Klageerwiderung von einem Polizeibeamten eine Sachverhaltsschilderung erstellt. Darüber hinaus liegen schriftliche Berichte der Polizeidirektion Gotha vom 25.07. und 27.07.2011 gegenüber dem Thüringer Innenministerium vor. Diese wurden von Polizeibeamten des höheren Dienstes verfasst, die an dem streitigen Vorgang nicht direkt beteiligt waren.
Unter diesen Umständen kommt der Schlüssigkeit des Vorbringens der Beteiligten erhöhte Bedeutung bei.
Der Sachvortrag des Klägers ist in sich schlüssig. Er macht geltend, dass er einen Polizeieinsatz am Rande der Demonstration gegen den Deutschen Burschentag fotografiert habe um sicherzustellen, „dass gegebenenfalls Beweise vorliegen, sollte die betroffene Person eine Strafanzeige gegen die Polizeibeamten fertigen wollen”. Er habe zu diesem Zweck in einen Hauseingang hinein fotografiert, in dem die Polizeimaßnahme stattfand. Daraufhin hätten ihn die Polizeibeamten festgehalten und gezwungen, das Foto und auch weitere an diesem Tag zuvor gefertigten Fotos per Hand zu löschen. Schließlich seien seine Personalien festgestellt worden.
Dem gegenüber ist der Sachvortrag des Beklagten schwierig nachzuvollziehen. Tatsächlich wird in den Klageerwiderungsschriftsätzen vom 28.07.2011 und 25.10.2011 ausgeführt, die Anordnung zum Löschen der Bilder beruhe auf § 12 Abs. 1 PAG und sei ein Verwaltungsakt. Dieser habe dem Schutz der Beamten gedient. Es sei zu befürchten gewesen, dass Portraitfotos der Beamten verbreitet im Sinn von §§ 22, 23 Kunsturhebergesetz werden sollten. Der Verbreitung habe ein berechtigtes Interesse der Einsatzkräfte entgegengestanden. Dem entgegen wird in den dem Gericht vorgelegten Schriftsätzen der Polizeidirektion Gotha vom 27.07.2011 ausgeführt, die Löschung der Bilder sei durch den Kläger freiwillig erfolgt, so dass kein Eingriff vorliege. Die gleiche Auffassung befindet sich auch im Schreiben der Polizeidirektion Gotha vom 25.07.2011. Auch in der Sachverhaltsschilderung vom 22.07.2011 wurde auf die Freiwilligkeit hingewiesen. Damit ist der Sachvortrag des Beklagten in sich erheblich widersprüchlich.
Selbst wenn man der Auffassung des Beklagten folgt, indem man die Äußerungen über die Freiwilligkeit dahingehend auslegt, dass es keines Zwangs zur Durchsetzung der Anordnung bedurfte, kann eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung im Sinn des § 12 Abs. 1 PAG nicht erkannt werden. Es gibt keine Erkenntnisse dafür, dass der Kläger überhaupt beabsichtigt hätte, die Bilder, die er ursprünglich aufgenommen hatte, zu veröffentlichen.
Die Behauptung, die Angabe des Klägers in der Klageschrift, er habe beabsichtigt die Bilder den von einer Polizeimaßnahme Betroffenen zur Untermauerung einer möglichen Strafanzeige zur Verfügung zu stellen, belege, dass „beim Kläger die Vermutung zur Rechtstreue nicht gegeben” sei, kann nicht nachvollzogen werden. In der Tat wird in der Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass unter bestimmten Umständen unterstellt werden könnte, dass von Pressefotografen gefertigte Aufnahmen auch veröffentlicht werden (vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 10.07.2000, Az.: 1 S 2239/99 = NVwZ 2001, 1292). Voraussetzung für eine Maßnahme sind objektivierbare Anhaltspunkte dafür, das eine Veröffentlichung im konkreten Fall geplant ist. Es kann aber nicht davon ausgegangen werden, dass im Sinne von §§ 22, 23 Kunsturhebergesetz unzulässige Lichtbilder stets auch verbreitet werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 14.07.1990, Az.: 6 C 7/98 = NVwZ 2000, 63). Hierfür reicht es nicht aus, dass generell derartige Aufnahmen von Polizeibeamten häufiger im Internet veröffentlicht werden. Vielmehr ist ein konkreter Bezug auf den Einzelfall nötig. Dieser kann auch wie bei Pressefotografen möglicherweise im Beruf des Betreffenden liegen, da es offensichtlich der Sinn der Tätigkeit von Pressefotografen ist, Fotografien zum Zwecke der Veröffentlichung zu fertigen. Einen derartigen Bezug gibt es beim Kläger jedoch nicht. Er wurde auch nicht einmal behauptet.
Auch aus der Tatsache, dass bei einem zweiten Antreffen des Klägers, zeitlich nach dem ersten Vorgang, dieser sich zunächst rasch entfernte, dann aber festgehalten wurde, ergibt sich derartiges nicht.
Auch die Feststellung der Personalien des Klägers war damit rechtswidrig, weil eine Gefahr im Sinn des § 14 Abs. 1 Nr. 1 PAG nicht vorlag. Auf diese Vorschrift hat sich aber der Beklagte zur Begründung der Anordnung berufen. Andere Gründe für eine Feststellung der Personalien des Klägers sind auch nicht ersichtlich.
Dem Kläger war somit Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Bevollmächtigten zu bewilligen, wobei die Prozesskostenhilfe nach § 173 VwGO i.V.m. § 121 Abs. 3 ZPO zu begrenzen war.
Es folgt die Rechtsmittelbelehrung.