Sozialgericht Hildesheim – Urteil vom 05.05.2014 – Az.: S 33 AS 645/10

URTEIL

In dem Rechtsstreit
1. xxx,
2. xxx,
3. xxx,
4. xxx,
3. und 4. vertreten durch xxx,
– Kläger –

Prozessbevollmächtigter:
zu 1: Rechtsanwalt Sven Adam, Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen

gegen

Landkreis xxx,
– Beklagter –

hat die 33. Kammer des Sozialgerichts Hildesheim auf die mündliche Verhandlung vom 5. Mai 2014 durch den Richter am Sozialgericht xxx sowie die ehrenamtlichen Richter xxx und xxx für Recht erkannt:

1.  Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 10.03.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.04.2010 verpflichtet, den Klägern weitere 433,56 Euro (72,26 Euro mtl.) für Kosten der Unterkunft für den Zeitraum vom 01.02. bis 31.07.2009 zu gewähren.

2.  Der Beklagte hat den Klägern ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

3.  Die Berufung wird zugelassen.

TATBESTAND
Die Kläger begehren höhere Leistungen für Kosten für Unterkunft (und Heizung).
Die Kläger stehen im laufenden Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Sie bewohnten ursprünglich eine rund 60 Quadratmeter große Wohnung bei den Großeltern der Klägerin zu 1) im xxx. Diese wollten die Kläger aufgrund von Differenzen mit den Großeltern der Klägerin zu 1) sowie der zu kleinen Größe der Wohnung für 4 Personen wechseln und legten ein Mietangebot für eine Wohnung im xxx in xxx vor.

Die von dem Beklagten gem. § 3 Abs. 1 Nds. AG SGB II i.V.m. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2, § 6a SGB II herangezogene Stadt Göttingen setzte die Klägerin zu 1) am 28.03.2007 darüber in Kenntnis, dass diese im Falle eines Umzugs in den xxx in xxx lediglich Kosten der Unterkunft in Höhe von 545,00 EUR als angemessen anerkennen werde. Auf den Inhalt der Niederschrift vom 28.03.2007 wird verwiesen.

Nachdem die Kläger zunächst einen Antrag bei dem Beklagten für einen Umzug gestellt hatten, mieteten sie schließlich ohne vorherige Zustimmung des Beklagten zum 01.10.2008 eine 96,73 qm große Wohnung (Baujahr 1990) im xxx in xxx an. Die Miete beträgt monatlich 483,65 EUR, die Nebenkostenvorauszahlung 133,61 EUR und die Vorauszahlung für Wärme- und Warmwasserkosten 85,00 EUR. Die Warmwasseraufbereitung erfolgt zentral über Fernwärme.

Mit Bescheid vom 08.01.2009 für den Zeitraum Februar bis Juli 2009 erkannte die Stadt xxx den Klägern jeweils einen Bedarf für Kosten der Unterkunft in Höhe von 545,00 EUR an; die Heizkosten anerkannte er in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen in Höhe von 85,00 EUR. Diese Aufwendungen erkannte die Stadt Göttingen auch bereits im vorhergehenden Leistungszeitraum an.

Mit Schreiben vom 16.02.2010 beantragten die Kläger gem. § 44 SGB X eine Überprüfung der Leistungsgewährung für den vorgenannten Zeitraum.

Mit Bescheid vom 10.03.2010 lehnte die Stadt Göttingen den Überprüfungsantrag mit der Begründung ab, das Recht sei nicht unrichtig angewandt worden. Vielmehr hätten umfangreiche Ermittlungen des Beklagten ergeben, dass sich die Kosten für Unterkunft (und Heizung) lediglich in der Höhe der bewilligten Leistungen als angemessen erweisen.

Den gegen den Bescheid eingelegten Widerspruch vom 16.03.2010 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07.04.2010 mit der Begründung zurück, dass im Bereich der Stadt xxx monatlich 545,00 EUR der für Kosten für Unterkunft angemessene Betrag darstelle, der Bewilligungsbescheid vom 08.01.2009 und damit zugleich der Bescheid vom 10.03.2010 rechtmäßig sei.

Die Kläger haben am 08.04.2010 Klage erhoben.

Sie tragen vor, dass die tatsächlich von ihnen zu zahlenden Mietkosten von dem Beklagten zu tragen seien. Das Gutachten der Firma F+B GmbH entspreche nicht den Anforderungen des Bundessozialgerichts an das sogenannte “schlüssige Konzept”, so dass es an einer durch den Beklagten vorzunehmenden Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft i.S.v § 22 Abs. 1 SGB II fehle. Somit sei die Angemessenheit nach der Tabelle zu § 12 Wohngeldgesetz zuzüglich eines Sicherheitszuschlages in Höhe von 10% zu bestimmen. Die tatsächliche Miete liege Unterhalb dieser Angemessenheitsgrenze.

Die Kläger beantragen,
den Beklagten unter Abänderung der Bescheide vom 10.03.2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.04.2010 zu verpflichten, den Klägern weitere 433,56 Euro Kosten der Unterkunft für den Zeitraum vom 01.02. bis 31.07.2009 zu gewähren.

Der Bevollmächtigte des Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Bevollmächtigte des Beklagten beantragt weiterhin,
zum Beweis dafür, dass die Daten im gesamten Zuständigkeitsbereich des Beklagten ermittelt worden sind, Beweis zu erheben, durch die Vernehmung des Zeugen Herrn xxx, zu laden über die F+B GmbH, xxx. Ferner beantragt der Bevollmächtigte, Beweis zu erheben durch Einsichtnahme in die als Rückläufer eingegangenen Fragebögen;
ferner Beweis darüber zu erheben, dass die Daten ausschließlich im Beobachtungszeitraum Februar und März 2008 ermittelt worden sind, durch Vernehmung des Zeugen xxx, zu laden über die F+B GmbH, xxx;
ferner Beweis darüber zu erheben, dass das Gutachten der F+B GmbH auf einer Datenbasis von 32,3 % des regionalen in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestandes beruht und die Schätzung dieses Umfangs nach wissenschaftlichen Maßstäben erfolgte durch Einholung eines Sachverständigengutachtens;
ferner Beweis darüber zu erheben, dass die im F+B Gutachten vorgenommene Datenbereinigung nach wissenschaftlichen Maßstäben nicht zu beanstanden ist, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens;
ferner Beweis darüber zu erheben, dass die im Gutachten der F+B GmbH vorgenommene Nichtberücksichtigung von in Ein- und Zweifamilienhäusern gelegene Wohnungen sowie von Wohnungen mit einer Wohnungsgröße von unter 20 m2 Wohnfläche fachlich nicht zu beanstanden ist und auch zu keinem abweichenden Ergebnis im Vergleich zu einer Berücksichtigung dieser Wohnung führt, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens;
ferner Beweis darüber zu erheben, dass die durchschnittlichen kalten Betriebskosten der untersuchten Wohnungen im unteren Drittel der Mietenverteilung niedrigere kalte Betriebskosten als der restliche erfasste Wohnungsbestand aufweist, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens;
ferner Beweis darüber zu erheben, dass die kalten Betriebskosten sich bei neu vermieteten Wohnungen nicht von vergleichbaren, länger vermieteten Wohnungen unterscheiden, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens;
ferner Beweis darüber zu erheben, dass das Gutachten der F+B GmbH die Nettokaltmieten und kalten Betriebskosten wissenschaftlichen Ansprüchen genügend ermittelt und ausgewertet hat, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens;
ferner Beweis darüber zu erheben, dass bei der Erstellung des Gutachtens der F+B GmbH die anerkannten, mathematisch-statistischen Grundsätze angewandt worden sind, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens;
ferner Beweis darüber zu erheben, dass im Gutachten der F+B GmbH die Plausibilisierung bei den kalten Betriebskosten anerkannten wissenschaftlichen Maßstäben gemäß erfolgt ist, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens;
ferner Beweis darüber zu erheben, dass die zu den Angebotsmieten erhobene Datenmenge hinreichend groß war, um nach wissenschaftlichen Maßstäben aussagekräftige Rückschlüsse zuzulassen, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens;
ferner Beweis darüber zu erheben, dass bei der Bestandsmietenermittlung zu Grunde gelegte Betriebskosten wissenschaftlichen Maßstäben genügend ermittelt worden sind, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens;
ferner Beweis darüber zu erheben, dass die Heranziehung der Betriebskostenvorauszahlung nach Stand der Wissenschaft fachlich nicht zu beanstanden ist, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.
Der Vertreter des Beklagten beantragt ferner,
die Berufung zuzulassen.

Zur Begründung der Angemessenheitsgrenze für Kosten der Unterkunft stützt sich der Beklagte auf das von ihm in Auftrag gegebene Gutachten der F+B GmbH. Dieses Gutachten stelle ein schlüssiges Konzept im Sinne der BSG-Rechtsprechung dar.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Verfahrensakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten Bezug genommen. Diese haben vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE
Die zulässige kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 SGG) ist begründet.
Anspruchsgrundlage für das Begehren der Kläger ist § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 44 SGB X.

Danach ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind (§ 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X). Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile dieses Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht (§ 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X). Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme von Beginn des Jahres an gerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (§ 44 Abs. 4 Satz 2 SGB X). Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag (§ 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X).

Die Voraussetzungen von § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 44 SGB X liegen vor.
Bei Erlass des Bescheides vom 08.01.2009 hat der Beklagte das Recht unrichtig angewandt und den Klägern zu Unrecht nicht höhere Kosten der Unterkunft bewilligt.

I.
Die Kläger sind zunächst leistungsberechtigt i.S.v. §§ 7 i.V.m. 19 SGB II. Danach erhalten erwerbsfähige Hilfebedürftige als Arbeitslosengeld II u.a. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts, nach § 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben, Sozialgeld. Gern. § 19 Abs. 1 Satz 3 SGB II umfassen die Leistungen neben dem Regelbedarf und Mehrbedarfe auch den Bedarf für Unterkunft und Heizung. Anhaltspunkte, dass die Kläger – entgegen der Feststellungen des Beklagten – vorliegend nicht leistungsberechtigt im vorgenannten Sinne sind, liegen dem Gericht nicht vor.

II.
Der Beklagte hat das Recht nicht richtig angewandt, da die Kläger einen höheren Anspruch auf Kosten für Unterkunft und Heizung haben.

1.
Dies folgt zwar nicht bereits aus § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II, wonach die Aufwendungen für die Unterkunft als Bedarf der Bedarfsgemeinschaft so lange zu berücksichtigen sind, wie es der Bedarfsgemeinschaft nicht möglich oder zuzumuten ist, durch einen Wohnungswechsel, durch Vermieten oder auf andere Weise die Aufwendungen zu senken, in der Regel jedoch längstens für sechs Monate. Insoweit bedurfte es insbesondere keiner gesonderten Kostensenkungsaufforderung durch den Beklagten. Denn die Kläger hatten ausweislich der Verwaltungsakte bereits vor Anmietung der Wohnung im xxx Kenntnis davon, dass die Stadt xxx die Aufwendungen für die Kosten der neuen Unterkunft lediglich in Höhe von 545,00 EUR als angemessen erachtet. Ferner hat der Beklagte auch im vergangenen Zeitraum bereits nur die reduzierten Kosten der Unterkunft bewilligt.

2.
Allerdings folgt der Anspruch der Kläger aus § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II. Danach werden die Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit sie angemessen sind. Dies ist hier der Fall.

a)
Dem steht zunächst nicht § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II entgegen, wonach im Falle eines nicht erforderlichen Umzugs lediglich der bisherige Bedarf anzuerkennen ist (§ 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II). Denn Anhaltspunkte dafür, dass der Umzug der Kläger vorliegend nicht erforderlich gewesen war, liegen dem Gericht nicht vor. Dies wurde von dem Beklagten auch nicht vorgetragen. Vielmehr lässt sich aus dem Aktenvermerk des Beklagten vom 31.07.2008 entnehmen, dass auch seitens des Beklagten von der Erforderlichkeit des Umzugs ausgegangen worden ist. Im Übrigen ist die erkennende Kammer zu der Überzeugung gelangt, dass bereits die geringe Größe der Wohnung der Kläger von 60 Quadratmetern für einen 4 Personenhaushalt vor dem Hintergrund, dass eine Größe bis zu 85 Quadratmetern für 4 Personen angemessen ist, als Umzugserfordernis ausreicht.

b)
Darüber hinaus folgt auch nicht aus der Niederschrift vom 28.03.2007, dass der Beklagte nur verpflichtet war, die Kosten der Unterkunft in Höhe von 545,00 EUR zu übernehmen. Zwar hatte sich in dieser die Klägerin zu 1) bereit erklärt, die noch verbleibenden Mehrkosten für die Wohnung im xxx selber zu tragen. In dieser Erklärung ist nach Überzeugung des Gerichts aber kein Verzicht zu erblicken, sondern vielmehr lediglich die Kenntnisnahme der Kläger durch die Klägerin zu 1), dass die Kosten der Unterkunft von dem Beklagten zukünftig nur in einer bestimmten Höhe als angemessen erachtet werden. Ein solcher Verzicht auch zu Lasten der Kläger zu 2) bis 4) wäre zudem unwirksam (§ 46 Abs. 2 SGB I). Zudem erfolgte die Erklärung der Klägerin zu 1) bereits im Jahr 2007, während indes die Wohnung erst zum 01.10.2008 angemietet worden ist. Insoweit hatten damit die Kläger zwar Kenntnis davon, dass der Beklagte auch zukünftig die Kosten der Unterkunft nur in Höhe von 545,00 EUR als angemessen erachtet. Allerdings lässt sich nicht feststellen, dass der Verzicht abstrakt ohne zeitliche Begrenzung für eine etwaige Anmietung einer Wohnung im xxx ausgesprochen werden sollte.

c)
Die Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten begrenzt die erstattungsfähigen Kosten der Höhe nach (vgl. BSG, Urt. v. 22.09.2009 – B 4 AS 18/09 R zit. nach juris). Es handelt sich bei der “Angemessenheit” um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der vollen gerichtlichen Kontrolle unterliegt (vgl. BSG, Urt. v. 07.11.2006 – B 7b AS 10/06 R zit. nach juris). Die Bestimmung der Angemessenheit hat nach ständiger Rechtsprechung des BSG in mehreren Stufen zu erfolgen. Zunächst sind die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der maßgebliche Vergleichsraum festzulegen. In einem weiteren Schritt ist zu ermitteln, wie viel auf dem Wohnungsmarkt des Vergleichsraums für eine Wohnung einfachen Standards aufzuwenden ist. Ziel der Ermittlungen ist der Quadratmeterpreis für Wohnungen einfachen Standards, der nach Maßgabe der Produkttheorie mit der angemessenen Quadratmeterzahl zu multiplizieren ist. Das Ergebnis, ist die regional angemessene Miete (vgl. BSG, Urt. v. 22.09.2009 – B 4 AS 18/09 R zit. nach juris).

Dem Beklagten ist es jedoch nicht gelungen, dem Gericht nachvollziehbar darzulegen, wie hoch die regional abstrakt angemessene Wohnungsmiete ist.

Die Ermittlung des nach Auffassung des Beklagten angemessenen Quadratmeterzinses für den angemessenen Wohnstandard für die hier maßgebliche Wohnungsgrößenklasse basiert allerdings nicht auf einem schlüssigen Konzept. Das Gericht nimmt insoweit Bezug auf die Entscheidungen der 23. Kammer des Sozialgerichts Hildesheim vom 16.06.2010 (S 23 AS 1062/06) und 09.12.2011 (S 23 AS 1911/10). Die 23. Kammer hat ausgeführt:

“Das F+B-Gutachten bestätigt daher nicht, dass die vom Beklagten berücksichtigten Kosten die angemessenen Kosten im Sinne des § 22 SGB II sind. Dieses Gutachten ist mit grundlegenden Mängeln behaftet, die auch nicht im Sinne einer “Nachbesserung” mit Hilfe des Gerichts beseitigt werden können.

Nach der Rechtsprechung des BSG muss die Ermittlung der regionalen Angemessenheitsgrenze auf der Grundlage eines überprüfbaren schlüssigen Konzepts erfolgen, das die hinreichende Gewähr dafür bietet, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden (BSG, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/7b AS 44/06 R). Die Begrenzung der tatsächlichen Unterkunftskosten auf ein “angemessenes Maß” muss hinreichend nachvollziehbar sein. Das BSG definiert ein schlüssiges Konzept als “ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum und nicht nur ein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall” (BSG, Urteil vom 22. September 2009, Az. B 4 AS 18/09 R, Rz. 19).

Das BSG hat zu den Mindestvoraussetzungen eines schlüssigen Konzeptes folgende Vorgaben gemacht (aaO):

= Die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung),
= es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, zB welche Art von Wohnungen – Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete <Vergleichbarkeit>, Differenzierung nach Wohnungsgröße,
= Angaben über den Beobachtungszeitraum,
= Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, zB Mietspiegel),
= Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,
= Validität der Datenerhebung,
= Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und
= Angaben über die gezogenen Schlüsse (zB Spannoberwert oder Kappungsgrenze).

Die im Jahr 2008 durch die F+B-GmbH erhobenen Daten erfüllen in wesentlichen Punkten nicht die vom BSG genannten Mindestanforderungen an ein schlüssiges Konzept.

“Die Kammer ist nämlich zu der Auffassung gelangt, dass das F+B-Gutachten deswegen kein schlüssiges Konzept darstellt, weil bereits keine nachvollziehbare Definition des Gegenstandes der Beobachtung zugrunde liegt, die Art und Weise der Datenerhebung zu beanstanden ist, keine Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten gegeben ist und die Kappungsgrenze (33%-Quantil) nicht nachzuvollziehen ist.

Die Kammer stützt sich maßgeblich darauf, dass

– nicht der gesamte Wohnungsmarkt in die Datenerhebung mit eingeflossen ist,
– daher zu Unrecht auf die vorherige Definition des einfachen Wohnungsstandards verzichtet wurde,
– der Mietwohnungsbestand aus dem Jahr 1987 zugrunde gelegt und dann für das Jahr 2006 geschätzt wurde und
– die beim 33%-Quantil gezogene Kappungsgrenze nicht nachzuvollziehen ist.

Wie bereits vorangestellt, führt das BSG aus:
“Es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z.B. welche Art von Wohnungen – Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße.”

Nach den Vorgaben des BSG können sowohl Wohnungen aus dem Gesamtwohnungsbestand, also des einfachen, mittleren und gehobenen Standards als auch Wohnungen nur einfachen Standards in die Beobachtung einbezogen werden. Zulässig ist z.B. auch Wohnungen mit einer der Höhe nach begrenzten Miete einzubeziehen. Nicht zu berücksichtigen ist hingegen Wohnraum, der keinen zuverlässigen Aufschluss bieten kann wie z.B. Wohnheime (Urteil vom 22. September 2009, Az. B 4 AS 18/09 R).

Die Kammer bezweifelt, dass die Erfassung des gesamten Wohnungsmarktes die Differenzierung nach u.a. Lage und Ausstattungsmerkmalen entbehrlich macht. Anders als der Beklagte entnimmt sie diese Entbehrlichkeit auch nicht dem BSG-Urteil vom 22. September 2009. Die fehlende Differenzierung führt zu Folgeproblemen bei der Festlegung der Kappungsgrenze (dazu weiter unten). Das kann jedoch dahinstehen, da die Kammer bereits der Annahme des Beklagten nicht folgt, das F+B-Gutachten habe den gesamten Wohnungsmarkt erfasst. Der gesamte Wohnungsmarkt wurde nach Auffassung der Kammer deswegen nicht erfasst, weil Datenbereinigungen vorgenommen wurden, die nicht durchweg nachvollziehbar sind.

So sind bei der Bestandsmietenerhebung Wohnungen von bis zu 20 qm herausgenommen wurden, weil die F+B-GmbH davon ausgeht, dass es sich um Heimwohnungen handelt. Das hätte nach Auffassung der Kammer einer Überprüfung bedurft, die wegen der anonymisierten Befragung bei den Mietern nicht erfolgen konnte und daher unterblieben ist (vgl. S. 8 Gutachtens). Das Argument, dass es sich nicht zwangsläufig um Wohnheimwohnungen handeln muss, liefert das Gutachten selbst, indem es auf S. 8 heißt: “Ein Adressabgleich mit einigen im Rahmen der Angebotsmietenerhebung gewonnenen Informationen hat diese Vermutung teilweise bestätigt.” Bedeutsam für die Rechtfertigung, diese Wohnungen aus dem Datensatz herauszunehmen, ohne dass es zu einer Verschiebung zu Lasten der Hilfeempfänger kommt, ist der Umfang von “teilweise”, der allerdings offen bleibt. Nach Auffassung der Kammer ist es ebenso plausibel, dass es sich z.B. um Wohnungen aus Wohnbauprogrammen für sozial schwächere Bürger handelt. Eine Herausnahme dieser Wohnungen geht zu Lasten der Hilfeempfänger, da diese Wohnungen in der Regel absolut zwar einen niedrigen Mietzins aufweisen und deswegen interessant sind für Alleinstehende mit geringem Einkommen, der Quadratmeterpreis, den es letztlich zu ermitteln gilt, jedoch vergleichsweise hoch ist. Wenn demgegenüber Wohnungen mit festgelegter Höchstmiete, also öffentlich geförderter Wohnraum, im Datensatz verblieben sind (vgl. Abbildung 2.3, S. 9 des Gutachtens), führt das nach Auffassung der Kammer zu einer Verzerrung zu Lasten der Hilfeempfänger. Diese Bedenken hat der Beklagte auch nicht mit Schriftsatz vom 12. Februar 2010 ausgeräumt (hierzu: BI. 154 GA). Es erschließt sich nicht, welche “umfangreichen Recherchen” die F+B-GmbH vor Ausschluss dieser Daten aus der Auswertung durchgeführt hat und steht zudem im Widerspruch zu den Ausführungen im Gutachten, wonach lediglich “vermutet” wird, dass es sich um Wohnheimwohnungen handelt. Dass es sich nur um etwa 1% der Bruttostichprobe handelt, führt zu keiner anderen Beurteilung, da damit eine Gruppe nicht erfasst wurde, von der unklar ist, ob sie nicht zu Unrecht vollständig unberücksichtigt blieb.

Der Verweis des Beklagten auf die strengeren Handhabungen bei der Erstellung qualifizierter Mietspiegel größerer Städte trägt nicht. Gem. § 558 Abs. 2 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist bei der Erstellung von Mietspiegeln eine Differenzierung nach Wohnraum vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und Lage vorzunehmen. Diese Vorgehensweise wählt die F+B-GmbH gerade nicht (S. 16 des Gutachtens). Die Definition des einfachen Standards erst im Ergebnis (hier über das 33%-Quantil der qm-Preise) setzt nach Auffassung der Kammer zwingend voraus, dass gerade nicht die Datensätze analog zur Erstellung qualifizierter Mietspiegel bereinigt werden. Die restriktivere Handhabung bei Mietspiegeln rechtfertigt sich allein wegen der sorgfältigen Differenzierung. Hierzu ist noch anzumerken, dass selbst diese Vorgaben der Mietspiegelerstellung von der F+B GmbH nicht durchgängig eingehalten werden. Wohnungen mit Förderzusage werden bei der Erstellung qualifizierter Mietspiegel im Gegensatz zur Vorgehensweise des F+B-Gutachtens gerade nicht mit einbezogen. Nach Auffassung der Kammer werden zu Lasten der Hilfeempfänger nicht miteinander zu vereinende Wege beschritten.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Ausführungen des BSG (Urteil vom 22. September 2009, Az. B 4 AS 18/09 R, Rz. 22). Die Kammer bemängelt nicht, dass Wohnungen mit Förderzusage im Datensatz verblieben sind, was nach dem BSG möglich ist, sondern dass ohne weitere Überprüfung bei sehr kleinen Wohnungen unterstellt wurde, dass es sich um Wohnraum in Wohnheimen handelt und diese aus dem Datensatz entfernt wurden.

Zudem wurden Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern von vornherein nicht berücksichtigt, wiederum mit dem – hier nicht tragenden – Verweis auf die Vorgehensweise bei der Erstellung qualifizierter Mietspiegel (vgl. S. 4 des Gutachtens).

Ein weiterer Unterschied zur Erstellung von Mietspiegeln liegt in der fehlenden Angabe bei den Bestandsmieten, zu welchem Zeitpunkt diese vereinbart wurden. Die Kammer hält diese Angabe für unverzichtbar, da auf der Grundlage der Bestandsmieten die – aktuelle – Angemessenheitsgrenze ermittelt wurde (vgl. S. 29 des Gutachtens).

Nach Auffassung der Kammer wäre es zudem unerlässlich gewesen, sicherzustellen, dass eine Durchmischung der Datensätze mit Mietwohnungen aus verschiedenen Wohnlagen erfolgt. Erst dann könnte von einer Erfassung des gesamten Wohnungsmarktes gesprochen werden. Denn Wohnungen in sog. begehrten Wohngegenden können trotz eines geringen Standards deutlich teurer sein, als gut ausgestattete Wohnungen in wenig nachgefragten Gebieten.

Da nicht der gesamte Wohnungsmarkt erfasst wurde, genügt es nicht, den einfachen Wohnungsstandard erst im Ergebnis über den qm-Preis, der beim sog. 33%-Quantil festgelegt wurde (vgl. S. 19 des Gutachtens), zu definieren.

Die fehlende Definition des einfachen Standards führt nach Auffassung der Kammer zu Folgeproblemen bei der Bestimmung der durchschnittlichen kalten Betriebskosten. Die Herausnahme von kalten Betriebskosten bei der Bestandsmietenerfragung mit Werten höher als 2,50 €/qm aus den Datensätzen (S. 10 des Gutachtens) führt nur dann nicht zu einer Datenverzerrung zu Lasten der Hilfeempfänger, wenn es sich nicht um kalte Betriebskosten zugehörig zu Wohnungen einfachen Standards handelt. Das konnte die F+B GmbH nicht überprüfen, weil die in den Datensätzen verbliebenen Wohnungen keinem Standard zugeordnet werden konnten.

Die Kammer ist auch nicht zu der Überzeugung gelangt, dass die kalten Betriebskosten für die Angebotsmieten zutreffend ermittelt wurden. Die Vorgehensweise, die in Anzeigen gelisteten kalten Betriebskosten der Angebotsmieten nicht zu berücksichtigen (vgl. S. 15 des Gutachtens) und dafür die “bei der Auswertung der Bestandsmietenerhebung gewonnenen durchschnittlichen kalten Betriebskosten pro Quadratmeter Wohnfläche” (S. 30 des Gutachtens) zu verwenden, verhindert gerade eine Überprüfung der ermittelten Bestandsmiete. Das verfügbare Angebot wird so auf der Grundlage von Teildaten des Bestandes überprüft. Allein der Umstand, dass die kalten Betriebskosten in den Anzeigen häufig nicht von den Heizkosten getrennt werden konnten (vgl. S. 15 des Gutachtens), rechtfertigt diese Vorgehensweise nicht. Es ist jedenfalls eine Plausibilisierung dafür notwendig, dass es nicht zu einer Verzerrung kommt, weil die Vermutung zunächst dafür spricht, dass Angebotsmieten das aktuellere Bild der am Markt geforderten kalten Betriebskosten widerspiegeln. Letztlich sind die Angebotsmieten die Bedingungen, zu denen sich Hilfebedürftige auf den Wohnungsmarkt begeben. Die bloße Annahme der Aktualität der kalten Betriebskosten der Bestandsmieten (“es ist davon auszugehen”; vgl. S. 30 des Gutachtens) reicht wiederum nicht. Die Kammer will nicht ausschließen, dass die so ermittelte Angebotsmiete (bruttokalt) zutreffend ist, was aber ein zufälliges und kein nachvollziehbares Ergebnis darstellt.

Die Kammer hält die vom BSG geforderte “Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten” für eine tragende Säule eines schlüssigen Konzeptes, die im F+B Gutachten ebenfalls nicht gewährleistet ist. Allein der Umstand, dass als Grundlage für die Datenerhebung der Mietwohnungsbestand aus der Gebäude- und Wohnungszählung des Jahres 1987, mithin noch vor der Öffnung der Grenzen zu den jetzigen neuen Bundesländern, verwendet worden ist und dann nur eine Schätzung des aktuellen Mietwohnungsbestandes für das Jahr 2006 erfolgte, lässt für die Kammer nicht den Schluss zu, dass das F+B Gutachten ein schlüssiges Konzept darstellt. Ob eine repräsentative Stichprobe mit einem Anteil von erhobenen Mietdaten iHv 32,3 % liegt (vgl. S. 4 des Gutachtens), kann so jedenfalls nicht nachvollzogen werden.

Nach Auffassung der Kammer ist das F+B Gutachten zudem deswegen kein schlüssiges Konzept, weil die Kappungsgrenze, die beim 33%-Quantil festgelegt wurde, nicht nachzuvollziehen ist. Die zugrundeliegende Annahme, dass hierüber das untere Drittel von den restlichen zwei Dritteln des Wohnungsmarktes abgeteilt wird und Wohnungen einfachen Standards zutreffend abgebildet werden, setzt voraus, dass tatsächlich der gesamte Wohnungsmarkt erfasst wird, was – wie oben dargelegt – die Kammer nicht teilt. Es setzt weiter voraus, dass eine gleichmäßige Durchmischung der Datensätze mit Wohnungen des einfachen, mittleren und gehobenen Standards vorliegt. Hierauf können keine Rückschlüsse gezogen werden, weil eine Definition des einfachen Standards gerade unterblieben ist. In Abhängigkeit der jeweiligen – nicht zu identifizierenden – Anteile verschiebt sich der so ermittelte qm-Preis. Die Beschreitung des Mittelweges der Mietenverteilung der Mietspiegelerstellungen der Städte Kiel (16,6 %-Quantil) und Berlin (50%-Quantil) trägt als Begründung schon deswegen nicht, weil bei Mietspiegelerstellungen gerade eine Differenzierung nach Lage, Beschaffenheit, Ausstattung etc. vorgenommen wird. Zudem bleibt unklar, wie darüber Rückschlüsse auf Wohnungen einfachen Standards der Stadt Göttingen gezogen werden sollen. Auch die Begründung des Beklagten mit Schriftsatz vom 12. Februar 2010 (BI. 160 GA), wonach das 33%-Quantil die Haushalte unterer Einkommensschichten (20%) sowie Haushalte mit Grundsicherungsempfängern (10%) zuzüglich eines Sicherheitsaufschlages abbildet, vermag insofern nicht zu überzeugen. Es bleibt nach Auffassung der Kammer lediglich die Vermutung, dass über diese Kappungsgrenze eine zutreffende Abbildung der Wohnungen einfachen Standards erfolgt.

Die Kammer vermag entgegen der Auffassung des Beklagten nicht zu erkennen, inwieweit die vorherige Bestimmung des einfachen Standards eine unzulässige Beschränkung der Hilfeempfänger bei der Wohnungssuche darstellt. Ziel der Ermittlung bleibt doch die regional angemessene Miete ausgedrückt in einem Gesamtbetrag, der dem Hilfeempfänger die Verwirklichung seiner Präferenzen ermöglicht. Nach der BSG-Rechtsprechung kommt es ja gerade nicht auf die Angemessenheit der Einzelelemente an, sondern auf die zu tragende Gesamtbelastung. Das ändert nichts darin, dass dieser Gesamtbetrag nur über die Aufwendungen für Wohnraum einfachen Standards zu ermitteln ist.

Entgegen der Auffassung des Beklagten trifft das Gericht auch keine weitere Ermittlungspflicht.

Weitere Ermittlungsmöglichkeiten sieht die Kammer insbesondere wegen des Zeitablaufs nicht.

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist das Gericht auch nicht in der Lage auf der Basis des F+B Gutachtens weitere Ermittlungen vorzunehmen.

Das BSG führt zur Ermittlungspflicht des Gerichts aus:
“Diese Ermittlungspflicht geht nicht ohne Weiteres auf das Sozialgericht über, wenn sich das Konzept des Grundsicherungsträgers als nicht tragfähig (schlüssig) erweist oder bei einem an sich schlüssigen Konzept die erforderlichen Daten nicht oder nicht ordnungsgemäß erhoben worden sind. “(Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09 R, Rz. 26)

“Erweist sich das Konzept des kommunalen Trägers für die Bestimmung des angemessenen Quadratmeterpreises wie im vorliegenden Falle als unschlüssig, so kann dies im Endergebnis bedeuten, dass das Tatsachengericht auch den tatsächlichen Quadratmeterpreis ohne weitere Prüfung als angemessen zugrunde legen darf, wie es das LSG im vorliegenden Falle getan hat. Allerdings sind die Kosten der Unterkunft in einem solchen Fall nicht völlig unbegrenzt zu übernehmen, sondern nur bis zur Höhe der durch einen Zuschlag maßvoll erhöhten Tabellenwerte nach § 8 Wohngeldgesetz (WoGG aF). Diese Konsequenz aus der Nichterbringbarkeit eines schlüssigen Konzepts kann das Gericht allerdings erst ziehen, wenn es zuvor (erfolglos) den Versuch unternommen hat, die insoweit unzulänglichen Feststellungen der Verwaltung mit deren Unterstützung nachzubessern (vgl Urteil des erkennenden Senats vom 2. Juli 2009, B 14 AS 33/08 R). Das LSG wird dementsprechend zunächst noch weitere Ermittlungen anzustellen haben, ob und inwieweit die von den Klägern im streitgegenständlichen Zeitraum geleisteten Aufwendungen für die Unterkunft angemessen gewesen sind. Es wird nach der Logik der Verteilung der Verantwortung für die Erstellung des schlüssigen Konzepts zunächst die Ermittlungen der Beklagten aufgreifen und diese ggf um ihre konzeptionellen Schwächen bereinigen können. Es wird überdies zB – soweit vorhanden – auch auf private Mietdatenbanken zurückgreifen können, die die Voraussetzungen der §§ 558c, 558d BGB nicht erfüllen, aber dazu geeignet sind, zumindest annäherungsweise Aufschluss über die Angemessenheit zu geben (vgl BSG, Urteil vom 18. Juni 2008 – B 14/7b AS 44/06 R, FEVS 60, 145, 149, RdNr 16). Ggf kann es sich auch selbst eines Sachverständigen bedienen. Erst wenn diese Ermittlungen zu keinem weiteren Erfolg führen, kann, wovon das LSG im Grundsatz zu Recht ausgegangen ist, eine Verurteilung der Beklagten zur Tragung der tatsächlichen Aufwendungen der Kläger erfolgen.” (Urteil vom 20. August 2009, B 14 AS 65/08 R, Rz. 21)

Eine Nachbesserung, wie der 14. Senat des BSG es formuliert, ist hier nicht möglich. Die Kammer hält in dem F+B Gutachten bereits die Grundlagen der Mietdatenerhebung wie z.B. die nicht nachzuvollziehende Datenbereinigung für fehlerhaft. Für die Ausräumung der oben benannten Schwächen wäre eine Neuerhebung auf der Grundlage eines neuen Konzepts notwendig. An dieser Stelle weist die Kammer auch noch einmal darauf hin, dass im Rahmen der Mieterbefragung wegen der anonymisierten Durchführung bereits die F+B GmbH keine – offensichtlich für notwendig erachteten – Nacherhebungen und/oder Kontrollbefragungen durchführen konnte (vgl. S. 8 des Gutachtens, Punkt 2.2).”

Etwas anderes ergibt sich im vorliegenden Fall auch nicht aus dem ergänzenden Vortrag des Beklagten. Die Kammer stellt gegenüber der soeben zitierten Entscheidung klar, dass sie die vorherige Definition des Wohnungsstandards für unverzichtbar hält. Nur dann kann der Beklagte feststellen, zu welchen Anteilen Wohnungen des einfachen, mittleren und gehobenen Standards erfasst worden sind. Erst wenn eine gleichmäßige Durchmischung nachzuvollziehen ist, rechtfertigt sich die Kappungsgrenze beim 33%-Quantil. Bei der Vorgehensweise der F+B-GmbH ist nicht auszuschließen, dass überwiegend Wohnungen einfachen Standards in die Auswertung geflossen sind und damit eine Verschiebung zu Ungunsten der Hilfeempfänger vorliegt. Das Ergebnis bleibt jedenfalls in hohem Maße zufällig.”

Diesen Ausführungen der 23. Kammer schließt sich die 33. Kammer aus eigener Überzeugung und nach eigener Prüfung an.

Die Kammer ist ferner zu dem Ergebnis gekommen, dass sie den Beweisanträgen des Beklagten nicht nachgehen musste. Denn es bedurfte keiner weiteren Aufklärung entscheidungserheblicher Tatsachen mehr. Es kann dahinstehen, ob die Beweisanträge des Beklagten überhaupt darauf abzielen, dem Beweis zugängliche Tatsachen zu ermitteln oder ob es sich nicht vielmehr um durch die Kammer vorzunehmende Wertungen handelt. Den Sachverhalt hierfür liefern das schriftliche Gutachten und der ergänzende Vortrag des Beklagten; die Schlussfolgerungen zieht das Gericht. Aber auch unterstellt, die beantragten Sachverständigengutachten kämen zu dem vom Beklagten behaupteten Ergebnis, führt dies nicht zu einer anderen Beurteilung der Streitsache. Denn allein die fehlende Identifizierung der Anteile an Wohnungen einfachen, mittleren und gehobenen Standards führt zu einem zufälligen und damit nicht zur Beschränkung der Unterkunftskosten nach § 22 SGB II geeigneten Ergebnis.

Die Aufwendungen der Kläger für KdU sind daher in der aus dem Tenor ersichtlichen Höhe zu übernehmen. Das Gericht wendet die Rechtsprechung des LSG Niedersachsen-Bremen und zwischenzeitlich auch des BSG an, wonach bei Fehlen sonstiger Erkenntnismöglichkeiten ausnahmsweise für den hier streitigen Zeitraum auf die rechte Spalte der Tabelle zu § 12 Wohngeldgesetz (WoGG) zzgl. eines Sicherheitszuschlags von 10% zurückzugreifen ist. Für einen Vier-Personen-Haushalt in Göttingen (Mietstufe IV) belaufen sich danach auf dieser Grundlage die “angemessenen” Werte im streitgegenständlichen Zeitraum auf 660,00 Euro monatlich, sodass die tatsächlichen Kosten der Unterkunft der Kläger in Höhe von 617,26 EUR monatlich im streitgegenständlichen Zeitraum zu übernehmen sind. Da der Beklagte bereits 545,00 Euro gewährt hat, hat er für die streitigen 6 Monate die Differenz in Höhe von 72,26 Euro monatlich, mithin insgesamt 433,56 Euro noch zu gewähren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Berufung ist gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Die erkennende Kammer ist zu der Auffassung gelangt, dass trotz mittlerweile vorliegendem Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen zu der vorliegenden Rechtsproblematik noch eine, grundsätzliche Bedeutung gegeben ist, da noch keine höchstrichterliche Entscheidung vorliegt.

Es folgt die Rechtsmittelbelehrung.