Rechtsprechungsticker von Tacheles KW 35/2014

1.   Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 04.06.2014 zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

1.1 – BSG, Urteil vom 04.06.2014 – B 14 AS 53/13

Sozialgerichtliches Verfahren – Normenkontrollverfahren – Entscheidung über Gültigkeit von Satzungen nach § 22a SGB 2 – Unwirksamkeit der Wohnaufwendungenverordnung Berlin – WAufwV BE – Bildung einer Gesamtangemessenheitsgrenze für Unterkunfts- und Heizkosten – Unzulässigkeit der Bestimmung des Heizbedarfs anhand der rechten Spalte “zu hoch” des bundesweiten Heizspiegels

Leitsätze (Autor)
Die WAV des Landes Berlin vom 3.4.2012 ist insgesamt unwirksam. Die Verwendung der Werte des bundesweiten Heizspiegels sind nicht geeignet eine Gesamtangemessenheitsgrenze ausreichend zu begründen, weil es nur ein Grenzwert ist (BSG vom 12.5.2013 – B 14 AS 60/12 R).
 
Quelle: juris.bundessozialgericht.de

2.   Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 14.05.2014 zur Arbeitsförderung (SGB III)
 
2.1 – BSG, Urteil vom 14.05.2014 – B 11 AL 8/13 R
 
Ein dreimaliges Meldeversäumnis begründet nicht ipso jure, dass die Verfügbarkeit eines Arbeitslosen entfällt.

Leitsätze (Autor)
Auch eine mehrmalige Verletzung der allgemeinen Meldepflicht berechtigt die Bundesagentur für Arbeit nicht, ohne weitere Einzelfallprüfung die Zahlung von Arbeitslosengeld aufgrund fehlender Verfügbarkeit des Arbeitslosen aufzuheben.

Einen solchen Automatismus sieht das Gesetz nicht vor. Das Nichterscheinen eines Arbeitslosen nach erfolgter Meldeaufforderung kann jedoch als gewichtiges Indiz fehlender Verfügbarkeit sowie als Verletzung der Obliegenheiten des Arbeitslosen zur Angabe von Tatsachen und zum persönlichen Erscheinen nach den für alle Sozialleistungen geltenden Mitwirkungsvorschriften Grund für eine Leistungsversagung oder -entziehung sein. §§ 61, 66 SGB I sind insoweit neben der Meldeaufforderung nach § 309 SGB III anwendbar. Dies hat das Landessozialgericht hier ohne Verletzung der äußersten Grenzen der Beweiswürdigung jedoch verneint.

Quelle: juris.bundessozialgericht.de

3.  Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
 
3.1 – LSG NRW, Beschluss vom 08.08.2014 – L 6 AS 727/14 B

Zur Prozesskostenhilfebewilligung in einem Verfahren, in welchem es um die Aufrechnung von einem Mietkautionsdarlehen geht.

Leitsätze (Autor)
Die in § 42 a Abs. 2 SGB II zwingend vorgesehene umgehende Rückführung eines Darlehens im Wege der Aufrechnung in Höhe von 10 v. H. der Regelleistung bei einer voraussichtlichen Dauer von hier mehr als drei Jahren scheint verfassungsrechtlich nicht unbedenklich (vgl. dazu Senatsurteil vom 30.01.2014 – L 6 AS 1154/13-).

Die Leistungsbezieherin verfügt nur über Mittel in Höhe des Regelbedarfs, welcher das soziokulturelle Existenzminimum abdecken soll. Das sind Mittel/Ansprüche, die auf der Grundlage der verfassungsrechtlichen Existenzsicherungspflicht des Staates darauf zielen, ein menschenwürdiges Leben sicherzustellen (vgl. Bundesverfassungsgericht –
BverfG- Beschluss vorn 12.05.2005-1 BvR 596/05 ; s. auch LSG Sachsen- Anhalt Beschluss vom 01.11.2013-L 2 AS 841/13 B ER). Jede Minderung dieser Mittel stellt bereits grundsätzlich einen erheblichen Eingriff dar (vgl. auch Beschluss des Senats vom 31.03.2011-L 6 B 86/09 AS). Dies gilt auch bei monatlicher zehnprozentiger Aufrechnung gem. § 42a SGB II.
 
Quelle: www.lokalkompass.de
 
Anmerkung 1 :
Vgl. LSG BB, Beschluss vom 18.11.2013 – L 10 AS 1793/13 B PKH – Gewährung von Prozesskostenhilfe, denn es scheint verfassungsrechtlich bedenklich, wenn die Tilgung der Mietkaution mehr als zwei Jahre andauern wird, so das von einem atypischen Fall auszugehen sein könnte. Denn dabei unterläuft die laufende Minderung der Leistung zur Deckung des Regelbedarfs wegen solcher Aufwendungen die vom BVerfG geforderte Möglichkeit, Ansparungen bezogen auf die Regelbedarfe vorzunehmen und so einen Ausgleich zu erreichen.

Anmerkung 2 :
Vgl. LSG NRW, Beschluss vom 27.03.2014 – L 19 AS 332/14 B – Gewährung von PKH, den gegen die Regelung des § 42a Abs. 2 SGB II erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. LSG Berlin-Brandenburg Beschluss vom 18.11.2013 – L 10 AS 1793/13 B; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 07.02.2013 – L 7 AS 448/13 B m.w.N.) wird entgegengehalten, dass in atypischen Fällen eine Mietkaution als Zuschuss zu gewähren ist (LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 03.02.2014 – L 2 AS 2280/13 B bzw. ein Erlass der Rückzahlungsverpflichtung nach § 44 SGB II in Betracht kommt. Bei der Prüfung, ob ein atypischer Fall vorliegt, werden im Hinblick auf die seit dem 01.04.2011 geltenden gesetzlichen Rückzahlungsbedingungen seit diesem Zeitpunkt andere Gesichtspunkte eine Rolle spielen, als zuvor.

3.2 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.07.2014 – L 19 AS 423/14 NZB – rechtskräftig

Leitsätze (Autor)
Die grundsätzliche Frage, inwieweit Tilgungsleistungen auf Verbindlichkeiten zum Erwerb eines Eigenheims als Bedarf zu berücksichtigen sind, ist in der Rechtsprechung des BSG geklärt. Nach der gefestigten Rechtsprechung des BSG (Urteile vom 7.11.2006 – B 7b AS 2/05 R -, 18.02.2010 – B 14 AS 74/08 R, 07.07.2011 – B 14 AS 79/10 R, 23.08.2011 – B 14 AS 91/10 R, 16.02.2012 – B 4 AS 14/11 R und 22.08.2012 – B 14 AS 1/12 R) sind Tilgungsleistungen nur in dem besonderen Ausnahmefall zu übernehmen, wenn es um den Erhaltung von Wohneigentum geht, dessen Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs von Grundsicherungsleistungen bereits weitgehend abgeschlossen ist.

Zur Rechtsfrage, ob und unter welchen Bedingungen Tilgungsleistungen, die der ursprüngliche Eigentümer nach unentgeltlicher Übertragung des Eigentums und Einräumung eines Nießbrauchrechts aufgrund des Übertragungsvertrages weiter zu tragen hat, betrifft einen Einzelfall und eine Fallkonstellation, die nicht für eine erhebliche Zahl von Fällen entscheidungserheblich ist. Auch eine Fortwirkung aus anderen Gründen ist nicht ersichtlich. Abgesehen davon lässt sie sich mit der bereits vorliegenden Rechtsprechung des BSG beantworten. Die Rechtsprechung des BSG ist zu der Übernahme von Tilgungsleistungen auch auf den hiesigen Fall anwendbar.
 
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
 

3.3 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 14.08.2014 – L 2 AS 1229/14 B ER – rechtskräftig

Die vorläufige Gewährung des auf die Antragstellerin entfallenden Anteils von Leistungen für Unterkunft und Heizung setzt eine konkret drohende Wohnungslosigkeit, die regelmäßig erst ab Zustellung der Räumungsklage anzunehmen ist, voraus (vgl. Beschluss des erkennenden Senats vom 08.07.2013 – L 2 AS 1116/13 B ER).

Leitsätze (Autor)
Ob die Antragstellerin zur Finanzierung ihres Anteil auf Kosten der Unterkunft einen Anspruch auf Wohngeld hat, ist vor diesem Hintergrund unerheblich, da jedenfalls der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsgrund nicht vorliegt.

Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Beschluss des LSG NRW vom 17.04.2014 – L 19 AS 485/14 B ER. In diesem Beschluss hat der 19.Senat ausdrücklich festgestellt, dass lediglich bei einer von § 44a SGB II erfassten Kompetenzstreitigkeit geringere Anforderungen an den Anordnungsgrund für die vorläufige Gewährung von Kosten der Unterkunft zu stellen sind, weil in diesem Fall nicht in Frage steht, ob überhaupt ein Leistungsanspruch besteht. Die Ablehnung des nach § 12a Satz 1 SGB II vorrangig in Anspruch zu nehmenden Wohngeldes ist damit nicht vergleichbar, weil aus ihr nicht automatisch ein Anspruch auf SGB II-Leistungen folgt.
 
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
 
 
3.4 – Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen 15. Senat, Beschluss vom 24.07.2014 – L 15 AS 202/14 B ER
 
Sozialgerichtliches Verfahren – einstweiliger Rechtsschutz – Grundsicherung für Arbeitsuchende – Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche – Anwendbarkeit auf Unionsbürger – Arbeitnehmereigenschaft ?- Glaubhaftmachung der tatsächlichen Ausübung einer Tätigkeit ? – untergeordnete und unwesentliche Tätigkeit ?- Europäische Sozialcharta
 
Leitsätze (Juris)
Der Senat hält an seiner Auffassung fest (vgl bereits Beschluss vom 15.11.2013 – L 15 AS 365/13 B ER = ZFSH/SGB 2014, 177), dass § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 2 Leistungen nach dem SGB 2 stets dann ausschließt, wenn kein anderweitiger Aufenthaltszweck als derjenige der Arbeitsuche ein Aufenthaltsrecht begründen kann, so dass auch solche Ausländer von Leistungen nach dem SGB 2 ausgeschlossen sind, die kein materielles Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet haben, weil sie wirtschaftlich inaktiv sind, ohne über ausreichenden Krankenversicherungsschutz und ausreichende Existenzmittel zu verfügen oder ein Daueraufenthaltsrecht zu haben (§ 2 Abs 2 Nrn 5 und 7 iVm § 4 S 1 und § 4a FreizügG/EU).

Ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II folgt nicht aus Art 13 der Europäischen Sozialcharta (ESC). Die Rechte aus der ESC sind lediglich als Programmbestimmungen ausgestaltet und begründen keine individuellen Rechte. Die unmittelbare Anwendbarkeit einer völkerrechtlichen Norm im innerstaatlichen Recht führt nicht ohne weiteres dazu, dass diese Norm auch ein subjektives Recht begründet. Wegen der eindeutigen anderslautenden Regelung in § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB II kann die ESC auch nicht im Wege der Auslegung oder Ausfüllung von Regelungslücken zur Begründung eines SGB II Anspruches für Ausländer, die nur über einen Aufenthaltszweck zur Arbeitsuche verfügen, herangezogen werden.

Es gibt keine starre Grenze in Bezug auf Einkommen oder Arbeitszeit oberhalb derer die Arbeitnehmereigenschaft (§ 2 Abs 2 Nr 1 FreizügG/EU) bejaht werden muss. Im konkreten Fall stellt eine Tätigkeit als Reinigungskraft bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 2,95 Stunden an einem Tag in der Woche und einem Verdienst zwischen 110,88 EUR und 114,79 EUR monatlich eine völlig untergeordnete und unwesentliche Tätigkeit dar und begründet keine Arbeitnehmereigenschaft.
 
Quelle: www.rechtsprechung.niedersachsen.de
 
 
3.5 – Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 13.08.2014 – L 7 AS 1569/13 NZB

Zur Frage, ob § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II in der seit 01.04.2011 geltenden Fassung, mit der die “Verfallsfrist” für rückwirkend zu gewährende Sozialleistungen nach § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X von vier Jahren für Leistungen nach dem SGB II auf ein Jahr verkürzt wurde, verfassungswidrig ist.

Leitsätze (Autor)
Die Neuregelung des § 40 Abs. 1 Satz 2 SGB II, mit der der Überprüfungszeitraum für Leistungen nach dem SGB II auf ein Jahr verkürzt worden ist verfassungsgemäß.
 
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

Anmerkung:
Gleicher Auffassung BSG, Urteil vom 13.02.2014 – B 4 AS 19/13 R; das ein Landessozialgericht  insoweit Bedenken geäußert hätte, ist nicht ersichtlich (vgl. BayLSG, Urteil vom 19.03.2014 – L 16 AS 289/13; LSG Bad.-Württemberg, Beschluss vom 24.10.2013 – L 13 AS 4917/12 B; LSG NRW, Urteil vom 19.09.2013 – L 7 AS 1050/13; zum SGB XII  § 116a SGB XII – BSG, Urteil vom 26.06.2013 – B 7 AY 6/12 R).
 
 
 
4.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
 
4.1 – Sozialgericht Berlin, Urteil vom 09.07.2014 – S 205 AS 30970/13 – Berufung anhängig beim LSG Berlin-Brandenburg unter dem Aktenzeichen L 26 AS 1921/14
 
Leitsätze (Autor)
Das Jobcenter darf eine Minderung des Arbeitslosengeldes II auch auf den Verstoß gegen eine durch einen Eingliederungsverwaltungsakt festgelegte Pflicht verfügen. Dies ist seit dem 1. April 2011 im Gesetz ausdrücklich klargestellt worden.

Die Minderung des Arbeitslosengeldes II nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II setzt allein eine Pflicht aufgrund eines wirksamen, dh bekannt gegebenen und nicht nichtigen Eingliederungsverwaltungsaktes voraus. Die Rechtswidrigkeit des Eingliederungsverwaltungsaktes ist nicht inzident im Rahmen der Sanktion zu überprüfen.

Ein Widerspruch gegen einen Minderungsbescheid beinhaltet nicht stets einen Antrag auf Überprüfung des zugrunde liegenden Eingliederungsverwaltungsakts (so aber Berlit, in: LPK-SGB II, 5. Aufl., § 31 Rn. 19). Grundsätzlich kann ein solcher konkludenter Überprüfungsantrag allenfalls dann angenommen werden, wenn der Widerspruchsführer im Rahmen der Widerspruchsbegründung erkennen lässt, dass er den Eingliederungsverwaltungsakt für rechtswidrig hält (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 23.03.2012 – L 12 AS 3569/11).

Die Regelungen über die Absenkung des Arbeitslosengeldes II bei Pflichtverletzungen sind nicht verfassungswidrig (so aber Neskovic/Erdem, SGb 2012, 134ff.). Die Annahme, eine Absenkung von Leistungen stelle stets einen verfassungswidrigen Eingriff in das Existenzminimum dar, geht von dem irrigen Ansatz aus, die Regelleistung sei bereits das zum Lebensunterhalt Unerlässliche (LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 18.12.2013 – L 13 AS 161/12) Jedenfalls eine Absenkung von 30 Prozent des Regelbedarfs begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, da das physische Existenzminimum nicht betroffen ist, sich eine solche Absenkung daher nur auf die Möglichkeiten zur Teilhabe am gesellschaftlichen Leben auswirkt, bei deren Ausgestaltung der Gesetzgeber ei-nen weiten Gestaltungsspielraum hat (vgl. BVerfG; Urt. v. 09.02.2010 – 1 BvL 1/09, 1 BvL 3/09, 1 BvL 4/09) und etwa die defizitären Bemühungen des Leistungsberechtigten, seinen Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln finanzieren zu können, durchaus berücksichtigen darf.
 
Quelle:  sozialgerichtsbarkeit.de
 
Anmerkung:
Anderer Auffassung LSG NRW, Beschluss vom 17.10.2013 – L 7 AS 836/13 B -, offen gelassen Hessisches LSG, Beschluss vom 03.12.2013 – L 9 AS 614/13 B ER – : Die Bestandskraft eines Verwaltungsaktes nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II hindert nicht die materielle Überprüfung der Sanktionswürdigkeit des Verhaltens. In dem Widerspruch gegen den Sanktionsbescheid ist regelmäßig auch ein Überprüfungsantrag gemäß § 44 SGB X zu sehen.

4.2 – SG Osnabrück, Urteil vom 09.07.2014 – S 33 AS 133/13

Leitsätze (Autor)
Nachzahlungen auf Sozialleistungen (hier: Kindergeld) sind nach § 11 Abs. 3 SGB II, ggf. in Verbindung mit § 11 Abs. 2 S. 3 SGB II, auf sechs Monate zu verteilen (a.A. BSG, Urteil vom 16. Mai 2012, Az.: B 4 AS 154/11 R; Urteil vom 7. Mai 2009, Az.: B 14 AS 13/08 R).
 
Quelle: www.rechtsprechung.niedersachsen.de
 
Anmerkung:
Anderer Auffassung Vgl. LSG NRW, Beschluss vom 28.05.2014 – L 19 AS 1860/13 B – nachgezahltes Kindergeld ist eine einmalige Einnahme.
 
 
4.3 – SG Osnabrück, Urteil vom 09.07.2014 – S 33 AS 199/13

Nachentrichtungen nach Berechnungsfehlern nach § 18 GasGVV stellen keine Unterkunftskosten im Sinne von § 22 Abs. 1 SGB II dar, sondern sind als Schulden nach § 22 Abs. 8 SGB II oder § 36 SGB XII übernahmefähig.

Leitsätze (Autor)
Nicht zu den Bedarfen für Unterkunft und Heizung gehören Schadensersatzansprüche wegen Fehlgebrauchs der Sache sowie Verzugszinsen (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13. Dezember 201, L 5 AS 21/09; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22. Mai 2012, Az.: L 13 AS 3213/11). Diesen Ansprüchen ist gemeinsam, dass sie keine Gegenleistung für laufende Unterkunft darstellen, sondern der Korrektur vertragswidriger Zustände dienen und einen rechtmäßigen Zustand wiederherstellen sollen.
 
Quelle: www.rechtsprechung.niedersachsen.de
 
 
 
5.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB X II)
 
5.1 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24.06.2014 – L 20 SO 388/13

Sozialhilfeträger hat der Antragstellerin eine Beihilfe zur Beschaffung eines behindertengerechten Kraftfahrzeuges oder eines behindertengerecht umbaufähigen Kraftfahrzeuges in Höhe bis zu 9.000,00 EUR zu bewilligen.

Leitsätze (Autor)
Die Voraussetzungen für Eingliederungshilfe nach den §§ 53, 54, Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 SGB IX und § 8 EinglHV lägen vor. Eine Nutzungsintensität vergleichbar mit dem Gebrauch eines KFZ für die Teilhabe am Arbeitsleben ist nach neuerer Rechtsprechung des BSG nicht erforderlich (Urteil vom 02.02.2012 – B 8 SO 9/10 R).

Ein Umbau eines in der “Pflegefamilie” der Antragstellerin bereits vorhandenen Fahrzeugs kommt nicht als Alternative zur Anschaffung eines eigenen PKW in Betracht (vgl. zu diesem Gesichtspunkt BSG, Urteil vom 12.12.2013 – B 8 SO 18/12 R).

Einem Leistungsanspruch der Antragst. steht § 8 Abs. 3 EinglHV nicht entgegen. Danach ist die Hilfe nach Abs. 1 der Vorschrift in der Regel davon abhängig ist, dass der behinderte Mensch das Fahrzeug selbst bedienen kann. Sind Ausnahmen vom Regelfall möglich, so kommt die Bewilligung von KFZ-Hilfe etwa in Betracht, wenn behinderte Kinder mangels anderer Transportmöglichkeiten regelmäßig von den Eltern zur Schule oder zu einer Tagungsbildungsstätte gefahren werden müssen, oder wenn sichergestellt ist, dass der behinderte Mensch von einer dazu fähigen und berechtigten anderen Person zu den seiner Eingliederung dienenden Maßnahmen mit dem KFZ gefahren wird und dadurch keine Mehrkosten entstehen, die der behinderte Mensch nicht selbst tragen kann. Im Falle der Antragstellerin erscheint ein kostenneutraler Transport durch die Betreuerin oder andere ihr nahestehende Personen gesichert; im Übrigen ist ihre Situation auch vergleichbar mit derjenigen minderjähriger Kinder.
 
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
 
 
 
6.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB X II)
 
6.1 – SG Osnabrück, Urteil vom 02.07.2014 – S 4 SO 222/11

Die Pflicht zur Tragung der Bestattungskosten kann sich aus Vertrag, aus Familienrecht, aus Erbrecht oder aus Unterhaltsrecht ergeben. Daneben kommt auch eine öffentlich-rechtliche Bestattungspflicht aus dem jeweiligen Bestattungsgesetz des zuständigen Bundeslandes in Betracht (vgl. BSG, Urt. v. 29.09.2009 – B 8 SO 23/08 R -). Nicht ausreichend ist demgegenüber die sittliche bzw. moralische Verpflichtung (vgl. Urt. des SG Oldenburg v. 02.12.2011 – S 21 SO 231/09 -).

Leitsätze (Autor)
Nicht ausreichend ist demgegenüber die sittliche bzw. moralische Verpflichtung, wie sie der Antragsteller im vorliegenden Fall für sich angenommen hat. Der Antragst. ist nicht Bestattungsverpflichteter im Sinne des § 74 SGB XII.
 
Quelle: www.rechtsprechung.niedersachsen.de
 
 
 
7.   Das Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X – Wichtiger Garant der Forderung, die sozialen Rechte möglichst weitgehend zu verwirklichen (§ 2 Abs. 2 SGB I)

ein Aufsatz von Udo Geiger, abgedruckt in Heft 04/2014 der info also: www.info-also.nomos.de (pdf)
 
 
 
8.   Anmerkung zu: OLG Hamm 7. Senat, Beschluss vom 17.12.2013 – 7 UF 165/13, Autor: Heinrich Schürmann, Vors. RiOLG
 
Elternunterhalt bei Überschreiten der Einkommensgrenze für Grundsicherung im Alter

Orientierungssätze
Entgegen der engen Wortlautauslegung der Vorschrift des § 43 Abs. 3 Satz 1 und Satz 6 SGB XII gilt die Einkommensgrenze von 100.000 Euro für jeden einzelnen Unterhaltsschuldner.
Würde ein auf Elternunterhalt in Anspruch Genommener nur deshalb unterhaltspflichtig, weil er einen Bruder hat, dessen Einkünfte oberhalb der Einkommensgrenze liegen, führte dies zu einer nicht gerechtfertigten Ungleichbehandlung mit einem Einzelkind, das, lebte es in identischen wirtschaftlichen und persönlichen Verhältnissen wie der in Anspruch Genommene, keine Unterhaltspflichten träfe, da der bedürftige Elternteil einen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung hätte.
Durch § 43 Abs. 3 SGB XII sollte einer der Hauptgründe für die verschämte Altersarmut, nämlich die Furcht des Bedürftigen vor dem Unterhaltsrückgriff auf die Kinder, beseitigt werden. Da es jedoch eine Privilegierung gut verdienender Unterhaltsschuldner zu Lasten der Allgemeinheit nicht geben sollte, wurde die Einkommensgrenze von 100.000 Euro eingeführt. Wäre der Berechtigte gezwungen, neben dem wohlhabenden Kind auch deutlich geringer verdienende Kinder in Anspruch zu nehmen, würde der angestrebte Gesetzeszweck nicht erreicht.
 
Quelle Juris: www.juris.de
 

 
9.   Anmerkung zu: BSG 14. Senat, Urteil vom 20.02.2014 – B 14 AS 53/12 R, Autor: Prof. Dr. Uwe Berlit, Vors. RiBVerwG
 
Keine Einkommensabsetzung bei Zahlungen auf rückständigen Unterhalt

Leitsatz
Eine Zahlung auf Rückstände von titulierten Unterhaltsforderungen aus der Vergangenheit ist nicht als Absetzbetrag vom Einkommen nach dem SGB II zu berücksichtigen.
 
Quelle Juris: www.juris.de

Autor des Rechtsprechungstickers: Willi 2 von Tacheles – alias Detlef Brock

Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de