URTEIL
In dem Verwaltungsstreitverfahren
des xxx,
-Kläger-
bevollmächtigt:
Rechtsanwalt Sven Adam,
Lange Geismarstr. 55, 37073 Göttingen
gegen
den Freistaat xxx,
– Beklagter –
wegen Polizeirechts
hat die 2. Kammer des Verwaltungsgerichts Meiningen durch den Richter am Verwaltungsgericht xxx als Einzelrichter ohne mündliche Verhandlung am 19. März 2013 für Recht erkannt:
I. Es wird festgestellt, dass die seitens der Polizei vorgenommene Abgitterung des Auftaktkundgebungsortes der von dem Kläger für den 02.06.2012 in Eisenach angemeldeten Versammlung in der Zeit von 14.00 Uhr bis 15.15 Uhr rechtswidrig war.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
TATBESTAND:
Der Kläger wendet sich gegen eine polizeiliche Maßnahme bei einer Versammlung in Eisenach am 02.06.2012 unter dem Motto „Kritik an Studentenverbindungen anlässlich des Tages der Deutschen Burschenschaft”, die vom Kläger als verantwortlichem Leiter bei der Stadt Eisenach angemeldet worden war.
Am 08.06.2012 hat der Kläger Klage erhoben. Er beantragt,
festzustellen, dass die polizeilich angeordnete und durch Polizeifahrzeuge, Polizeikräfte und so genannte „Hamburger Gitter” durchgeführte Umschließung des Auftaktkundgebungsortes der von dem Kläger für den 02.06.2012 in Eisenach angemeldeten Versammlung in der Zeit von 14.00 Uhr bis ca. 15.15 Uhr rechtswidrig war.
Der Beklagte beantragte zunächst,
die Klage abzuweisen.
Mit Schriftsatz vom 04.02.2013, eingegangen bei Gericht am 08.02.2013, erklärte der Beklagte, „dass die seitens der Polizei vorgenommene Abgitterung des Auftaktkundgebungsortes der von dem Kläger für den 02.06.2012 in Eisenach angemeldeten Versammlung in der Zeit von 14.00 Uhr bis 15.15 Uhr rechtswidrig war”. Der Beklagte ist der Ansicht, dem Rechtsschutzbegehren des Klägers sei damit vollständig entsprochen worden und das Feststellungsbedürfnis entfallen. Auch ein Rechtsschutzbedürfnis für ein Anerkenntnisurteil fehle. Der Kläger beantragt den Erlass eines Anerkenntnisurteils.
Auf den Inhalt der Gerichtsakte wird Bezug genommen.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
Der Einzelrichter kann hier im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO -). Auf die Entscheidungsbefugnis des Berichterstatters gemäß § 87 a Abs. 1 Nr. 2 VwGO und die Anwendbarkeit von § 173 VwGO i.V.m. § 307 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) kommt es insofern nicht an.
Die Klage hat Erfolg, da ein Anerkenntnis des Beklagten vorliegt.
1. Die Klage ist als Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig.
Das berechtigte Interesse des Klägers an der von ihm begehrten Feststellung der Rechtswidrigkeit polizeilicher Maßnahmen ergibt sich bereits aus der institutionellen Garantie des Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG). Bei hoheitlichen Maßnahmen, die sich — wie das bei polizeilichen Maßnahmen in der Regel der Fall ist — typischerweise kurzfristig erledigen, kann effektiver gerichtlicher Rechtsschutz grundsätzlich nicht rechtzeitig gewährt werden. Insofern ist die Möglichkeit einer zumindest nachträglichen gerichtlichen Kontrolle rechtsstaatlich geboten (VG Freiburg, Urt. v. 23.02.2012, 4 K 2649/10, juris, Rn. 14 m.w.N.). Zudem kommt ein ideelles Feststellungsinteresse in Betracht, wenn die in Frage stehende Maßnahme den Kläger objektiv in seinem grundrechtlich geschützten Bereich beeinträchtigt hat; hierzu zählen namentlich Feststellungsbegehren, die polizeiliche Maßnahmen zum Gegenstand haben (Bay. VGH, Urt. v. 27.01.2012, 10 B 08.2849, juris, Rn. 35). Im vorliegenden Fall geht es um eine die Versammlungsfreiheit des Klägers tangierende faktische Maßnahme der Polizei. Faktische Behinderungen einer Versammlung stellen einen Grundrechtseingriff dar, sofern sie von einem solchen Gewicht sind, dass sie einer imperativen Maßnahme gleichkommen (VG Berlin, Urt. v. 08.03.2006, 1 A 98.05, juris, Rn. 30 m.w.N.).
Das Rechtsschutzinteresse des Klägers ist — entgegen der Auffassung des Beklagten — nicht dadurch entfallen, dass der Beklagte die vom Kläger angegriffene Maßnahme als rechtswidrig anerkannt hat. Vielmehr besteht ungeachtet dieser Erklärung aus den Gründen, die für das Vorliegen eines berechtigten Interesses an der begehrten Feststellung sprechen — d.h. insbesondere Art. 19 Abs. 4 GG —, das Rechtsschutzinteresse des Klägers an einer gerichtlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit dieser Maßnahme uneingeschränkt fort (vgl. VG Freiburg, Urt. v. 23.02.2012, 4 K 2649/10, juris, Rn. 15). Die Erklärung der Polizei, sie räume die Rechtswidrigkeit der von ihr ergriffenen, bereits erledigten Maßnahmen ein, lässt das Rechtsschutzinteresse des betroffenen Bürgers an einer gerichtlichen Feststellung der Rechtswidrigkeit nicht entfallen (VG Freiburg, Urt. v. 23.02.2012, 4 K 2649/10, juris, Leitsatz 2).
Ein über den Erlass eines Anerkenntnisurteils hinausgehendes Rechtsschutzbedürfnis besteht dagegen nicht. Dass im Rahmen eines Anerkenntnisurteils eine Prüfung der Rechtmäßigkeit nicht vorzunehmen ist, steht dem nicht entgegen. Denn der Kläger erlangt prozessual gesehen ein seinem Antrag entsprechendes Urteil. Es ist Ausfluss der Dispositionsmaxime, welche die Verfügungsbefugnis über den Verfahrensgegenstand den Prozessbeteiligten zuweist, dass dem Gericht durch die Handlung der Beteiligten die Überprüfung eines Sachverhalts entzogen werden kann (VG Freiburg, Urt. v. 23.02.2012, 4 K 2649/10, juris, Rn. 16).
2. Die Klage ist auch begründet. Der Beklagte hat mit Schreiben vom 04.02.2013 die vom Kläger angegriffene Maßnahme als rechtswidrig anerkannt.
Ein Anerkenntnis i. S. von § 173 VwGO i. V. m. § 307 ZPO erfordert eine Erklärung des Beklagten an das Gericht, dass der vom Kläger geltend gemachte Anspruch besteht, die aufgestellte Rechtsbehauptung richtig ist (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl., § 307, Rn. 1). Die Erklärung muss nicht notwendig ausdrücklich sein, aber eindeutig und bedingungslos (BGH, Urt. v. 19.06.1985, IV b ZR 38/84, juris, Rn. 26; Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl., § 307, Rn. 3). Hier hat der Beklagte erklärt, dass die seitens der Polizei vorgenommene Abgitterung des Auftaktkundgebungsortes der von dem Kläger für den 02.06.2012 in Eisenach angemeldeten Versammlung in der Zeit von 14.00 Uhr bis 15.15 Uhr rechtswidrig war. Auch wenn der Beklagte den Anspruch des Klägers nicht ausdrücklich „anerkannt” hat, so hat er doch unmissverständlich erklärt, dass die im Streit stehende Maßnahme rechtswidrig war. Er hat damit das Bestehen des prozessualen Anspruchs eindeutig zugestanden.
Ein Anerkenntnisurteil ist auch im Verwaltungsprozess zulässig. Es ist dem Beklagten unbenommen, den gegen ihn mit der Klage geltend gemachten Anspruch anzuerkennen. § 307 ZPO ist Ausdruck der Dispositionsmaxime, die die Befugnis der Beteiligten sichert, über den Streitgegenstand zu verfügen. Dieser Grundsatz gilt auch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren. Das Anerkenntnis stellt in diesem Zusammenhang ein geeignetes Mittel dar, den Kläger ganz oder teilweise klaglos zu stellen (BVerwG, Gerichtsbescheid v. 07.01.1997, 4 A 20/95, juris, Rn. 5; VG Freiburg, Urt. v. 23.02.2012, 4 K 2649/10, juris, Rn. 18 m.w.N.). Entgegen vereinzelten Stimmen in Literatur und Rechtsprechung sind Anerkenntnisurteile nicht nur bei Leistungsklagen zulässig, sondern auch bei Anfechtungsklagen (VG Stuttgart, Urt. v. 15.07.2010, 2 K 1288/10, juris, Rn. 19 ;VG Hannover, Urt. v. 09.08.2001, 7 A 5046/00, juris, Orientierungssatz 1) und anderen Klagearten, insbesondere auch in Fällen der Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO — wie hier —, die mit der Anfechtungsklage systematisch eng verbunden ist (VG Freiburg, Urt. v. 23.02.2012. 4 K 2649/10, juris, Rn. 18).
Dementsprechend war dem Antrag des Klägers im Wege eines Anerkenntnisurteils nach den §§ 173 Satz 1 VwGO, 307 Satz 1 ZPO umfassend stattzugeben. Einer materiellen Prüfung der Rechtmäßigkeit bzw. Rechtswidrigkeit der von ihm angegriffenen Maßnahme bedarf es nicht mehr.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 1 ZPO.
Die Berufung war nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO vorliegt.
Es folgt die Rechtsmittelbelehrung.