Blockupy Frankfurt: Offener Brief an Polizei und Justiz / RAV fordert Einhaltung menschen- und verfassungsrechtlicher Vorgaben / Präventivgewahrsam verstößt gegen die Europäische Menschenrechtskonvention

In einem offenen Brief hat der RAV den Polizeipräsidenten der Stadt Frankfurt/Main sowie die Präsidenten des Amts- und des Landgerichts Frankfurt/Main auf die menschen- und verfassungsrechtlichen Vorgaben bei Freiheitsentziehungen in Zusammenhang mit den bevorstehenden Protestveranstaltungen hingewiesen.

„Wir erwarten von den Verantwortlichen bei Polizei und Justiz dafür Sorge zu tragen, dass das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit respektiert wird und rechtswidrige Ingewahrsamnahmen unterbleiben“, erklärt Carsten Gericke, Geschäftsführer des RAV.

In der Vergangenheit ist es bei vergleichbaren demonstrativen Großereignissen immer wieder zu einer Vielzahl rechtswidriger Freiheitsentziehungen gekommen. So wurden im Rahmen des G8-Gipfels in Heiligendamm mehr als 1100 Personen festgenommen und zu großem Teil in Käfigen eingepfercht. Das Landgericht Schwerin und das Verwaltungsgericht Rostock stellten in einer Vielzahl von Verfahren nachträglich die Rechtswidrigkeit der Freiheitsentziehungen und der Haftbedingungen fest. Auch während der Castor-Transporte 2010 und 2011 wurden über 1000 Personen die ganze Nacht bei Minustemperaturen in einem Polizeikessel gefangen gehalten.

In den allermeisten Fällen wurde effektiver Rechtsschutz vereitelt, indem Anwaltskontakte verhindert und die verfassungsrechtlich vorgeschriebene unverzügliche Richterentscheidung entweder gar nicht oder nicht rechtzeitig eingeholt wurden.

Zuletzt entschied das Landgericht Rostock (Az.: 3 T 13/10, Beschluss vom 19.4.2012, veröffentlicht unter www.polizeirecht.rav.de), dass der vorbeugende Präventivgewahrsam des mecklenburg-vorpommerischen Polizeigesetzes (§ 55 Abs. Abs. 1 Ziff. 1b SOG M-V) gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) verstößt. Diese verbiete einen präventiven Gewahrsam zur Verhinderung von Straftaten. Zur Begründung stützt sich das Gericht ausdrücklich auf die (ebenfalls zum G8-Gipfel ergangene) Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) in der Rechtssache Schwabe und M.G. ./. Deutschland vom 1.12.2011 (Az.: 8080/08 und 8577/08). Bezogen auf die Rechtslage in Hessen bedeutet dies, dass auch die entsprechende Regelung des hessischen Polizeigesetzes (§ 32 Abs. 1 Nr. 2 HSOG) konventionswidrig ist und keine Anwendung finden darf.

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