Sozialgericht Hildesheim – Beschluss vom 18.02.2013 – Az.: S 15 AS 489/11

BESCHLUSS

In dem Rechtsstreit
1. xxx,
2. xxx,
vertreten durch
xxx,
Kläger,

Proz.-Bev.: zu 1-2:Rechtsanwalt Sven Adam,
Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen,

gegen

Landkreis xxx,
Beklagter,

hat das Sozialgericht Hildesheim – 15. Kammer – am 18. Februar 2013 durch den Vorsitzenden, Richter xxx, beschlossen:

Der Beklagte hat den Klägern ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

GRÜNDE
Das Gericht hat gemäß § 193 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) auf Antrag durch Beschluss zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben, wenn das Verfahren — wie hier — anders als durch Urteil beendet wird. Diese Kostengrundentscheidung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, wobei unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes insbesondere auf die Erfolgsaussichten abzustellen ist (Meyer-Ladewig/Leitherer, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Auflage, § 193 Rn 13 mwN). Weitere Kriterien für die Kostenentscheidung sind vor allem das erreichte Prozessergebnis, die Umstände, die zur Erhebung der Klage führten, sowie die Umstände, die zur Erledigung des Rechtsstreits geführt haben (vgl. Niesel, Der Sozialgerichtsprozess, 5. Auflage, Rn 610 und 613 mwN).

Die Ausübung des dem Gericht eingeräumten Ermessens führt vorliegend zu dem Ergebnis, dass der Beklagte den Klägern die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten hat.

Auf Grundlage des bisherigen Tatsachenstoffes ist davon auszugehen, dass die Klage höchstwahrscheinlich Erfolg gehabt hätte.

Eine weitere Sachverhaltsaufklärung, insbesondere die hier erforderliche Zeugenvernehmung, ist nach Erledigung der Hauptsache nicht mehr zweckmäßig, zumal hierdurch nur noch weitre Kosten entstünden.

Nach derzeitigen Sach- und Rechtstand gab es weder eine ausreichende Belehrung noch eine Rechtsgrundlage zu Rückforderung, womit das gewährte Darlehen entgegen den streitgegenständlichen Bescheiden nicht zurückzuzahlen war.

So ist weiterhin nicht ersichtlich, dass die Klägerin zu 1 ausreichend darüber belehrt worden ist, dass das Darlehen auch ohne ratenweise Tilgung erbracht werden kann. In der Niederschrift vom 19.12.2008 (Blatt 106 der Verwaltungsakte, VA) findet sich lediglich die Erklärung, dass die Übernahme der Mietkaution nur als Darlehen erfolgt. Ferner wurde eine ratenweise Rückzahlung festgehalten. Ein Hinweis auf andere Möglichkeiten findet sich nicht. Aufgenommen ist nur der Hinweis, dass bei Einstellung der Leistungen das verbleibende Restdarlehen zurückzuzahlen ist.
Die Niederschrift vom 07.01.2009 (Blatt 133 VA) führt zu keinem anderen Ergebnis. Hierfür spricht, dass diese erst nach dem Bewilligungsbescheid vom 06.01.2007 (übergeben am 07.01.2009, Blatt 131 f. VA) erstellt wurde. Die Klägerin zu 1 konnte hier nicht Eindruck erlangen, eine Wahl bei der Tilgungsbestimmung zu haben, da auch diese offenbar vorbereitet war (Tilgungsart war maschinell vorangekreuzt). Vielmehr musste die Klägerin zu 1 davon ausgehen, dass es sich nur um die Bestätigung bzw. den Vollzug der Vereinbarung vom 19.12.2008 ging. Dies gilt insbesondere, weil aus der Niederschrift ebenfalls nicht eindeutig hervorgeht, dass eine echte Wahlmöglichkeit bestand. Die Klägerin konnte nicht wissen, dass der Beklagte auch der Vereinbarung einer anderen Tilgungsbestimmung hätte zustimmen müssen. Eine Belehrung hierzu ist nicht ersichtlich.

Ferner war eine Einbehaltung rechtswidrig, weil ein Rechtsgrund hierfür zumindest in dem hier streitigen Zeitraum nicht vorhanden war. Der Beklagte kann sich nicht auf die Regelungen zur Aufrechnung in § 51 SGB I berufen, weil es unter Berücksichtigung der Höhe der laufenden SGB II-Leistungen an deren Pfändbarkeit fehlt. Auf § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB II, der als Ausnahmeregelung ein über § 51 SGB I hinausgehendes Aufrechnungsrecht des Grundsicherungsträgers enthält, kann die Einbehaltung gleichfalls nicht gestützt werden, weil sich diese Norm ausdrücklich nur auf Darlehen für unabweisbare Bedarfe zur Sicherung des Lebensunterhalts bezieht. Eine analoge Anwendung des § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB II ist nicht möglich, weil es an einer planwidrigen Regelungslücke fehlt. Auch aus der von dem Beklagten vorformulierten und erwirkten Erklärung des Klägerin zu 1 ergibt sich keine Berechtigung zur Tilgung des Mietkautionsdarlehens aus der laufenden Regelleistung, weil ein Verzicht auf diese existenzsichernden Leistungen jedenfalls eine Umgehung von Rechtsvorschriften i.S.d. § 46 Abs. 2 SGB I darstellen würde. Ob eine Umgehung von Rechtsvorschriften vorliegt, ist im Sozialrechtsverhältnis zwischen Leistungsberechtigtem und Sozialleistungsträger anhand von Sinn und Zweck der jeweiligen Rechtsvorschriften sowie deren Systematik zu beurteilen. Bei einem von dem SGB II-Träger erwirkten Verzicht handelt es sich um den nicht zulässigen Versuch, unter Absehen von den speziellen Voraussetzungen und Grenzen des § 51 SGB I die nicht zulässige Aufrechnung von laufenden, das Existenzminimum sichernden Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu umgehen.

Dieser Beschluss ist gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG in der ab 1. April 2008 geltenden Fassung unanfechtbar.


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