Neue Verfahren gegen die Bundespolizei zu „racial profiling“ in Zügen und Bahnhöfen

Das so genannte „racial profiling“, die Kontrolle von Menschen anhand äußerer Merkmale wie der Hautfarbe und anderer Zuschreibungen, wird die deutsche Justiz weiterhin beschäftigen. Erst im Oktober 2012 hatte des Oberverwaltungsgericht (OVG) Rheinland-Pfalz mit einer Entscheidung europaweit für Aufsehen gesorgt, nach der die Kontrolle eines Studenten einzig wegen seiner „Hautfarbe“ nicht mit dem Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes vereinbar ist. Nun sind vor den Verwaltungsgerichten Stuttgart und Köln zwei neue Verfahren gegen die Bundespolizei anhängig – auch hier war wieder die „Hautfarbe“ der Kläger der Grund für die Kontrollen.

Das Verfahren vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart behandelt die Klage eines 28-jährigen Angestellten eines Bundesunternehmens aus Berlin. Er wurde am 19.11.2013 in der ersten Klasse eines ICE zwischen Baden-Baden und Offenburg  als einziger Fahrgast im Waggon ohne erkennbaren Anlass offensichtlich wegen seiner „Hautfarbe“ kontrolliert. Drei Bundespolizisten notierten seine Personalien und glichen sie mit polizeilichen Datenbanken ab. Als Grund wurde dem Kläger nur mitgeteilt, dass sich der ICE im Grenzgebiet bewege. Das Verwaltungsgericht Köln muss sich dagegen mit der Klage eines 38 Jahre alten Heilpraktikers aus Witten beschäftigen. Während er am 12.11.2013 im Hauptbahnhof Bochum auf seine Lebensgefährtin wartete, wurde er ebenfalls einzig wegen seiner Hautfarbe von zwei Bundespolizisten kontrolliert. Zur Begründung hieß es seitens der Beamten lediglich, man suche nach Menschen aus Nordafrika und Syrien.

Die gesetzliche Grundlage für solche „verdachtsunabhängigen“ Kontrollen findet sich in § 22 Abs. 1a des Bundespolizeigesetzes (BPolG). Hiernach können die Beamtinnen und Beamten zur Verhinderung illegaler Einreise aufgrund von „Lageerkenntnissen und grenzpolizeilicher Erfahrung“ ohne Vorliegen einer Gefahr selbst entscheiden, wen sie kontrollieren. Obwohl es das Grundgesetz in Art. 3 Abs. 3 verbietet, Menschen wegen der Herkunft oder der Hautfarbe zu diskriminieren, geraten regelmäßig Menschen in die Kontrollen, die in den Augen der Bundespolizistinnen und -polizisten „nicht deutsch“ aussehen.

Das Bundespolizeigesetz selbst schafft die Voraussetzungen für den sich in den deutschen Bahnhöfen und Zügen immer wiederholenden Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz. Wir streben deshalb nun auch die gerichtliche Klärung der Frage an, ob § 22 Abs. 1a BPolG mit dem Grundgesetz noch vereinbar ist“, erklärt Rechtsanwalt Sven Adam, der die beiden Kläger juristisch vertritt. „Wir werden daher den Gerichten im Laufe der Verfahren auch die unmittelbare Vorlage der Sache zum Bundesverfassungsgericht vorschlagen.“, so Adam weiter.

Die Verfahren werden von Selbstorganisationen wie der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland (ISD-Bund), der Internationalen Liga für Menschenrechte e.V., der Kampagne für Opfer rassistischer Polizeigewalt (KOP), dem Büro zur Umsetzung von Gleichbehandlung (BUG), dem Republikanischen Anwältinnen- und Anwälteverein e.V. (RAV), der Vereinigung Demokratischer Juristinnen und Juristen e.V. (VDJ), dem arbeitskreis kritischer juristinnen und Juristen an der Humboldt-Universität zu Berlin (akj-berlin), dem Komitee für Grundrechte und Demokratie e.V. und der National Association for the Advancement of Colored People (NAACP) begleitet und unterstützt.

Für Rückfragen steht Rechtsanwalt Sven Adam unter den genannten Kontaktdaten zur Verfügung.

Hintergrundinformationen zu dem Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Rheinland Pfalz aus dem Jahr 2012 finden sie hier:

http://www.anwaltskanzlei-adam.de/index.php?sonderseiten-vg-koblenz-presseinformationen