Rechtsprechungsticker von Tacheles KW 29/2012

1.  Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 12.07.2012 zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

1.1 – BSG, Urteil vom 12.07.2012,- B 14 AS 153/11 R –

Hartz-IV-Regelsätze sind verfassungsgemäß.

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1.2 BSG, Urteil vom 12.07.2012,- B 14 AS 35/12 R 20 –

Kein Recht auf Prozess um 20 Cent Hartz IV.

Für einen Leistungsberechtigten, der mit seiner Klage ausschließlich die Verletzung der Rundungsregelung nach § 41 Abs 2 SGB II aF geltend macht, besteht kein (allgemeines) Rechtsschutzbedürfnis.

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1.3 BSG, Urteil vom 12.07.2012,- B 14 AS 158/11 R –

Keine zuschussweise Gewährung von ALG II, wenn das Hausgrundstück verwertbares Vermögen ist, das bei der Feststellung von Hilfebedürftigkeit zu berücksichtigen ist.

Das im Eigentum des Klägers stehende Hausgrundstück ist verwertbares Vermögen, das bei der Feststellung von Hilfebedürftigkeit zu berücksichtigen ist. Die Gesamtfläche des Hauses von 174 qm überschreitet die Angemessenheitsgrenze des § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 4 SGB II; das Haus zählt deshalb nicht zum sog Schonvermögen.

Es ist zudem trotz der Belastung mit einem Wohnrecht der Eltern verwertbar, weil es durch Beleihung verwertbar war.

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2.  Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 22.03.2012 zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

2.1 BSG, Urteil vom 22.03.2012, – B 4 AS 26/10 R –

Kein Einbehalt von Tilgungsraten für Mietkaution – Unzulässigkeit der Tilgung durch Aufrechnung analog § 23 Abs 1 S 3 SGB 2 oder aus erwirkter Verzichtserklärung des Hilfebedürftigen

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3.  Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 14.03.2012 zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

3.1 BSG, Urteil vom 14.03.2012, – B 14 AS 98/11 R –

Fließt infolge eines Anspruchsübergangs dem Leistungsberechtigten zu berücksichtigendes Einkommen(hier Unterhalt) iS des § 11 Abs 1 SGB II nicht zu, kommt bei der Berechnung des Alg II-Anspruchs auch die (fiktive) Absetzung von Beträgen nach § 11 Abs 2 SGB II iVm mit der Alg II-V nicht in Betracht.

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4.  Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

4.1 Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21.06.2012,- L 20 AS 1322/12 B ER –

Erwerbsfähige Unionsbürger haben bei Aufenthalt zur Arbeitssuche keinen Anspruch auf Grundsicherung nach dem zweiten Buch Sozialgesetzbuch oder nach dem zwölften Buch Sozialgesetzbuch.

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4.2 Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 21.06.2012,- L 20 AS 1278/12 B ER –

Die Kürzung um 10 v.H. der Regelleistung für die Mietkaution bewirkt keine solche Notlage, der mit einer einstweiligen Anordnung zu begegnen wäre, da ein Betrag von 80 v.H. der Regelleistung, auch bei Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Abwendung etwaiger Notlagen ausreichend wäre(LSG Berlin-Brandenburg v. 06.05.2010, L 5 AS 457/10 B ER, Rn. 5 m.w.N.).

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Anmerkung:
a.A. BSG, Urteil vom 19.08.2010, – B 14 AS 13/10 R –
Die Kürzung des Regelbedarfs um 10% kann schließlich auch nicht als – Bagatelle – abgetan werden. In seiner Entscheidung zum Sonderbedarf wegen einer HIV Infektion hat das BSG einen Betrag von 20,45 Euro als erheblich gewertet

Anmerkung:
Der Betrag von 37,40 EUR, liegt deutlich oberhalb der in BSG vom 26.5.2011- B 14 AS 146/10 R – angedeuteten Bagatelle-Schwelle von 20 EUR Gesamtstreitwert.

Anmerkung:
Kann ein Leistungsberechtigter nicht darauf verwiesen werden, längere Zeit 10% des Regelbedarfs zu entbehren, steht der Erfolgsaussicht des Eilantrags (Anordnungsgrund) erst recht nicht entgegen, dass Streitgegenstand des Verfahrens “lediglich” weitere 10 % Grundsicherungsleistungen sind(s. dazu LSG Baden-Württemberg vom 6.9.2006 – L 13 AS 3108/06 ER-B; LSG NRW vom 19.11.2008 – L 19 B 178/08 AS; vom 10.9.2009 – L 7 B 269/09 AS ER; LSG Hessen vom 16.1.2008 – L 9 SO 121/07 ER).

4.3 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.06.2012,- L 12 AS 1764/11 –

Die Aufteilung der Leistungen nach Monaten stellt nur eine Spezifizierung der für den gesamten Zeitraum dem Grunde nach bewilligten Leistungen hinsichtlich deren Höhe dar.

Selbst wenn man gedanklich die dem Grunde nach für 6 Monate bewilligten Leistungen entsprechend dem Monatsprinzip in Einzelverfügungen auf- bzw. unterteilt, sind diese nur Teil der Gesamtverfügung, da sie von dieser keine abweichende Feststellung treffen und demzufolge keine eigenständige Bedeutung haben.

Die Bewilligung dem Grunde nach ist nämlich bereits durch die Gesamtverfügung ausgesprochen worden. Aus diesem Grunde kann dann selbst in der vollständigen Aufhebung der Leistungen für einen Monat demnach nur eine teilweise Aufhebung der Bewilligung insgesamt gesehen werden.

Anmerkung :
a.A. Aubel in Juris Praxiskommentar z. SGB II 3. Aufl. 2012, § 40 Rdz 140
Die vollständige Aufhebung der Leistung für einen Monat eines 6-monatigen Bewilligungszeitraums ist keine teilweise Aufhebung, weil die Bewilligungsbescheide wegen des Monatsprinzip für jeden Monat einen selbstständigen Verfügungssatz enthalten.

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4.4 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschlüsse vom 04.07.2012,- L 19 AS 961/12 B – und – L 19 AS 572/12 B –

Gewährung von PKH für Regelsatzklage.

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4.5 Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 20.06.2012,- L 5 AS 112/12 B –

Das Einstiegsgeld ist nicht erforderlich, wenn das Beschäftigungsverhältnis auch ohne die Bewilligung von Einstiegsgeld aufgenommen wird und somit die Eingliederung auch ohne Förderung erfolgt ist(vgl. Bayerisches LSG, Urteil vom 20. November 2011, L 7 AS 643/11, zur beantragten Förderung einer bereits ausgeübten Tätigkeit).

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5.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

5.1 SG Augsburg, Urteil vom 21.06.2012, – S 15 AS 664/11 –

Der Anspruch auf Weiterzahlung der Leistungen nach einem Zuständigkeitswechsel aus § 2 Abs. 3 SGB X besteht nur in dem Umfang, in dem die weitere Erbringung der Leistungen auch nach materiellem Recht rechtmäßig erfolgt.

Zu den danach zu beachtenden Regelungen gehören auch die Regelungen über die ungenehmigte Ortsabwesenheit gemäß § 7 Abs. 4a SGB II. Für die Rechtmäßigkeit der Leistungserbringung kommt es dabei ausschließlich auf das Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen gegenüber dem bisher zuständigen Leistungsträger an, der die beantragte Vorleistung erbringen soll.

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5.2 – Sozialgericht Duisburg, Urteil vom 20.03.2012,- S 17 AS 2049/11 -,Sprungrevision zugelassen

In der bestehenden Höhe der Regelbedarfe ist keine Verletzung von Grundrechten zu erkennen.

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5.3 – SG Landshut, Urteil vom 02.05.2012, – S 11 AS 698/08 –

1. Zur Geltendmachung einer Erstattungsforderung des Leistungsträgers gegenüber dem Vermieter eines Leistungsempfängers aufgrund von direkt an den Vermieter überwiesenen Unterkunftskosten ist der öffentlich-rechtliche Rechtsweg zu den Sozialgerichten eröffnet.

2. Die Erstattungsforderung kann nicht auf den öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruch gestützt werden. Dieser ist subsidiär gegenüber ausdrücklich gesetzlich geregelten Erstattungsforderungen und darf insbesondere nicht zur Umgehung spezialgesetzlicher Voraussetzungen führen. Bestehen gesetzliche Sondervorschriften, die die Rückabwicklung von zu Unrecht erbrachten Leistungen regeln, entfalten diese eine “Sperrwirkung” gegenüber dem aus allgemeinen Gerechtigkeitserwägungen anerkannten allgemeinen Rechtinstitut des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanpruches. Existieren Sondervorschriften und können diese nur im Einzelfall nicht zur Durchsetzung kommen, weil die Tatbestandsvoraussetzungen nicht erfüllt sind, muss eine Erstattung insgesamt ausscheiden.

3. Sondervorschriften in diesem Sinne sind in den als abschließend zu beurteilenden § 53 SGB I und § 50 SGB X enthalten. Es handelt sich bei den Aufhebungs- und Erstattungsforderungen in diesen Büchern um ein in sich geschlossenes Erstattungssystem, für einen zusätzlichen Anspruch aus dem Institut des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs verbleibt daneben kein Anwendungsbereich.

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5.4 SG Landshut, Beschluss vom 07.05.2012, – S 10 AS 259/12 ER –

1. Die Sanktionsregelungen der §§ 31 ff. SGB II in der ab 01.04.2011 geltenden Fassung verstoßen nicht gegen das aus Art. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG hergeleitete menschenwürdige Existenzminimum. Das Grundgesetz gewährleistet keinen von Mitwirkungsobliegenheiten und Eigenaktivitäten unabhängigen Anspruch auf Sicherheit eines Leistungsniveaus.

2. Auch eine vollständige Sanktionierung über einen längeren Zeitraum führt nicht dazu, dass die §§ 31 ff SGB II (2011) in die Verfassungswidrigkeit “hineinwachsen”. Der Gesetzgeber stellt mit differenzierten Regelungen z. B. über die Gewährung (ergänzender) Sachleistungen oder geldwerter Leistungen eine “letzte Grundversorgung” sicher.

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6.   Entscheidung des Sozialgerichts zur Sozialhilfe (SGB XII)

6.1 Sozialgericht Gießen, Urteil vom 12.06.2012,- S 18 SO 222/11 –

Kontoführungsgebühren sind nicht eine notwendige, mit der Erzielung des Einkommens verbundene Ausgabe nach § 82 Abs. 2 Nr. 4 SGB XII(ebenso LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 23.04.2008, Az.: L 8 SO 5/06; a.A. SG Freiburg, Urteil vom 10.05.2011, Az.: S 9 SO 406/08).

Autor des Rechtsprechungstickers: Willi 2 von Tacheles

Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de