Thüringer Oberverwaltungsgericht – Beschluss vom 05.09.2013 – Az.: 1 K 121/12 We

Beschluss

In dem Verwaltungsstreitverfahren
des xxx,
Kläger und Beschwerdeführer

bevollmächtigt:
Rechtsanwalt Sven Adam,
Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen

gegen

den xxx,
Beklagter und Beschwerdegegner

wegen
Polizeirechts,
hier: übrige Beschwerde nach Klage

hat der 3. Senat des Thüringer Oberverwaltungsgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberverwaltungsgericht xxx, den Richter am Oberverwaltungsgericht xxx und den Richter am Oberverwaltungsgericht xxx am 5. September 2013  beschlossen:

Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Weimar vom 19. Februar 2013 aufgehoben.

Der Beklagte hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht wird nicht zugelassen.

GRÜNDE
Die gemäß § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG i. V. m. §§ 146 Abs. 1, 147 VwGO zulässige Beschwerde ist begründet. Das Verwaltungsgericht hätte den Rechtsstreit nicht an das Amtsgericht Heiligenstadt verweisen dürfen.

Die Verweisung eines Rechtsstreits nach § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG ist nur dann geboten und zulässig, wenn der beschrittene Rechtsweg schlechthin, d. h. für den Klageanspruch mit allen in Betracht kommenden Klagegründen, unzulässig ist (BVerwG, Beschluss vom 15. Dezember 1992 – 5 B 144/91 – Juris, Ls. u. Rdn 2; ihm folgend: OVG NRW, Beschluss vom 7. Juli 2006 – 5 E 585/06 – Juris). Ob für das Klagebegehren auch eine Rechtsgrundlage in Betracht kommt, die in dem beschrittenen Rechtsweg zu verfolgen ist, ist auf Grund des Klageantrags und des zu seiner Begründung vorgetragenen Sachverhalts zu prüfen (vgl. BVerwG, a. a. 0., Rdn. 3, u. OVG NRW a. a.  0., Rdn. 4).

Nach diesen Grundsätzen ist die Verweisung des Rechtsstreits an ein Amtsgericht unzulässig. Nach dem Klagevorbringen sind Gegenstand der klägerischen Angriffe Maßnahmen der (präventiven) Gefahrenabwehr im Anschluss an eine Demonstration und im Zusammenhang mit einer sich anschließenden Spontanversammlung, hinsichtlich deren die Parteien u. a. darüber streiten, ob diese verboten worden ist oder nicht. Klägerseits wird geltend gemacht, dass die mit der “Einkesselung” der Teilnehmer der Spontanversammlung durch Einsatzkräfte der Polizei verbundene Freiheitsentziehung und die anschließende Feststellung der Personalien rechtswidrig gewesen seien. Der Verwaltungsrechtsweg sei gemäß § 40 Abs. 1 VwGO eröffnet, das Klagebegehren als sog. Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zulässig. Der Beklagte hält den Verwaltungsrechtsweg für verschlossen, weil die Polizeibeamten repressiv, nämlich zum Zwecke der Ahndung von Ordnungswidrigkeiten (Teilnahme an einer verbotenen Versammlung, § 29 Abs. 1 Nr. 1 VersG) tätig geworden seien, so dass gemäß § 23 Abs. 1 EGGVG die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte begründet sei.

Ungeachtet einiger im Detail streitiger Tatsachenfragen scheidet eine Rechtswegverweisung hier nicht nur auf Grund des – nach den oben dargelegten Grundsätzen: maßgeblichen – Klägervortrags aus, sondern auch nach dem Vortrag des Beklagten: Selbst wenn die (Spontan-)Versammlung verboten worden und selbst wenn dies den eingeschlossenen Teilnehmern bekannt gewesen wäre, so liegt es keineswegs fern, dass es sich bei der “Einkesselung” und der Identitätsfeststellung dennoch, wie klägerseits geltend gemacht wird, (zugleich) auch um Gefahrenabwehrmaßnahmen handelt, also um Maßnahmen, die präventiv-polizeilichen Zwecken dienen (vgl. dazu auch OVG NRW, a. a. 0., Juris, Rdn. 7) und hinsichtlich deren gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg eröffnet ist (vgl. zur Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte für die Feststellung der Rechtswidrigkeit freiheitsentziehender Maßnahmen auch den Beschluss des Senats vom 11. Mai 1999 – 3 VO 986/96 – DÖV 1999, 879; Juris).

Scheidet mithin eine Verweisung an das Amtsgericht aus, wird das Verwaltungsgericht im weiteren Verfahren das Klagebegehren unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen haben (vgl. hierzu ebenfalls nur OVG NRW, a. a. 0., Juris, Rdn. 4 a. E.).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Einer Streitwertfestsetzung bedarf es nicht, weil im vorliegenden Fall Gerichtsgebühren nicht erhoben werden (vgl. Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses [Anlage 1 zu § 3 GKG]).

Die Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht ist nicht zuzulassen; den Voraussetzungen hierfür (vgl. § 17a Abs. 4 Sätze 4 und 5 GVG) liegen nicht vor.

Hinweis: 
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 17a Abs. 4 Satz 4 GVG).