Sozialgericht Kassel – Beschluss vom 05.09.2014 – Az.: S 11 AY 7/14

BESCHLUSS

In den Rechtsstreit
xxx,
Kläger,
Prozessbevollm.: Rechtsanwalt Sven Adam,
Lange Geismarstraße 55, 37073 Göttingen,

gegen

1. xxx,
2. xxx,
Beklagter,

hat die 11. Kammer des Sozialgerichts Kassel am 5. September 2014 durch die Vorsitzende, Richterin am Sozialgericht xxx, beschlossen:

Der Beklagte zu 1) hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

GRÜNDE
I.
Nach Erledigung der Untätigkeitsklage ist streitig, wer die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen hat.

Gegen die Höhe der Leistungsgewährung nach dem AsylbLG im Zeitraum von August 2013 bis September 2013 legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers beim Beklagten zu 1) mit Schreiben vom 26.08.2013 Widerspruch ein. Nachdem der Beklagte zu 1) über diesen Widerspruch nicht entschieden hatte, ging am 30.01.2014 beim Sozialgericht Kassel eine Klage gegen die Ausgangsbehörde (xxx, Beklagte zu 1) und die Widerspruchsbehörde (xxx, Beklagte zu 2) ein. Der Beklagte zu 1) hat das Widerspruchverfahren am 06.02.2014 an den Beklagten zu 2) abgegeben. Nach dessen Angaben ging bei diesem der Vorlagebericht erst am 12.02.2014 ein. Über den Widerspruch entschied der Beklagte zu 2) am 18.07.2014. Nach Verfahrensabschluss erklärte sich der Beklagte zu 1) bereit, die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers zu übernehmen. Der Beklagte zu 2) war unter Hinweis auf den erst nach Klageerhebung eingetretenen Devolutiveffekt zu keinerlei Kostenübernahme bereit und sah zudem für seine erst am 18.04.2014 ergangene Widerspruchsentscheidung einen zureichenden Grund im Hinblick auf zahlreiche vom Prozessbevollmächtigten des Klägers für weitere Leistungsempfänger eingelegten Widersprüche und erhobenen Untätigkeitsklagen. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers sieht eine Kostentragungspflicht der Beklagten jeweils zur Hälfte.

II.
Der zulässige Kostenantrag ist begründet. Die Kostentragungspflicht liegt allerdings allein beim Beklagten zu 1). Nach § 193 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das Gericht durch Urteil darüber zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Das Gericht hat auf Antrag im Beschlusswege zu entscheiden, wenn das Verfahren anders (wie vorliegend durch Erledigungserklärung der Untätigkeitsklage nach Erlass des Widerspruchbescheides) beendet wird (§ 193 Abs. S. 3 SGG). Im SGG findet sich keine ausdrückliche Bestimmung, unter welchen Voraussetzungen Kosten zu erstatten sind. Daher sind die Rechtsgedanken der §§ 91 ff. Zivilprozessordnung (ZPO) zu berücksichtigen (vgl. Meyer-Ladewig u.a., SGG mit Erläuterungen, 10. Auflage, § 193, Randnummer 13 ff.). Bei Erledigung des Rechtsstreits durch Erledigungserklärung hat das Gericht den Rechtsgedanken des § 91 a ZPO zu Grunde zu legen, wonach unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen über die Kostenfrage zu entscheiden ist.

Vorliegend ist es ermessensgerecht, dem Beklagten zu 1) die Kosten für die erhobene Untätigkeitsklage nach § 88 Abs. 2 SGG aufzuerlegen. Denn der Beklagte zu 1) hat über den am 26.08.2013 eingelegten Widerspruch des Klägers nicht innerhalb der hierfür vor-geschriebenen Drei-Monats-Frist des § 88 Abs. 2 SGG entschieden. So richtet sich die Klage zutreffend gegen den Beklagten zu 1) als Ausgangsbehörde und den Beklagten zu 2) als zuständige Widerspruchsbehörde. Nur bei Nichtabhilfe des Widerspruchs durch die Ausgangsbehörde ist aber eine Vorlage des Widerspruchs an die Widerspruchsbehörde, hier den Beklagten zu 2), erforderlich. Der entsprechende Devolutiveffekt gemäß § 85 Abs. 2 S. 1 SGG war bei Klageerhebung am 30.01.2014 noch nicht eingetreten. Die Drei-Monats-Frist war allerdings bei Abgabe des Widerspruchsverfahrens durch den Beklagten zu 1) an den Beklagten zu 2) am 06.02.2014 vollumfänglich abgelaufen. Darauf, in welchem zeitlichen Rahmen anschließend die Widerspruchsbehörde entscheidet, kommt es im Hinblick auf die Kostentragungspflicht dann nicht mehr an. Allein maßgeblich ist, dass der Beklagte zu 1) innerhalb der Drei-Monats-Frist weder dem Widerspruch abgeholfen noch über die Nichtabhilfe entschieden und die Akten der zuständigen Widerspruchsbehörde (dem Beklagten zu 2) vorgelegt hat. Zum Zeitpunkt der Erhebung der Untätigkeitsklage konnte daher der Beklagte zu 2) den Widerspruchsbescheid sowohl aus tatsächlichen – er hatte noch keine Kenntnis vom Widerspruchsverfahren – als auch aus rechtlichen Gründen nicht erlassen. Im vorliegenden Verfahren kann daher eine billige Ermessensentscheidung § 193 Abs. 1 S. 3 SGG nur so getroffen werden, dass der Beklagte zu 1) die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Verfahren vor dem Sozial-gericht zu erstatten hat. Denn er hat ohne ersichtlichen Grund den Widerspruch des Klägers nicht bearbeitet, aber auch nicht der Widerspruchsbehörde vorgelegt. Unerheblich in dieser Fallkonstellation ist, dass der Beklagte zu 1) als Ausgangbehörde nach Erhebung der Untätigkeitsklage die Akten zur Entscheidung über den Widerspruch an den Beklagten zu 2) als zuständige Widerspruchsbehörde abgegeben und der Beklagte zu 2) erst nach weiteren vier Monaten nach Klageerhebung, nämlich erst am 18.07.2014 eine Widerspruchsentscheidung getroffen hat.

Der Beschluss ist gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 3 SGG unanfechtbar.