1. Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 16.02.2012 zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
1.1 – BSG, Urteil vom 16.02.2012,- B 4 AS 89/11 R –
Zusatzversicherungen für Hartz-IV-Kinder nicht anrechenbar, denn Jobcenter muss nur für übliche Versicherungen aufkommen.
Ist das Einkommen eines minderjährigen Kindes das einzige Einkommen der Bedarfsgemeinschaft und ist das Kind auf die Hilfe der Bedarfsgemeinschaft angewiesen, scheidet der Abzug der Versicherungspauschale für Familienversicherungen hiervon nach ständiger Rechtsprechung des BSG aus.
Mit seinem Einkommen sollen in erster Linie seine Existenzsicherung gesichert und keine Versicherungen der Familie finanziert werden. Daher kann nichts anderes gelten, wenn zwar die tatsächliche Beitragszahlung nachgewiesen wird, diese jedoch für private Familienversicherungen erfolgt, im vorliegenden Fall also für die Haftpflicht-, Hausrat- und Familienauslandskrankenversicherung.
juris.bundessozialgericht.de
2. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
2.1 – LSG Sachsen, Urteil vom 19.01.2012 – L 3 AS 820/10 – anhängig beim BSG unter dem Az. – B 4 AS 27/12 R –
Spesenzahlungen bei Hartz-IV-Aufstockern gelten nicht als Einkommen, wenn durch Belege nachgewiesen werden kann, wofür die Spesen ausgegeben wurden.
Anmerkung:
Siehe dazu auch Zur Anrechnung von Spesen als Einkommen.
www.justiz.sachsen.de
2.2 – Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 23.04.2012 – L 9 AS 695/08
1. Die Hilfebedürftigkeit eines minderjährigen Leistungsberechtigten nach dem SGB II entfällt nicht dadurch, dass er Kontoinhaber eines von seinem Großvater zu seinen Gunsten angelegten Sparbuches mit der vertraglich vereinbarten Maßgabe ist, dass das Sparbuch frühestens mit Vollendung des 14. Lebensjahres bei einer Kündigungsfrist von 4 Jahren – mithin zum Eintritt seiner Volljährigkeit – hätte gekündigt werden können und er erst mit Eintritt der Volljährigkeit hätte über das Sparvermögen verfügen können und dürfen.
2. Der Leistungsberechtigte hat nach Rückgabe des Sparbuchs an den Großvater keinen Anspruch auf Herausgabe des Sparbuches aus ungerechtfertigter Bereicherung gegen seinen Großvater in dem Fall, dass der Leistungsberechtigte zur Beseitigung seiner Hilfebedürftigkeit seitens des Jobcenters dazu veranlasst wird, über das Sparbuch bereits vor Eintritt der Volljährigkeit zu verfügen und seinen Lebensunterhalt hieraus zu bestreiten; denn der Großvater wäre in diesem Falle berechtigt gewesen, das dem Berechtigten geschenkte und übergebene Sparbuch zurückzufordern, weil die Schenkung unter einer Auflage erfolgt und die Auflage nicht vollzogen ist, wenn der Berechtigte entgegen der Auflage vorzeitig das Sparvermögen zum Bestreiten seines Lebensunterhaltes zu verwenden beabsichtigt.
www.rechtsprechung.niedersachsen.de
2.3 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 06.06.2012 – L 7 AS 37/12 B ER und L 7 AS 38/12 B
Der kategorische Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II für uneingeschränkt zum Arbeitsmarkt zugangsberechtigte Unionsbürger begegnet unter Berücksichtigung des primären EU-Rechts erheblichen Bedenken. Diese folgen aus der Rechtsprechung des EuGH insbesondere in den Verfahren Collins (Urteil vom 23.03.2004, C-138/02) sowie Vatsouras und Koupatantze (Urteile vom 04.06.2009, C-2/08 und C-23/08).
2.4 – Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 23.05.201 – L 5 AS 456/11 B ER
In der Rechtsprechung ist umstritten, ob bei Anwesenheit eines Elternteils nur an den Wochenenden ein Mehrbedarf für Alleinerziehende anzunehmen ist (ja: LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 13. Mai 2008, L 9 AS 119/08 ER; nein: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15. September 2010, L 20 AS 902/10 B PKH).
3. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
3.1 – Sozialgericht Berlin, Urteil vom 16.05.2012 – S 205 AS 11726/09
1. § 86 SGG ist auf Fälle der Ersetzung weder direkt noch analog anwendbar.
2. Ein endgültiger Festsetzungs- und Erstattungsbescheid wird nicht nach §§ 86, 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Verfahrens über einen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid.
3. Eine analoge Anwendung des § 114 Abs 2 S 1 SGG auf Fälle des unterlassenen Vorverfahrens scheitert sowohl an der Vergleichbarkeit mit dem gesetzlich geregelten Sachverhalt als auch an einer planwidrigen Regelungslücke.
4. Eine Klage kann nur dann als gleichzeitiger Widerspruch ausgelegt werden, wenn mit der Klageschrift zugleich der Wunsch nach Einleitung und Durchführung des förmlichen Widerspruchsverfahrens bei der Behörde zum Ausdruck gebracht wird.
3.2 – Sozialgericht Berlin, Urteil vom 18.01.2012 – S 173 AS 38287/10
Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II ist nicht bei einem Familiennachzug zu dem Ehegatten mit deutscher Staatsangehörigkeit anwendbar (vgl. auch SG Berlin, Urt. v. 18.04.2011 – S 201 AS 45186/09 und SG Nürnberg, Urt. v. 26.08.2009 – S 20 AS 906/09; ähnlich aber im Ergebnis offen gelassen LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 07.12.2009 – L 19 B 363/09 AS, Rn. 6f.; a.A. SG Duisburg, Beschl. v. 19.11.2009 – S 31 AS 414/09 ER, Rn. 25ff.; SG Stuttgart, Beschl. v. 24.03.2011 – S 24 AS 1359/11 ER, Rn. 31ff. und nachfolgend LSG Baden-Württemberg, Beschl. v. 27.04.2011 – L 3 AS 1411/11 ER-B, Rn. 3f.; juris).
Anmerkung:
Hartz IV – Anspruch bei Familiennachzug zum deutschen Ehepartner
www.juraforum.de
Anmerkung:
S.a.: LSG NRW, Urt. v. 12.01.2012 – L 19 AS 383/11, anhängig beim BSG – B 4 AS 37/12 R –
Der Nachzug eines ausländischen Ehegatten zu seinem deutschen Ehegatten in die Bundesrepublik ist vom Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II nicht erfasst.
3.3 – Sozialgericht Karlsruhe, Urteil vom 24.05.2012 – S 4 AS 2005/11
Einarmigen Personen mit Verletzung der verbliebenen rechten Hand steht regelmäßig ein wichtiger Grund i. S. v. § 31 Abs. 1 S. 2 SGB II zur Seite.
Anmerkung:
Ohne Hände lässt es sich schlecht Bewerbungen schreiben.
www.kanzlei-blaufelder.com
3.4 – Sozialgericht Karlsruhe, Beschluss vom 04.06.2012 – S 4 AS 1956/12 ER
Gesamtpendelzeiten von arbeitstäglich unter 2,5 Stunden zur Erreichung eines Vollzeitarbeitsplatzes sind Hilfsbedürftigen zumutbar und damit kein wichtiger Grund zur Ausschlagung eines Arbeitsangebots (Absenkung Alg II).
4. Prof. Dr. Volker Wahrendorf, Anmerkung zu: BSG 4. Senat, Urt.l v. 20.12.2011 – B 4 AS 46/11 R – Zuwendungen Dritter zur Überbrückung einer Notlage kein Einkommen.
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Autor des Rechtsprechungstickers: Willi 2 von Tacheles
Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de