Rechtsprechungsticker von Tacheles KW 15/2012

1.  Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

1.1 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.03.2012, – L 19 AS 1618/11 B –

Die kalten Betriebskosten sind vom Jobcenter abstrakt zu ermitteln.

Auszugehen ist für den hier streitigen Zeitraum von einer abstrakt angemessenen Größe von 45 qm (vgl. BSG Urteil vom 02.07.2009 – B 14 AS 33/08 R = juris Rn 32; vgl. dazu das Urteil des Senats v. 12.01.2012 – L 19 AS 1322/11).

Zur Bestimmung der maßgeblichen Betriebskosten kann – ebenfalls abstrakt – auf Betriebskostenübersichten zurückgegriffen werden, möglichst allerdings auf örtliche Übersichten wegen der regionalen Unterschiede insbesondere bei Ver- und Entsorgungsdienstleistungen (BSG Urteil vom 13.04.2011, B 14 AS 106/10 R = juris Rn 27).

Da im streitigen Zeitraum ein örtlicher Betriebskostenspiegel nicht erkennbar ist, kann auf die Werte des Betriebskostenspiegels des Deutschen Mieterbundes Nordrhein-Westfalen e.V. für Nordrhein-Westfalen zurückgegriffen werden.

Die darin ermittelten Werte sind sodann mit der abstrakt angemessenen Wohnungsgröße zu multiplizieren, woraus sich die abstrakt angemessenen “kalten Betriebskosten” ergeben (vgl. hierzu auch Urteil des Senats vom 12.01.2012 – L 19 AS 1322/11).

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Anmerkung von Willi 2: Landessozialgericht Nordrhein- Westfalen, Urteil vom 16.05.2011, – L 19 AS 2202/10 -, Revision anhängig beim BSG unter dem AZ.: – B 4 AS 109/11 R –

50 qm Wohnfläche für alleinstehende Hartz-IV-Bezieher
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1.2 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 26.01.2012, – L 7 AS 1951/10

Der Begriff der Erstausstattung ist nicht so zu verstehen, dass einem Leistungsberechtigten zu Beginn des Leistungsbezuges diejenigen Bestandteile einer Erstausstattung zu bewilligen sind, die er nicht besitzt.

Er ist nicht zeitlich, sondern – wie alle Leistungen des SGB II – bedarfsbezogen zu interpretieren (Behrend in jurisPK – SGB II, 3. Auflage 2011, § 24).

So sind der erstmaligen Ausstattung einer Wohnung diejenigen Fälle einer Ersatzbeschaffung gleichzustellen, bei denen vorhandene Ausstattungsgegenstände allein durch einen vom Grundsicherungsträger veranlassten Umzug in eine angemessene Wohnung unbrauchbar werden (BSG, Urteil vom 017.0.2009, Az.: B 4 AS 77/08 R).

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Anmerkung von Willi 2: Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 15.03.2012,- L 4 AS 40/09

Wegen des Antragserfordernisses nach § 37 SGB II kann ein Anspruch auf Wohnungserstausstattung nur in Bezug auf diejenigen Gegenstände bestehen, die nach der Antragstellung angeschafft worden sind
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1.3 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.03.2012, – L 19 AS 1954/11 NZB –

Bei der Frage von Hilfebedürftigkeit ist auf den Zufluss von Einkommen abzustellen.

Die Geltung des sog. Zuflussprinzips bei der Berücksichtigung von Krankengeld ist höchstrichterlich geklärt (vgl.BSG Urteil v 16.12.2008 – B 4 AS 70/07 R = juris Rn 15 ff; BSG Urteil v 13.05.2009 – B 4 AS 29/08 R = juris Rn. 13). Es kommt danach nicht darauf an, für welchen Zeitraum Leistungen gezahlt worden, sondern wann sie zugeflossen sind. Hieran ändert auch die Tatsache nichts, dass der Kläger vor Stellung eines Antrags nach dem SGB II Rechnungen bezahlt bzw. Schulden getilgt hat (vgl. dazu auch BSG 30.09.2008 – B 4 AS 29/07 R = juris Rn. 19; BSG Urteil v. 21.6.2011 – B 4 AS 21/10 R = juris Rn. 29).

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Anmerkung von Willi 2: BSG, Urteil vom 27.09.2011, – B 4 AS 180/10 R –

Der Erwerbstätigenfreibetrag im Sinne des § 30 SGB II a. F. (jetzt § 11b SGB II) ist grundsätzlich nicht vom Krankengeld als Entgeltersatzleistung in Abzug zu bringen. Seine Absetzfähigkeit ist auf Erwerbseinkommen beschränkt.
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1.4 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 13.02.2012, – L 19 AS 1996/11 –

Der Behauptung des Leistungsbeziehers; das SGB II allgemein und die Regelungen über den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung durch Verwaltungsakt im Besonderen seien verfassungswidrig, sind nicht begründet.

Das Bundesverfassungsgericht ist in zahlreichen Nichtannahmebeschlüssen von der grundsätzlichen Vereinbarkeit der Normen des SGB II mit dem Grundgesetz ausgegangen. Insoweit bestehen weder allgemein (vgl. bspw. BVerfG Nichtannahmebeschluss v. 07.11.2007 – 1 BvR 1840/07 = SGb 2008, 409 = juris; Nichtannahmebeschluss v. 07.07.2010 – 1 BvR 2556/09 = NJW 2010, 2866 = juris; Nichtannahmebeschluss v. 16.03.2011 1 BvR 591/08, 1 BvR 593/08 = SGb 2011, 702 = juris) noch im Hinblick auf die konkrete Regelung des § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit (vgl. BVerfG Nichtannahmebeschluss v. 30.10.2009 – 1 BvR 2395/09 = NJW 2010, 1871 = juris).

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1.5 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.03.2012, – L 19 AS 2003/11 B –

Das Bundessozialgericht orientiert sich bei der Frage der Angemessenheit von Hausgrundstücken weiterhin an den Wohnflächengrenzen des 2. Wohnbaugesetzes (WoBauG) und hält hierbei eine Differenzierung nach der Anzahl der Personen für geboten (BSG Urteil v 7.11.2006 – B 7b AS 2/05 R = BSGE 97, 203 = juris Rn. 22; BSG Urteil v 16.05.2007 – B 11b. 37/06 R = juris Rn. 26).

Auszugehen ist bei Einfamilienhäusern von 130 qm bei einem Haushalt von vier Personen. Bei einer Belegung der Wohnung mit bis zu zwei Personen ist die Grenze typisierend auf 90 qm festzusetzen (BSG Urteil v 7.11.2006 – B 7b AS 2/05 R = BSGE 97, 203 = juris Rn. 17 f.; BSG Urteil v. 16.05.2007 – B 11b AS 37/06 R = juris Rn. 25).

Die Wohnfläche des Eigenheims der Kläger belief sich auf 102 qm und überstieg damit die angemessene Wohnfläche auch um mehr als 10% (vgl. zur Frage der Verhältnismäßigkeit bei einer Abweichung von bis zu 10% BSG Urteil v. 07.11.2006 – B 7b AS 2/05 R = BSGE 97, 203 = juris Rn 23; BSG Urteil v. 19.05.2009 – B 8 SO 7/08 R = NVwZ-RR 2010, 152 = juris Rn. 19).

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Anmerkung von Willi 2: Sozialgericht Hildesheim, Beschluss vom 06.10.2011, – S 26 AS 1548/11 ER –

Keine Leistungen nach dem SGB II als Zuschuss, denn das allein vom Antragsteller bewohnte Haus mit einer Fläche 115 qm ist nicht mehr als angemessener Wohnraum anzusehen.
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1.6 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.03.2012, L 12 AS 134/12 B –

Keine Erstattung von rezeptfreien Arzneimitteln durch das Jobcenter

Wenn man als zutreffend unterstellt, dass die Einnahme der hier in Rede stehenden nicht verschreibungspflichtigen Mittel für den Kläger gesundheitlich unabdingbar ist und die Nichteinnahme zu irreparablen Gesundheitsstörungen führt, muss die gesetzliche Krankenkasse eintreten. Das BSG hat in seinem Urteil vom 26.05.2011 (B 14 AS 146/10 R Rdnr. 23 und 24) folgende Ausführungen gemacht:

“Das sozialrechtlich zu gewährende menschenwürdige Existenzminimum aus Art 1 Abs 1 GG iVm Art 20 Abs 1 GG umfasst auch die Sicherstellung einer ausreichenden medizinischen Versorgung.

Der Anspruch auf Existenzsicherung insoweit wird im Fall der Klägerin – wie für den ganz überwiegenden Teil der Hilfebedürftigen – in erster Linie durch ihre Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl § 5 Abs 2a SGB V) abgedeckt, deren Beiträge der Träger der Grundsicherung zahlt (§ 252 Abs 1 Satz 2 SGB V) und der Bund trägt (§ 46 Abs 1 SGB II). Die Klägerin hat als Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung nach § 27 SGB V, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.

Dies gilt allerdings auch hinsichtlich der nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel nicht schlechthin und ausnahmslos, denn § 34 Abs 1 Satz 2 SGB V ermächtigt den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), in Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V festzulegen, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung des Vertragsarztes ausnahmsweise verordnet werden können. Hiervon hat der G-BA Gebrauch gemacht und seine Arzneimittel-Richtlinien mit Beschluss vom 16.3.2004 um einen Abschnitt F ergänzt (vgl BAnz 2004 S 8905, nunmehr § 12 der Arzneimittel-Richtlinien). Die Verordnung dieser Arzneimittel ist danach ausnahmsweise zulässig, wenn die Arzneimittel bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten. Dabei gilt eine Krankheit als schwerwiegend, wenn sie lebensbedrohlich ist oder wenn sie aufgrund der Schwere der durch sie verursachten Gesundheitsstörung die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigt.

Damit ist ohne weitere Ermittlungen seitens der Träger der Grundsicherung davon auszugehen, dass grundrechtsrelevante Beeinträchtigungen durch eine nicht ausreichende Krankenbehandlung, die durch ergänzende Leistungen der Grundsicherung abzuwenden wären, ausscheiden.

Die Frage, ob die Kosten für Arzneimittel als Teil einer Krankenbehandlung übernommen werden, muss der Hilfebedürftige gegenüber seiner Krankenkasse klären. Hinsichtlich der therapeutischen Notwendigkeit einer bestimmten Krankenbehandlung und den Anforderungen an ihren Nachweis gelten für Leistungsempfänger nach dem SGB II keine anderen Voraussetzungen als für die übrigen Versicherten nach dem SGB V, die Versicherungsschutz insbesondere aufgrund abhängiger Beschäftigung erlangen”

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Anmerkung von Willi 2: BSG, Urteil vom 26.5.2011,Az.: B 14 AS 146/10 R

Keine Erstattung von rezeptfreien Arzneimitteln durch das Jobcenter. Im Zweifelsfall muss die Krankenkasse verklagt werden.
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1.7 – Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 16.02.2012, – L 3 AS 189/11 –

§ 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II ist anwendbar, obwohl der Kläger die Betriebskostenerstattung des Vermieters nicht selbst tatsächlich erhalten hat, sondern der Vermieter sie auf Veranlassung des Klägers hin an M. H. überwiesen hat.

Denn entscheidend ist nicht die tatsächliche Zahlung eines bestimmten Geldbetrags unmittelbar an den Hilfebedürftigen oder die tatsächliche Gutschrift zugunsten des Hilfebedürftigen, sondern ob die Aufwendungen für Unterkunft oder Heizung durch die Rückzahlung oder das Guthaben tatsächlich gemindert werden (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 16. Juli 2009 – L 5 AS 81/08 – JURIS-Dokument Rdnr. 25 ff.; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22. September 2009 – L 6 AS 11/09 – JURIS-Dokument Rdnr. 24 ff.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20. Oktober 2010 – L 3 AS 3759/09 – JURIS-Dokument Rdnr. 29 ff.). Dies ist der Fall, wenn dem Hilfebedürftigen die Mittel aus der Gutschrift oder der Rückzahlung zur Verfügung stehen.

Diese Verfügungsmöglichkeit hatte der Kläger.

In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Urteil vom 19. September 2008 – B 14/7b AS 10/07 R – SozR 4-4200 § 11 Nr. 11 Rdnr. 25 = JURIS-Dokument Rdnr. 25; BSG, Urteil vom 30. September 2008 – B 4 AS 29/07 R – BSGE 101, 291 ff. Rdnr. 19 = SozR 4-4200 § 11 Nr. 15 Rdnr. 19 = JURIS-Dokument Rdnr. 19) ist geklärt, dass der bedarfsmindernden Berücksichtigung einer Einnahme nicht entgegen steht, dass diese zur Schuldentilgung verwendet wurde. Bei der Tilgung von Verbindlichkeiten handelt es sich lediglich um eine bestimmte Form der Einkommensverwendung. Die Einnahme verliert durch die konkrete Form der Verwendung nicht ihren Charakter als Einkommen (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2001 – 5 C 4/2000 – DÖV 2001, 782 = ZFSH/SGB 2001, 542 = JURIS-Dokument Rdnr. 9). Ein Hilfesuchender ist aber im Rahmen der ihm obliegenden Selbsthilfemöglichkeiten gehalten, alle zumutbaren, kurzfristig realisierbaren Möglichkeiten zu nutzen, um ohne staatliche Hilfe seinen notwendigen Lebensunterhalt selbst zu bestreiten (vgl. § 2 Abs. 2 SGB II).

Die Subsidiarität der staatlichen Fürsorge schließt eine Leistungsgewährung nach dem SGB II aus, soweit der Hilfesuchende ihm zu Verfügung stehende Geldmittel nicht für die Bestreitung seines Lebensunterhalts einsetzt, sondern zur Tilgung privater Schulden verwandt hat. Ein Leistungsbezieher kann daher während des Bezugs von SGB II-Leistungen nicht über die an sich zur Deckung des notwendigen Lebensunterhalts einsetzbaren Geldmittel in der Weise disponieren, dass er diese Mittel nicht zur Bestreitung seines Lebensunterhalts einsetzt, sondern – aufgrund freiwilliger Disposition – mit ihnen private Verbindlichkeiten tilgt (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 15. April 2011 – L 13 AS 333/10 JURIS-Dokument Rdnr. 34).

Werden verfügbare Mittel gleichwohl nicht für den Lebensunterhalt eingesetzt, muss sich der Hilfebedürftige so behandeln lassen, als ob die Tilgung der Verbindlichkeiten nicht erfolgt wäre (Sächs. LSG, Beschluss vom 14. April 2005 – L 3 B 30/05 AS ER – NZS 2006, 107 ff. = JURIS-Dokument Rdnr. 37).

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Anmerkung von Willi 2: Sozialgericht Neubrandenburg Urteil vom 27.09.2010, – S 11 AS 960/07 –

Keine Anrechnung eines Guthabens aus Betriebskostenabrechnung bei Verrechnung durch Vermieter mit eigener Forderung
www.landesrecht-mv.de

1.8 – Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21.03.2012, – L 5 AS 509/11 B ER –

Bereits der Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II schließt es aus, dass der Antragsgegner eine bereits abgeschlossene und weiterhin geltende Eingliederungsvereinbarung durch einen Verwaltungsakt nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II einseitig ersetzen darf (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 12. Januar 2012 – L 5 AS 2097/11 B ER; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 2. August 2011 – L 7 AS 2367/11 sowie Bayrisches LSG, Beschluss vom 25. Mai 2010 – L 11 AS 294/10 B ER – jeweils juris).

Der ersetzende Verwaltungsakt ist damit nach dem oben genannten Prüfungsmaßstab rechtswidrig. Ob und unter welchen Voraussetzungen eine geltende Eingliederungsvereinbarung geändert werden kann, war hier nicht zu entscheiden, da der Antragsgegner die bestehende Eingliederungsvereinbarung hier nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II ersetzt hat, ohne dass die Voraussetzungen für diese Ersetzung vorlagen.

Ob die vom Antragsgegner für zulässig gehaltene Umdeutung des die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Bescheids vom 15. Juni 2011 in eine Einladung zur Teilnahme an der Maßnahme zulässig ist, kann dahinstehen. Denn der erste Sanktionsbescheid vom 18. August 2011 i.H.v. 10 % der Regelleistung kann nicht gemäß § 43 SGB X umgedeutet werden.

Eine Sanktionierung einer solchen nicht befolgten Einladung nach § 32 Abs. 1 SGB II wäre schon deshalb rechtswidrig, weil nicht ordnungsgemäß auf die Rechtsfolgen hingewiesen worden wäre. Denn in dem Bescheid vom 15. Juni 2011 ist eine Kürzung um 30 % der Regelleistung in der Rechtsfolgenbelehrung angekündigt anstelle der für eine nicht befolgte Einladung gesetzlich vorgesehenen 10 % (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2008 – B 4 AS 60/07 R (35) – juris).

Ist die Rechtsfolgenbelehrung nicht konkret, richtig und vollständig, kann darauf nicht wirksam eine Sanktion gestützt werden.

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2.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

2.1 – Nicht immer Geld vom Jobcenter für Nebenkostennachzahlung

Wer in der Vergangenheit Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch II (SGB II – „Hartz 4“) bezogen hat, kann sich nicht darauf verlassen, dass das Jobcenter auch eine Nebenkostennachzahlung übernimmt.

Dies zeigt der Fall einer Frau aus Mainz, die im Dezember 2011 von ihrem früheren Vermieter die Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2010 mit einer Nachzahlung von 400,- € erhielt. Die Frau war zwar aktuell nicht mehr von Leistungen des Jobcenters abhängig, aber im Jahr 2010 hatte sie mangels Einkommen und Vermögen noch Arbeitslosengeld II bezogen. Damals waren auch die Mietkosten durch das Jobcenter übernommen worden. Mittlerweile hatte sich die Dame beim Jobcenter abgemeldet und war auch umgezogen. Weil es sich um eine Nachforderung für das Jahr 2010 handelte, versuchte die Frau den Betrag vom Jobcenter zu erhalten.

Gleichzeitig wandte sie sich an das Sozialgericht Mainz und begehrte Eilrechtsschutz (Az.: S 10 AS 200/12 ER).

Sie sah sich im Recht, da sie keinen Einfluss auf den Zeitpunkt der Erstellung der Abrechnung habe. Denn wäre die Abrechnung noch 2010 erfolgt, hätte das Jobcenter die Kosten übernehmen müssen. Ein langwieriges Widerspruchs- und Klageverfahren könne sie aus finanziellen Gründen nicht abwarten. Das Gericht wies die Rechtssuchende aber darauf hin, dass Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II grundsätzlich nur dann bewilligt werden können, wenn aktuell Hilfebedürftigkeit besteht.

Dies sei bei der Frau aber offenbar nicht mehr der Fall, da sie mittlerweile nicht auf Leistungen des Jobcenters angewiesen ist. In diesem Fall muss ein ehemaliger Leistungsempfänger eine nachträglich geltend gemachte Forderung selbst begleichen, auch wenn sich die Forderung auf den Zeitraum des Leistungsbezugs bezieht.

Zusätzlich wies das Gericht darauf hin, dass nur dann gerichtlicher Eilrechtsschutz gewährt werden kann, wenn ohne einen gerichtlichen Beschluss wesentliche Nachteile drohen. Dies war bei der Mainzerin aber nicht der Fall. Für eine Eilbedürftigkeit muss z.B. der Verlust der Wohnung drohen, was bei ihr aufgrund des erfolgten Umzuges nicht zu erwarten war.

www.mjv.rlp.de

Anmerkung von Willi 2: BSG, Urteil vom 22.03.2010 – B 4 AS 62/09 R –

Eine Nebenkostennachforderung seitens des Vermieters kann nur dann eine Änderung der Verhältnisse im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu Gunsten eines Hilfebedürftigen darstellen , wenn zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Forderung ein Leistungsanspruch dem Grunde nach, d. h. alle Anspruchsvoraussetzungen des § 7 SGB II, gegeben sind.
lexetius.com

3.   Sozialrechtliche Ansprüche von Ausländer/innen (Teil 2)

eine Abhandlung von Frau Tießler-Marenda, veröffentlicht im Sozialrecht aktuell Heft 2/2012.

www.sozialrecht-aktuell.nomos.de (pdf)

Autor des Rechtsprechungstickers: Willi 2 von Tacheles

Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de