Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen – Beschluss vom 24.05.2012 – Az.: L 11 AS 905/11 B

BESCHLUSS

In dem Beschwerdeverfahren
xxx,
Klägerin und Beschwerdeführerin,

Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Sven Adam,
Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen,

gegen

xxx,
Beklagter und Beschwerdegegner,

hat der 11. Senat des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen am 24. Mai 2012 in Celle durch die Richter xxx – Vorsitzender -, xxx und xxx beschlossen:

Der Prozesskostenhilfe versagende Beschluss des Sozialgerichts Hildesheim vom 24. August 2011 wird aufgehoben.

Der Klägerin wird für die Durchführung des Klageverfahrens S 36 AS 328/09 (Sozialgericht Hildesheim) Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt. Ihr wird Rechtsanwalt Adam, Göttingen, beigeordnet.

Kosten für das Beschwerdeverfahren sind nicht zu erstatten.

GRÜNDE
I.
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das von ihr vor dem Sozialgericht (SG) Hildesheim geführte Klageverfahren S 36 AS 328/09. In diesem Klageverfahren begehrt die Klägerin die Verurteilung des Beklagten zur Gewährung höherer Kosten der Unterkunft (KdU) für die Zeit vom 1. April bis 30. September 2008 in Höhe von insgesamt 31,62€ (= 5,27 € pro Monat).

Der Beklagte gewährte der Klägerin mit Bescheid vorn 11. März 2008 für die Zeit vom 1. April bis 30. September 2008 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) in Höhe von 893,40€ pro Monat. Mit Änderungsbescheid vom 17. Juni 2008 wurde der Leistungsbetrag mit Wirkung ab 1. Juli 2008 auf 899,65 € erhöht. Von diesen Leistungsbeträgen entfielen durchgängig 372,03€ auf die KdU. Dieser Betrag ergab sich aus einem vom Beklagten für einen alleinstehenden und in der Stadt Göttingen lebenden Leistungsempfänger angenommen Höchstbetrag für die Bruttokaltmiete von 325 € zzgl. 47,03€ Heizkosten. Die von der Klägerin für die Wohnung tatsächlich aufgewandten Kosten betrugen dagegen 390 €, bestehend aus 260 € Miete zuzüglich 130€ Nebenkostenumlage, in der u.a. die Kosten der Frischwasserversorgung (im Jahre 2007: 23,25€) und der Heizung (im Jahre 2007: 19,80€) enthalten waren.

Nachdem der auf die KdU beschränkte Widerspruch der Klägerin erfolglos geblieben war (Widerspruchsbescheid vom 3. Februar 2009), hat die Klägerin am 19. Februar 2009 Klage auf Gewährung höherer Leistungen für Unterkunft und Heizung erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, dass der Beklagte über kein der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) entsprechendes sog. „schlüssiges Konzept” für die Festlegung von Maximalbeträgen der angemessenen KdU verfüge. Nach den um einen Zuschlag von 10 % zu erhöhenden Werten der Tabelle zu § 8 Wohngeldgesetz (WoGG) in der im Jahre 2008 geltenden Fassung (im Folgenden: alte Fassung – a.F.) habe sie Anspruch auf Übernahme einer Bruttokaltmiete von 357,50€ zzgl. tatsächlicher Heizkosten i.H.v. 19,80€, d.h. auf KdU i.H.v. 377,30€ anstatt der vom Beklagten gewährten 372,03€.

Der Beklagte hat im erstinstanzlichen Verfahren vorgetragen, dass nach dem ihm mittlerweile vorliegenden „Gutachten zur Feststellung angemessener Unterkunftskosten i.S. von § 22 Abs. 1 SGB II im Landkreis Göttingen” der F+B Forschung und Beratung für Wohnen, Immobilien und Umwelt GmbH, Hamburg (im Folgenden: F+B GmbH), der Höchstwert der angemessenen KdU für Alleinstehende in der Stadt Göttingen bei 331 € zzgl. Heizkosten liege. Dieses Gutachten stelle ein schlüssiges Konzept zur Ermittlung der angemessenen KdU im Sinne der BSG-Rechtsprechung dar.

Im weiteren Verlauf des Klageverfahrens hat sich die Klägerin eingehend mit dem Gutachten der F+B GmbH sowie der Rechtsprechung des BSG zum sog. ,,schlüssigen Konzept” auseinandergesetzt (vgl. etwa: 41-seitiger Schriftsatz vom 22. September 2009 und 7-seitiger Schriftsatz vom 14. April 2010). Der Beklagte hat die von ihm bereits in der Vergangenheit veranlassten Gutachten (Untersuchung des Prestel-Instituts aus dem Jahre 2001 und GEWOS-Gutachten vom Oktober 2005) dargestellt sowie die Grundsätze des Gutachtens der F+B GmbH vom März 2009 erläutert (vgl. u.a. 15-seitiger Schriftsatz des Beklagten vom 31. August 2009, 15-seitiger Schriftsatz vom 19. November 2009 sowie 13-seitiger Schriftsatz vom 10. März 2010). Nachdem das SG die Beteiligten darauf hingewiesen, dass die Frage der Validität und Aussagekraft des Gutachtens der F+B GmbH Gegenstand mehrerer beim Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen anhängiger Rechtsmittelverfahren sei, haben die Klägerin und der Beklagte übereinstimmend eine Ruhendstellung des Klageverfahrens beantragt (Schriftsätze vom 13. und 14. Juli 2011).

Mit Beschluss vom 24. August 2011 hat das SG den bereits am 19. Februar 2009 gestellten PKH-Antrag wegen fehlender Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass in den von der Klägerin an ihren Vermieter gezahlten Nebenkosten auch Frischwasserkosten in Höhe von 23,25 € pro Monat enthalten seien, bei denen es sich jedoch nicht um Betriebskosten der Wohnung und damit auch nicht um KdU i.S.d. § 22 SGB II handele. Bei tatsächlichen Nebenkosten i.H.v. ca. 110 € und einer Bruttokaltmiete von 260€ habe die Beklagte mit einem Leistungsbetrag für die KdU i.H.v. 372,03 € im Ergebnis sogar zu hohe Leistungen gewährt.

Gegen den der Klägerin am 8. September 2011 zugestellten Beschluss richtet sich ihre am 13. September 2011 eingelegte Beschwerde. Sie hält die Kosten für die Frischwasserversorgung für einen Bestandteil der KdU, so dass die für die Unterkunft aufgewandten Beträge ca. 18 € über den von der Beklagten gewährten Leistungen lägen. Bei Zugrundelegung der um einen Zuschlag von 10 % erhöhten Tabellenwerte nach § 8 WoGG a.F. ergebe sich für den streitbefangenen sechsmonatigen Bewilligungszeitraum ein Anspruch auf weitere KdU i.H.v. 31,62€.

II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist zulässig. Der Statthaftigkeit der Beschwerde steht § 127 Abs 2 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) nicht entgegen, da diese Vorschrift, die für den Zivilprozess eine Zulässigkeitsgrenze für Beschwerden begründet, nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats im sozialgerichtlichen Verfahren nicht anwendbar ist (vgl. etwa: Senatsbeschlüsse vom 26. November 2009 – L 11 B 2/07 SB, vom 22. Dezember 2009 – L 11 AL 70/09 B und 5. August 2011 – L 11 AS 175/11 B).

Die Beschwerde ist auch begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Gewährung von PKH für das von ihr vor dem SG geführte Klageverfahren S 36 AS 328/09.

Die Klägerin kann angesichts ihrer wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnisse die Kosten der Prozessführung weder vollständig noch teilweise oder in Raten selbst tragen. Entgegen der Auffassung des SG weist die Rechtsverfolgung auch die für die Gewährung von PKH erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht auf.

Hinreichend in diesem Sinne ist die Erfolgsaussicht einer Klage nicht erst dann, wenn bei der notwendigerweise prognostischen Beurteilung der Möglichkeiten eines Klageerfolgs ein späteres Obsiegen bereits wahrscheinlicher erscheint als ein Unterliegen. Vielmehr genügt es für die Bewilligung von PKH, wenn die Klage auf der Grundlage eines vorläufig vertretbaren, diskussionswürdigen Rechtsstandpunkts schlüssig begründbar ist und in tatsächlicher Hinsicht die gute Möglichkeit der Beweisführung besteht (Leitherer in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 73 a Rn 7a). Schon aus verfassungsrechtlichen Gründen ist bei der Beurteilung der Erfolgsaussichten insoweit eine nicht zu strenge Prüfung geboten. Schließlich gebieten Artikel 3 Abs 1, 20 Abs 3 und 19 Abs 4 Grundgesetz (GG) eine weitgehende Gleichstellung von bemittelten und unbemittelten Personen hinsichtlich ihrer jeweiligen Möglichkeiten, effektiven Rechtsschutz in Anspruch nehmen zu können (BVerfG, Beschlüsse vom 24. März 2011 – 1 BvR 2493/10, ZfSH/SGB 2011, 475f, und vom 26. April 1988 – 1 BvL 84/86, BVerfGE 78, 104). Dabei würde insbesondere die Rechtsweggarantie des Artikel 19 Abs 4 GG gegenüber hoheitlichem Handeln von Sozialleistungsträgern verfehlt, wenn die erst als Ergebnis eines gerichtlichen Verfahrens zu erwartende Klärung rechtlich und tatsächlich entscheidungserheblicher Zweifel im Sinne einer allzu vergröbernden Entscheidungsprognose in das PKH-Bewilligungsverfahren vorverlagert würde. PKH darf deshalb unter dem Gesichtspunkt der nicht hinreichenden Erfolgsaussicht nur dann verweigert werden, wenn ein Erfolg in der Hauptsache, wenn schon nicht auszuschließen, so doch wenigstens gänzlich fernliegend ist (vgl. BVerfG, Beschluss vom 07. April 2000 – 1 BvR 81/00, NJW 2000, 1936 ff zur PKH-Bewilligung bei offenen Rechtsfragen).

Nach diesen Grundsätzen durfte die Gewährung von PKH nicht mit der Begründung versagt werden, dass es sich bei den Kosten der Frischwasserversorgung nicht um KdU, sondern um aus der Regelleistung (seit 1. Januar 2011: Regelbedarf) zu bestreitende Kosten handelt (vgl. zu dieser Argumentation: S. 3 des angefochtenen Beschlusses). Schließlich ist die Frage der Zuordnung der Kosten der Frischwasserversorgung entweder zur Regelleistung (bzw. zum Regelbedarf) oder aber zu den KdU umstritten. So teilen zwar etwa der 7. und 9. Senat des LSG Niedersachsen-Bremen die vom SG vertretene Rechtsauffassung (vgl. Beschlüsse vom 31. März 2006 und 7. Juli 2011 – L 7 AS 343/05 ER und L 9 AS 411/11 B ER). Andererseits vertreten jedoch z.B. das LSG Bayern (Urteil vom 10. Juni 2010 – L 7 AS 612/09, NZS 2011, 236), das LSG Hessen (Beschluss vom 14. März 2006 – L 7 SO 4/06 ER) und das SG Freiburg (Urteil vom 15. April 2011 – S 6 AS 3782/09) die gegenteilige Auffassung. Die zuletzt genannte, von der vom SG in Bezug genommenen Rechtsprechung des 7. und 9. Senats des LSG Niedersachsen-Bremen abweichende Auffassung wird auch in weiten Teilen des Schrifttums geteilt (vgl. etwa: Berlit in: Münder, LPK-SGB II, 4. Aufl., § 22 Rdnr. 27; Krauß in: Hauck/Noftz, SGB II, Stand 2012, K § 22 Rdnr. 34; Piepenstock in juris-PK SGB II, 3. Auflage 2012, § 22 Rn 45). Für diese Auffassung könnte auch sprechen, dass das BSG bei Eigenheimen die Kosten der Wasserversorgung als Kosten der Unterkunft und damit nicht als von der Regelleistung bzw. dem Regelbedarf abgedeckt ansieht (vgl. Urteil vom 24. November 2011 – B 14 AS 121/10 R). Die Klärung einer solchen offenen Rechtsfrage darf aufgrund des Gebotes der Rechtsschutzgleichheit nicht in das PKH-Verfahren vorverlagert werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 20. Juni 2006 – 1 BvR 2673/05).

Für die Prüfung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung der Klägerin ist somit entscheidend, ob ein Erfolg Klage auf monatliche KdU i.H.v. 377,30 € (einschl. Kosten der Frischwasserversorgung) anstatt der tatsächlich gezahlten 372,03 € gänzlich fernliegend ist.

Der Beklagte stützt sich zur Begründung seines Klagabweisungsantrags im Wesentlichen auf die im Gutachten der F+B GmbH ermittelten Höchstwerte für angemessene KdU im Gebiet der Stadt Göttingen. Die Ergebnisse dieses Gutachtens können im Rahmen der Entscheidung über den PKH-Antrag der Klägerin jedoch keine Berücksichtigung finden. Schließlich hat die Klägerin ihren PKH-Antrag bereits am 23. Februar 2009 unter gleichzeitiger Vorlage der „Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse” gestellt. Der PKH-Antrag war somit nach Ablauf der dem Beklagten bis Ende März 2009 für eine Stellungnahme gesetzten Frist entscheidungsreif. Entscheidet ein Gericht trotz PKH-Entscheidungsreife jedoch nicht alsbald (hier: Ende März 2009), sondern erst deutlich später (hier: August 2011), ist bei der Prüfung der Erfolgsaussichten ausnahmsweise nicht auf den Zeitpunkt der PKH-Entscheidung, sondern auf den Zeitpunkt der Bewilligungsreife abzustellen, soweit die zeitliche Verzögerung der PKH-Entscheidung nicht vom Antragsteller zu vertreten ist (vgl. LSG Bayern, Beschluss vom 22. April 2009 – L 11 AY 2/09 B PKH; Beschluss des Senats vom 8. Oktober 2010 – L 11 SB 137/09 B; ebenso: Leitherer in Meyer-Ladewig, SGG, 10. Aufl. 2012, § 73a Rdnr. 7d mit umfangreichen weiteren Nachweisen). Zum Zeitpunkt der PKH-Entscheidungsreife war das vom Beklagten veranlasste, erst im März 2009 erstellte Gutachten der F+B GmbH noch nicht in das Klageverfahren eingeführt worden. Dies erfolgte erst mit Schriftsatz des Beklagten vom 31. August 2009 (Eingang beim SG am 7. September 2009). Es bestehen auch keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das erst im März 2009 für den Beklagten erstellte Gutachten bereits im März 2009 beim SG Hildesheim gerichtsbekannt war.

Hinreichende Erfolgsaussichten des Klageverfahrens können auch nicht unter Hinweis auf das GEWOS-Gutachten aus dem Jahre 2005 bzw. die hierzu ergangene und vom Beklagten zitierte Rechtsprechung des LSG Niedersachsen-Bremen verneint werden (vgl. zum diesbezüglichen Vortrag des Beklagten: Schriftsatz vom 31. August 2009). So hat der 8. Senat in der vom Beklagten genannten Entscheidung vom 19. Juni 2007 (L 8 AS 161/07 ER) zwar im Eilverfahren u.a. auf das GEWOS-Gutachten abgestellt, dies jedoch in ausdrücklicher Abweichung zu den lt. BSG-Rechtsprechung für das Hauptsacheverfahren geltenden Prüfungsmaßstäben (vgl. S. 9, Absatz 1 des Beschlusses). Zudem hat der 8. Senat bereits damals entschieden, dass der in der GEWOS-Studie herausgestellte Aspekt der Verfügbarkeit angemessenen Wohnraums für umzugswillige Leistungsempfänger bei weitergehenden Ermittlungen in einem Hauptsacheverfahren im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG womöglich weiterer Aufklärung bedürfe (Seite 10 des Beschlusses). Soweit jedoch noch Ermittlungen im Hauptsacheverfahren erforderlich sind, kann PKH nicht wegen fehlender Erfolgsaussichten abgelehnt werden.

Ebenso wenig kann die vom Beklagten zitierte Entscheidung des 9. Senat des LSG Niedersachsen-Bremen vom 20. September 2006 (L 9 AS 401/06 ER) im vorliegenden Verfahren für eine PKH-Ablehnung herangezogen werden. Der 9. Senat hatte sich nämlich in dieser Entscheidung, die zeitlich vor den grundlegenden Entscheidungen des BSG zum sog. „schlüssigen Konzept” ergangen ist, an den Tabellenwerten zu § 8 WoGG a.F. orientiert und ergänzend ausgeführt, dass auf der Grundlage u.a. des GEWOS-Gutachtens weitere Aufschläge zu den Tabellenwerten nicht angezeigt seien (S. 7 des Beschlusses). Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des BSG sind jedoch die Tabellenwerte nach dem WoGG nicht der vorrangige Prüfungsmaßstab für die angemessenen KdU im Sinne des § 22 SGB II. Vielmehr ist vom Grundsicherungsträger bzgl. der konkreten örtlichen Gegebenheiten auf dem Wohnungsmarkt ein sog. „schlüssiges Konzept” zu entwickeln (vgl. hierzu zuletzt etwa: BSG, Urteil vom 20. Dezember 2011 – B 4 AS 19/11 R, Rn 20f. mit umfangreichen Nachweisen aus der Rechtsprechung des BSG). Erst wenn ein solches schlüssiges Konzept nicht (mehr) erstellt werden kann, darf ausnahmsweise auf die Tabellenwerte nach dem WoGG abgestellt werden, wobei diese jedoch um einen Zuschlag zu erhöhen sind. Dieser Zuschlag wird damit begründet, dass beim Fehlen eines schlüssigen Konzepts nicht mit Sicherheit beurteilt werden kann, wie hoch die angemessene Referenzmiete tatsächlich war (vgl. etwa: BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 – B 4 AS 50/09 R, SozR 4-4200 § 22 Nr 29). Hinsichtlich der Erforderlichkeit eines Zuschlags zu den Tabellenwerten nach § 8 VVoGG a.F. entspricht die im einstweiligen Rechtsschutz ergangene Rechtsprechung des 9. Senats des LSG Niedersachsen-Bremen somit nicht den für ein Hauptsacheverfahren geltenden Maßstäben.

Nach alledem verfügte der Beklagte zumindest zum Zeitpunkt der PKH-Entscheidungsreife im März 2009 nicht über ein i.S.d. der BSG-Rechtsprechung „schlüssiges Konzept”, so dass ein Erfolg der Klägerin nicht gänzlich fernliegend war.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass mittlerweile offensichtlich nicht einmal mehr der Beklagte an seiner ursprünglichen Auffassung zum Maximalbetrag der angemessenen KdU festhält. Während er in den angefochtenen Bescheiden noch von einem Maximalbetrag der angemessenen Bruttokaltmiete für Alleinstehende in der Stadt Göttingen von 325 € pro Monat ausging (auf der Grundlage u.a. des GEWOS-Gutachtens), hält er mittlerweile einen Betrag von 331 € pro Monat für zutreffend (S. 2 des Schriftsatzes des Beklagten vom 31. August 2009, vgl. auch S. 29 des Gutachtens der F+B GmbH). Bereits diese Differenz von 6€ pro Monat liegt oberhalb der von der Klägerin begehrten höheren Leistungen für KdU i.H.v. 5,27 € pro Monat. Zudem ist bislang unklar geblieben, bis zu welchem Betrag der Beklagte zur Übernahme von Heizkosten bereit ist. Für den im vorliegenden Verfahren streitbefangenen Zeitraum hat der Beklagte – offensichtlich in ständiger Verwaltungspraxis – die Heizkosten nicht in Höhe des tatsächlichen Verbrauchs übernommen, sondern nach einem Pauschalsystem berechnet (0,95 € pro qm der angemessenen Wohnfläche, vgl. etwa für den Folgebewilligungszeitraum: Aktenvermerk vom 18. September 2008, Bl. 332 der Verwaltungsakte des Beklagten). Falls der Beklagte für den streitbefangenen Zeitraum an seiner bisherigen Verwaltungspraxis festhält, müsste er ein auf 378,03 € lautendes Teilanerkenntnis abgeben (angemessene Bruttokaltmiete i.H.v. 331 € gem. Gutachten der F+B GmbH zzgl. pauschaler Heizkosten i.H.v. 47,03 €). Auch dieser Betrag läge oberhalb des von der Klägerin begehrten Betrages von 377,30 € pro Monat.

Der Gewährung von PKH steht der nur sehr geringe Streitwert in Höhe von 31,62€ (= 5,27 € pro Monat) nicht entgegen. Schließlich ist es unzulässig, die Frage, ob die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint, auf eine ausschließliche Beurteilung des Verhältnisses von Streitwert und Kostenrisiko zu reduzieren (vgl. im Einzelnen: Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 24. März 2011 -1 BvR 1737/10, Rn 17).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 73a SGG i.V.m. 127 Abs. 4 ZPO.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar.