1. Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 20.12.2011 zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
1.1 – BSG, Urteil vom 20.12.2011, – B 4 AS 200/10 R –
Schenkung ist Einkommen
Verbindlichkeiten sind – abgesehen von der hier nicht einschlägigen Ausnahme der Aufwendungen zur Erfüllung von titulierten Unterhaltspflichten – nicht vom Einkommen abzuziehen (BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 18 RdNr 25). Da es bei der Einordnung lediglich auf den Zuwachs beim Leistungsberechtigten ankommt, ist unerheblich, ob und in welchem Umfang sich aufgrund der Zahlungen ein positiver Kontostand auf dem Konto der Klägerin ergeben hat.
Eine Nichtberücksichtigung kann nicht unter dem Gesichtspunkt erfolgen, dass die Zuwendungen als Darlehen zu qualifizieren wären. Eine Berücksichtigung der fraglichen Zuwendungen kann also nicht unter dem Gesichtspunkt verneint werden, dass die Zahlungen aufgrund eines zivilrechtlich wirksam abgeschlossenen Darlehensvertrages getätigt wurden und mit einer Rückzahlungsverpflichtung verbunden worden sind (vgl BSGE 106, 185 = SozR 4-4200 § 11 Nr 30, RdNr 17 ff).
Schließlich kann eine Nichtberücksichtigung auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Zweckbestimmung der Zuwendungen erfolgen.
2. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
2.1 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 19.04.2012, – L 7 AS 1305/11 B – und – L 7 AS 1134/11 B –
Regelbedarfe sind der Höhe nach verfassungswidrig festgesetzt worden
2.2 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.04.2012, – L 19 AS 57/12 B –
Bei der Neuregelung der Anrechnung des Elterngelds handelt es sich nicht um verfassungswidriges legislatives Unrecht.
Eine Verletzung des Grundrechts nach Art. 6 Abs. 1 GG, der Ehe und Familie unter den besonderen Schutz des Staates stellt, durch die Anrechnung des Elterngeldes ist ebenfalls nicht ersichtlich (vgl. BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 11.03.2010 – 1 BvR 3163/09 = NJW 2010, 1803 f. = juris; vgl. dazu auch SG Marburg Urteil vom 12.08.2011 – S 8 AS 169/11 = juris).
2.3 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.04.2012, – L 19 AS 312/12 B –
Bei dem Anspruch des Hilfebedürftigen auf Übernahme der Kosten der zweckentsprechenden Rechtsverfolgung einschließlich der Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts für ein isolierten Widerspruchsverfahren nach § 63 Abs. 1, 2, 3 SGB X handelt es sich nicht um einen Anspruch, den ein Rechtsanwalt im eigenen Namen gegenüber dem Beklagten geltend machen kann, sondern um einen Aufwendungsersatzanspruch des Mandanten gegenüber dem Beklagten (BSG Urteil vom 25.02.2010 – B 11 AL 24/08 R = juris Rn 16).
Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung i.S.v. § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X sind grundsätzlich nur solche Gebühren und Auslagen, die ein Rechtsanwalt seinem Mandanten in Rechnung stellt (vgl. BSG Urteile vom 21.12.2009 – B 14 AS 83/08 R = juris Rn 16 und vom 01.07.2009 – B 4 AS 21/09 R = juris Rn 15). Nach § 10 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) muss der Rechtsanwalt eine Berechnung der Gebühren und Auslagen aufstellen. Ohne die Berechnung entsteht keine Zahlungspflicht des Auftraggebers und kein Schuldnerverzug (Hartmann, Kostenrecht, 42 Aufl., § 10 Rn 4; Gerold/Schmidt, RVG, 19 Aufl. § 10 Rn 14).
2.4 – Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 01.03.2012,- L 5 AS 339/09 -,Revision zugelassen
Rückzahlung von Hartz IV wegen Einkommenserzielung
Erhält ein Leistungsbezieher nach dem SGB II später zusätzlich Einkommen oder Krankengeld, muss er die zu viel erhaltenen Leistungen zurückzahlen.
Das gilt auch dann, wenn die Arbeitsaufnahme und erhaltene Leistungen ordnungsgemäß mitgeteilt wurden. Auf ein Verschulden des Leistungsbeziehers komme es nicht an.
Allerdings führt nur ein tatsächlicher Einkommenszufluss zur Rückzahlungspflicht für den jeweiligen Monat des Leistungsbezugs. Wird z.B. das Krankengeld verspätet überwiesen, könne es erst diesem Monat angerechnet werden.
2.5 – Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 28.03.2012, – L 7 AS 131/12 B ER –
Hartz IV -Empfänger müssen Leistungen zur Krankenbehandlung nach §§ 27 ff SGB V gegenüber der Krankenkasse geltend machen (BSG, Urteil vom 26.05.2011, B 14 AS 146/10 R).
2.6 – Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 12.04.2012, – L 7 AS 222/12 B ER –
Seit der Neufassung des § 39 SGB II zum 01.04.2011 ist eine Entziehung der bewilligten Leistung nach § 66 Abs. 1 Satz 1 SGB I nicht mehr sofort vollziehbar gemäß § 39 Nr. 1 SGB II.
Ein Widerspruch hat daher automatisch gemäß § 86a Abs. 1 SGG aufschiebende Wirkung (ebenso LSG Hessen, Beschluss vom 16.01.2012, L 6 AS 570/11 B ER).
2.7 – Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28.02.2012, – L 7 AS 43/12 B ER –
Schüler haben auch dann einen Anspruch auf ergänzende Lernförderung, wenn sie zwar im Fach Deutsch die Schulnote 3 erhalten haben, im Bereich der Rechtschreibung aber nur über ein unterdurchschnittliches Leistungsvermögen verfügen.
2.8 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 03.04.2012,- L 5 AS 2157/11 B ER –
Gegen den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II bestehen keine europarechtlichen Bedenken, soweit Regelbedarfe betroffen sind.
2.9 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 17.02.2012,- L 32 AS 1030/10 –
Die einschränkende Auslegung des § 9 Abs 2 Satz 3 SGB II bei einer Bedarfsgemeinschaft mit einem Rentner greift auch dann ein, wenn diesem zwar materiell-rechtlich Ansprüche auf SGB XII-Leistungen zustünden, ein entsprechender Antrag jedoch bestandskräftig abgelehnt worden ist.
3. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
3.1 – Sozialgericht Berlin, Beschluss vom 25.04.2012, – S 55 AS 9238/12 –
Hartz IV verfassungswidrig – Regelsatz um 36 Euro zu niedrig, Vorlagebeschluss des SG Berlin zum BverfG
Autor des Rechtsprechungstickers: Willi 2 von Tacheles
Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de