Rechtsprechungsticker von Tacheles KW 33/2012

1.   Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 16.05.2012 zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

1.1 – BSG, Urteil vom 16.05.2012,- B 4 AS 105/11 R –

Bei Bezug einer litauischen Altersrente sind Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen, denn sie ist mit einer deutschen Altersrente vergleichbar.

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2.  Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

2.1 – Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 08.08.2012,- L 13 AS 2355/12 ER-B –

1) Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist für Arbeitssuchende ungarischer Staatsangehörigkeit europarechtskonform (Anschluss an Urteil des LSG Baden-Württemberg v. 16.05.2012, L 3 AS 1477/11).

2) Auch eine geringfügige Beschäftigung lässt den Leistungsausschluss entfallen, es sei denn sie ist völlig untergeordnet und unwesentlich, was bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 7,5 Stunden und einem monatlichen Verdienst von 100 EUR nicht angenommen werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010, B 14 AS 23/10 R).

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2.2 – Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21.06.2012,- L 7 AS 4111/11 –

1. Nach § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X ist die Anhörung vor Aufhebungs- oder Änderungsbescheiden entbehrlich, mit denen Arbeitslosengeld II an geändertes Einkommen angepasst wird; dies gilt auch für eine rückwirkende Anpassung.

2. Die Anhörungspflicht vor Erlass von Erstattungsbescheiden nach § 50 Abs. 1 SGB X umfasst lediglich die Tatsache und den Umfang der Aufhebung der Leistungsbewilligung, nicht aber die Aufhebungsvoraussetzungen.

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2.3 – Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21.06.2012,- L 7 AS 4298/11 –

Die Absenkung des Arbeitslosengeldes II wegen einer ersten wiederholten bzw. einer weiteren wiederholten Pflichtverletzung nach § 31 Abs. 1 SGB II setzt auch nach der zum 31. März 2011 geltenden Rechtslage voraus, dass die vorangegangene Sanktion bereits durch Bescheid festgestellt worden ist.

Ein auf pauschal vier Bewerbungen pro Monat bestimmtes Bewerbungsbemühen ist zulässig und auch angemessen (vgl. a. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Februar 2008 – L 25 AS 522/06 -, jeweils für 10 Bewerbungen monatlich).

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2.4 – Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 21.06.2012,- L 7 AS 4373/09 –

1. Der Bestimmung des § 11 Abs. 3 Satz 1 Buchst. a SGB II (in der bis 31.03.2011 geltenden Fassung) unterfallen zwar auch zweckbestimmte Einnahmen auf privatrechtlicher Grundlage; die Privilegierung ist jedoch an strenge Voraussetzungen gebunden.

2. Die einem Kraftfahrer aufgrund Tarifvertrags als Ersatz für Verpflegungsmehraufwendungen gezahlten Spesen werden hiervon nicht erfasst.

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2.5 – Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 13.07.2012,- L 7 AS 492/12 B ER –

Wer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach SGB II beantragt, ist nach Aufforderung verpflichtet Kontoauszüge der vergangenen drei Monate vorzulegen.

Der schriftliche Hinweis nach § 66 Abs. 3 SGB I ist kein Verwaltungsakt. Ein Widerspruch gegen einen derartigen Hinweis löst keine aufschiebende Wirkung nach § 86a SGG aus.

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Anmerkung:
LSG Sachsen, Urt. v. 19.01.2012 – L 3 AS 820/10 (BSG – B 4 AS 27/12 R (anhängig)
Spesenzahlungen bei Hartz-IV-Aufstockern gelten nicht als Einkommen

Erhalten Hartz-IV-Aufstocker von ihrem Arbeitgeber Spesen oder Verpflegungsmehraufwendungen, darf das Jobcenter diese grundsätzlich nicht als anrechenbares Einkommen werten und das Arbeitslosengeld II kürzen. Allerdings sollte der Hilfebedürftige mit Belegen nachweisen, wofür er die Spesen verwendet hat.

2.6 – Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 18.07.2012,- L 2 AS 271/12 NZB –

§ 22 Abs. 1 Satz 4 SGB II modifiziert (in der Fassung des Gesetzes zur Fortentwicklung der Grundsicherung für Arbeitsuchende vom 20. Juli 2006 – BGBl. I 1706; jetzt entsprechend geregelt in § 22 Abs. 3 SGB II) die allgemeinen Reglungen für die Berücksichtigung von Einkommen im SGB II, ohne dass davon die grundsätzliche Eigenschaft des zufließenden Guthabens als Einkommen berührt wird (so BSG, Urteil vom 22. März 2012, B 4 AS 139/11 R).

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2.7 – Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 12.07.2012, – L 15 AS 184/10 –

1. Ein Bescheid, mit dem die Änderung eines bestandskräftigen Bewilligungsbescheides über laufende Leistungen nach dem SGB II wegen einer vom Leistungsberechtigten behaupteten Änderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisses abgelehnt wird, ist kein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung. Er erledigt sich durch einen später erteilten Bescheid, der ebenfalls eine beantragte Änderung nach § 48 SGB X zum Gegenstand hat und denselben Zeitraum betrifft.

2. Die Teilnahme am Rehabilitationssport begründet im Regelfall keinen unabweisbaren Bedarf i. S. der vom BVerfG in seinem Urteil vom 09.02.2010 (1 BvL 1/09 u. a.) geschaffenen Härtefallregelung.

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2.8 – Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 10.07.2012, – L 7 AS 988/11 ZVW –

Wird der Stromverbrauch für die Heizungspumpe nicht gesondert mittels Zählers erfasst, sind die Kosten in der Regel im Wege der Schätzung mit 5 % der Brennstoffkosten der Heizungsanlage anzuerkennen.

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2.9 – Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 09.07.2012, – L 7 AS 883/11 –

1. Das von der Stadt Heilbronn entworfene Berechnungsprogramm Heikos 2.0 ist kein kommunaler Heizspiegel für die Stadt Walsrode und ansonsten zur Bestimmung von angemessenen Heizkosten im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II untauglich.

2. Bei der Anwendung des bundesweiten Heizspiegels ist die (niedrigere) tatsächliche Wohnfläche und nicht die nach den landesrechtlichen Bauförderungsrichtlinien maximal förderungsfähig zugrunde zu legen.

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3.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

3.1 – SG Hamburg, Beschluss vom 11.05.2012, – S 3 AS 1269/12 ER –

Die 6-Monatsfrist des § 31b Abs. 1 Satz 5 SGB II ist eine absolute zeitliche Grenze. Sie wird durch eine vorübergehende Beendigung des Leistungsbezugs weder verlängert noch verkürzt.

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4.   Anmerkung zu: BSG 4. Senat, Urteil vom 20.12.2011 – B 4 AS 9/11 R-

BSG, Urteil vom 20.12.2011 – B 4 AS 9/11 R –

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Betriebskostennachforderung für nicht mehr bewohnte Wohnung nach Umzug wegen Kostensenkungsaufforderung

Leitsatz (Leitsatz von Juris)

Aufwendungen durch eine Betriebskostennachforderung aus einem nicht mehr bestehenden Mietverhältnis sind Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II, wenn der Leistungsberechtigte sowohl im Zeitpunkt der Entstehung als auch der Fälligkeit der Betriebskosten im SGB II-Leistungsbezug stand und steht sowie die Aufgabe der Wohnung in Erfüllung einer Kostensenkungsobliegenheit gegenüber dem Leistungsträger erfolgt ist.

Kontext der Entscheidung

Die Entscheidung macht deutlich, dass es bei einer Betriebskostennachforderung nicht darauf ankommt, für welchen Zeitraum sie geltend gemacht wird und ob diese Wohnung tatsächlich noch genutzt wird, sondern wann dieser einmalige Unterkunftsbedarf anfällt.

Weiterhin muss eine solche Nachforderung als einmaliger Bedarf von Schulden i.S.d. § 22 Abs. 8 Satz 1 SGB II abgegrenzt werden. Nur wenn die vom Leistungsträger zur Verfügung gestellten Vorauszahlungen für Betriebs- oder Heizkosten auch an den Vermieter oder den Energieversorger weitergeleitet worden sind, kann von einem einmaligen Bedarf ausgegangen werden. Anderenfalls handelt es sich um Schulden, deren Übernahme im Ermessen des Leistungsträgers steht.

Ein solcher Anspruch dürfte kaum gegeben sein, weil die Übernahme von Betriebskostennachforderungen für eine ehemalige Unterkunft nicht dem Erhalt der aktuellen Unterkunft dienen dürfte.

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Autor des Rechtsprechungstickers: Willi 2 von Tacheles

Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de