Sozialgericht Hildesheim – Urteil vom 30.09.2013 – Az.: S 33 AS 1445/10

URTEIL

In dem Rechtsstreit
xxx,
– Kläger –

Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Sven Adam, Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen

gegen

Landkreis xxx,
– Beklagter –

hat die 33. Kammer des Sozialgerichts Hildesheim auf die mündliche Verhandlung vom 30. September 2013 durch den Richter am Sozialgericht xxx sowie die ehrenamtlichen Richter xxx und xxx für Recht erkannt:

1. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 04.05.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2010 verpflichtet, dem Kläger weitere 27,00 Euro monatlich für den Zeitraum Juni bis November 2010 zu gewähren.

2. Der Beklagte hat dem Kläger Zinsen in Höhe von 4 vom Hundert auf einen Betrag in Höhe von 165,00 Euro seit dem 01.12.2010 sowie auf weitere 33,00 Euro seit dem 01.01.2011 bis zum 30.09.2013 sowie auf einen Betrag in Höhe von 162,00 Euro ab dem 01.10.2013 bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung zu zahlen.

3. Der Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

4. Die Berufung wird zugelassen

TATBESTAND
Die Beteiligten streiten um die Gewährung höherer Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) unter Berücksichtigung höherer Kosten der Unterkunft.

Der Kläger steht im laufenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II. Bis zum 30.11.2009 bewohnte er eine Wohnung in xxx zusammen mit Frau xxx. Frau xxx kündigte den Untermietvertrag mit dem Kläger am 29.08.2009 zum 30.11.2009. Daraufhin mietete der Kläger ab dem 01.12.2009 die im streitigen Zeitraum bewohnte Wohnung in xxx mit einer Wohnfläche von 45 Quadratmetern zum Preis von insgesamt 388,00 Euro (300,00 Euro Kaltmiete, 58,00 Euro Abschlag für Nebenkosten und 30,00 Euro Abschlag für Heizkosten) an. Dies teilte er dem Beklagten mit E-Mail vom 05.11.2009 mit und beantragte gleichzeitig die Weitergewährung von Leistungen nach dem SGB II. Mit Bescheid vom 03.12.2009 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum Dezember 2009 bis Mai 2010 und berücksichtigte dabei als angemessene Kosten der Unterkunft einen Betrag von 325,00 Euro sowie einen Abschlag für Heizkosten in Höhe von 30,00 Euro.

Mit Datum vom 03.05.2010 beantragte der Kläger die Fortbewilligung von Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum ab dem 01.06.2010. Der Beklagte bewilligte daraufhin mit Bescheid vom 04.05.2010 Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum von Juni bis November 2010 und berücksichtigte angemessene Kosten der Unterkunft in Höhe von 325,00 Euro sowie einen Abschlag für Heizkosten in Höhe von 30,00 Euro. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch mit der Begründung ein, dass die tatsächlichen Kosten der Unterkunft in Höhe von 358,00 Euro zu übernehmen seien. Ferner sei sein Heizkostenabschlag auf 40,00 Euro angestiegen, weshalb auch diese zu übernehmen seien. Zum Beweis hierfür legte er ein Schreiben des Vermieters vom 01.04.2010 vor, in welchem dieser bestätigt, dass der Abschlag für Heizkosten ab dem 01.04.2010 um 10,00 Euro monatlich erhöht wird. Mit Teilabhilfe- und Widerspruchsbescheid vom 05.07.2010 half der Beklagte dem Widerspruch des Klägers insoweit ab, als er dem Kläger für den streitigen Zeitraum einen um 10,00 Euro monatlich höheren Abschlag für Heizkosten bewilligte. Im Übrigen wies der Beklagte den Widerspruch zurück und begründete dies damit, dass im Bereich Göttingen umfangreiche Ermittlungen angestellt worden seien, die ergeben haben, dass eine Bruttokaltmiete in Höhe von 325,00 Euro für einen Ein-Personen-Haushalt angemessen ist.

Hiergegen hat der Kläger mit Schriftsatz vom 22.07.2010 Klage am Sozialgericht Hildesheim erhoben.

Es seien keine validen Erkenntnisse bezüglich der Angemessenheit der Unterkunftskosten im Raum Göttingen vorhanden. Ein vorliegendes Gutachten der Firma xxx sei veraltet. Das weiterhin erstellte Gutachten der Firma xxx entspreche nicht den vom Bundessozialgericht (BSG) aufgestellten Anforderungen an ein schlüssiges Konzept. Somit sei auf die Tabelle in § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) zurückzugreifen. Bei der für Göttingen geltenden Mietstufe ergebe sich hieraus eine angemessene Bruttokaltmiete von 358,00 Euro. Ferner sei der Kläger nie zur Senkung der Unterkunftskosten aufgefordert werden.

In der mündlichen Verhandlung hat der Vertreter des Beklagten den Anspruch des Klägers insoweit anerkannt, als monatlich ein um 6,00 Euro höherer Betrag als angemessene Kosten der Unterkunft zu leisten ist, da das Gutachten der Firma xxx für einen Ein-Personen-Haushalt in Göttingen einen Betrag von 331,00 Euro als angemessene Kosten der Unterkunft ansieht. Das Teilanerkenntnis hat der Vertreter des Klägers angenommen.

Der Kläger beantragt,
den Beklagten unter Abänderung des Bescheides vom 04.05.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2010 zu verpflichten, dem Kläger für den Zeitraum vom 01.06.2010 bis zum 30.11.2010 weitere Kosten für Unterkunft in Höhe von 27,00 Euro monatlich zu gewähren sowie Zinsen gem. § 44 SGB I auf einen Anspruch in Höhe von 33,00 Euro (die in der mündlichen Verhandlung vom 30.09.2013 anerkannten 6,00 Euro monatlich sowie weiterhin streitgegenständliche 27,00 Euro monatlich) bis zum 30.09.2013 sowie Zinsen nach § 44 SGB I auf einen Betrag in Höhe von 27,00 Euro seit dem 01.10.2013 zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen sowie die Berufung zuzulassen.

Das Gutachten der Firma xxx stelle ein schlüssiges Konzept im Sinne der Rechtsprechung des BSG dar. Ferner sei eine Kostensenkungsaufforderung an den Kläger nicht nötig gewesen, da dieser ohne Zusicherung in eine unangemessen teure Unterkunft gezogen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
Die zulässige Klage ist begründet.

Der Bescheid vom 04.05.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 05.07.2010 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger gemäß § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in seinen Rechten. Dieser hat im streitgegenständlichen Zeitraum Anspruch auf Gewährung weiterer Kosten der Unterkunft (KdU) in Höhe von 27,00 Euro monatlich.

KdU werden in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind (§ 22 Abs. 1 S. 1 SGB II). Soweit die Aufwendungen für die Unterkunft den der Besonderheit des Einzelfalles angemessenen Umfang übersteigen, sind sie als Bedarf des Hilfebedürftigen so lange zu berücksichtigen, wie es dem Hilfebedürftigen nicht möglich oder zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate (§ 22 Abs. 1 S. 2 SGB II). Die Prüfung der Angemessenheit begrenzt die erstattungsfähigen Kosten der Höhe nach (vgl. BSG, Urteil vom 22.09.2009, Az. B 4 AS 18/09 R). Es handelt sich bei der “Angemessenheit” um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegt (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006, Az. B 7b AS 10/06 R). Die Bestimmung der Angemessenheit hat nach ständiger Rechtsprechung des BSG in mehreren Stufen zu erfolgen. Zunächst sind die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche Vergleichsraum festzulegen. In einem weiteren Schritt ist zu ermitteln, wie viel auf dem Wohnungsmarkt des Vergleichsraums für eine Wohnung einfachen Standards aufzuwenden ist. Ziel der Ermittlungen ist der Quadratmeterpreis für Wohnungen einfachen Standards, der nach Maßgabe der Produkttheorie mit der angemessenen Quadratmeterzahl zu multiplizieren ist. Das Ergebnis ist die regional angemessene Miete (vgl. BSG, Urteil vom 22. September 2009, Az. 18/09 R).

Dem Beklagten ist es jedoch nicht gelungen, dem Gericht nachvollziehbar darzulegen, wie hoch die regional abstrakt angemessene Wohnungsmiete ist. Die Ermittlung des nach Auffassung des Beklagten angemessenen Quadratmeterzinses für den angemessenen Wohnstandard für die hier maßgebliche Wohnungsgrößenklasse basiert zur Überzeugung der erkennenden Kammer nicht auf einem schlüssigen Konzept. Das Gericht nimmt insoweit Bezug auf die Entscheidungen der 23. Kammer des Sozialgerichts Hildesheim vom 16.06.2010 (S 23 AS 1062/06) und 09.12.2011 (S 23 AS 1911/10). Die 23. Kammer hat ausgeführt:

“Das xxx-Gutachten bestätigt daher nicht, dass die vom Beklagten berücksichtigten Kosten die angemessenen Kosten im Sinne des § 22 SGB II sind. Dieses Gutachten ist mit grundlegenden Mängeln behaftet, die auch nicht im Sinne einer “Nachbesserung” mit Hilfe des Gerichts beseitigt werden können.

Nach der Rechtsprechung des BSG muss die Ermittlung der regionalen Angemessenheitsgrenze auf der Grundlage eines überprüfbaren schlüssigen Konzepts erfolgen, das die hinreichende Gewähr dafür bietet, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden (BSG, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/7b AS 44/06 R). Die Begrenzung der tatsächlichen Unterkunftskosten auf ein “angemessenes Maß” muss hinreichend nachvollziehbar sein. Das BSG definiert ein schlüssiges Konzept als “ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum und nicht nur ein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall” (BSG, Urteil vom 22. September 2009, Az. B 4 AS 18/09 R, Rz. 19).

Das BSG hat zu den Mindestvoraussetzungen eines schlüssigen Konzeptes folgende Vorgaben gemacht (aaO):

= Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung),
= es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, zB welche Art von Wohnungen – Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete <Vergleichbarkeit>, Differenzierung nach Wohnungsgröße,
= Angaben über den Beobachtungszeitraum,
= Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, zB Mietspiegel),
= Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,
= Validität der Datenerhebung,
= Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung
und
= Angaben über die gezogenen Schlüsse (zB Spannoberwert oder Kappungsgrenze).

Die im Jahr 2008 durch die xxx-GmbH erhobenen Daten erfüllen in wesentlichen Punkten nicht die vom BSG genannten Mindestanforderungen an ein schlüssiges Konzept.

“Die Kammer ist nämlich zu der Auffassung gelangt, dass das F+B-Gutachten deswegen kein schlüssiges Konzept darstellt, weil bereits keine nachvollziehbare Definition des Gegenstandes der Beobachtung zugrunde liegt, die Art und Weise der Datenerhebung zu beanstanden ist, keine Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten gegeben ist und die Kappungsgrenze (33%-Quantil) nicht nachzuvollziehen ist.
Die Kammer stützt sich maßgeblich darauf, dass

– nicht der gesamte Wohnungsmarkt in die Datenerhebung mit eingeflossen ist,
– daher zu Unrecht auf die vorherige Definition des einfachen Wohnungsstandards verzichtet
wurde,
– der Mietwohnungsbestand aus dem Jahr 1987 zugrunde gelegt und dann für das Jahr 2006 geschätzt wurde und
– die beim 33%-Quantil gezogene Kappungsgrenze nicht nachzuvollziehen ist.

Wie bereits vorangestellt, führt das BSG aus:

“Es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z.B. welche Art von Wohnungen – Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße.”

Nach den Vorgaben des BSG können sowohl Wohnungen aus dem Gesamtwohnungsbestand, also des einfachen, mittleren und gehobenen Standards als auch Wohnungen nur einfachen Standards in die Beobachtung einbezogen werden. Zulässig ist z.B. auch Wohnungen mit einer der Höhe nach begrenzten Miete einzubeziehen. Nicht zu berücksichtigen ist hingegen Wohnraum, der keinen zuverlässigen Aufschluss bieten kann wie z.B. Wohnheime (Urteil vom 22. September 2009, Az. B 4 AS 18/09 R).

Die Kammer bezweifelt, dass die Erfassung des gesamten Wohnungsmarktes die Differenzierung nach u.a. Lage und Ausstattungsmerkmalen entbehrlich macht. Anders als der Beklagte entnimmt sie diese Entbehrlichkeit auch nicht dem BSG-Urteil vom 22. September 2009. Die fehlende Differenzierung führt zu Folgeproblemen bei der Festlegung der Kappungsgrenze (dazu weiter unten). Das kann jedoch dahinstehen, da die Kammer bereits der Annahme des Beklagten nicht folgt, das xxx-Gutachten habe den gesamten Wohnungsmarkt erfasst. Der gesamte Wohnungsmarkt wurde nach Auffassung der Kammer deswegen nicht erfasst, weil Datenbereinigungen vorgenommen wurden, die nicht durchweg nachvollziehbar sind.

So sind bei der Bestandsmietenerhebung Wohnungen von bis zu 20 qm herausgenommen wurden, weil die xxx-GmbH davon ausgeht, dass es sich um Heimwohnungen handelt. Das hätte nach Auffassung der Kammer einer Überprüfung bedurft, die wegen der anonymisierten Befragung bei den Mietern nicht erfolgen konnte und daher unterblieben ist (vgl. S. 8 Gutachtens).Das Argument, dass es sich nicht zwangsläufig um Wohnheimwohnungen handeln muss, liefert das Gutachten selbst, indem es auf S. 8 heißt: “Ein Adressabgleich mit einigen im Rahmen der Angebotsmietenerhebung gewonnenen Informationen hat diese Vermutung teilweise bestätigt.” Bedeutsam für die Rechtfertigung, diese Wohnungen aus dem Datensatz herauszunehmen, ohne dass es zu einer Verschiebung zu Lasten der Hilfeempfänger kommt, ist der Umfang von “teilweise”, der allerdings offen bleibt. Nach Auffassung der Kammer ist es ebenso plausibel, dass es sich z.B. um Wohnungen aus Wohnbauprogrammen für sozial schwächere Bürger handelt. Eine Herausnahme dieser Wohnungen geht zu Lasten der Hilfeempfänger, da diese Wohnungen in der Regel absolut zwar einen niedrigen, Mietzins aufweisen und deswegen interessant sind für Alleinstehende mit geringem Einkommen, der Quadratmeterpreis, den es letztlich zu ermitteln gilt, jedoch vergleichsweise hoch ist. Wenn demgegenüber Wohnungen mit festgelegter Höchstmiete, also öffentlich geförderter Wohnraum, im Datensatz verblieben sind (vgl. Abbildung 2.3, S. 9 des Gutachtens), führt das nach Auffassung der Kammer zu einer Verzerrung zu Lasten der Hilfeempfänger. Diese Bedenken hat der Beklagte auch nicht mit Schriftsatz vom 12. Februar 2010 ausgeräumt (hierzu: BI. 154 GA). Es erschließt sich nicht, welche “umfangreichen Recherchen” die xxx-GmbH vor Ausschluss dieser Daten aus der Auswertung durchgeführt hat und steht zudem im Widerspruch zu den Ausführungen im Gutachten, wonach lediglich “vermutet” wird, dass es sich um Wohnheimwohnungen handelt. Dass es sich nur um etwa 1% der Bruttostichprobe handelt, führt zu keiner anderen Beurteilung, da damit eine Gruppe nicht erfasst wurde, von der unklar ist, ob sie nicht zu Unrecht vollständig unberücksichtigt blieb.

Der Verweis des Beklagten auf die strengeren Handhabungen bei der Erstellung qualifizierter Mietspiegel größerer Städte trägt nicht. Gem. § 558 Abs. 2 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist bei der Erstellung von Mietspiegeln eine Differenzierung nach Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage vorzunehmen. Diese Vorgehensweise wählt die xxx-GmbH gerade nicht (S. 16 des Gutachtens). Die Definition des einfachen Standards erst im Ergebnis (hier über das 33%-Quantil der qm-Preise) setzt nach Auffassung der Kammer zwingend voraus, dass gerade nicht die Datensätze analog zur Erstellung qualifizierter Mietspiegel bereinigt werden. Die restriktivere Handhabung bei Mietspiegeln rechtfertigt sich allein wegen der sorgfältigen Differenzierung. Hierzu ist noch anzumerken, dass selbst diese Vorgaben der Mietspiegelerstellung von der xxx-GmbH nicht durchgängig eingehalten werden. Wohnungen mit Förderzusage werden bei der Erstellung qualifizierter Mietspiegel im Gegensatz zur Vorgehensweise des xxx-Gutachtens gerade nicht mit einbezogen. Nach Auffassung der Kammer werden zu Lasten der Hilfeempfänger nicht miteinander zu vereinende Wege beschritten.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Ausführungen des BSG (Urteil vom 22. September 2009, Az. B 4 AS 18/09 R, Rz. 22). Die Kammer bemängelt nicht, dass Wohnungen mit Förderzusage im Datensatz verblieben sind, was nach dem BSG möglich ist, sondern dass ohne weitere Überprüfung bei sehr kleinen Wohnungen unterstellt wurde, dass es sich um Wohnraum in Wohnheimen handelt und diese aus dem Datensatz entfernt wurden.

Zudem wurden Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern von vornherein nicht berücksichtigt, wiederum mit dem – hier nicht tragenden – Verweis auf die Vorgehensweise bei der Erstellung qualifizierter Mietspiegel (vgl. S. 4 des Gutachtens).

Ein weiterer Unterschied zur Erstellung von Mietspiegeln liegt in der fehlenden Angabe bei den Bestandsmieten, zu welchem Zeitpunkt diese vereinbart wurden. Die Kammer hält diese Angabe für unverzichtbar, da auf der Grundlage der Bestandsmieten die – aktuelle – Angemessenheitsgrenze ermittelt wurde (vgl. S. 29 des Gutachtens).

Nach Auffassung der Kammer wäre es zudem unerlässlich gewesen, sicherzustellen, dass eine Durchmischung der Datensätze mit Mietwohnungen aus verschiedenen Wohnlagen erfolgt. Erst dann könnte von einer Erfassung des gesamten Wohnungsmarktes gesprochen werden. Denn Wohnungen in sog. begehrten Wohngegenden können trotz eines geringen Standards deutlich teurer sein, als gut ausgestattete Wohnungen in wenig nachgefragten Gebieten.

Da nicht der gesamte Wohnungsmarkt erfasst wurde, genügt es nicht, den einfachen Wohnungsstandard erst im Ergebnis über den qm-Preis, der beim sog. 33%-Quantil festgelegt wurde (vgl. S. 19 des Gutachtens), zu definieren.

Die fehlende Definition des einfachen Standards führt nach Auffassung der Kammer zu Folgeproblemen bei der Bestimmung der durchschnittlichen kalten Betriebskosten. Die Herausnahme von kalten Betriebskosten bei der Bestandsmietenerfragung mit Werten höher als 2,50 €/qm aus den Datensätzen (S. 10 des Gutachtens) führt nur dann nicht zu einer Datenverzerrung zu Lasten der Hilfeempfänger, wenn es sich nicht um kalte Betriebskosten zugehörig zu Wohnungen einfachen Standards handelt Das konnte die xxx GmbH nicht überprüfen, weil die in den Datensätzen verbliebenen Wohnungen keinem Standard zugeordnet werden konnten.

Die Kammer ist auch nicht zu der Überzeugung gelangt, dass die kalten Betriebskosten für die Angebotsmieten zutreffend ermittelt wurden. Die Vorgehensweise, die in Anzeigen gelisteten kalten Betriebskosten der Angebotsmieten nicht zu berücksichtigen (vgl. S. 15 des Gutachtens) und dafür die “bei der Auswertung der Bestandsmietenerhebung gewonnenen durchschnittlichen kalten Betriebskosten pro Quadratmeter Wohnfläche” (S. 30 des Gutachtens) zu verwenden, verhindert gerade eine Überprüfung der ermittelten Bestandsmiete. Das verfügbare Angebot wird so auf der Grundlage von Teildaten des Bestandes überprüft. Allein der Umstand, dass die kalten Betriebskosten in den Anzeigen häufig nicht von den Heizkosten getrennt werden konnten (vgl. S. 15 des Gutachtens), rechtfertigt diese Vorgehensweise nicht.

Es ist jedenfalls eine Plausibilisierung dafür notwendig, dass es nicht zu einer Verzerrung kommt, weil die Vermutung Zunächst dafür spricht, dass Angebotsmieten das aktuellere Bild der am Markt geforderten kalten Betriebskosten widerspiegeln. Letztlich sind die Angebotsmieten die Bedingungen, zu denen sich Hilfebedürftige auf den Wohnungsmarkt begeben. Die bloße Annahme der Aktualität der kalten Betriebskosten der Bestandsmieten (“es ist davon auszugehen”; vgl. S. 30 des Gutachtens) reicht wiederum nicht. Die Kammer will nicht ausschließen, dass die so ermittelte Angebotsmiete (bruttokalt) zutreffend ist, was aber ein zufälliges und kein nachvollziehbares Ergebnis darstellt.

Die Kammer hält die vom BSG geforderte “Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten” für eine tragende Säule eines schlüssigen Konzeptes, die im xxx Gutachten ebenfalls nicht gewährleistet ist. Allein der Umstand, dass als Grundlage für die Datenerhebung der Mietwohnungsbestand aus der Gebäude- und Wohnungszählung des Jahres 1987, mithin noch vor der Öffnung der Grenzen zu den jetzigen neuen Bundesländern, verwendet worden ist und dann nur eine Schätzung des aktuellen Mietwohnungsbestandes für das Jahr 2006 erfolgte, lässt für die Kammer nicht den Schluss zu, dass das F+B Gutachten ein schlüssiges Konzept darstellt Ob eine repräsentative Stichprobe mit einem Anteil von erhobenen Mietdaten iHv 32,3 % liegt (vgl. S. 4 des Gutachtens), kann so jedenfalls nicht nachvollzogen werden.

Nach Auffassung der Kammer ist das xxx Gutachten zudem deswegen kein schlüssiges Konzept, weil die Kappungsgrenze, die beim 33%-Quantil festgelegt wurde, nicht nachzuvollziehen ist. Die zugrundeliegende Annahme, dass hierüber das untere Drittel von den restlichen zwei Dritteln des Wohnungsmarktes abgeteilt wird und Wohnungen einfachen Standards zutreffend abgebildet werden, setzt voraus, dass tatsächlich der gesamte Wohnungsmarkt erfasst wird, was – wie oben dargelegt – die Kammer nicht teilt Es setzt weiter voraus, dass eine gleichmäßige Durchmischung der Datensätze mit Wohnungen des einfachen, mittleren und gehobenen Standards vorliegt. Hierauf können keine Rückschlüsse gezogen werden, weil eine Definition des einfachen Standards gerade unterblieben ist. In Abhängigkeit der jeweiligen – nicht zu identifizierenden – Anteile verschiebt sich der so ermittelte qm-Preis. Die Beschreitung des Mittelweges der Mietenverteilung der Mietspiegelerstellungen der Städte Kiel (16,6 %-Quantil) und Berlin (50%-Quantil) trägt als Begründung schon deswegen nicht, weil bei Mietspiegelerstellungen gerade eine Differenzierung nach Lage, Beschaffenheit, Ausstattung etc. vorgenommen wird. Zudem bleibt unklar, wie darüber Rückschlüsse auf Wohnungen einfachen Standards der Stadt Göttingen gezogen werden sollen. Auch die Begründung des Beklagten mit Schriftsatz vom 12. Februar 2010 (BI. 160 GA), wonach das 33%-Quantil die Haushalte unterer Einkommensschichten (20%) sowie Haushalte mit Grundsicherungsempfängern (10%) zuzüglich eines Sicherheitsaufschlages abbildet, vermag insofern nicht zu überzeugen. Es bleibt nach Auffassung der Kammer lediglich die Vermutung, dass über diese Kappungsgrenze eine zutreffende Abbildung der Wohnungen einfachen Standards erfolgt.

Die Kammer vermag entgegen der Auffassung des Beklagten nicht zu erkennen, inwieweit die vorherige Bestimmung des einfachen Standards eine unzulässige Beschränkung der Hilfeempfänger bei der Wohnungssuche darstellt. Ziel der Ermittlung bleibt doch die regional angemessene Miete ausgedrückt in einem Gesamtbetrag, der dem Hilfeempfänger die Verwirklichung seiner Präferenzen ermöglicht. Nach der BSG-Rechtsprechung kommt es ja gerade nicht auf die Angemessenheit der Einzelelemente an, sondern auf die zu tragende Gesamtbelastung. Das ändert nichts darin, dass dieser Gesamtbetrag nur über die Aufwendungen für Wohnraum einfachen Standards zu ermitteln ist.

Entgegen der Auffassung des Beklagten trifft das Gericht auch keine weitere Ermittlungspflicht.

Weitere Ermittlungsmöglichkeiten sieht die Kammer insbesondere wegen des Zeitablaufs nicht.

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist das Gericht auch nicht in der Lage auf der Basis des xxx Gutachtens weitere Ermittlungen vorzunehmen.

Das BSG führt zur Ermittlungspflicht des Gerichts aus:

“Diese Ermittlungspflicht geht nicht ohne Weiteres auf das Sozialgericht über, wenn sich das Konzept des Grundsicherungsträgers als nicht tragfähig (schlüssig) erweist oder bei einem an sich schlüssigen Konzept die erforderlichen Daten nicht oder nicht ordnungsgemäß erhoben worden sind.”(Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09 R, Rz. 26)

“Erweist sich das Konzept des kommunalen Trägers für die Bestimmung des angemessenen Quadratmeterpreises wie im vorliegenden Falle als unschlüssig, so kann dies im Endergebnis bedeuten, dass das Tatsachengericht auch den tatsächlichen Quadratmeterpreis ohne weitere Prüfung als angemessen zugrunde legen darf, wie es das LSG im vorliegenden Falle getan hat. Allerdings sind die Kosten der Unterkunft in einem solchen Fall nicht völlig unbegrenzt zu übernehmen, sondern nur bis zur Höhe der durch einen Zuschlag maßvoll erhöhten Tabellenwerte nach § 8 Wohngeldgesetz (WoGG aF). Diese Konsequenz aus der Nichterbringbarkeit eines schlüssigen Konzepts kann das Gericht allerdings erst ziehen, wenn es zuvor (erfolglos) den Versuch unternommen hat, die insoweit unzulänglichen Feststellungen der Verwaltung mit deren Unterstützung nachzubessern (vgl Urteil des erkennenden Senats vom 2. Juli 2009, B 14 AS 33/08 R). Das LSG wird dementsprechend zunächst noch weitere Ermittlungen anzustellen haben, ob und inwieweit die von den Klägern im streitgegenständlichen Zeitraum geleisteten Aufwendungen für die Unterkunft angemessen gewesen sind. Es wird nach der Logik der Verteilung der Verantwortung für die Erstellung des schlüssigen Konzepts zunächst die Ermittlungen der Beklagten aufgreifen und diese ggf um ihre konzeptionellen Schwächen bereinigen können. Es wird überdies zB – soweit vorhanden – auch auf private Mietdatenbanken zurückgreifen können, die die Voraussetzungen der §§ 558c, 558d BGB nicht erfüllen, aber dazu geeignet sind, zumindest annäherungsweise Aufschluss über die Angemessenheit zu geben (vgl BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 – B 14/7b AS 44/06 R, FEVS 60, 145, 149, RdNr 16). Ggf kann es sich auch selbst eines Sachverständigen bedienen. Erst wenn diese Ermittlungen zu keinem weiteren Erfolg führen, kann, wovon das LSG im Grundsatz zu Recht ausgegangen ist, eine Verurteilung der Beklagten zur Tragung der tatsächlichen Aufwendungen der Kläger erfolgen.” (Urteil vom 20. August 2009, B 14 AS 65/08 R, Rz. 21)

Eine Nachbesserung, wie der 14. Senat des BSG es formuliert, ist hier nicht möglich. Die Kammer hält in dem xxx Gutachten bereits die Grundlagen der Mietdatenerhebung wie z.B. die nicht nachzuvollziehende Datenbereinigung für fehlerhaft. Für die Ausräumung der oben benannten Schwächen wäre eine Neuerhebung auf der Grundlage eines neuen Konzepts notwendig. An dieser Stelle weist die Kammer auch noch einmal darauf hin, dass im Rahmen der Mieterbefragung wegen der anonymisierten Durchführung bereits die xxx GmbH keine – offensichtlich für notwendig erachteten – Nacherhebungen und/oder Kontrollbefragungen durchführen konnte (vgl. S. 8 des Gutachtens, Punkt 2.2).”

Etwas anderes ergibt sich im vorliegenden Fall auch nicht aus dem ergänzenden Vortrag des Beklagten. Die Kammer stellt gegenüber der soeben zitierten Entscheidung klar, dass sie die vorherige Definition des Wohnungsstandards für unverzichtbar hält. Nur dann kann der Beklagte feststellen, zu welchen Anteilen Wohnungen des einfachen, mittleren und gehobenen Standards erfasst Worden sind. Erst wenn eine gleichmäßige Durchmischung nachzuvollziehen ist, rechtfertigt sich die Kappungsgrenze beim 33%-Quantil. Bei der Vorgehensweise der xxx-GmbH ist nicht auszuschließen, dass überwiegend Wohnungen einfachen Standards in die Auswertung geflossen sind und damit eine Verschiebung zu Ungunsten der Hilfeempfänger vorliegt. Das Ergebnis bleibt jedenfalls in hohem Maße zufällig.”

Diesen Ausführungen der 23. Kammer schließt sich die 33. Kammer aus eigener Überzeugung und nach eigener Prüfung an.

Die Aufwendungen des Klägers für KdU sind über den bereits bewilligten und in der mündlichen Verhandlung anerkannten Betrag hinaus daher in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe zu übernehmen. Das Gericht wendet die Rechtsprechung des LSG Niedersachsen-Bremen an, wonach bei Fehlen sonstiger Erkenntnismöglichkeiten ausnahmsweise für den hier streitigen Zeitraum auf die rechte Spalte der Tabelle zu § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) zzgl. eines Sicherheitszuschlags von 10% zurückzugreifen ist. Für einen Ein-Personen-Haushalt im Bereich Göttingen (Mietstufe IV) belaufen sich die maximal übernahmefähigen KdU somit auf 393,80 Euro. Die von der Klägerin tatsächlich zu entrichtende Miete in Höhe von 358,00 Euro ist somit in vollem Umfang zu übernehmen. Es kann vorliegend offen bleiben, ob ein 10%iger Sicherheitszuschlag auch auf die Werte der ab dem 01.01.2009 geltenden Tabelle zu § 12 WoGG zu gewähren ist, da die tatsächlichen Mietkosten des Klägers vorliegend exakt dem Wert der Tabelle zu § 12 WoGG in der ab dem 01.01.2009 geltenden Fassung entsprechen.

Vor dem Hintergrund, dass bereits aus den oben genannten Gründen die tatsächlichen Kosten der Unterkunft des Klägers zu gewähren sind, kann auch offen bleiben, ob der Kläger zur Senkung der Kosten der Unterkunft hätte aufgefordert werden müssen. Lediglich ergänzend weißt die erkennende Kammer darauf hin, dass eine solche Aufforderung zur Kostensenkung vorliegend nicht notwendig gewesen sein dürfte. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung des BSG ist es ausreichend, wenn dem Kläger bekannt ist, dass er zu hohe Kosten der Unterkunft hat und welchen Wert der Beklagte als angemessen ansieht. Bereits mit Bescheid vom 03.12.2009 hat der Beklagte dem Kläger nur abgesenkte Kosten der Unterkunft in Höhe des von ihm als angemessenen Betrages von 325,00 Euro für den Zeitraum von Dezember 2009 bis Mai 2010 bewilligt. Spätestens ab diesem Moment hatte der Kläger Kenntnis davon, dass der Beklagte die Kosten der Unterkunft des Klägers als unangemessen hoch ansieht und welchen Betrag er für angemessen hält. Zum Zeitpunkt der Weiterbewilligung der Leistungen nach dem SGB II ab dem 01.06.2010 war auch die 6-Monats-Schutzfrist, in der weiterhin die tatsächlichen Unterkunftskosten zu gewähren sind, bereits verstrichen.

Dem Kläger waren auch die aus dem Tenor ersichtlichen Zinsen zu gewähren.
Gem. § 44 Abs. 1 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) sind Ansprüche auf Geldleistungen nach Ablauf eines Kalendermonats nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit vier vom Hundert zu verzinsen. Gem. Abs. 2.1. Alternative der Vorschrift beginnt die Verzinsung frühestens nach Ablauf von sechs Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger. Die erhöhten Leistungen für die Monate Juni bis Oktober unterfallen damit dem Abs. 2 der Vorschrift, wonach ein Zinsanspruch frühestens mit dem Monat Dezember (nach Ablauf von 6 Monaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrages vom 03.05.2009) entsteht. Die erhöhten Leistungen für den Monat November unterfallen dem Abs. 1 der Vorschrift. Die Leistungen wären im November fällig gewesen. Daher beginnt die Verzinsung nach Ablauf eines weiteren Monats nach der Fälligkeit und somit erst im Januar 2011.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Berufung ist gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.

Es folgt die Rechtsmittelbelehrung.