1. Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 16.10.2012 zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
1.1 – BSG, Urteil vom 16.10.2012, – B 14 AS 11/12 R –
Ein privat krankenversicherter Bezieher von Alg II-Leistungen kann die Übernahme seiner unterhalb des hälftigen Höchstbetrags zur gesetzlichen Krankenversicherung liegenden Beiträge zur privaten Krankenversicherung im Wege einer analogen Anwendung der für freiwillig in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherte Personen geltenden Regelung von dem SGB II-Träger beanspruchen.
Keine Absetzung der den Zuschuss übersteigenden Beiträge zur privaten Krankenversicherung vom Einkommen nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II a.F. Die Prämie zur privaten Pflegeversicherung ist in voller Höhe zu übernehmen.
2. Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 15.11.2012 zur Sozialhilfe (SGB XII)
2.1 – BSG, Urteil vom 15.11.2012 – B 8 SO 5/11 R
Lebt ein Sozialhilfebezieher in einem Wohnheim, das keinen Internetzugang anbietet, hat er Anspruch auf Übernahme angemessener Internetkosten als Leistung des weiteren notwendigen Lebensunterhalts – nicht als erhöhten Barbetrag bzw als Eingliederungshilfe – in Ergänzung zu dem in der Einrichtung tatsächlich erbrachten Lebensunterhalt.
Die Nutzung des Internets ist vom Gesetzgeber zumindest seit dem 1.1.2007 (beruhend auf der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe 2003) außerhalb stationärer Leistungen im Regelsatz berücksichtigt worden, dem auch im Rahmen stationärer Maßnahmen Rechnung getragen werden. muss.
2.2 – BSG, Urteil vom 15.11.2012 – B 8 SO 25/11 R –
Bei den Kosten für die Räumung einer Wohnung handelt es sich um unmittelbar mit einem Umzug zusammenhängende Kosten, wenn der Sozialhilfebezieher in ein Pflegeheim zieht.
Der insoweit erst während des Bezugs der stationären Leistung entstehende zusätzliche Bedarf ist dann als Leistung des Weiteren notwendigen Lebensunterhalts (§ 35 Abs 2 SGB XII aF) zu übernehmen, wenn die Voraussetzungen des § 29 SGB XII aF vorliegen. Ohne Bedeutung ist, inwieweit Möbel mitgenommen werden; auch bei Entsorgungskosten kann es sich um Umzugskosten handeln.
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Anmerkung:
Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil vom 22.12.2010 – L 2 SO 2078/10
Die Überschneidungskosten, die auf dem bis zur Beendigung des Mietverhältnisses über eine Wohnung nach vorzeitig notwendig gewordenen Umzug in eine stationäre Einrichtung noch entstanden sind, sind zwar keine Kosten des notwendigen Lebensunterhaltes in einer Einrichtung gem. § 35 SGB XII a.F.. Sie sind jedoch vom Sozialhilfeträger als notwendiger Unterkunftsbedarf gem. § 42 Abs. 1 Nr. 2 SGB XII i.V.m. § 29 SGB XII a.F. zu übernehmen.
3. Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 20.09.2012 zur Sozialhilfe (SGB XII)
3.1 – BSG, Urteil vom 20.09.2012 – B 8 SO 13/11 R
Bilden Sozialhilfeempfänger mit einem Arbeitslosengeld-II-Bezieher eine sog. gemischte Bedarfsgemeinschaft, müssen sie sich nicht allein auf die in der Sozialhilfe geltenden niedrigen Vermögensfreibeträge verweisen lassen. Denn für eine solche gemischte Bedarfsgemeinschaft gilt ein einziger gemeinsamer Vermögensfreibetrag
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Anmerkung:
BSG, Urteil vom 9.6.2011 – B 8 SO 20/09 R
Im Rahmen gemischter Bedarfsgemeinschaften ist die Berechnung der Leistung für jede einzelne Person nach den Vorschriften des für ihn geltenden Gesetzes durchzuführen; Besonderheiten der gemischten Bedarfsgemeinschaft, die sich aus dem Regelungskonzept des SGB II ergeben, ist mit Hilfe der Härteregelung Rechnung zu tragen.
4. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
4.1 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29.11.2012 – L 19 AS 2092/12 NZB
Pilgerfahrt auf spontane Einladung – stellt keinen wichtigen Grund dar, einen Meldetermin beim Jobcenter zu versäumen.
Die generellen Anforderung an das Vorliegen eines wichtigen Grundes speziell bei Meldeversäumnissen nach dem Recht des SGB II sind durch höchstrichterliche Rechtsprechung geklärt (BSG Urteil vom 09.11.2010 – B 4 AS 27/10 R).
4.2 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 22.10.2012 – L 19 AS 1412/12, Revision zugelassen
Bei der Regelung des § 28 Abs. 3 SGB II handelt es sich um eine Stichtagsregelung
Die Vorschrift des § 28 Abs. 3 SGB II knüpft an die Vorgängerregelung des §§ 24a, 41 Abs. 1 Satz 5 SGB II an (vgl. BT Drs 17/3404 S.104) und ist als Leistung zum Schuljahres- und Schulhalbjahresbeginn konzipiert (vgl. BT-Drs 17/3404 S 105).
Im Hinblick auf den Charakter der Bestimmung des § 28 Abs. 3 SGB II als Stichtagsregelung begründet das Entstehen eines Bedarfs an Ausstattung mit persönlichem Schulbedarf eines Kindes erst nach dem 1. August bzw. dem 1. Februar – z. B. durch den Eintritt der Hilfebedürftigkeit eines Kindes, das Entstehen einer Schulpflicht oder die Aufnahme eines Schulbesuchs – nicht einen Leistungsanspruch nach § 28 Abs. 3 SGB II.
Die Vorschrift des § 28 Abs. 3 SGB II ist auch nicht dahingehend erweiternd auszulegen dass auch bei Entstehung eines Bedarfs i.S.v. § 28 Abs. 3 SGB II nach dem 1. August bzw. 1. Februar eine Leistungsgewährung zu erfolgen hat. Es liegt weder eine planwidrige Lücke vor (vgl. hierzu BSG Urteil vom 22.03.2012 – B 4 AS 26/10 R,Rn 15 m.w.N.) noch ist eine analoge Anwendung der Vorschrift geboten
4.3 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.10.2012 – L 6 AS 1229/12 B
Weder aus der postalischen Nutzung noch aus der erfolgten Ummeldung kann die Feststellung gezogen werden, ob eine Wohnung tatsächlich genutzt worden ist, die es rechtfertigt, gegenüber den weiteren Mitgliedern der Haushalts-/Bedarfsgemeinschaft einen Kopfteil bei den KdU in Abzug zu bringen.
Das zeigt ein Blick auf die Definition des Wohnsitzes in § 30 Abs. 3 SGB 1. Einen Wohnsitz hat danach jemand dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Auf die ordnungsbehördliche Meldung eines Wohnsitzes beim Einwohnermeldeamt kommt es hierbei nicht an (vgl. Schlegel in: jurisPK-SGB I, 2. Aufl. 2011, § 30 SGB I, Rz. 44).
4.4 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.10.2012 – L 7 AS 999/12 B –
Gewährung von Prozesskostenhilfe, denn die Antragsteller haben glaubhaft gemacht, dass das ihnen zugeflossene Elterngeld zum Zeitpunkt der Antragstellung auf einstweiligen Rechtsschutz verbraucht war.
Eine fiktive Anrechnung ist im Hinblick auf die Regelungen der §§ 31, 31 a Abs. 1, 34 SGB II nicht gerechtfertigt. Die Sanktionsregelung des §§ 31, 31a Abs. 1 SGB II besagt, dass auch dem Verschwender gekürztes Alg II zu gewähren ist, belastet mit der Ersatzforderung nach § 34 SGB II. Mögliche Ersatzansprüche gegen den Hilfebedürftigen stehen der Annahme der Hilfebedürftigkeit nicht entgegen (erkennender Senat, Urteile vom 19.07.2012, Az.: L 7 AS 1155/10 und 22.04.2010, Az.: L 7 AS 107/09; so auch LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 19.11.2007, Az.: L 1 B 1845/07 AS ER und Beschluss vom 27.11.2007, Az.: L 14 B 1818/08 AS ER). Die Rechtsfrage ist unter dem Aktenzeichen B 14 AS 38/12 R beim Bundessozialgericht anhängig.
sozialgerichtsbarkeit.de
Anmerkung:
Anderer Auffassung: Bayerisches Landessozialgericht – LSG -, Urteil vom 13.04.2007, Az.: L 7 AS 309/06; in diese Richtung BSG, Urteil vom 30.09.2008, Az.; B 4 AS 29/07 R.
4.5 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09.11.2012 – L 2 AS 1589/12 NZB –
Für ein noch unter 14-jähriges Kind ist eine Kinderunfallversicherung bei fehlendem besonderen gesundheitlichen Risiko dem Grunde nach eine unangemessene Versicherung, für die Beiträge nicht vom Kindergeld oder von Unterhaltsleistungen vor deren Berücksichtigung als Einkommen bei der Berechnung des Sozialgelds in Abzug zu bringen sind(BSG), so auch mit Urteil vom 16.02.2012, B 4 AS 89/11 R).
Anmerkung:
Sozialgericht Chemnitz, Urteil vom 24.4.2012 – S 3 AS 3239/11 WA, rechtskräftig
Private Unfallversicherung für Kinder im Einzelfall angemessen
Denn aufgrund der geistigen Behinderung und Störungen des Gleichgewichts und der Feinmotorik besteht ein höheres Unfallrisiko.
5. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)
5.1 – Sozialgericht Dortmund, Beschluss vom 17.12.2012 – S 41 SO 426/12 ER
Auf Grundlage des § 117 Abs. 1 Satz 3 SGB XII lässt sich im Fall von Hilfebedürftigen, die Leistungen nach dem 4. Kapitel SGB XII erhalten bzw. beanspruchen, keine Ermächtigung zum Erlass eines Auskunftsersuchen gegenüber deren Partnern herleiten.
Für das vom Sozialhilfeträger erlassene Auskunftsersuchen fehlt es an einer – im Hinblick auf die mit einer Auskunftspflicht verbundene Beeinträchtigung des in Art. 2 Abs. 1 GG geschützten Persönlichkeitsrechts der Antragstellerin (vgl. LSG NRW, Urteile vom 14.09.2009, Az. L 20 SO 96/08 und vom 07.05.2012, Az. L 20 SO 32/12) – notwendigen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage.
5.2 – Sozialgericht München, Urteil vom 11.12.2012 – S 48 SO 548/11
Antragsteller hat Anspruch auf Hilfe zur Beschaffung eines behindertengerechten Kraftfahrzeuges im Rahmen der Eingliederungshilfe.
Die gesetzliche Voraussetzung des Angewiesenseins auf ein eigenes Kraftfahrzeug ist grundsätzlich bereits dann erfüllt, wenn der behinderte Mensch nur mit Hilfe eines Pkws den Nahbereich seiner Wohnung verlassen, sich also außerhalb der Wohnung (über längere Strecken) bewegen kann, sofern das Bedürfnis, die Wohnung zu verlassen, gerade aus Gründen besteht, denen die Eingliederungshilfe dient und wenn sich schließlich ein solches Bedürfnis regelmäßig stellt (so zutreffend LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 10.05.2007, L 8 SO 20/07 ER).
sozialgerichtsbarkeit.de
Anmerkung:
Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 26.09.2012, – L 2 SO 1378/11
Junge, schwer mehrfachbehinderte Frau hat Rechtsanspruch auf Hilfe zur Beschaffung eines KFZ sowie den behindertengerechten Umbau des KFZ durch den Sozialhilfeträger im Rahmen der Eingliederungshilfe.
6. SG Oldenburg Az: S 39 AS 462/12 – Anerkenntnis
Arbeitsloser muss nicht in Landwirtschaft arbeiten – In der Eingliederungsvereinbarung geschlossene Vereinbarung ist verbindlich für das Jobcenter sowohl als auch für den Leistungsbezieher.
Sanktion nicht rechtmäßig – Vereinbarung sieht Selbstständigkeit als Ziel vor.
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Anmerkung:
SG Dresden, Beschluss vom 03.06.2008 – S 10 AS 2252/08 ER
Ein wichtiger Grund iS von § 31 Abs 1 S 2 SGB 2 für die Nichtteilnahme an einer Eingliederungsmaßnahme liegt vor, wenn der Hilfebedürftige ernsthaft die Beendigung seiner Arbeitslosigkeit durch die Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit plant und die Maßnahme ihm hierfür von keinerlei Nutzen ist.
Einen guten Rutsch und ein gesundes, neues Jahr wünscht allen Lesern der Verein Tacheles und Willi 2.
Autor des Rechtsprechungstickers: Willi 2 von Tacheles
Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de