Nicht amtlicher Leitsatz:
Das so genannte F+B-Gutachten aus dem Monat März 2009 stellt für Göttingen und die Umgebung kein schlüssiges Konzept zur Ermittlung von Angemessensheitsgrenzen für Kosten der Unterkunft im Bereich des Existenzsicherungsrechts dar. Stattdessen sind die Angemessenheitsgrenzen anhand der Werte in § 12 WoGG unter Zuschlag von 10% zu bestimmen.
Volltext:
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
1. xxx,
2. xxx,
3. xxx,
Kläger,
Prozessbevollmächtigte:
zu 1-3: Rechtsanwalt Sven Adam, Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen,
gegen
xxx,
Beklagter,
hat das Sozialgericht Hildesheim – 23. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 9. Dezember 2011 durch die Vorsitzende, die Richterin xxx am Sozialgericht xxx sowie die ehrenamtlichen Richter xxx und xxx, für Recht erkannt:
1. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 12. April 2010 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 12. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. September 2010 für den Zeitraum vom 1. April 2010 bis zum 30. September 2010 verurteilt, den Klägern zu 2. und 3. jeweils weitere monatliche SGB II-Leistungen in Höhe von 30,– € zu gewähren und den Klägern zu 1. , 2. und 3. insgesamt weitere monatliche Leistungen auf die Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 65,– € zu gewähren.
2. Der Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger zu tragen.
3. Die Berufung wird wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen die Nichtberücksichtigung der Versicherungspauschale sowie die Höhe der berücksichtigten Kosten für Unterkunft und Heizung im Zeitraum vom 1. April 2010 bis zum 30. September 2010.
Die Kläger stehen im laufenden Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Sozialgesetzbuch (SGB II).
Mit Bescheid vom 12. April 2010 bewilligte der xxx den Klägern Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. April 2010 bis zum 30. September 2010. Für die Kosten der Unterkunft und Heizung berücksichtigte der xxx hierbei eine Brutto-Kaltmiete in Höhe von 445,– € für die Kläger insgesamt sowie Heizkosten in Höhe von insgesamt 56,– € abzüglich einer Warmwasserpauschale in Höhe von insgesamt 16,83 €. An Einkommen berücksichtigte der xxx für die Kläger zu 2. und 3. jeweils Kindergeld in Höhe von 186,– € monatlich.
Die Kläger hatten im streitgegenständlichen Zeitraum ausweislich des Mietvertrages vom 17. August 2006 eine Bruttokaltmiete in Höhe von 510,– € (BI. 6 Verwaltungsakte, VA) sowie ausweislich der Rechnung der E.ON Vertrieb GmbH vom 18.10.2009 (enthalten im unpaginierten Teil der VA) Heizkosten in Höhe von 56,– € zu entrichten.
Mit Änderungsbescheid vom 12. Juli 2010 berücksichtigte der xxx für die Kläger zu 2. und 3. für den streitgegenständlichen Zeitraum Einkommen aus Kindergeld in Höhe von jeweils 184,– € monatlich.
Gegen den Bescheid vom 12. April 2010 legten die anwaltlich vertretenen Kläger am 15. April 2010 Widerspruch ein. Für xxx, Ortsteil xxx, bestünde kein Mietspiegel und auch keine grundsicherungsrelevante valide Mietdatenbank, weshalb die Werte der Tabelle nach § 12 Wohngeldgesetz zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze der Kosten der Unterkunft heranzuziehen seien.
Mit Widerspruchsbescheid vom 6. September 2010 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Zutreffend seien den Klägern unter Berücksichtigung eines Wohnflächenmehrbedarfs für Alleinerziehende Kosten der Unterkunft in Höhe von 445,– € monatlich bewilligt worden. Das entspreche auch einem Gutachten, das der Beklagte durch die Firma F+B GmbH habe erstellen lassen. Die dem Gutachten zugrunde liegenden Daten seien in mehreren Schritten im Laufe des Jahres 2008 ermittelt worden.
Hiergegen haben die Kläger am 22. September 2010 Klage vor dem Sozialgericht Hildesheim erhoben.
Der Beklagte habe keinen Nachweis dafür erbracht, dass die hier offenbar zugrunde gelegten Werte der rechten Spalte der alten Wohngeldtabelle gemäß § 8 Wohngeldgesetz die Angemessenheitsgrenze für xxx darstellen. Der Beklagte sei seiner Darlegungs- und Beweislast im Hinblick auf die angemessenen Kosten der Unterkunft bislang nicht nachgekommen. Bei dem F+B-Gutachten handele es sich nicht um eine grundsicherungsvalide Erhebung hinsichtlich der Göttinger Wohnstruktur.
Mit Schriftsatz vom 16. November 2010 hat der Prozessbevollmächtigte der Kläger eine „Stellungnahme zu dem Gutachten zur Feststellung angemessener Unterkunftskosten im Sinne von § 22 Abs. 1 SGB II im Landkreis Göttingen der Firma F+B aus Hamburg von März 2009″ eingereicht. Das Gutachten fuße nicht auf einem schlüssigen Konzept. Und zwar weder im Hinblick auf die Datenerhebung noch der Hochrechnung der Ergebnisse noch der im Rahmen der Auswertung gezogenen Schlüsse. Wegen der Einzelheiten der Stellungnahme wird auf Blatt 92 ff. der Gerichtsakte (GA) Bezug genommen.
Die Kläger beantragen,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides des Beklagten vom 12. April 2010 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 12. Juli 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. September 2010 zu verurteilen, den Klägern insgesamt zusätzlich monatlich SGB II-Leistungen in Höhe von 125,– € zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen und die Berufung zuzulassen.
Zur Begründung verweist der Beklagte auf die Gründe des Widerspruchsbescheides und nimmt Bezug auf das F+B-Gutachten zur Feststellung angemessener Unterkunftskosten im Landkreis Göttingen, dass eine Angemessenheitsgrenze der Brutto-Kaltmiete für die Gemeinde xxx für einen Vier-Personen-Haushalt bei 446,– € ermittelte. Wegen der Einzelheiten des Gutachtens wird auf Blatt 42 ff. GA Bezug genommen.
Der Beklagte hat ergänzend zum Gutachten vorgetragen:
Man habe sich entschlossen, bei der Erstellung des schlüssigen Konzeptes auf den Gesamt-Wohnungsbestand abzustellen und dann eine Kappungsgrenze zur Bestimmung der Angemessenheitsgrenze zu setzen. Es seien Wohnungen des einfachen, mittleren und gehobenen Standards erfasst worden. Entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) sei der Gegenstand der Beobachtung nachvollziehbar definiert worden. Denn die Wertung, was angemessen sei, wurde nicht schon bei der Auswahl des zu untersuchenden Wohnungsbestandes getroffen. Die einbezogenen Daten seien auch repräsentativ. Es seien mehr als die vom BSG geforderten 10 % des regional in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestandes in die Auswertung eingeflossen. Die Datenbasis aus dem Jahr 1987 sei zugrunde gelegt worden, da es aktuellere Daten nicht gebe. Die F+B GmbH habe sich an den anerkannten Grundsätzen zur Erstellung qualifizierter Mietspiegel orientiert. Auch die Wahl des 33 %-Quantils als Kappungsgrenze sei nicht zu beanstanden. Es sei im Übrigen noch darauf zu verweisen, dass das Gericht erst nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten eine Beweislastentscheidung treffen könne. Insofern sei das BSG auch dahingehend zu verstehen, dass eine Zusammenarbeit zwischen Gericht und ermittelnder Behörde zu erfolgen hat. Wegen der Einzelheiten des Beklagtenvortrages wird auf den Schriftsatz vom 14. November 2011, Blatt 121 ff. GA, sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 9. Dezember 2011 Bezug genommen.
In der mündlichen Verhandlung vom 9. Dezember 2011 hat der Beklagte beantragt für den Fall, dass das Gericht dem Beklagtenvortrag nicht folgt
– zum Beweis dafür, dass das Gutachten der F+B-GmbH auf einer repräsentativ großen Datenbasis beruht, die Einholung eines Sachverständigengutachtens
– zum Beweis dafür, dass das Gutachten der F+B-GmbH ohne Berücksichtigung von in Ein- und Zwei-Familienhäusern gelegenen Wohnungen sowie von Wohnungen mit einer Wohnungsgröße von bis zu 20 qm Gesamtwohnfläche auf einer repräsentativen Datenbasis beruht, die Einholung eines Sachverständigengutachtens erst dann.
– zum Beweis dafür, dass durch das Gutachten der F+B-GmbH die Netto-Kaltmieten und kalten Betriebskosten wissenschaftlichen Ansprüchen genügend ermittelt und ausgewertet worden sind, die Einholung eines Sachverständigengutachtens.
-zum Beweis dafür, dass bei der Erstellung des Gutachtens der F+B-GmbH die anerkannten mathematisch-statistischen Grundsätze eingehalten sind, die Einholung eines Sachverständigengutachtens.
– zum Beweis dafür, dass das Gutachten der F+B-GmbH den Wohnungsbestand und die Mieten im Gebiet des Landkreises Göttingen richtig abbildet, xxx, zu laden über die F+B-GmbH, Adenauerallee 28, 20097 Hamburg, zu hören.
– zum Beweis dafür, dass die von der F+B-GmbH als Grundlage für das Gutachten zur Ermittlung der angemessenen Unterkunftskosten ermittelten Daten auch für den streitgegenständlichen Zeitraum Aussagekraft haben, die Hinzuziehung eines Sachverständigen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakte des Beklagten zu diesem Verfahren und die Verwaltungsakten des Beklagten, beigezogen aus der 24., 45. und 55. Kammer des Sozialgerichts Hildesheim, verwiesen, die dem Gericht vorgelegen haben und Grundlage der Entscheidungsfindung geworden sind.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist begründet.
A.
Der Bescheid vom 12.04.2010 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 12.07.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.09.2010 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten; § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Kläger haben gem. §§ 7, 19, 20, 22 SGB II Anspruch auf höhere Leistungen im streitgegenständlichen Zeitraum. Ihnen stehen insgesamt Kosten der Unterkunft und Heizung in Höhe von 549,17€ zu; abzüglich der bereits bewilligten Kosten iHv 484,17€ haben die Kläger daher Anspruch auf weitere 65,- € monatlich und zwar hiervon die Klägerin zu 1. und der Kläger zu 2. auf jeweils 21,67€ und der Kläger zu 3. auf 21,66 € Den Klägern zu 2. und 3. stehen weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von jeweils 30,00 € zu, denn unzutreffend hat der Beklagte die Versicherungspauschale nicht vom Einkommen aus Kindergeld der volljährigen Kläger abgesetzt.
Im Einzelnen:
Die Kläger zu 2. und 3. haben Anspruch auf weitere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts iHv jeweils 30,- € monatlich.
Gem. § 11 SGB II iVm § 6 der Arbeitslosengeld ll-Verordnung (i.d.F. v. 23.07.2009) ist von dem Einkommen aus Kindergeld iHv 184,- € der beiden volljährigen, in Bedarfsgemeinschaft mit der Klägerin zu 1. lebenden Kläger zu 2. und 3. monatlich eine Pauschale für Versicherungen iHv 30,- € abzusetzen mit der Folge, dass vom Einkommen nur 154,- € jeweils anrechnungsfähig sind. Das hat der Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid unterlassen.
Auf die Kosten der Unterkunft und Heizung gem. § 22 SGB II sind den Klägern insgesamt weitere 65,- € monatlich zu bewilligen.
1.
Zutreffend hat der Beklagte den Klägern monatliche Heizkosten iHv 56,- € abzüglich einer Pauschale für die Warmwasserbereitung in Höhe von 16,83 € insgesamt bewilligt. Das entspricht den tatsächlichen Kosten der Kläger für die Gasversorgung ausweislich der Abschlagsmitteilung der E.ON Vertrieb GmbH vom 18.10.2009.
2.
Streitig ist allein die Höhe der zu bewilligenden Netto-Kaltmiete zuzüglich der kalten Betriebskosten, sog. Brutto-Kaltmiete.
KdU werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind; vgl. § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II. Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des Hilfebedürftigen so lange zu berücksichtigen, wie es dem Hilfebedürftigen nicht möglich oder zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate; § 22 Abs. 1 S. 2 SGB II. Die Prüfung der Angemessenheit begrenzt die erstattungsfähigen Kosten der Höhe nach (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.2009, Az. B 4 AS 18/09 R). Es handelt sich bei der “Angemessenheit” um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegt (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006, Az. B 7b AS 10/06 R). Die Bestimmung der Angemessenheit hat nach ständiger Rechtsprechung des BSG in mehreren Stufen zu erfolgen. Zunächst sind die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche Vergleichsraum festzulegen. In einem weiteren Schritt ist zu ermitteln, wie viel auf dem Wohnungsmarkt des Vergleichsraums für eine Wohnung einfachen Standards aufzuwenden ist. Ziel der Ermittlungen ist der Quadratmeterpreis für Wohnungen einfachen Standards, der nach Maßgabe der Produkttheorie mit der angemessenen Quadratmeterzahl zu multiplizieren ist. Das Ergebnis ist die regional angemessene Miete (vgl. BSG, Urteil vom 22. September 2009, Az. 18/09 R).
a)
Die Gemeinde xxx hat die Kläger mit einem Merkblatt zum Erstbescheid vom 8. August 2006 über die nach ihrer Auffassung unangemessenen Unterkunftskosten informiert (BI. 21 VA), sodass in dem hier streitigen Zeitraum die höchstens sechsmonatige Übergangszeit für die Berücksichtigung der tatsächlichen Kosten bereits abgelaufen war und nicht aus diesem Grund die tatsächlichen Unterkunftskosten zu bewilligen waren.
b)
Zutreffend hat der Beklagte bei den drei Klägern die angemessene Wohnflächengrenze für einen Vier-Personen-Haushalt zugrunde gelegt und bei der Klägerin zu 1. einen Wohnflächenmehrbedarf für Alleinerziehende entsprechend der Richtlinie über die Soziale Wohnraumförderung in Niedersachsen (Wohnraumförderungsbestimmungen -WFB-; vgl. Punkt B.11. Angemessene Wohnflächen) berücksichtigt. Dem steht nicht entgegen, dass die Kläger zu 2. und 3. im streitgegenständlichen Zeitraum mit 21 bzw. 19 Jahren (nach den jeweiligen Geburtstagen dann 22 und 20) bereits volljährig waren. Alleinerziehung endet nicht begriffsnotwendig mit der Volljährigkeit des Kindes wie z.B. die steuerrechtliche Berücksichtigungsfähigkeit eines Kindes bis 21 Jahren zeigt (vgl. § 24 b und § 32 Einkommenssteuergesetz). Dass demgegenüber der Mehrbedarf für Alleinerziehende gem. § 21 SGB II ausdrücklich auf die Minderjährigkeit des Kindes abstellt, ändert an dieser Beurteilung nichts, da die Vorschriften des SGB II einerseits und der Wohnbauförderrichtlinien andererseits unterschiedlichen Zwecken dienen. Die Kammer ist zu dem Ergebnis gelangt, dass das Merkmal der Alleinerziehung bei einem Kind bis 21 Jahren greift, was für den gesamten Streitzeitraum auf den Kläger zu 3. zutrifft.
c)
Entgegen der Auffassung des Beklagten ist es ihm allerdings nicht gelungen, dem Gericht nachvollziehbar darzulegen, wie hoch die regional abstrakt angemessene Wohnungsmiete ist.
aa)
Die Kammer hat zunächst keine Zweifel an der Bildung eines Vergleichsraumes für die Gemeinde xxx.
bb)
Zutreffend ist der Beklagte von einer angemessenen Wohnflächengrenze zwischen 75,01 und 85,00 qm für einen Vier-Personen-Haushalt ausgegangen. Das entspricht der abstrakt angemessenen Wohnungsgröße der nach der Rechtsprechung des BSG anwendbaren Richtlinie über die Soziale Wohnraumförderung in Niedersachsen (Wohnraumförderungsbestimmungen -WFB-; vgl. Punkt B.11. Angemessene Wohnflächen).
cc)
Die Ermittlung des nach Auffassung des Beklagten angemessenen Quadratmeterzinses für den angemessenen Wohnstandard für die Wohnungsgrößenklasse “75,01 bis zu 85,00 qm” basiert allerdings nicht auf einem schlüssigen Konzept. Das F+B-Gutachten bestätigt daher nicht, dass die vom Beklagten berücksichtigten Kosten die angemessenen Kosten im Sinne des § 22 SGB II sind. Dieses Gutachten ist mit grundlegenden Mängeln behaftet, die auch nicht im Sinne einer „Nachbesserung” mit Hilfe des Gerichts beseitigt werden können.
Nach der Rechtsprechung des BSG muss die Ermittlung der regionalen Angemessenheitsgrenze auf der Grundlage eines überprüfbaren schlüssigen Konzepts erfolgen, das die hinreichende Gewähr dafür bietet, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden (BSG, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/7b AS 44/06 R). Die Begrenzung der tatsächlichen Unterkunftskosten auf ein „angemessenes Maß” muss hinreichend nachvollziehbar sein. Das BSG definiert ein schlüssiges Konzept als “ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum und nicht nur ein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall” (BSG, Urteil vom 22. September 2009, Az. B 4 AS 18/09 R, Rz. 19).
Das BSG hat zu den Mindestvoraussetzungen eines schlüssigen Konzeptes folgende Vorgaben gemacht (aaO):
= Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung),
= es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, zB welche Art von Wohnungen – Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete <Vergleichbarkeit>, Differenzierung nach Wohnungsgröße,
= Angaben über den Beobachtungszeitraum,
= Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, zB Mietspiegel),
= Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,
= Validität der Datenerhebung,
= Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und
= Angaben über die gezogenen Schlüsse (zB Spannoberwert oder Kappungsgrenze).
Die im Jahr 2008 durch die F+B-GmbH erhobenen Daten erfüllen in wesentlichen Punkten nicht die vom BSG genannten Mindestanforderungen an ein schlüssiges Konzept.
Die 23. Kammer hält hierbei an ihrer Entscheidung im Verfahren zum Aktenzeichen S 23 AS 1062/06 nach erneuter eingehender Prüfung fest und nimmt vollumfänglich hierauf Bezug. In dem Urteil heißt es:
“Die Kammer ist nämlich zu der Auffassung gelangt, dass das F+B-Gutachten deswegen kein schlüssiges Konzept darstellt, weil bereits keine nachvollziehbare Definition des Gegenstandes der Beobachtung zugrunde liegt, die Art und Weise der Datenerhebung zu beanstanden ist, keine Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten gegeben ist und die Kappungsgrenze (33%-Quantil) nicht nachzuvollziehen ist.
Die Kammer stützt sich maßgeblich darauf, dass
– nicht der gesamte Wohnungsmarkt in die Datenerhebung mit eingeflossen ist,
– daher zu Unrecht auf die vorherige Definition des einfachen Wohnungsstandards verzichtet wurde,
– der Mietwohnungsbestand aus dem Jahr 1987 zugrunde gelegt und dann für das Jahr 2006 geschätzt wurde und
– die beim 33%-Quantil gezogene Kappungsgrenze nicht nachzuvollziehen ist.
Wie bereits vorangestellt, führt das BSG aus:
„Es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z.B. welche Art von Wohnungen – Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße.“
Nach den Vorgaben des BSG können sowohl Wohnungen aus dem Gesamtwohnungsbestand, also des einfachen, mittleren und gehobenen Standards als auch Wohnungen nur einfachen Standards in die Beobachtung einbezogen werden. Zulässig ist z.B. auch Wohnungen mit einer der Höhe nach begrenzten Miete einzubeziehen. Nicht zu berücksichtigen ist hingegen Wohnraum, der keinen zuverlässigen Aufschluss bieten kann wie z. B. Wohnheime (Urteil vom 22. September 2009, Az. B 4 AS 18/09 R).
Die Kammer bezweifelt, dass die Erfassung des gesamten Wohnungsmarktes die Differenzierung nach u.a. Lage und Ausstattungsmerkmalen entbehrlich macht. Anders als der Beklagte entnimmt sie diese Entbehrlichkeit auch nicht dem BSG-Urteil vom 22. September 2009. Die fehlende Differenzierung führt zu Folgeproblemen bei der Festlegung der Kappungsgrenze (dazu weiter unten). Das kann jedoch dahinstehen, da die Kammer bereits der Annahme des Beklagten nicht folgt, das F+B-Gutachten habe den gesamten Wohnungsmarkt erfasst. Der gesamte Wohnungsmarkt wurde nach Auffassung der Kammer deswegen nicht erfasst, weil Datenbereinigungen vorgenommen wurden, die nicht durchweg nachvollziehbar sind.
So sind bei der Bestandsmietenerhebung Wohnungen von bis zu 20 qm herausgenommen wurden, weil die F+B-GmbH davon ausgeht, dass es sich um Heimwohnungen handelt. Das hätte nach Auffassung der Kammer einer Überprüfung bedurft, die wegen der anonymisierten Befragung bei den Mietern nicht erfolgen konnte und daher unterblieben ist (vgl. S. 8 Gutachtens). Das Argument, dass es sich nicht zwangsläufig um Wohnheimwohnungen handeln muss, liefert das Gutachten selbst, indem es auf S. 8 heißt: “Ein Adressabgleich mit einigen im Rahmen der Angebotsmietenerhebung gewonnenen Informationen hat diese Vermutung teilweise bestätigt” Bedeutsam für die Rechtfertigung, diese Wohnungen aus dem Datensatz herauszunehmen, ohne dass es zu einer Verschiebung zu Lasten der Hilfeempfänger kommt, ist der Umfang von “teilweise”, der allerdings offen bleibt. Nach Auffassung der Kammer ist es ebenso plausibel, dass es sich z.B. um Wohnungen aus Wohnbauprogrammen für sozial schwächere Bürger handelt. Eine Herausnahme dieser Wohnungen geht zu Lasten der Hilfeempfänger, da diese Wohnungen in der Regel absolut zwar einen niedrigen Mietzins aufweisen und deswegen interessant sind für Alleinstehende mit geringem Einkommen, der Quadratmeterpreis, den es letztlich zu ermitteln gilt, jedoch vergleichsweise hoch ist. Wenn demgegenüber Wohnungen mit festgelegter Höchstmiete, also öffentlich geförderter Wohnraum, im Datensatz verblieben sind (vgl. Abbildung 2.3, S. 9 des Gutachtens), führt das nach Auffassung der Kammer zu einer Verzerrung zu Lasten der Hilfeempfänger. Diese Bedenken hat der Beklagte auch nicht mit Schriftsatz vom 12. Februar 2010 ausgeräumt (hierzu: Bl. 154 GA). Es erschließt sich nicht, welche “umfangreichen Recherchen” die F+B-GmbH vor Ausschluss dieser Daten aus der Auswertung durchgeführt hat und steht zudem im Widerspruch zu den Ausführungen im Gutachten, wonach lediglich “vermutet” wird, dass es sich um Wohnheimwohnungen handelt. Dass es sich nur um etwa 1% der Bruttostichprobe handelt, führt zu keiner anderen Beurteilung, da damit eine Gruppe nicht erfasst wurde, von der unklar ist, ob sie nicht zu Unrecht vollständig unberücksichtigt blieb.
Der Verweis des Beklagten auf die strengeren Handhabungen bei der Erstellung qualifizierter Mietspiegel größerer Städte trägt nicht. Gem. § 558 Abs. 2 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist bei der Erstellung von Mietspiegeln eine Differenzierung nach Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage vorzunehmen. Diese Vorgehensweise wählt die F+B-GmbH gerade nicht (S. 16 des Gutachtens). Die Definition des einfachen Standards erst im Ergebnis (hier über das 33%-Quantil der qm-Preise) setzt nach Auffassung der Kammer zwingend voraus, dass gerade nicht die Datensätze analog zur Erstellung qualifizierter Mietspiegel bereinigt werden. Die restriktivere Handhabung bei Mietspiegeln rechtfertigt sich allein wegen der sorgfältigen Differenzierung. Hierzu ist noch anzumerken, dass selbst diese Vorgaben der Mietspiegelerstellung von der F+B GmbH nicht durchgängig eingehalten werden. Wohnungen mit Förderzusage werden bei der Erstellung qualifizierter Mietspiegel im Gegensatz zur Vorgehensweise des F+B-Gutachtens gerade nicht mit einbezogen. Nach Auffassung der Kammer werden zu Lasten der Hilfeempfänger nicht miteinander zu vereinende Wege beschritten.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Ausführungen des BSG (Urteil vom 22. September 2009, Az. B 4 AS 18/09 R, Rz. 22). Die Kammer bemängelt nicht, dass Wohnungen mit Förderzusage im Datensatz verblieben sind, was nach dem BSG möglich ist, sondern dass ohne weitere Überprüfung bei sehr kleinen Wohnungen unterstellt wurde, dass es sich um Wohnraum in Wohnheimen handelt und diese aus dem Datensatz entfernt wurden.
Zudem wurden Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern von vornherein nicht berücksichtigt, wiederum mit dem – hier nicht tragenden – Verweis auf die Vorgehensweise bei der Erstellung qualifizierter Mietspiegel (vgl. S. 4 des Gutachtens).
Ein weiterer Unterschied zur Erstellung von Mietspiegeln liegt in der fehlenden Angabe bei den Bestandsmieten, zu welchem Zeitpunkt diese vereinbart wurden. Die Kammer hält diese Angabe für unverzichtbar, da auf der Grundlage der Bestandsmieten die – aktuelle – Angemessenheitsgrenze ermittelt wurde (vgl. S. 29 des Gutachtens).
Nach Auffassung der Kammer wäre es zudem unerlässlich gewesen, sicherzustellen, dass eine Durchmischung der Datensätze mit Mietwohnungen aus verschiedenen Wohnlagen erfolgt. Erst dann könnte von einer Erfassung des gesamten Wohnungsmarktes gesprochen werden. Denn Wohnungen in sog. begehrten Wohngegenden können trotz eines geringen Standards deutlich teurer sein, als gut ausgestattete Wohnungen in wenig nachgefragten Gebieten.
Da nicht der gesamte Wohnungsmarkt erfasst wurde, genügt es nicht, den einfachen Wohnungsstandard erst im Ergebnis über den qm-Preis, der beim sog. 33%-Quantil festgelegt wurde (vgl. S. 19 des Gutachtens), zu definieren.
Die fehlende Definition des einfachen Standards führt nach Auffassung der Kammer zu Folgeproblemen bei der Bestimmung der durchschnittlichen kalten Betriebskosten. Die Herausnahme von kalten Betriebskosten bei der Bestandsmietenerfragung mit Werten höher als 2,50 €/qm aus den Datensätzen (S. 10 des Gutachtens) führt nur dann nicht zu einer Datenverzerrung zu Lasten der Hilfeempfänger, wenn es sich nicht um kalte Betriebskosten zugehörig zu Wohnungen einfachen Standards handelt. Das konnte die F+B GmbH nicht überprüfen, weil die in den Datensätzen verbliebenen Wohnungen keinem Standard zugeordnet werden konnten.
Die Kammer ist auch nicht zu der Überzeugung gelangt, dass die kalten Betriebskosten für die Angebotsmieten zutreffend ermittelt wurden. Die Vorgehensweise, die in Anzeigen gelisteten kalten Betriebskosten der Angebotsmieten nicht zu berücksichtigen (vgl. S. 15 des Gutachtens) und dafür die “bei der Auswertung der Bestandsmietenerhebung gewonnenen durchschnittlichen kalten Betriebskosten pro Quadratmeter Wohnfläche” (S. 30 des Gutachtens) zu verwenden, verhindert gerade eine Überprüfung der ermittelten Bestandsmiete. Das verfügbare Angebot wird so auf der Grundlage von Teildaten des Bestandes überprüft. Allein der Umstand, dass die kalten Betriebskosten in den Anzeigen häufig nicht von den Heizkosten getrennt werden konnten (vgl. S. 15 des Gutachtens), rechtfertigt diese Vorgehensweise nicht. Es ist jedenfalls eine Plausibilisierung dafür notwendig, dass es nicht zu einer Verzerrung kommt, weil die Vermutung zunächst dafür spricht, dass Angebotsmieten das aktuellere Bild der am Markt geforderten kalten Betriebskosten widerspiegeln. Letztlich sind die Angebotsmieten die Bedingungen, zu denen sich Hilfebedürftige auf den Wohnungsmarkt begeben. Die bloße Annahme der Aktualität der kalten Betriebskosten der Bestandsmieten (“es ist davon auszugehen” vgl. S. 30 des Gutachtens) reicht wiederum nicht. Die Kammer will nicht ausschließen, dass die so ermittelte Angebotsmiete (bruttokalt) zutreffend ist, was aber ein zufälliges und kein nachvollziehbares Ergebnis darstellt.
Die Kammer hält die vom BSG geforderte „Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten” für eine tragende Säule eines schlüssigen Konzeptes, die im F+B Gutachten ebenfalls nicht gewährleistet ist. Allein der Umstand, dass als Grundlage für die Datenerhebung der Mietwohnungsbestand aus der Gebäude- und Wohnungszählung des Jahres 1987, mithin noch vor der Öffnung der Grenzen zu den jetzigen neuen Bundesländern, verwendet worden ist und dann nur eine Schätzung des aktuellen Mietwohnungsbestandes für das Jahr 2006 erfolgte, lässt für die Kammer nicht den Schluss zu, dass das F+B Gutachten ein schlüssiges Konzept darstellt. Ob eine repräsentative Stichprobe mit einem Anteil von erhobenen Mietdaten iHv 32,3 % liegt (vgl. S. 4 des Gutachtens), kann so jedenfalls nicht nachvollzogen werden.
Nach Auffassung der Kammer ist das F+B Gutachten zudem deswegen kein schlüssiges Konzept, weil die Kappungsgrenze, die beim 33%-Quantil festgelegt wurde, nicht nachzuvollziehen ist. Die zugrundeliegende Annahme, dass hierüber das untere Drittel von den restlichen zwei Dritteln des Wohnungsmarktes abgeteilt wird und Wohnungen einfachen Standards zutreffend abgebildet werden, setzt voraus, dass tatsächlich der gesamte Wohnungsmarkt erfasst wird, was – wie oben dargelegt – die Kammer nicht teilt. Es setzt weiter voraus, dass eine gleichmäßige Durchmischung der Datensätze mit Wohnungen des einfachen, mittleren und gehobenen Standards vorliegt. Hierauf können keine Rückschlüsse gezogen werden, weil eine Definition des einfachen Standards gerade unterblieben ist. In Abhängigkeit der jeweiligen – nicht zu identifizierenden – Anteile verschiebt sich der so ermittelte qm-Preis. Die Beschreitung des Mittelweges der Mietenverteilung der Mietspiegelerstellungen der Städte Kiel (16,6 %-Quantil) und Berlin (50%-Quantil) trägt als Begründung schon deswegen nicht, weil bei Mietspiegelerstellungen gerade eine Differenzierung nach Lage, Beschaffenheit, Ausstattung etc. vorgenommen wird. Zudem bleibt unklar, wie darüber Rückschlüsse auf Wohnungen einfachen Standards der Stadt Göttingen gezogen werden sollen. Auch die Begründung des Beklagten mit Schriftsatz vom 12. Februar 2010 (Bl. 160 GA), wonach das 33%-Quantil die Haushalte unterer Einkommensschichten (20%) sowie Haushalte mit Grundsicherungsempfängern (10%) zuzüglich eines Sicherheitsaufschlages abbildet, vermag insofern nicht zu überzeugen. Es bleibt nach Auffassung der Kammer lediglich die Vermutung, dass über diese Kappungsgrenze eine zutreffende Abbildung der Wohnungen einfachen Standards erfolgt.
Die Kammer vermag entgegen der Auffassung des Beklagten nicht zu erkennen, inwieweit die vorherige Bestimmung des einfachen Standards eine unzulässige Beschränkung der Hilfeempfänger bei der Wohnungssuche darstellt. Ziel der Ermittlung bleibt doch die regional angemessene Miete ausgedrückt in einem Gesamtbetrag, der dem Hilfeempfänger die Verwirklichung seiner Präferenzen ermöglicht. Nach der BSG-Rechtsprechung kommt es ja gerade nicht auf die Angemessenheit der Einzelelemente an, sondern auf die zu tragende Gesamtbelastung. Das ändert nichts darin, dass dieser Gesamtbetrag nur über die Aufwendungen für Wohnraum einfachen Standards zu ermitteln ist.
Entgegen der Auffassung des Beklagten trifft das Gericht auch keine weitere Ermittlungspflicht.
Weitere Ermittlungsmöglichkeiten sieht die Kammer insbesondere wegen des Zeitablaufs nicht.
Entgegen der Auffassung des Beklagten ist das Gericht auch nicht in der Lage auf der Basis des F+B Gutachtens weitere Ermittlungen vorzunehmen.
Das BSG führt zur Ermittlungspflicht des Gerichts aus:
„Diese Ermittlungspflicht geht nicht ohne Weiteres auf das Sozialgericht über, wenn sich das Konzept des Grundsicherungsträgers als nicht tragfähig (schlüssig) erweist oder bei einem an sich schlüssigen Konzept die erforderlichen Daten nicht oder nicht ordnungsgemäß erhoben worden sind.“ (Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09 R, Rz. 26)
„Erweist sich das Konzept des kommunalen Trägers für die Bestimmung des angemessenen Quadratmeterpreises wie im vorliegenden Falle als unschlüssig, so kann dies im Endergebnis bedeuten, dass das Tatsachengericht auch den tatsächlichen Quadratmeterpreis ohne weitere Prüfung als angemessen zugrunde legen darf, wie es das LSG im vorliegenden Falle getan hat. Allerdings sind die Kosten der Unterkunft in einem solchen Fall nicht völlig unbegrenzt zu übernehmen, sondern nur bis zur Höhe der durch einen Zuschlag maßvoll erhöhten Tabellenwerte nach § 8 Wohngeldgesetz (WoGG aF). Diese Konsequenz aus der Nichterbringbarkeit eines schlüssigen Konzepts kann das Gericht allerdings erst ziehen, wenn es zuvor (erfolglos) den Versuch unternommen hat, die insoweit unzulänglichen Feststellungen der Verwaltung mit deren Unterstützung nachzubessern (vgl Urteil des erkennenden Senats vom 2. Juli 2009, B 14 AS 33/08 R). Das LSG wird dementsprechend zunächst noch weitere Ermittlungen anzustellen haben, ob und inwieweit die von den Klägern im streitgegenständlichen Zeitraum geleisteten Aufwendungen für die Unterkunft angemessen gewesen sind. Es wird nach der Logik der Verteilung der Verantwortung für die Erstellung des schlüssigen Konzepts zunächst die Ermittlungen der Beklagten aufgreifen und diese ggf um ihre konzeptionellen Schwächen bereinigen können. Es wird überdies zB – soweit vorhanden – auch auf private Mietdatenbanken zurückgreifen können, die die Voraussetzungen der §§ 558c, 558d BGB nicht erfüllen, aber dazu geeignet sind, zumindest annäherungsweise Aufschluss über die Angemessenheit zu geben (vgl BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 – B 14/7b AS 44/06 R, FEVS 60, 145, 149, RdNr 16). Ggf kann es sich auch selbst eines Sachverständigen bedienen. Erst wenn diese Ermittlungen zu keinem weiteren Erfolg führen, kann, wovon das LSG im Grundsatz zu Recht ausgegangen ist, eine Verurteilung der Beklagten zur Tragung der tatsächlichen Aufwendungen der Kläger erfolgen.“ (Urteil vom 20. August 2009, B 14 AS 65/08 R, Rz. 21)
Eine Nachbesserung, wie der 14. Senat des BSG es formuliert, ist hier nicht möglich. Die Kammer hält in dem F+B Gutachten bereits die Grundlagen der Mietdatenerhebung wie z.B. die nicht nachzuvollziehende Datenbereinigung für fehlerhaft. Für die Ausräumung der oben benannten Schwächen wäre eine Neuerhebung auf der Grundlage eines neuen Konzepts notwendig. An dieser Stelle weist die Kammer auch noch einmal darauf hin, dass im Rahmen der Mieterbefragung wegen der anonymisierten Durchführung bereits die F+B GmbH keine – offensichtlich für notwendig erachteten – Nacherhebungen und/oder Kontrollbefragungen durchführen konnte (vgl. S. 8 des Gutachtens, Punkt 2.2). “
dd)
Etwas anderes ergibt sich im vorliegenden Fall auch nicht aus dem ergänzenden Vortrag des Beklagten. Die Kammer stellt gegenüber der soeben zitierten Entscheidung klar, dass sie die vorherige Definition des Wohnungsstandards für unverzichtbar hält. Nur dann kann der Beklagte feststellen, zu welchen Anteilen Wohnungen des einfachen, mittleren und gehobenen Standards erfasst worden sind. Erst wenn eine gleichmäßige Durchmischung nachzuvollziehen ist, rechtfertigt sich die Kappungsgrenze beim 33%-Quantil. Bei der Vorgehensweise der F+B-GmbH ist nicht auszuschließen, dass überwiegend Wohnungen einfachen Standards in die Auswertung geflossen sind und damit eine Verschiebung zu Ungunsten der Hilfeempfänger vorliegt. Das Ergebnis bleibt jedenfalls in hohem Maße zufällig.
ee)
Die Kammer ist zu dem Ergebnis gekommen, dass sie den Beweisanträgen des Beklagten nicht nachgehen musste. Denn es bedurfte keiner weiteren Aufklärung entscheidungserheblicher Tatsachen mehr.
Es kann dahinstehen, ob die Beweisanträge des Beklagten überhaupt darauf abzielen, dem Beweis zugängliche Tatsachen zu ermitteln oder ob es sich nicht vielmehr um durch die Kammer vorzunehmende Wertungen handelt. Letzteres trifft jedenfalls auf die Anregung zu, Herrn xxx zum Beweis dafür zu hören, dass das F+B-Gutachten den Wohnungsbestand und die Mieten im Bereich des Beklagten richtig abbildet. Den Sachverhalt hierfür liefern das schriftliche Gutachten und der ergänzende Vortrag des Beklagten; die Schlussfolgerungen zieht die Kammer.
Aber auch unterstellt, ein Sachverständigengutachten kommt zu dem Ergebnis,
– dass die Datenbasis repräsentativ ist,
– dass die Herausnahme der in Ein- und Zwei-Familienhäusern gelegenen Wohnungen und der Wohnungen von einer Wohnungsgröße bis zu 20 qm unschädlich für die Repräsentativität ist,
– dass die Netto-Kaltmieten und die kalten Betriebskosten wissenschaftlichen Ansprüchen genügend ermittelt worden sind,
– dass mathematisch-statistische Grundsätze eingehalten worden sind,
– und die ermittelten Daten auch für den hier streitigen Zeitraum Aussagekraft haben,
kommt die Kammer zu keinem anderen Ergebnis. Denn allein die fehlende Identifizierung der Anteile an Wohnungen einfachen, mittleren und gehobenen Standards führt zu einem zufälligen und damit nicht zur Beschränkung der Unterkunftskosten nach § 22 SGB II geeigneten Ergebnis.
3.
Die Aufwendungen der Kläger für KdU sind in der tatsächlich entstandenen Höhe zu übernehmen.
Das Gericht wendet die Rechtsprechung des LSG Niedersachsen-Bremen an, wonach bei Fehlen sonstiger Erkenntnismöglichkeiten ausnahmsweise auf die rechte Spalte der Tabelle zu § 12 Wohngeldgesetz zurückzugreifen ist. Das Gericht hält es mit dem LSG Niedersachsen-Bremen für sachgerecht, auch mit der neuen Wohngeldtabelle wegen der Pauschalierung einen Aufschlag iHv 10 % zu gewähren (aus jüngerer Zeit: Beschluss vom 06.04.2011, Az.: L 7 AS 222/11 B ER m.w.N). Auch nach der Rechtsprechung des BSG sind bei fehlenden Erkenntnismöglichkeiten die tatsächlichen Aufwendungen für die Unterkunft nicht unbegrenzt zu übernehmen, “sondern nur bis zur Höhe der durch einen Zuschlag maßvoll erhöhten Tabellenwerte in § 8 WoGG” (Urteil vom 20. August 2009, B 14 AS 65/08 R, Rz. 21; Urteil vom 22. September 2009, Az. B 4 AS 18/09 R, Rz. 27). Nach dem Urteil des BSG vom 17. Dezember 2009, B AS 50/09 R, soll das auch für die Werte nach § 12 WoGG gelten (vgl. Rz. 27).
Für Vier-Personen-Haushalte in der Gemeinde xxx (Mietstufe 1) belaufen sich die maximal übernahmefähigen Werte auf 539,- € (490,- € zuzüglich eines 10-prozentigen Aufschlages). Die Kläger hatten Aufwendungen in Höhe von 510,00 € für ihre Bruttokaltmiete, weshalb die tatsächlichen Kosten der Unterkunft zu übernehmen sind. 445,00 € hat der Beklagte bereits bewilligt, sodass die Kläger insgesamt noch Anspruch auf die Übernahme weiterer Kosten der Unterkunft in Höhe von 65,00€ haben.
Die Unterkunftskosten sind im Grundsatz kopfteilig ohne Berücksichtigung des Alters und der Nutzungsintensität aufzuteilen (BSG, Urteil v. 25. Juni 2008, Az. B 11b AS 45/06 R), weshalb auch im Fall eines Wohnflächenmehrbedarfs für Alleinerziehende keine andere Betrachtung gerechtfertigt ist.
Im Einzelnen hat die Klägerin zu 1. Anspruch auf weitere 21,67 €, der Kläger zu 2. ebenfalls auf weitere 21,67 € und der Kläger zu 3. auf weitere 21,66 € auf die Kosten der Unterkunft und Heizung.
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
C.
Die Berufung ist gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Es folgt die Rechtsmittelbelehrung.