1. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
1.1 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 03.04.2013 – L 19 AS 330/13 B rechtskräftig
Ortsabwesenheit im SGB II gilt auch für sog. Aufstocker (selbständige Tätigkeit)
Unter Verweis auf die gesetzlichen bzw. arbeitsvertraglichen Regelungen zum Urlaub kann nicht ein genereller Anspruch eines Beziehers von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf Zustimmung einer vierwöchigen Ortsabwesenheit hergeleitet werden.
Auch in Fällen fehlender „Arbeitslosigkeit“ bzw. des nur aufstockenden Bezuges von Leistungen nach dem SGB II bedarf es einer Zustimmung zur Ortsabwesenheit. Der Begriff der Arbeitslosigkeit findet sich nicht im Katalog der Leistungsvoraussetzungen nach § 7 Abs. 1 S. 1 SGB II. Arbeitslosigkeit gehört auch nicht zu den Voraussetzungen für die Anwendbarkeit der EAO.
Die Leistungsbezieherin ist als Aufstockerin nicht i.S.d. Gesetzes (vollständig) eingegliedert und zur aktiven Mitwirkung bei der Verwirklichung des Eingliederungszieles einer vollständigen Unabhängigkeit – auch ihrer Bedarfsgemeinschaft – von Leistungen nach dem SGB II verpflichtet. Damit unterfällt sie ohne Zweifel den vorgestellten Regelungen zur nur ausnahmsweise zulässigen Ortsabwesenheit und bedarf einer Zustimmung nach § 7 Abs. 4a SGB II i.V.m. der EAO.
Anmerkung:
Dazu RiLSG NRW Wolff-Dellen in Löns/Herold-Tews, SGB II, 3. Aufl. § 7 Rn 51 mit Verweis auf BT-Drs 17/3404, 92 zu lit. e:
In Vollzeitbeschäftigte brauchen keine besondere Zustimmung zur Ortsabwesenheit. So darf dieser Vollzeitbeschäftigte auch einen eventuellen längeren Jahresurlaub (> 3 Wochen) nehmen.
BT-Drs 17/3404
www.harald-thome.de (pdf)
1.2 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.05.2013 – L 2 AS 775/13 B ER rechtskräftig
Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes ist nicht erforderlich, wenn sichergestellt ist, dass die Antragstellerin in Notfällen die medizinische Versorgung erhält (vgl. auch Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17.02.2009 – L 7 B 418/08 AS; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23.03.2010 – L 25 AS 43/10 B ER).
Dies gilt insbesondere dann, wenn, wie hier, nicht einmal ersichtlich ist, dass aktuell eine medizinische Versorgung erforderlich ist und zudem keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die zuständige Krankenkasse eine solche Versorgung verweigert.
1.3 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.05.2013 – L 12 AS 2366/12 B rechtskräftig
Ein Mehrbedarf nach § 23 Nr. 4 SGB II (Merkzeichen G) ist auch für erwerbsunfähigen Jugendlichen zu gewähren, sobald für sie keine Verpflichtung zum Besuch einer Schule mit Vollunterricht mehr besteht.
Insoweit ist klargestellt, dass nicht allein auf das Alter des potenziellen Leistungsberechtigten abgestellt werden kann.
Vorliegend ist der Antragsteller jedoch tatsächlich nicht in der Lage sich etwas dazu zu verdienen, da er der 11-jährigen Schulpflicht zum Besuch von Förderschulen gemäß § 37 Abs. 3 Schulgesetz NRW unterliegt.
Anmerkung:
BSG, Urteil vom 6.5.2010 – B 14 AS 3/09 R
Ein Kind vor Vollendung des 15. Lebensjahrs ist keine „nichterwerbsfähige Person“ iS des § 28 Abs 1 Satz 3 Nr 4 SGB 2 a. F.
1.4 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30.04.2013 – L 6 AS 2234/12 NZB rechtskräftig
Gem. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II sind als bedarfsminderndes Einkommen alle Einnahmen in Geld oder Geldeswert zu berücksichtigen. Hierzu gehört grundsätzlich auch das Kindergeld, das gem. § 1 Abs. 1 BKGG ein eigener Anspruch der kindergeldberechtigten Person ist.
Sowohl § 11 Abs. 1 Satz 4 SGB II als auch nunmehr § 1612 b BGB ordnen – abweichend von der grundsätzlichen kindergeldrechtlichen Zuordnung – jeweils an, dass das auf das Kind entfallende Kindergeld zur Deckung des sozialrechtlichen bzw. unterhaltsrechtlichen Bedarfs des Kindes zu verwenden ist.
sozialgerichtsbarkeit.de
1.5 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.01.2013 – L 6 AS 1792/12
Kein Rechtsschutzbedürfnis des Leistungsbeziehers zur gesonderten gerichtlichen Überprüfung einer durch Zeitablauf bereits erledigten Meldeaufforderung.
Meldeaufforderungen des Jobcenters stellen einen Verwaltungsakt dar.
Ob die Bescheide formell und materiell rechtmäßig sind, ist nach Verstreichen des Termins nur dann von Bedeutung, wenn das Jobcenter gestützt auf den Verstoß gegen die Meldeaufforderung(en) durch einen sog Sanktionsbescheid die Regelleistung absenkt. Im Rahmen der Anfechtung dieser Absenkung nach § 32 SGB II kann er die Rechtmäßigkeit der Bescheide überprüfen lassen; dies ist regelmäßig der schnellere und einfachere Weg, Rechtsschutz zu erhalten.
1.6 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.05.2013 – L 7 AS 525/13 B ER und – L 7 AS 526/13 B – rechtskräftig
Aufforderung des Jobcenters zur unverzüglichen Antragstellung auf vorzeitige Altersrente ist rechtmäßig, denn eine besondere Härte liegt nicht vor.
Denn auch unter Inanspruchnahme der vollen Altersrente würde Hilfebedürftigkeit dauerhaft nicht vermieden werden können.
Offen gelassen werden kann, ob neben den in der Unbilligkeitsverordnung geregelten Fällen auch weitere Fallgruppen, in denen die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente möglicherweise eine besondere Härte für den Betroffenen darstellt, im Rahmen des § 12 a Satz 2 Nr. 1 SGB II zu berücksichtigen sein können (so Geiger in: Münder, Kommentar zum SGB II 4. Auflage § 12 a Rn. 6; Hengelhaupt in: Hauck/Nofts SGB II § 13 Rn. 296; Knickrehm in: Soziale Sicherheit 5/2008) oder ob die in den §§ 2 bis 5 der Unbilligkeitsverordnung geregelten Fälle abschließend sind (so wohl Striebinger in: Gagel SGB II/SGB III § 12 a Rn. 9 ff.) und ob der Grundsicherungsträger diese Ausführungen in seine Ermessenserwägungen hätte einbeziehen müssen.
1.7 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 13.05.2013 – L 2 AS 313/13 B ER rechtskräftig
LSG Nordrhein-Westfalen: Jobcenter muss bei Tilgung von Schulden für Haushaltsenergie helfen – Gericht rügt Verhalten des Jobcenters
Essen. Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) hat das Jobcenter Münster verurteilt, einem Leistungsbezieher vorläufig ein Darlehen zur Tilgung von Strom- und Gasschulden in Höhe von rd. 3.000 EUR zu bewilligen.
Quelle: Pressemitteilung des LSG Nordrhein-Westfalen vom 16.05.2013, zu finden hier: www.justiz.nrw.de
Volltext der Entscheidung hier: https://sozialgerichtsbarkeit.de
Anmerkung vom Autor des Rechtsprechungstickers:
Insgesamt eine zu begrüßende Entscheidung, denn das Gericht hat berücksichtigt, dass die Vorschrift des § 22 Abs. 8 SGB II im Falle drohender Wohnungslosigkeit eine Sollvorschrift zugunsten der Darlehensgewährung beinhaltet.
Gerügt wurde vom Gericht nicht nur das Verhalten des Jobcenters, sondern auch seine Rechtsauffassung zur Übernahme von Energieschulden.
Das Gericht folgte in folgenden Punkten nicht der Auffassung des Grundsicherungsträgers nach dem SGB II:
1. Die Ablehnung der Übernahme weiterer laufender Bedarfe für Unterkunft und Heizung gem. § 22 Abs. 1 SGB II beinhaltet nicht auch die Ablehnung einer beantragten Übernahme von Energieschulden gem. § 22 Abs. 8 SGB II (vgl. zur Abgrenzung von Schulden und laufenden Bedarfen BSG Urteil vom 22.03.2010 – B 4 AS 62/09 R – Rn 17).
2. Die Übernahme von Schulden ist nicht allein bei wirtschaftlich unvernünftigem (vorwerfbarem) Verhalten des Leistungsberechtigten abzulehnen.
Die Regelung des § 22 Abs. 8 SGB II liefe sonst leer, weil Schulden im dort genannten Sinn in aller Regel auf ein Fehlverhalten des Leistungsberechtigten zurückzuführen sind (BSG Urteil vom 17.06.2010 – B 14 AS 58/09 R – Rn 31).
Etwas anderes dürfte dann gelten, wenn der Leistungsberechtigte zielgerichtet bzw. missbräuchlich gehandelt hat, wofür es vorliegend jedoch an Anhaltspunkten fehlt.
3. Zu Unrecht hatte das Jobcenter zunächst von den Kosten der Unterkunft einen Betrag in Höhe von 28,27 EUR wegen der nicht mehr vorhandenen Stromversorgung „in Abzug gebracht“, so der Wortlaut in dem entsprechenden Bewilligungsbescheid.
Insoweit fehlt es an jeder Rechtsgrundlage (vgl. BSG Urteil vom 24.11.2011 – B 14 AS 151/10 R bzw. Urteil vom 21.09.2012 – B 8 SO 4/11 R), und zwar unabhängig davon, ob der Leistungsberechtigte Ausgaben für Strom im weitesten Sinne hat, wie der SGB II-Leistungsträger anzunehmen scheint; denn die – pauschalierten – Aufwendungen für Haushaltsstrom sind in der Regelleistung, nicht in den Kosten der Unterkunft, auch von den Regelleistungen dürfte im Übrigen kein „Abzug“ erfolgen (BSG Urteil vom 24.11.2011 – B 14 AS 151/10 R bzw. Urteil vom 21.09.2012 – B 8 SO 4/11 R).
1.8 – Landessozialgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 05.10.2012 – L 9 AS 3208/12 ER-B
Keine Anrechnung von fiktivem Unterhaltsvorschuss.
Die Anrechnung von fiktivem Einkommen verstößt gegen den Bedarfsdeckungsgrundsatz. Bei § 2 Abs. 1 S.1 und § 3 Abs. 3 SGB II handelt es sich um Grundsatznormen und nicht um eigenständige Ausschlusstatbestände mit Regelungscharakter, sodass diese selbst dann nicht als Rechtsgrundlage für die Minderung von Grundsicherungsleistungen herangezogen werden können, wenn andere Sozialleistungen vorwerfbar nicht in Anspruch genommen werden können (hier: Minderung von Sozialgeld um fiktiven Unterhaltsvorschuss, welcher mangels Mitwirkung der Mutter bestandskräftig abgelehnt war).
Anmerkung:
Ähnlich im Ergebnis: Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 18.12.2012 – L 7 AS 624/12 B ER
Eine fiktive Anrechnung von tatsächlich abgelehnten Unterhaltsvorschussleistungen scheidet selbst bei – schuldhaftem Verhalten der Antragsteller aus, denn Einkommen nach § 11 SGB II ist nur dann zu berücksichtigen, wenn es tatsächlich als bereites Mittel zur Verfügung steht.
Eine solche fiktive Anrechnung läuft nämlich dem Bedarfsdeckungsgrundsatz zuwider.
1.9 – Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 16.04.2013 – L 3 AS 1311/12 B ER
Selbstständige Tätigkeit im Rahmen einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts ist anrechenbares Einkommen. In diesem Fall kann sein zu berücksichtigendes Einkommen in Form einer Beteiligung am Gewinn der Gesellschaft (vgl. § 722 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches [BGB]) bestehen.
Wenn ein erwerbsfähiger Leistungsempfänger als Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts nur einen Anspruch auf einen Anteil am Gewinn der Gesellschaft hat, kann für die Ermittlung des nach § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II bei ihm zu berücksichtigenden Einkommens nicht auf die Einnahmen und Ausgaben abgestellt werden, für die er als Mitgesellschafter innerhalb des Geschäftsbetriebes der Gesellschaft verantwortlich zeichnet.
1.10 – Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 28.03.2013 – L 3 AS 228/12
Eine Frist, innerhalb derer ein Antrag auf Überprüfung eines Verwaltungsaktes zu stellen ist, ergibt sich weder aus § 44 SGB X noch aus § 40 SGB II.
Eine Frist gibt es hingegen in § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X. Danach werden, wenn ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden ist, Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht.
Diese Frist ist für das Grundsicherungsrecht in § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der seit 1. April 2011 geltenden Fassung (vgl. Artikel 2 Nr. 32 des Gesetzes vom 24. März 2011 [BGBl. I S. 453]) modifiziert.
Danach gilt § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X mit der Maßgabe, dass anstelle des Zeitraums von vier Jahren ein Zeitraum von einem Jahr tritt.
Beide Regelungen betreffen aber nicht eine Frist zur Antragstellung, sondern zur Nachzahlung einer Leistung.
1.11 – Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 18.04.2013 – L 3 AL 21/13 B ER
Die einstweilige Anordnung der Zahlung von Arbeitslosengeld 1 kommt nicht in Betracht, wenn die Antragstellerin keine Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II und/oder nach dem SGB XII beantragt hat.
Zwar kann ausnahmsweise ein Anordnungsgrund dann vorliegen, wenn die beanspruchte Leistung, hier das Arbeitslosengeld, erheblich über dem Grundsicherungsniveau nach dem SGB II oder dem SGB XII liegt und der Antragsteller bei einer Verweisung auf die Leistung der Grundsicherung schwerwiegende und unzumutbare Nachteile erleiden würde. Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend aber nicht gegeben.
Anmerkung:
Ebenso – SG Heilbronn, Beschluss vom 2.8.2012, S 7 AL 4417/11 ER
Begehrt der Antragsteller im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Bewilligung von Arbeitslosengeld, so fehlt es regelmäßig am Anordnungsgrund, wenn der Antragsteller nicht glaubhaft macht, zuvor erfolglos einen Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) gestellt zu haben.
Anmerkung:
Vgl. Landessozialgericht München, Beschluss vom 11.08.2011 – L 5 KR 271/11 B ER
Ein Krankengeldberechtigter kann im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht auf Leistungen nach SGB II oder XII verwiesen werden, wenn das Krankengeld wesentlich höher ist als die Leistung nach dem SGB II oder XII.
Rechtstipp: Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 08.11.2010 – L 19 AL 244/10 B ER rechtskräftig
Die einstweilige Anordnung der Zahlung von Arbeitslosengeld kommt (nur) in Betracht, wenn ein Antrag auf Leistungen nach dem SGB II abgelehnt wurde und der Anspruch auf Arbeitslosengeld offensichtlich begründet ist (Brand in Niesel, SGB III, 5. Aufl., § 118 Rn 11, Beschlüsse des Senats vom 23.11.2009 – L 19 B 37/09 AL ER -, vom 14.01.2010 – L 19 B 31/09 AL ER -).
1.12 – Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 07.07.2011 – L 3 AS 638/10
Hartz IV beziehender Selbstständiger Rechtsanwalt wehrt sich gegen die Obliegenheit, Angaben zu seinen voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben aus selbstständiger Tätigkeit zu machen.
Es besteht kein Anlass zu der Feststellung, dass der RA zur Vornahme voraussichtlicher Einkommens- und Ausgabenschätzungen nach EKS nicht verpflichtet ist.
Vielmehr handelt es sich bei der insoweit vorzunehmenden Prognose um eine dem Hilfebedürftigen zumutbare Mitwirkungshandlung (vgl. Bay. LSG, Urteil vom 30. Juli 2010 – L 7 AS 12/10 – Rdnr. 17).
Bei dem vom Antragsteller bezogenen Arbeitslosengeld II handelt es sich um eine steuerfinanzierte Fürsorgeleistung, deren Voraussetzung unter anderem die Hilfebedürftigkeit nach § 9 SGB II ist.
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Anmerkung:
Das Sächsische Urteil vom 07.07.2011 – L 3 AS 638/10 wurde durch das BSG mit Urteil vom 28.03.2013 – B 4 AS 42/12 R bestätigt.
Ein Leistungsbezieher nach dem SGB II ist im Rahmen seiner Mitwirkungsobliegenheiten nach § 60 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB I gehalten, Angaben über seine voraussichtlichen Einkünfte und Ausgaben im Zusammenhang mit seiner selbständigen Tätigkeit als Rechtsanwalt unter Verwendung des Vordruck EKS zu machen.
1.13 – Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 08.11.2012 L 3 AS 1118/11, Revision wurde zugelassen
Zur Rechtsfrage, inwiefern Synergieeffekte bei der Kostenerstattung in parallel gelagerten Verfahren zu berücksichtigen sind.
Von grundsätzlicher Bedeutung ist unter anderem die Frage, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen es sich bei einer anwaltlichen Tätigkeit für mehrere Auftraggeber in mehreren Widerspruchsverfahren gegen mehrere zeitgleich ergangene Aufhebungs- und Erstattungsbescheide, die Rückforderungen von SGB II-Leistungen auf Grund desselben Lebenssachverhaltes betreffen, um „dieselbe Angelegenheit“ im Sinne von § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG handelt.
1.14 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 26.03.2013 – L 19 AS 727/11, die Revision wird zugelassen
Global gestellter Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X muss vom Jobcenter nicht beschieden werden.
Dies gilt selbst dann, wenn das Überprüfungsbegehren im Klage- oder Berufungsverfahren erstmals konkretisiert wird.
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Anmerkung:
Vgl. dazu Sozialgericht Berlin, Beschluss vom 11.02.2013 – S 96 AS 11664/12
Ist auf einen Überprüfungsantrag nach § 44 SGB 10 der Einstieg in eine erneute Sachprüfung von der zuständigen Behörde zu Recht abgelehnt worden, weil weder die zu überprüfende Bescheide im Einzelnen benannt worden noch Anhaltspunkte für die Rechtswidrigkeit getroffener Entscheidungen aufgezeigt worden sind, so besteht auch bei Nachholung dieser Mitwirkungshandlungen im Klageverfahren keine Aussicht auf Erfolg einer Klage auf Gewährung höherer Leistungen unter Aufhebung der die Überprüfung ablehnenden Entscheidungen sowie unter Verpflichtung zur Abänderung der entsprechenden ursprünglichen Bewilligungen (abweichend zu: Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 08.03.2012 – L 18 AS 513/12 B PKH-).
2. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
2.1 – Sozialgericht Wiesbaden, Urteil vom 28.02.2013 – S 12 AS 484/10, anhängig beim Hessischen LSG unter dem Az. – L 6 AS 187/13 NZB
Empfänger von Hartz IV-Leistungen, die nicht ausreichend Deutsch sprechen, müssen einen Integrationssprachkurs besuchen.
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3. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)
3.1 – Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 22.11.2012 – L 4 SO 283/11 rechtskräftig
Keine Gewährung von Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen zur Beschaffung eines Kraftfahrzeuges.
Entscheidend ist, ob der behinderte Mensch mit Blick auf das Ziel der Eingliederungshilfe auf ein eigenes Kraftfahrzeug angewiesen ist, wobei einerseits auf die Art und Schwere der Behinderung, andererseits auf die gesamten Lebensumstände des Behinderten abzustellen ist. Sofern die Eingliederung durch andere Hilfen, zum Beispiel durch Benutzung eines Krankenfahrzeuges oder von öffentlichen Verkehrsmitteln oder durch die Übernahme der Kosten eines Taxis oder Mietautos erreicht werden kann, ist der Behinderte nicht auf die Benutzung eines (eigenen) Kraftfahrzeuges ständig angewiesen (Bayerisches LSG, Urteil vom 29. Juni 2010, L 8 SO 132/09, juris Rdnr. 35; Urteil des Senats vom 24. Oktober 2012, L 4 SO 198/11).
Anmerkung:
Ebenso – Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 24.10.2012 – L 4 SO 198/11 rechtskräftig
3.2 – Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 24.10.2012 – L 4 SO 198/11 rechtskräftig
Keine Bewilligung von Kraftfahrzeughilfe.
Bei der Bestimmung des soziokulturellen Existenzminimums muss auf die Lebensgewohnheiten abgestellt werden, welche von der Bevölkerung in bescheidenen Verhältnissen geteilt werden, so dass „soziale Ausgrenzung“ aus wirtschaftlichen Gründen vermieden wird (Bayerisches LSG, Urteil vom 29. Juni 2010, L 8 SO 132/09, Rdnr. 49 m. w. N.).
Bei einem Abstellen auf die Lebensgewohnheiten der in bescheidenen Verhältnissen lebenden Bevölkerungskreise kann das der Antragstellerin unter Nutzung persönlicher Mobilitätshilfen, öffentlicher Verkehrsmittel und der privaten Beförderungsdienste mögliche Maß der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nicht als unzureichend bezeichnet werden. Personen, die sich aus wirtschaftlichen Gründen kein Kfz leisten können, haben ebenfalls nur eingeschränkte Möglichkeiten, Freunde, Verwandte und Bekannte in weiter entfernten Orten zu besuchen.
3.3 – Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 20.03.2013 – L 6 SO 73/10, Revision wird zugelassen
Auch bei zweckwidriger Verwendung der Leistungen für die Unterkunft durch den Leistungsberechtigten sind gleichwohl tatsächliche Aufwendungen für die Unterkunft i.S. des § 29 Abs. 1 S. 1 SGB XII a.F. (jetzt: § 35 Abs. 1 S. 1 SGB XII) zu bejahen.
Denn hier hat der Sozialhilfebezieher zwar Zahlungen gegenüber seinen Vermietern zurückgehalten. Dazu war er aber nicht berechtigt und die Vermieter haben zivilrechtlich ihre Ansprüche durchgesetzt.
Weil der Hilfebedürftige seinen Vermietern die volle Mietzinszahlung und die volle Nebenkostennachzahlung für die Jahre 2004 bis 2006 schuldete, bestand auch ein Anspruch des HB gegen den Sozialhilfeträger auf Leistungen für die Unterkunft im vollen bewilligten Umfang.
Die bloße Rechtspflicht zur Zahlung reicht. Die – hier nicht erfolgte – zweckkonforme Verwendung der unterkunftsbezogenen Leistungen ist nicht Anspruchsvoraussetzung nach § 29 SGB XII a.F.
Frohe Pfingsten wünscht allen der Verein Tacheles.
Autor des Rechtsprechungstickers: Willi 2 von Tacheles
Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de