BESCHLUSS
In der Verwaltungsrechtssache
des xxx,
Klägers und Zulassungsantragsgegners,
Proz.-Bev.: Rechtsanwalt Adam,
Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen,
gegen
xxx,
Beklagte und Zulassungsantragstellerin,
Streitgegenstand: Erkennungsdienstliche Behandlung
– Antrag auf Zulassung der Berufung –
hat das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht – 11. Senat – am 9. August 2012 beschlossen:
Der Antrag der Beklagten, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Göttingen – Einzelrichter der 1. Kammer – vom 19. Januar 2012 zuzulassen, wird abgelehnt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,– EUR festgesetzt.
GRÜNDE
Der Kläger wendet sich gegen die Anordnung, sich erkennungsdienstlich behandeln zu lassen.
Gegen den xx jährigen Kläger, der an der Universität Göttingen die Fächer xxx und xxx studiert, wurden am 12. Dezember 2009 polizeiliche Ermittlungen wegen des Verdachts der Begehung einer gefährlichen Körperverletzung aufgenommen. Dem Kläger wurde vorgeworfen, in den Nachtstunden desselben Tages in der Roten Straße in Göttingen zwei Studenten, die einer studentischen Verbindung angehören und auf dem Weg zu ihrem Verbindungshaus waren, auf Höhe des Hauses Nr. x angesprochen, zur Umkehr aufgefordert und im Zuge eines sich danach entwickelnden tumultartigen Geschehens Pfefferspray in das Gesicht gesprüht zu haben, so dass sie erhebliche Schmerzen erlitten und einer der Geschädigten sich zur Untersuchung in ein Krankenhaus begeben musste.
Mit dem auf § 81 b 2. Alt. StPO gestützten Bescheid vom 15. März 2010 wurde der Kläger von der Beklagten aufgefordert, zur Abnahme von Fingerabdrücken, Handflächen- und Handkantenabdrücken sowie zur Aufnahme von Lichtbildern bzw. Portraitaufnahmen in der Dienststelle der Polizeiinspektion Göttingen zu erscheinen. Zur Begründung wurde ausgeführt: Nach dem ermittelten Sachverhalt werde dem Kläger vorgeworfen, am 12. Dezember 2009 in der Roten Straße eine gefährliche Körperverletzung begangen zu haben. Der Kläger habe sich unzweifelhaft dadurch provoziert gefühlt, dass Burschenschaftler, die als solche erkennbar gewesen seien und zum „Feindbild“ der linken Szene gehörten, an dem Wohnprojekt Rote Straße vorbeigegangen seien, deren Bewohner dem linken Spektrum zuzurechnen seien. Da es in der Vergangenheit immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Personen der linken Szene und Burschenschaftlern gekommen sei, müsse davon ausgegangen werden, dass bei gleichgelagertem Sachverhalt der Beschuldigte eine wiederholte Vorgehensweise an den Tag lege. Aus den vorgenannten Gründen werde eine Wiederholungsgefahr als gegeben angenommen.
Hiergegen hat der Kläger am 13. April 2010 Anfechtungsklage erhoben. Mit Urteil vom 22. März 2011 hat das Amtsgericht Göttingen den Kläger wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß § 224 StGB aufgrund des Tatgeschehens am 12. Dezember 2009 zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 20,– EUR verurteilt (Az. 34 Ds 87 Js 10372/10). Dem Urteil vorangegangen war eine Verständigung gemäß § 257 c StPO in der Hauptverhandlung, im Rahmen derer sich der Kläger verpflichtet hat, den beiden Opfern, die als Nebenkläger aufgetreten sind, ein Schmerzensgeld von 500,– EUR bzw. 250,— EUR zu zahlen und die notwendigen Auslagen der anwaltlich vertretenen Nebenkläger zu übernehmen. Als Teil der Verständigung hat der Kläger die Tat vollumfänglich eingeräumt. Er hat sich zudem bei den Opfern entschuldigt.
Mit Urteil vom 19. Januar 2012 hat das Verwaltungsgericht der Klage gegen die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Kläger sei zwar zum Zeitpunkt der Anordnung Beschuldigter im Sinne des § 81 b 2. Alt gewesen. Die Anordnung sei jedoch nicht für die Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig. Eine Wiederholungsgefahr sei nicht gegeben. Der Kläger sei in dem gegen ihn wegen gefährlicher Körperverletzung eingeleiteten Verfahren erstmals strafrechtlich in Erscheinung getreten. Die Anlasstat sei von erheblichem Gewicht. Es gebe allerdings keine durchgreifenden Gründe, die für eine Wiederholungsgefahr in Bezug auf eine vergleichbare Körperverletzung sprächen. Anhaltspunkte für die Annahme, dass es sich bei Körperverletzungen um Neigungstaten handele, habe das Gericht nicht. Es handele sich um eine bloße Spekulation der Beklagten, dass der Kläger im Rahmen einer erneuten verbalen Auseinandersetzung mit Verbindungsstudenten, die zum „Feindbild“ politisch linksorientierter Personen gehörten, in gleicher Weise gewalttätig werden könnte. Wahrscheinlicher sei, dass sich der Kläger die strafrechtliche Verurteilung zur Warnung und Mahnung dienen lasse. Hierfür spreche insbesondere das Verhalten des Klägers im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Göttingen.
Der Zulassungsantrag der Beklagten, der auf § 124 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 3 VwGO gestützt wird, ist unbegründet.
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat die Beklagte nicht dargelegt. Mit der Zulassungsbegründung vom 22. Februar 2012 wird geltend gemacht, dass die Begehung einer gravierenden und tatbestandlich qualifizierten Körperverletzung aus objektiv nichtigem Anlass, aber radikalpolitischem Anlass, verbunden mit einer Häufung ähnlicher Übergriffe aus dem linksradikalen Spektrum heraus gegenüber Verbindungsstudenten in Göttingen, weiter verbunden mit einer Zugehörigkeit des Klägers zur Göttinger linken Szene, befürchten lasse, der Kläger werde zukünftig weitere Straftaten begehen. Zu Unrecht messe das Verwaltungsgericht der von dem Kläger begangenen Straftat ein untergeordnetes Gewicht zu. Diese Einordnung werde der gesetzgeberischen Entscheidung, § 224 StGB mit einer Mindestfreiheitsstrafe von sechs Monaten zu belegen, um dadurch die besondere Schutzbedürftigkeit höchstpersönlicher Rechtsgüter zu verdeutlichen, nicht gerecht. Zudem könne bei der Verwirklichung von Tatbeständen mit deutlich erhöhten Mindeststrafen eher davon ausgegangen werden, dass der Betroffene auch künftig Straftaten begehen werde, sofern – wie im Falle des Klägers – bei der Tatbegehung eine geringe Hemmschwelle gegenüber der Verletzung der Rechtsgüter anderer zum Ausdruck gekommen sei. Im Übrigen handele es sich bei Körperverletzungsdelikten um Neigungstaten, deren Vorliegen per se für eine geringe Hemmschwelle des jeweiligen Täters gegenüber Rechtsgütern anderer Personen spreche, ohne dass es eines vertieften tatsachengestützten Nachweises einer Wiederholungsgefahr im Einzelfall bedürfe. Hiervon unabhängig sprächen auch die Umstände der Tatbegehung im vorliegenden Einzelfall für eine Wiederholungsgefahr. Sie ergebe sich aus dem Zusammenspiel des massiven rechtsgutgefährdenden Einsatzes von Gewalt und dem Willen zur Durchsetzung einer extremen politischen Gesinnung. Die Anlasstat stehe zudem in einem Zusammenhang mit der in jüngerer Zeit aufgetretenen Häufung von politisch motivierten Übergriffen aus dem “linken Spektrum” gegenüber Verbindungsstudenten. Zu berücksichtigen sei ferner die besondere Wohnsituation des Klägers in dem Wohnprojekt Rote Straße 1 – 5, einem Wohn- und Aktionsschwerpunkt des linksmotivierten Spektrums in Göttingen. Teile der Bewohner betrachteten diesen Bereich als eine Art „befreite Zone“, die gegenüber politisch Andersdenkenden auch unter Einsatz massiver Gewalt zu verteidigen sei. Schließlich habe das Gericht bei der Würdigung des Verhaltens des Klägers im strafgerichtlichen Verfahren die Beweislage und die Motivation des Klägers nur in unzureichendem Umfang berücksichtigt. Mit dieser Zulassungsbegründung dringt die Beklagte nicht durch.
Das Verwaltungsgericht hat zu Recht die Voraussetzungen des § 81 b 2. Alt. StPO verneint. Nach dieser Vorschrift dürfen Lichtbilder und Fingerabdrücke des Beschuldigten auch gegen seinen Willen aufgenommen und Messungen und ähnliche Maßnahmen an ihm vorgenommen werden, soweit es für Zwecke des Erkennungsdienstes notwendig ist. Da gegen den Kläger zum Zeitpunkt der streitigen Anordnung ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts einer gefährlichen Körperverletzung lief, war er zwar Beschuldigter im Sinne der vorgenannten Vorschrift. Die angeordneten erkennungsdienstlichen Maßnahmen waren jedoch nicht notwendig. Für Zwecke des Erkennungsdienstes ist die Erhebung solcher Unterlagen notwendig, die für zukünftige Ermittlungen geeignet sind und diese fördern könnten. Wie vom Verwaltungsgericht ausgeführt, muss zur Bejahung der Notwendigkeit Grund zu der Annahme bestehen, der zu der Anordnung Herangezogene könnte künftig als Verdächtiger zu dem Kreis potenzieller Beteiligter einer noch aufzuklärenden strafbaren Handlung gehören. Es bedarf also einer Wiederholungsgefahr, die auch auf den Ergebnissen des Verfahrens wegen der Anlasstat beruhen muss (BVerwG, Beschl. v. 23.11.2005 – 6 C 2.05 -, NJW 2006, 1225; Senatsbeschl. v. 20.11.2008 – 11 ME 297/08 -, juris, Rn. 9). In besonders gelagerten Einzelfällen kann schon das Ergebnis des Anlassverfahrens die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen rechtfertigen, wenn der Betroffene zuvor noch nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten ist (Senatsurt. v. 15.11.2011 – 11 LB 195/11 -, V.n.b.). Maßgeblich sind dann die Umstände des Einzelfalles, insbesondere die Art, Schwere und Begehungsweise der dem Betroffenen im Anlassverfahren zur Last gelegten Straftat, aber auch seine persönlichen Verhältnisse und andere auf ihn bezogene tatsächliche Umstände, die für das zu erstellende Persönlichkeitsbild mitbestimmend sind. Daran gemessen ist die Gefahrenprognose der Beklagten fehlerhaft.
Gegen den Kläger lagen bis zur Einleitung des Anlassverfahrens keine polizeilichen Erkenntnisse vor. Zur Begründung der Wiederholungsgefahr kann deshalb nicht auf ältere Ermittlungsverfahren oder in der Vergangenheit ergangene strafgerichtliche Entscheidungen zurückgegriffen werden. Maßgeblich sind die aus dem Anlassverfahren zu gewinnenden Erkenntnisse. Dem Beklagten ist darin zuzustimmen, dass es sich bei der von dem Kläger begangenen gefährlichen Körperverletzung um eine Straftat mit erheblichem Gewicht handelt. Der besondere Unrechtsgehalt der qualifizierten Körperverletzung kommt in der Strafandrohung einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu 10 Jahren zum Ausdruck (vgl. § 224 Abs. 1 StGB). Allein aus der Verwirklichung von Straftatbeständen mit deutlich erhöhter Mindeststrafe kann jedoch eine Wiederholungsgefahr nicht hergeleitet werden. Auch die erstmalige Begehung einer einfachen Körperverletzung gemäß § 223 StGB oder einer gefährlichen Körperverletzung gemäß § 224 StGB lässt nicht den Schluss zu, dass der Täter generell dazu neigt, die körperliche Unversehrtheit und Gesundheit anderer Menschen zu missachten. Es bedarf vielmehr – jedenfalls bei der hier gegebenen Fallkonstellation – zur Begründung der Wiederholungsgefahr einer eingehenden Prüfung der Umstände des Einzelfalles, zu denen nicht nur die Art und Ausführung der Tat, sondern auch Erkenntnisse über die Persönlichkeit des Herangezogenen gehören.
Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass der Kläger durch seine Tatbegehung, indem er beiden Verbindungsstudenten Pfefferspray in das Gesicht gesprüht hat, den Opfern erhebliche Schmerzen zugefügt hat. Dass der Kläger nach dem Vorbringen der Beklagten „mit einer Gruppe von anderen Personen geplant aus einem Hinterhalt heraus“ die beiden Opfer angegriffen hat, ist den Feststellungen zum Sachverhalt des Amtsgerichts Göttingen in seinem Urteil vom 22. März 2011 hingegen nicht zu entnehmen. Dort wird lediglich ausgeführt, dass die beiden Opfer in der Roten Straße vom Kläger angesprochen und, nachdem das Gespräch zunächst einen harmlosen Charakter gehabt habe, aufgefordert worden seien, umzukehren und die Rote Straße nicht weiter zu benutzen. Weiter heißt es, dass der Kläger in dem sich daraufhin entwickelnden tumultartigen Geschehen den beiden Opfern Pfefferspray in das Gesicht gesprüht habe. Die Aussagen der beiden Geschädigten, die im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht zum Tatgeschehen befragt wurden, deuten ebenfalls nicht darauf hin, dass der Kläger aus einem Hinterhalt die Straftat begangen hat. Ebenso wenig kann festgestellt werden, dass die Vorgehensweise des Klägers berechnend war. Die Ausführungen des Amtsgerichts in seinem Urteil vom 22. März 2011 lassen auch nicht den von der Beklagten gezogenen Schluss zu, dass es dem Kläger bei der Tatbegehung darum ging, eine „No-Go-Area Rote Straße“ für Personen zu schaffen, die einem vermeintlich konservativen bis rechten Spektrum zuzuordnen sind. Der Attacke des Klägers ging eine verbale Auseinandersetzung mit den beiden Verbindungsstudenten voraus, deren genauer Inhalt auch nach den Zeugenaussagen der zwei Opfer unklar geblieben ist.
Es liegen auch keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür vor, dass die Tatbegehung von einer verfestigten politisch radikalen Gesinnung des Klägers zeugt, die erneute Straftaten gemäß §§ 223 ff. StGB des Klägers befürchten lässt. Der Kläger hat im Zulassungsverfahren ausdrücklich bestritten, dass er einer „wie auch immer gearteten linken Szene“ zugehört. Handfeste Tatsachen, die diese Einlassung erschüttern könnten, hat die Beklagte mit ihrer Zulassungsbegründung nicht vorgetragen. Sie verweist lediglich darauf, dass die Anlasstat im Zusammenhang mit einer in jüngerer Zeit aufgetretenen Häufung von politisch motivierten Übergriffen aus dem „linken Spektrum“ auf Verbindungsstudenten in Göttingen stehe. Damit lässt sich in Bezug auf den Kläger ein Präventionsbedürfnis nicht begründen. Der Kläger ist vor der Anlasstat strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten. Dem Zulassungsvorbringen sind keine greifbaren Hinweise darauf zu entnehmen, dass der Kläger zu dem Täterkreis gehören könnte, dem die Beklagte wiederholte Sachbeschädigung (z.B. Farbschmierereien) u. a. an Gebäuden studentischer Verbindungen, versuchte Brandstiftung in drei Fällen und gewalttätige Angriffe gegen Verbindungsstudenten zuschreibt.
Für eine Wiederholungsgefahr spricht auch nicht, dass der Kläger unter der Adresse Rote Straße x wohnhaft ist. Nach dem Zulassungsvortrag der Beklagten handelt es sich bei den Wohnhäusern Rote Straße Nr. 1 – 5 in Göttingen um den Wohn- und Aktionsschwerpunkt des linksmotivierten Spektrums. Dieser Vortrag wird nicht durch Tatsachen belegt. Selbst wenn diese Einschätzung zutreffen sollte, rechtfertigt sie nicht die Annahme, die „besondere Wohnsituation des Klägers im Rahmen eines Wohnprojekts in der Roten Straße in Göttingen“ spreche neben der besonderen Begehungsweise der Anlasstat „für eine politische Haltung des Klägers, die Gewalt gegen Andersdenkende zumindest billigend in Kauf“ nehme. Ein solches Zulassungsvorbringen, dass sich in der wiedergegebenen Behauptung erschöpft, genügt nicht den Darlegungsanforderungen.
Allein aus der Art und aus dem Gewicht der von dem Kläger begangenen Straftat ist die von der Beklagten angenommene Gefahr erneuter Gewalttätigkeiten des Klägers gegenüber Verbindungsstudenten bei gleichgelagerten Sachverhalten nicht herzuleiten. Der Senat teilt die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, das Verhalten des Klägers im strafgerichtlichen Verfahren spreche dafür, dass er sich die Verurteilung zur Warnung und Mahnung habe dienen lassen. Dagegen wendet die Beklagte vergeblich ein, dass der Kläger, der von einem der beiden Opfer als Kommilitone erkannt worden sei, auch ohne geständige Einlassung mit einem Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung und der Verhängung einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten hätte rechnen müssen und dass der Kläger mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zur Tragung der Auslagen seiner Opfer, zu Schadensersatz und zu Schmerzensgeld verurteilt worden wäre. Der Kläger hat sich in der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht im Rahmen einer Verständigung gemäß § 257 c StPO bereit erklärt, ein Geständnis abzulegen, den beiden Geschädigten ein Schmerzensgeld von 500,– EUR bzw. 250,– EUR zu zahlen und die notwendigen Auslagen der beiden Opfer zu übernehmen. Im Gegenzug wurde dem Kläger die Verurteilung zu einer Geldstrafe von 50 bis 100 Tagessätzen in Aussicht gestellt. Der Senat hat keine Anhaltspunkte, dass es sich bei dieser Verhaltensweise des Klägers nicht um den Ausdruck der Übernahme von Verantwortung handelt (vgl. hierzu BGH, Urt. v. 19.10.2011 – 2 StR 344/11 -, juris, Rn. 2, zu § 46 a Nr. 1 StGB). Zu würdigen ist auch die Haltung der beiden Opfer, die im strafgerichtlichen Verfahren als Nebenkläger aufgetreten sind. Sie haben sich mit der Verständigung einverstanden erklärt und dadurch nach außen zu erkennen gegeben, dass sie das Geständnis des Klägers und seine Verpflichtung, ihnen gegenüber finanzielle Leistungen zu erbringen, als friedensstiftenden Ausgleich akzeptieren. Der Kläger hat sich zudem außerhalb der Verständigung zusätzlich bei den Opfern für seine Tat entschuldigt. Warum dies nicht als wahrhaftiges Bedauern der Tat zu werten ist, legt der Zulassungsantrag nicht dar. Hingegen ist offen, ob der Strafprozess gegen den Kläger ohne die Verständigung gemäß § 257 c StPO den von der Beklagten prognostizierten Verlauf und Ausgang genommen hätte. Ebenso wenig liegen Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger durch die finanziellen Folgen des Strafprozesses nicht empfindlich belastet wurde. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht hat er erklärt, dass er von seinen Eltern einen monatlichen Zuschuss von 600,–EUR erhalte. Die Annahme der Beklagten, der Kläger stamme aus geordneten Verhältnissen, und die daran anknüpfende sinngemäße Vermutung, der Kläger müsse für die finanziellen Lasten des strafgerichtlichen Verfahrens nicht (allein) eintreten und deshalb schrecke ihn die Summe der zu entrichtenden Kosten nicht von künftigen Taten ab, entbehrt jeder Tatsachengrundlage.
Dem Zulassungsantrag verhilft auch nicht zum Erfolg, dass nach dem Vorbringen der Beklagten vom 18. Juni 2012 gegen den Kläger ein weiteres polizeiliches Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde wegen des Vorwurfs, am 9. Juni 2012 in Göttingen ein an der Außenfassade eines Lokals angebrachtes Werbebanner für eine Brauerei im Wert von ca. 80,– EUR gestohlen zu haben. Nach dem Bericht der Polizeiinspektion Göttingen vom 11. Juni 2012 gelang es dem Betreiber des Lokals, den Kläger nach dem Diebstahl zu stellen und seine Personalien festzustellen. Wenig später verzichtete der Geschädigte auf die Stellung eines Strafantrages, nachdem sich der Kläger entschuldigt und angeboten hatte, das Werbeschild wieder aufzuhängen. Dieser Vorfall ist im Zulassungsverfahren nicht berücksichtigungsfähig. Im Zulassungsverfahren sind bei Beurteilung des Zulassungsgrundes gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO entscheidungserhebliche Änderungen des Sachverhalts in die Prüfung einzubeziehen, soweit diese von dem Zulassungsantragsteller innerhalb der Antragsfrist vorgetragen worden sind (BVerwG, Beschl. v. 11.11.2002 – 7 AV 3.02 -, DVBI. 2003, 401). Hieran fehlt es. Die Frist zur Begründung des Zulassungsantrages lief am-26. März 2012 ab. Außerdem trägt die Beklagte nicht vor, warum der nachträglich bekannt gewordene Tatvorwurf die von ihr in der Zulassungsbegründung vom 22. Februar 2012 prognostizierte Gefahr, der Kläger werde wegen seines radikal-politischen Hintergrundes erneut gegenüber Verbindungsstudenten gewalttätig werden, untermauern soll.
Die Grundsatzrüge der Beklagten greift ebenfalls nicht durch. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine höchstrichterlich oder obergerichtlich noch nicht beantwortete Rechtsfrage oder eine obergerichtlich bislang ungeklärte Tatsachenfrage von allgemeiner Bedeutung aufwirft, die sich im Rechtsmittelverfahren stellen würde und im Interesse der Einheit der Rechtsprechung oder der Weiterentwicklung des Rechts einer fallübergreifenden Klärung durch das Berufungsgericht bedarf (Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, Kommentar zur VwGO, Loseblattsammlung, Stand Januar 2012, § 124 Rn. 30 ff. m.w.N.). Die Beklagte hält die Frage für grundsätzlich bedeutsam, inwieweit Körperverletzungen Neigungstaten sein können. Zur Beantwortung dieser Frage bedarf es nicht der Durchführung eines Berufungsverfahrens. Nach den vorstehenden Ausführungen zu § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist bei der erstmaligen Begehung einer Körperverletzung in Bezug auf die Prognose, ob daraus eine Wiederholungsgefahr abgeleitet werden kann, auf die Umstände des Einzelfalles abzustellen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 47 Abs. 1 und Abs. 3, 52 Abs. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 wGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).