Hessischer Verwaltungsgerichtshof – Beschluss vom 05.03.2012 – Az.: 8 A 2474/11.Z

Beschluss

In dem Verwaltungsstreitverfahren

des xxx,
Klägers und Zulassungsantragstellers,

bevollmächtigt: Rechtsanwalt Sven Adam,
Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen,

gegen

die xxx,
Beklagte und Zulassungsantragsgegnerin,
bevollmächtigt: xxx,

wegen
Auflagen für eine Versammlung (Verbot der Verwendung einer Lautsprecheranlage)

hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof – B. Senat – durch

Vorsitzenden Richter am Hess. VGH xxx,
Richterin am Hess. VGH  xxx,
Richterin am Hess. VGH xxx

am 5. März 2012 beschlossen:

Auf den Zulassungsantrag wird die Berufung des Klägers gegen das Urteil des  Verwaltungsgerichts Kassel vom 10. November 2011 – 7 K 216/11.KS – zugelassen. Das Verfahren wird als Berufungsverfahren unter dem Aktenzeichen 8 A 514/12 fortgesetzt.

Die Entscheidung über die in zweiter Instanz entstandenen Kosten bleibt der abschließenden Entscheidung im Berufungsverfahren vorbehalten.

Der Streitwert wird für die zweite Instanz auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe:
Der zulässige, insbesondere form- und fristgerecht gestellte und begründete Zulassungsantrag hat Erfolg, denn der Kläger hat in der Begründung seines Zulassungsantrags zutreffend dargelegt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, § 124a Abs. 4 VwGO). Ob weitere Zulassungsgründe hinreichend dargelegt sind und vorliegen, kann dahinstehen.

Der Kläger hat zutreffend ausgeführt, dass bisher in der Rechtsprechung nicht geklärt und daher klärungsbedürftig ist, ob und unter welchen Voraussetzungen der Lautsprechereinsatz bei Versammlungen in unmittelbarer Nähe von Justizvollzugsanstalten durch versammlungsrechtliche Auflagen einschränkbar ist. Das vom Verwaltungsgericht herangezogene Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 21. Dezember 2006-1 A 162.01 – (Juris) trägt entgegen der Auffassung der Beklagten nicht zur Klärung dieser Frage bei. Denn zum einen befasst sich dieses Urteil nicht mit der besonderen Problematik der akustischen Einwirkung auf Personal und Insassen von Justizvollzugsanstalten, zum anderen geht diese Entscheidung – wie auch die Begründung der angegriffenen Auflage in Nr. 7 des angefochtenen Bescheids – von der irrigen Annahme aus, ein Lautsprechereinsatz bei Kundgebungen sei nur dann zulässig, wenn er zur Wahrung der sog. Binnenkommunikation zwischen den Teilnehmern der Versammlung erforderlich sei (VG Berlin a.a.O., juris Rn. 29). Dies verkennt den kommunikativen Ansatz des Grundrechts aus Art. 8 GG, der auch und gerade die Kontaktaufnahme zu Nichtteilnehmern unter Schutz stellt und deshalb eine akustische Verstärkung kollektiver Meinungsäußerungen von Versammlungsteilnehmern grundsätzlich und ohne Rücksicht auf die Teilnehmerzahl zulässt (BVerfG, Beschluss vom 12. Juli 2001 -1 BvQ 28/01 u.a. -, NJW 2001, 2459 = juris Rn. 24; OVG Brandenburg, Beschluss vom 14. November 2003 – 4 B 365/03 -, NVwZ-RR 2004, 844 = juris Rn. 19). Ob dieser Grundsatz bei beabsichtigten akustischen Einwirkungen auf Justizvollzugsanstalten Einschränkungen unterliegt, wird im Berufungsverfahren zu klären sein.

Die Entscheidung über den Streitwert für die zweite Instanz beruht auf §§ 47, 52 GKG, wobei der Senat sich der Streitwertfestsetzung durch das Verwaltungsgericht anschließt, da keine Anhaltspunkte für eine Bezifferung des Klägerinteresses vorliegen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 124a Abs. 5 S. 4, 66 Abs. 3 S. 3, 68 Abs. 1 S. 5 GKG).

Der Kläger wird darauf hingewiesen, dass die zugelassene Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vorliegenden Beschlusses zu begründen ist. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht, dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof, Brüder-Grimm-Platz 1, 34117 Kassel, einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig (§ 124a Abs. 3 S. 3 bis 5, Abs. 6 VwGO).