— Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es wurde das Rechtsmittel der Berufung eingelegt. —
URTEIL
In dem Rechtsstreit
1. xxx
2. xxx
– Kläger –
Prozessbevollmächtigter:
zu 1-2: Rechtsanwalt Sven Adam, Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen
gegen
Landkreis xxx
– Beklagter –
hat die 33. Kammer des Sozialgerichts Hildesheim auf die mündliche Verhandlung vom 30. September 2013 durch den Richter am Sozialgericht xxx sowie die ehrenamtlichen Richter xxx und xxx für Recht erkannt:
1. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 21.10.2009 in Gestalt des Bescheides vom 18.11.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2010 in Gestalt des Bescheides vom 20.01.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.02.2010 verpflichtet, der Klägerin weitere Leistungen in Höhe von 879,46 Euro als Zuschlag für Alleinerziehende für den Zeitraum vom 07.10.2009 bis zum 30.04.2010 zu gewähren.
2. im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Der Beklagte hat den Klägern 81% der notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
TATBESTAND
Die Beteiligten streiten um die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) unter Berücksichtigung eines Zuschlags für Alleinerziehende für die Klägerin zu 1) sowie unter Berücksichtigung des Abzugs einer sog. Versicherungspauschale vom Einkommen des Klägers zu 2).
Die Kläger stehen im laufenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II.
Nach der Trennung der Klägerin zu 1) von ihrem damaligen Lebensgefährten bewilligte der Beklagte den Klägern mit Bescheid vom 21.10.2009 Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 07.10.2009 bis zum 30.04.2010 in Höhe von 410,00 Euro monatlich. Für die Klägerin zu 1) berücksichtigte er einen Regelbedarf von 359,00 Euro, für den Kläger zu 2) Sozialgeld in Höhe von 215,00 Euro. Hiervon zog er das Kindergeld in Höhe von 164,00 Euro ab.
Hiergegen legten die Kläger mit Schreiben vom 27.10.2009 Widerspruch mit der Begründung ein, dass der Klägerin zu 1) ein Zuschlag für Alleinerziehende zu gewähren sei.
Die Kläger zogen bei den Eltern der Klägerin zu 1) ein und legten den Mietvertrag vom 07.10.2009 vor. Hierin war eine Miete in Höhe von 285,00 Euro, einen Abschlag für Nebenkosten in Höhe von 56,86 Euro sowie ein Abschlag für Heizkosten in Höhe von 51,26 Euro vereinbart.
Mit weiterem Bescheid vom 18.11.2009 änderte der Beklagte die Leistungsbewilligung aufgrund des Bezuges von Leistungen nach dem UVG für den Kläger zu 2) für den Zeitraum von Dezember 2009 bis April 2010 dahingehend ab, dass von dem Sozialgeld des Klägers zu 2) Kindergeld in Höhe von 164,00 Euro und UVG-Leistungen in Höhe von 117,00 Euro als Einkommen abzog. Das nach Deckung des Bedarfs des Klägers zu 2) überschießende Kindergeld in Höhe von 66,00 Euro rechnete der Beklagte bei dem Bedarf der Klägerin zu 1) an und bewilligte dieser noch 293,00 Euro monatlich.
Mit weiterem Bescheid vom 10.12.2009 änderte der Beklagte die Leistungsbewilligung der Kläger dahingehend ab, dass für den Zeitraum vom 07.10.2009 bis April 2010 zusätzlich zu der Regelleistung der Klägerin zu 1) und dem Sozialgeld des Klägers zu 2) die Kosten der Unterkunft vollständig berücksichtigt wurden. Für den Zeitraum bis zum 30.11.2009 zog der Beklagte von den Leistungen des Klägers zu 2) Kindergeld in Höhe von 164,00 Euro ab. Ab dem 01.12.2009 zog der Beklagte von den Leistungen des Klägers zu 2) Einkommen in Höhe von 281,00 Euro (164,00 Euro Kindergeld und 117 Euro UVG-Leistungen) ab.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.01.2010 wies der Beklagte den Widerspruch der Kläger gegen den Bescheid vom 21.10.2009 mit der Begründung zurück, dass die Kläger im Haus der Eltern der Klägerin zu 1) wohnten und diese deshalb bei der Pflege und Erziehung des Klägers zu 2) mitwirkten. Ein Zuschlag für Alleinerziehende sei daher nicht zu zahlen.
Mit weiterem Bescheid vom 20.01.2010 änderte der Beklagte die Leistungsbewilligung für den Zeitraum von Februar bis April 2010 dahingehend ab, dass er von den Leistungen des Klägers zu 2) einen zusätzlichen Betrag in Höhe von 16,00 Euro monatlich (Nachzahlung UVG) als Einkommen abzog.
Einen gegen den Bescheid vom 20.01.2010 erhobenen Widerspruch, der mit der Begründung eingelegt wurde, dass von dem Einkommen des Klägers zu 2) die sog. Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 Euro abzusetzen sei, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18.02.2010 zurück und führte zur Begründung an, dass der Kläger zu 2) keine Versicherung abgeschlossen habe.
Mit Schriftsatz vom 05.02.2010 haben die Kläger am hiesigen Sozialgericht Hildesheim Klage gegen den Bescheid vom 21.10.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2010 in Bezug auf den Leistungszeitraum vom 07.10.2009 bis zum 30.04.2010 erhoben. Mit Schriftsatz vom 25.02.2010 hat der Vertreter der Kläger die Klage dahingehend erweitert, dass der Widerspruchsbescheid vom 18.02.2010 aufgehoben wird, soweit in diesem eine Entscheidung über die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II für den o.g. Zeitraum getroffen wird.
Der Bescheid vom 20.01.2010 sei gem. § 96 SGG zum Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden, so dass der Widerspruchsbescheid vom 18.02.2010 nicht hätte ergehen dürfen. Lediglich um Rechtsverlust zu vermeiden, sei aufgrund der Rechtsbehelfsbelehrung gegen den Bescheid vom 20.01.2010 Widerspruch eingelegt worden.
Die Klägerin zu 1) habe Anspruch auf den sog. Alleinerziehendenzuschlag gem. § 21 Abs. 3 SGB ll, da sie mit dem Kläger zu 2) als minderjährigem Kind zusammenlebe und allein oder schwerpunktmäßig für dessen Pflege und Erziehung sorge. Die Klägerin wohne zwar nach der Trennung von ihrem Lebensgefährten kurzfristig bei ihren Eltern, allerdings werde von diesen weder eine finanzielle Unterstützung noch ein Beitrag für die Pflege und Erziehung des Klägers zu 2 geleistet, dass nicht mehr von der umfassenden Verantwortung der Klägerin zu 1) für den Kläger zu 2) ausgegangen werden könne. Dies sei den Eltern der Klägerin zu 1) bereits aufgrund ihres Alters (71 und 74 Jahre) nicht mehr möglich gewesen.
Ferner sei von dem Einkommen des Klägers zu 2) die sog. Versicherungspauschale abzusetzen, da die Eltern des Klägers für diesen eine Unfallversicherung abgeschlossen haben. Eine solche Unfallversicherung sei üblich. Ferner sei sie auch nach Grund und Höhe angemessen, da der Kläger zu 2) ein Kind sei, welches sich häufig verletze, da er sehr wild sei und keine Angst kenne. Er sei bereits mehreren Verletzungen um Haaresbreite entgangen und habe bereits mehrfach gravierende Verletzungen erlitten, so dass eine offensichtliche Gefährdungslage vorliege. Wegen einer Verletzung aufgrund eines Aufpralls gegen einen Tisch sei der Kläger stationär aufgenommen worden. Die Unfallversicherung habe hierfür Krankenhaustagegeld i.H.v. 120,00 Euro, Genesungsgeld i.H.v. 120,00 Euro und Roomin-in Geld in Höhe von 160,00 Euro gezahlt. Für den genauen Umfang der Unfallversicherung wird auf den Versicherungsschein (BI. 81 ff. der Gerichtsakte (GA)) Bezug genommen.
Die Kläger beantragen,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 21.10.2009 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 18.11.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.01.2010 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 20.01.2010 sowie in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.02.2010 zu verpflichten, die beantragten Leistungen nach dem SGB II insbesondere den Alleinerziehendenzuschlag für die Klägerin zu 1) zu gewähren sowie den Abzug der Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 Euro bei dem Einkommen des Klägers zu 2) zu berücksichtigen (im Zeitraum vom 07.10.2009 bis zum 30.04.2010).
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Kläger zu 2) habe keine Versicherung abgeschlossen, dies sei jedoch nach dem Wortlaut von § 6 Abs. 1 Nr. 2 Alg II-VO Voraussetzung für die Absetzung der Versicherungspauschale. Ferner sei die von den Eltern für den Kläger zu 2) abgeschlossene Unfallversicherung nach der Rechtsprechung des BSG nicht angemessen. Eine Unfallversicherung sei innerhalb der Bevölkerung nicht üblich. Insbesondere nicht bei Personen, die knapp oberhalb der Grenze der Bedürftigkeit liegen. Ferner sei die Versicherung auch vom Versicherungsumfang her nicht gerechtfertigt. Dies gelte zum einen für die Höhe der versicherten Beträge und zum anderen auch für den vereinbarten Versicherungsschutz im Einzelnen. Dass es sich nicht um einen einfachen Schutz handele, sei bereits aus der Bezeichnung „Komfort-Plus-Schutz” ersichtlich. Ferner sei bei dem Kläger zu 2) keine besondere Gefährdungslage gegeben. Der Kläger sei ein gesundes Kind mit altersgemäßer Entwicklung. Ein nicht vollständig ausgeprägtes Gefahrverständnis sei für Kinder dieses Alters entwicklungstypisch. Somit handele es sich um ein allgemeines und typisches Lebensrisiko von Kindern dieses Alters. Eine mit einer Erkrankung oder gar einer Behinderung vergleichbaren Lebenslage, die eine besondere Gefährdungssituation schafft, liege bei dem Kläger nicht vor. Schließlich seien die mit der Unfallversicherung abgesicherten Leistungen nicht notwendig, da diese von der Krankenversicherung abgedeckt seien.
Ferner sei eine Alleinerziehung der Klägerin zu 1) nicht gegeben, da sie die Eltern bei der Pflege und Erziehung des Klägers zu 2) unterstützen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin xxx (die Mutter der Klägerin zu 1) zu der Frage des Umfangs ihres Beitrags an der Pflege und Erziehung des Klägers zu 2). Wegen der Ergebnisse der Zeugenbefragung wird auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 30.09.2013 Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
Die zulässige Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet. Im Übrigen jedoch unbegründet .
Der hier ebenfalls angegriffene Bescheid vom 20.01.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.02.2010 ist gem. § 96 SGG Gegenstand des vorliegenden Verfahrens geworden. Dies war jedoch zwischen den Beteiligten auch nicht streitig.
1.
Soweit der Beklagte der Klägerin zu 1) mit den angefochtenen Bescheiden keinen Mehrbedarf gem. § 21 Abs. 3 Nr. 1 SGB II bewilligt, sind die angefochtenen Bescheide rechtswidrig und verletzen die Klägerin zu 1) in ihren Rechten.
Gem. § 21 Abs. 3 SGB II ist für Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen Kindern zusammen leben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ein Mehrbedarf anzuerkennen in Höhe von 36 vom Hundert der nach § 20 Abs. 2 maßgebenden Regelleistung, wenn sie mit einem Kind unter sieben Jahren zusammen leben.
Dies ist vorliegend der Fall. Die Klägerin zu 1) lebte im streitgegenständlichen Zeitraum mit ihrem minderjährigen (zum damaligen Zeitpunkt 2 bzw. 3 Jahre alten) Sohn, dem Kläger zu 2), zusammen. Dieser war somit unter 7 Jahre alt. Zur Überzeugung der erkennenden Kammer hat die Klägerin zu 1) auch allein für dessen Pflege und Erziehung gesorgt. Zu dieser Überzeugung gelangt die Kammer insbesondere durch die Befragung der Klägerin zu 1) sowie der Mutter der Klägerin, Frau xxx, als Zeugin.
Nach dem Vortrag der Zeugin besteht zur Überzeugung der erkennenden Kammer zwar zwischen den Klägern und der Zeugin ein sehr gut funktionierendes Familienverhältnis, in welchem sich die Klägerin zu 1) und die Zeugin auch gegenseitig unterstützen. Dies lässt sich bereits daran ersehen, dass die Zeugin vorgetragen hat, dass die Mahlzeiten gemeinsam eingenommen werden und auch in einem gewissen Rahmen Aufsichtstätigkeiten auf die Zeugin übertragen werden, diese z.B. mal mit dem Kläger zu 2) auf den Spielplatz gegangen ist oder ihn ggf. zum Arzt gebracht hat, wo die Klägerin zu 1) dann von einem anderen Ort hingekommen ist, dies reicht jedoch zur Überzeugung der erkennenden Kammer nicht für die Annahme aus, dass ein maßgeblicher Beitrag zur Pflege und Erziehung des Klägers zu 2) von der Zeugin beigetragen wurde. Die Zeugin hat durchgehend glaubhaft vorgetragen, dass grundsätzlich die Klägerin zu 1) hauptsächlich sämtliche erzieherischen und pflegerischen Beiträge für den Kläger zu 2) geleistet hat. Nach dem Vortrag der Zeugin hat die Klägerin zu 1) dem Kläger zu 2) beim Einnehmen der Mahlzeiten unterstützt, hat Termine für den Kläger zu 2) ausgemacht, ist nachts aufgestanden, wenn der Kläger zu 2) wach wurde und hat ihn nahezu immer beaufsichtigt. Lediglich in Situationen, in denen die Klägerin zu 1) keine Möglichkeit hatte, die Termine selber wahr zu nehmen oder anderweitige Termine wahrnehmen musste, hat die Zeugin Termine oder Aufsicht für den Kläger zu 2) übernommen. Weiterhin hat sich die Zeugin lediglich im Rahmen eines großmütterlichen Verhältnisses mit dem Kläger zu 2) beschäftigt. Zur Überzeugung der erkennenden Kammer bestand zwischen der Zeugin und dem Kläger zu 2) zwar ein Großmutter-Enkel-Verhältnis, die wesentlichen erzieherischen und pflegerischen Beiträge hat jedoch die Klägerin zu 1) geleistet. Dies lässt sich bereits daran erkennen, dass die Zeugin ausgesagt hat, dass der Kläger zu 2) sehr an seiner Mutter hing, bei Mahlzeiten immer neben ihr sitzen wollte, es geliebt hat, mit ihr zum Spielplatz zu gehen und in der Nacht die Näher der Klägerin zu 1) gesucht hat, wenn er aufgewacht ist. Die Zeugin hat diese Aussagen widerspruchsfrei erläutert und konnte zum Teil auch Details schildern, so dass die erkennende Kammer keinerlei Grund sieht, an der Glaubwürdigkeit der Zeugin zu zweifeln. Ihre Aussagen decken sich weitgehend mit den Aussagen der Klägerin und weichen nur in Detailfragen teilweise ein Wenig ab. Die Aussagen der Zeugin und der Klägerin zu 1) erscheinen der erkennenden Kammer vor diesem Hintergrund weder abgesprochen noch erfunden, was die Glaubwürdigkeit der Zeugin weiter unterstützt.
Für die Annahme, dass die Klägerin zu 1) nicht allein für die Pflege und Erziehung des Klägers zu 2) sorgt, wäre jedoch notwendig, dass keine andere Person sie nachhaltig darin unterstützt, dass also kein anderer gleichberechtigt in erheblichem Umfang mitwirkt (vgl. Knickrehm / Hahn in Eicher, SGB II-Kommentar, 3. Aufl. 2013, § 21, Rn. 31). Ein gleichberechtigtes, nachhaltiges Mitwirken der Zeugin in erheblichem Umfang an der Pflege und Erziehung des Klägers zu 2) kann jedoch nach all dem oben ausgeführten nicht angenommen werden, so dass die alleinige Sorge für Pflege und Erziehung bei der Klägerin zu 1) liegt.
Die erkennende Kammer ist zu der Überzeugung gelangt, dass auf die Vernehmung des Vaters der Klägerin zu 1) als weiteren Zeugen verzichtet werden kann, da sowohl die Klägerin als auch die Zeugin unabhängig voneinander und glaubhaft dargelegt haben, dass der Vater der Klägerin zu 2) sich wenig bis gar nicht um den Kläger zu 2) gekümmert hat.
Der Klägerin waren demnach im streitigen Zeitraum monatlich 36% des nach § 20 maßgebenden Regelbedarfs als Mehrbedarf gem. § 21 Abs. 3 Nr. 1 SGB II zu bewilligen. Bei einem Regelbedarf in Höhe von 359,00 Euro sind dies 129,24 Euro für die Monate November 2009 bis April 2009. Da die Kläger erst ab dem 07.10.2009 Leistungen nach dem SGB II erhalten, ist der Klägerin zu 1) für den Monat Oktober der Mehrbedarf anteilig ab dem 07,10.2009 zu bewilligen. Dies führt zu höheren Leistungen von 879,46 Euro im gesamten streitigen Zeitraum.
2.
Im Übrigen ist die Klage jedoch unbegründet.
Insoweit bestehen keinerlei rechtliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Bescheide.
Der Kläger zu 2) hat keinen Anspruch auf höhere Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung eines Abzuges der sog. Versicherungspauschale in Höhe von 30,00 Euro von dem von ihm bezogenen Einkommen. Das Einkommen in Form von Kindergeld und UVG-Leistungen wurden zu Recht von dem Beklagten in voller Höhe auf den Leistungsanspruch des Klägers zu 2) angerechnet.
Gem. § 13 Abs. 1 Nr. 3 SGB II wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, im Einvernehmen mit dem Bundesministerium der Finanzen ohne Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung zu bestimmen, welche Pauschbeträge für die von dem Einkommen abzusetzenden Beträge zu berücksichtigen sind. Diese Vorschrift wurde in der sog. Alg II-Verordnung umgesetzt. Gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2 der Alg II-VO in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung sind als Pauschbeträge von dem Einkommen Minderjähriger ein Betrag in Höhe von 30 Euro monatlich für die Beiträge zu privaten Versicherungen nach § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II, die nach Grund und Höhe angemessen sind, abzusetzen, wenn der oder die Minderjährige eine entsprechende Versicherung abgeschlossen hat.
Diese Voraussetzungen liegen zur Überzeugung der erkennenden Kammer nicht vor.
Entgegen der Ansicht des Beklagten scheitert der Anspruch nicht bereits daran, dass der Kläger zu 2) keine eigene Versicherung abgeschlossen hat. Der Kläger zu 2) ist minderjährig, so dass es ihm gar nicht möglich ist, einen Versicherungsvertrag einzugehen. Insofern ist es zur Überzeugung der erkennenden Kammer ausreichend, wenn die Eltern einen Versicherungsvertrag für den Kläger zu 2) abgeschlossen haben und der Kläger zu 2) die begünstigende Person ist. Anderenfalls wäre § 6 Abs. 1 Nr. 2 Alg II-VO obsolet, weil niemals ein Minderjähriger einen rechtsgültigen Versicherungsvertrag abschließen könnte.
Die für den Kläger zu 2) abgeschlossene Unfallversicherung ist jedoch zur Überzeugung der erkennenden Kammer nicht nach Grund und Höhe angemessen. Die Bestimmung der grundsicherungsrechtlichen Angemessenheit einer privaten Unfallversicherung für Kinder und Jugendliche hängt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) davon ab, ob eine solche Vorsorgeaufwendung üblicherweise von Beziehern von Einkommen knapp oberhalb der Grundsicherungsgrenze getätigt wird oder die individuellen Lebensverhältnisse den Abschluss einer derartigen Versicherung bedingen (vgl. BSG, Urteil vom 16.02.2012 – AZ.: B 4 AS 89/11 R).
Zur Überzeugung der erkennenden Kammer ist eine private Unfallversicherung für Bezieher von Einkommen knapp oberhalb der Grundsicherungsgrenze nicht üblich. Bereits in der Bevölkerung insgesamt und damit erst recht im Bereich von Familien mit Einkommen knapp oberhalb der Sozialhilfegrenze besteht keine Üblichkeit des Abschlusses einer privaten Unfallversicherung erkennen (vgl. BSG a.a.O.). Dies lässt sich insbesondere an den -auch von dem Beklagten vorgelegten- Zahlen des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft erkennen, wonach für Kinder im Alter von 0 bis 14 Jahren nur in rund 36 % aller Fälle eine Unfallversicherung abgeschlossen wird.
Auch die persönlichen Lebensumstände des Klägers zu 2) lassen nicht den Schluss zu, dass der Abschluss einer privaten Unfallversicherung für ihn angemessen wäre.
Auch besondere Umstände des Einzelfalles können nach höchstrichterlicher Rechtsprechung dazu führen, dass eine solche private Absicherung als angemessen zu bewerten ist. Diese können beispielsweise in einer besonderen Gefährdung des jungen Menschen aufgrund einer Erkrankung oder Behinderung oder einer sonstigen besondere Gefährdungen hervorrufenden Lebenssituation erblickt werden (vgl. BSG, Urteil vom 10.05.2011 – Az.: B 4 AS 139(10 R). Einen solchen Fall sieht die erkennende Kammer jedoch vorliegend nicht. Eine Krankheit oder Behinderung wurde für den Kläger zu 2) weder vorgetragen, noch ist etwas Derartiges aus den vorliegenden Unterlagen ersichtlich. Allein die Tatsache, dass der Kläger jedoch unvorsichtig und angstfrei ist, rechtfertigt zur Überzeugung der erkennenden Kammer keine Abweichung von dem Regelfall, dass eine private Unfallversicherung nicht angemessen ist. Nach der Rechtsprechung des BSG können besondere Umstände in einer besonderen Gefährdung des jungen Menschen Hegen. Als Beispiele nennt das BSG neben Krankheit und Behinderung eine sonstige besondere Gefährdungen hervorrufende Lebenssituation. Eine solche Lebenssituation liegt jedoch zur Überzeugung der erkennenden Kammer bei dem Kläger zu 2) –auch wenn er „wild” ist und keine Angst kennt- nicht vor, denn der Kläger zu 2) hat keinerlei andere Lebensumstände oder Lebenssituationen als jedes andere Kind auch. Allein ein ungeschicktes oder ungestümes Verhalten ist keine von jedem anderen Kind abweichende Lebenssituation. Ferner ist die Unfallversicherung des Klägers zu 2) zur Absicherung von Risiken zur Überzeugung der erkennenden Kammer nicht nötig, da sämtliche Leistungen zur Wiederherstellung der Gesundheit durch die gesetzliche Krankenversicherung abgedeckt sind. Da der Kläger zu 2) noch minderjährig ist, hat er auch keine Zuzahlungen zu leisten. Im Übrigen deckt die Versicherung des Klägers zu 2) zur Überzeugung der erkennenden Kammer auch „Luxusrisiken” ab, ohne deren Abdeckung dem Kläger keinen Schaden entstehen würde. Das lässt sich insbesondere daran erkennen, dass dem Kläger bei bereits erfolgter Inanspruchnahme der Versicherung Krankenhaustagegeld, Genesungsgeld und Roomin-in-Geld gezahlt wurde. Krankenhaustagegeld und Genesungsgeld sind keine notwendigen Leistungen um die Gesundheit des Klägers zu 2) wieder herzustellen. Hier bekommt der Kläger zu 2) lediglich noch zusätzlich einen Geldbetrag, den er sonst nicht erhalten hätte. Dies ist jedoch eine „Luxusleistung”, die nicht zwingend notwendig ist. Soweit der Kläger zu 2) Roomin-in-Geld erhalten hat, ist festzustellen, dass auch im Krankenversicherungsrecht diese Leistung bei Vorliegen deren Notwendigkeit erbracht wird. Nach dem SGB V ist bei Notwendigkeit die Mitaufnahme eines Elternteils bzw. der Eltern eine Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung.
Nach alledem ist die für den Kläger zu 2) abgeschlossene Versicherung nicht nach Grund und Höhe angemessen, so dass kein Abzug der Versicherungspauschale vom Einkommen gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2 ALG II-VO in Betracht kommt.
Soweit noch vorgetragen wird, dass eine Haftpflichtversicherung auf den Kläger abgeschlossen wurde, so ist auch eine solche Haftpflichtversicherung für den Kläger zu 2) zur Überzeugung der erkennenden Kammer nicht notwendig, da die Klägerin zu 1) eine Familienhaftpflichtversicherung abschließen kann, welche den Kläger zu 2) mit umfassen würde.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Für den Beklagten ist die Berufung gem. §§ 143, 144 Abs. 1 Nr. 1 SGG bereits aus dem Grund zulässig, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 750 Euro übersteigt. Für die Kläger war die Berufung gem. § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, da, soweit ersichtlich, ober- oder höchstrichterlich bislang nicht geklärt ist, ob eine besondere Gefährdungssituation, die den Abschluss einer Unfallversicherung rechtfertigt, auch im persönlichen Verhalten eines Klägers bei ansonsten gleicher Lebenssituation liegen kann.
Es folgt die Rechtsmittelbelehrung.
— Gegen das Urteil wurde das Rechtsmittel der Berufung eingelegt. —