Rechtsprechungsticker von Tacheles KW 20/2012

1.  Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

1.1 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17.04.2012,- L 7 AS 1408/11 B –

Bewilligung von PKH, denn die Regelbedarfe sind der Höhe nach verfassungswidrig festgesetzt worden.

sozialgerichtsbarkeit.de

Anmerkung: Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 19.04.2012, – L 7 AS 1305/11 B – und – L 7 AS 1134/11 B –

Regelbedarfe sind der Höhe nach verfassungswidrig festgesetzt worden
sozialgerichtsbarkeit.de
sozialgerichtsbarkeit.de

1.2 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 08.05.2012,- L 7 AS 541/11 B –

Bewilligung von PKH, denn die Regelbedarfe sind der Höhe nach verfassungswidrig festgesetzt worden.

sozialgerichtsbarkeit.de

1.3 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.04.2012,- L 7 AS 552/12 B ER –

Bei einem vorzeitiger Verbrauch von einmaligen Einnahmen, z.B. wegen Schuldentilgung, ist eine fiktive Anrechnung im Hinblick auf die Regelungen der §§ 31 Abs. 2, 31a, 34 SGB II nicht gerechtfertigt.

Die Sanktionsregelung des § 31a Abs. 1 SGB II besagt, dass auch dem Verschwender gekürztes Alg II zu gewähren ist, belastet mit der Ersatzforderung nach § 34 SGB II.

sozialgerichtsbarkeit.de

Anmerkung: Anderer Auffassung Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 13.04.2007, Az.: L 7 AS 309/06; in diese Richtung BSG, Urteil vom 30.09.2008, Az.: B 4 AS 29/07 R.

Im Zeitpunkt der Auszahlung des Einkommens offene Schulden sind nicht vom Einkommen abzusetzen.
dejure.org
dejure.org

1.4 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen,4 Beschlüsse vom 23.04.2012,- L 7 AS 1059/11 B -,- L 7 AS 1242/11 B -, – L 7 AS 1756/11 B – und – L 7 AS 904/11 B –

Die Ermittlung der Regelbedarfe stehe nicht im Einklang mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts.

sozialgerichtsbarkeit.de

sozialgerichtsbarkeit.de

sozialgerichtsbarkeit.de

sozialgerichtsbarkeit.de

1.5 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 12.03.2012,- L 19 AS 174/11 –

Das Konzept zur Ermittlung des Quadratmeterpreises für die Grundmiete ist unschlüssig, denn

1. Das Konzept beruht nicht auf einer Datenbasis von 10% des Wohnungsbestandes.

2. Es wurden nur die Mieten von Neuvermietungen berücksichtigt. Bei der Aufstellung eines schlüssigen Konzepts sind aber auch Bestandsmieten mit einzubeziehen (BSG Urteil vom 23.08.2011 – B 14 AS 91/10 R, Rn 25 m.w.N.).

3. Die Beschränkung auf Daten bestimmter Baualtersklassen zur Ermittlung der Angemessenheitsgrenze ist nur unter bestimmten engen Voraussetzungen zulässig (BSG Urteil vom 19.10.2010 – B 14 AS 2/10 R = Rn 23, 24; Urteil vom 20.12.2011 – B 4 AS 19/11 R, Rn 30).

4. Es ist weiterhin nicht ein Quadratmeterpreis differenziert nach Wohnungsgrößen, wie vom BSG gefordert (Urteil vom 20.08.2009 – B 14 AS 41/08 R, Rn 20), gebildet worden, sondern nur ein einheitlicher Quadratmeterpreis für sämtliche Wohnungsgrößen.

sozialgerichtsbarkeit.de

1.6 Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26.04.2012,- L 18 AS 2167/11 –

Die Leistungsversagung war rechtswidrig, denn der Leistungsbezieher konnte keine Einkommens- bzw. Vermögensnachweis seiner Mutter und ihres Lebenspartners bzw. keine Nachweise über die Kosten der Unterkunft vorlegen.

Das JC wäre daher gehalten gewesen, entsprechende Auskünfte bzw. Unterlagen von der Mutter und von deren Lebenspartner unmittelbar einzufordern, und zwar auf der Grundlage von § 60 Abs. 2 Satz 3 SGB II i.V.m. § 1605 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch – von der Mutter – und nach § 60 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB II von deren Partner.

Solange der Leistungsträger keine hinreichenden Anstrengungen unternommen hat, seinen Auskunftsanspruch gegenüber Dritten durchzusetzen, kommt auch eine Beweislastentscheidung in der Sache zu Lasten des Klägers nicht in Betracht (vgl. BSG, Urteil vom 1. Juli 2009 – B 4 AS 78/08 R = SozR 4-1200 § 66 Nr. 5).

sozialgerichtsbarkeit.de

Anmerkung: BSG, Urteil vom 24.02.2011, – B 14 AS 87/09 R –

Auskunftspflicht eines Partners ist nur bei bestehender Lebensgemeinschaft gegeben.
juris.bundessozialgericht.de


1.7 – Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 28.03.2012,- L 9 AS 1241/11 B ER –

Beitragsrückstände in der privaten Krankenversicherung aufgrund von Zuschlägen für Nichtversicherte nach § 193 Abs. 4 VVG (juris: VVG 2008) sind nicht vom SGB II-Leistungsträger zu übernehmen und zwar weder im Rahmen der Leistungsgewährung nach § 26 SGB II noch als nicht von der Regelleistung umfasster Härtefallbedarf, da es sich insoweit nicht um einen laufenden Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II handelt.

sozialgerichtsbarkeit.de

Anmerkung: Vorinstanz: Sozialgericht Hildesheim Beschluss vom 08.12.2011, – S 55 AS 1910/11 ER

Nach § 21 Abs. 6 SGB II sind die Beitragsrückstände – aus der Vergangenheit – der Antragstellerin in der privaten Krankenversicherung zu übernehmen.
sozialgerichtsbarkeit.de

1.8 – Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 28.02.2012,- L 7 AS 1392/09 -, Revision zugelassen

Die nach den Niedersächsischen Wohnraumförderungsbestimmungen mögliche Erhöhung der angemessenen Wohnfläche für Alleinerziehende um 10 qm führt nicht dazu, dass in Ermangelung eines schlüssigen Konzeptes die nach der Tabelle zum Wohngeldgesetz zu ermittelnde Mietobergrenze durch Hinzurechnung eines nicht vorhandenen, weiteren Haushaltsangehörigen festzulegen ist.

sozialgerichtsbarkeit.de

1.9 – Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 31.10.2011,- L 6 AS 18/10 -, Revision zugelassen

Bei der Prüfung eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld II in sog. gemischten Bedarfsgemeinschaften richtet sich die Berechnung des zu berücksichtigenden Einkommens des nicht leistungsberechtigten Mitglieds aus einer Beschäftigung in einer Werkstatt für behinderte Menschen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) – Sozialhilfe -.

sozialgerichtsbarkeit.de

1.10 – Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 01.11.2011,- L 15 AS 240/10 B ER –

Die regelmäßige Ausübung des elterlichen Umgangsrechts kann einen Wohnflächen-Mehrbedarf bei dem umgangsberechtigten Elternteil auslösen, die bei der Bemessung der angemessenen Kosten der Unterkunft gem. § 22 Abs. 1 SGB II zu berücksichtigen ist.

sozialgerichtsbarkeit.de

Anmerkung: Vgl. zur Bandbreite einerseits LSG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 04.08.2010, Az. L 11 AS 105/10 B: nur ausnahmsweise geringfügiger Mehrbedarf; andererseits SG Fulda, Urt. v. 27.10.2010, Az. S 10 AS 53/09: bei zwei Kindern, mit denen Umgangsrecht besteht, Erhöhung auf 60 qm.
sozialgerichtsbarkeit.de
sozialgerichtsbarkeit.de

2.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

2.1 – Sozialgericht Reutlingen, Urteil vom 23.04.2012,- S 12 AS 2086/11 –

Einkünfte, die ein Grundsicherungsempfänger im Rahmen der Ableistung eines Freiwilligen Sozialen Jahres als monatliches Taschengeld, Verpflegungs- und Wohngeld bezieht, ist als Einkommen i. S. v. § 11 Abs 1 Satz 1 SGB 2 zu berücksichtigten.

Ein Erwerbstätigenfreibetrag ist neben dem Abzugsbetrag nach § 1 Abs 1 Nr 13 AlG 2-VO nicht anzusetzen.

sozialgerichtsbarkeit.de

2.2 – Sozialgericht Berlin, Beschluss vom 08.05.2012,- S 91 AS 8804/12 ER –

Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 2 bleibt für arbeitssuchende Unionsbürger wegen des – Anwendungsvorrang genießenden – Gleichbehandlungsgebots aus Art. 4 EGV 883/2004 unberücksichtigt.

sozialgerichtsbarkeit.de

2.3 – SG Berlin, Beschluss vom 10.05.2012,- S 75 AS 10822/12 ER –

Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II verstößt gegen das Gleichbehandlungsgebot aus Art. 4 VO (EG) Nr. 883/2004.

Bisher nicht veröffentlicht

2.4 – Sozialgericht Berlin, Beschluss vom 25.04.2012,- S 55 AS 29349/11 –

Neubemessung der SGB-2-Regelbedarfe für alleinstehende Leistungsberechtigte verfassungswidrig

sozialgerichtsbarkeit.de

Anmerkung: SG Berlin, Beschluss vom 25.04.2012,- S 55 AS 9238/12 –

Neuregelung der SGB-2-Regelleistungen für zusammenlebende kindererziehende Leistungsberechtigte und für jugendliche Leistungsberechtigte bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres verfassungswidrig
sozialgerichtsbarkeit.de

2.5 – Sozialgericht Berlin, Beschluss vom 15.02.2012, – S 107 AS 1034/12 ER –

Gemäß § 4a des Bundesdatenschutzgesetzes obliegt es der freien Entscheidung eines Hilfebedürftigen seine Zustimmung zur Datenerfassung und Speicherung personengebundener Daten in einem Personalfragebogen zu erteilen. Die Verweigerung kann im Umkehrschluss nicht dazu führen, den Hilfebedürftigen in der Sache dafür mit einer Sanktion nach dem SGB 2 zu belegen.

sozialgerichtsbarkeit.de

3.   Neue Regeln für das Arbeitslosengeld

Ein Aufsatz von Ute Winkler, abgedruckt in der info also Heft 2/ 2012

www.info-also.nomos.de (pdf)

4.   Hartz IV-Unterkunftskosten in NRW – jetzt Überprüfungsantrag stellen!

www.tacheles-sozialhilfe.de

Autor des Rechtsprechungstickers: Willi 2 von Tacheles

Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de