Rechtsprechungsticker von Tacheles KW 41/2014

1.  Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

1.1 – Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 02.07.2014 – L 3 AS 315/14 B ER

Zur Zulässigkeit von Hausbesuchen bei SGB II-Leistungsempfängern

Leitsätze (Juris)
1. Bestehen begründete Zweifel an der tatsächlichen Nutzung einer Wohnung durch einen Leistungsempfänger nach dem SGB II, ist das Jobcenter zur Überprüfung der Voraussetzungen eines Anspruchs auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung berechtigt, die tatsächliche Nutzung durch Inaugenscheinnahme der Wohnung nach § 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X (Hausbesuch) zu überprüfen.

2. Die Duldung der Inaugenscheinnahme der Wohnung nach § 21 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X kann nicht mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden. Verweigert ein Leistungsempfänger die Duldung der Inaugenscheinnahme, trägt er, soweit die tatsächliche Nutzung nicht durch andere Beweismittel im Wege der Amtsermittlung festgestellt werden kann, die objektive Beweislast für die tatsächliche Nutzung der Wohnung als Anspruchsvoraussetzung der Bedarfe für Unterkunft und Heizung nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II.

3. Sind in einem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes die Erfolgsaussichten in der Hauptsache offen, findet eine umfassende Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls statt. Zur berücksichtigen ist hierbei auch die Mitverantwortung des Antragstellers für eine entstandene für ihn nachteilige Situation. Dies gilt bei Streitigkeiten über einen Anspruch auf Bedarfe für Unterkunft und Heizung auch für die Verweigerung der Duldung einer Inaugenscheinnahme der Wohnung, wenn begründete Zweifel an der tatsächlichen Nutzung bestehen.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

Anmerkung:
Darf das Jobcenter Leistungsbeziehende zu Hause kontrollieren? – ein Beitrag von Dr. Manfred Hammel, original erschienen in: ZfF 2012 Heft 3, 57 – 60, Kurznachricht abgedruckt hier: www.verwaltungspraxis.jurion.de

1.2 – Landessozialgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 25.03.2014 – L 3 AS 343/10 ZVW

Konkrete Unterkunftsalternative nach § 22 SGB II

Leitsätze (Juris)
Bei der im Rahmen von § 22 SGB II vorzunehmenden Prüfung, ob eine konkrete Unterkunftsalternative für eine abstrakt angemessene Wohnung bestanden hat, ist mit Blick auf Art. 6 Grundgesetz auf die konkreten Verhältnisse der zusammenlebenden Familie abzustellen, auch wenn nicht alle Mitglieder zur Bedarfsgemeinschaft im Sinne des SGB II gehören.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

Anmerkung: S. a. :
Urteile des LSG zu den Kosten der Unterkunft nach dem SGB II in Zweibrücken, ein Beitrag von Küttner Rechtsanwälte: www.kanzlei-kuettner.de

1.3 – Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 23.07.2014 – L 16 AS 457/14 B ER

Leistungen für Auszubildende nach § 27 Abs. 4 Satz 1 SGB II zur Deckung ihres Regelbedarfs als Darlehen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.

Leitsätze (Autor)
1. Auszubildende Mediengestalterin, welche von der Bundesagentur für Arbeit Ausbildungsgeld gemäß § 122 SGB III bezieht und gemäß § 7 Abs. 5 von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen ist, hat Anspruch auf darlehensweise Leistungen nach § 27 Abs. 4 S. 1 SGB II wegen einer Kumulation besonderer Umstände wie etwa kein Kindergeld, keine Unterstützung der Eltern und aufgrund ihrer gesundheitlichen Situation keiner Beschäftigung nachgehen kann, auch wenn keine der vom BSG diskutierten Fallgruppen nicht eindeutig vorliegt (vgl. die Urteile vom 06.07.2009, B 14/7b AS 36/06 R und B 14/7b AS 28/06 R).

2. Liegt ein Fall der besonderen Härte vor, ist für die Frage des “Ob” der Leistungsgewährung im Regelfall von einer Ermessenreduktion auf null auszugehen (BSG, Urteil vom 06.09.2007). Im Ermessen der Verwaltung stehen allerdings Art und Umfang der Leistungsgewährung.
 
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

1.4 – Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 28.08.2014 – L 11 AS 556/14 NZB

Anfechtungsklage gegen einen Minderungsbescheid

Leitsatz (Juris)
Reine Anfechtungsklage gegen einen Minderungsbescheid beinhaltet nicht zugleich eine allgemeine Leistungsklage aufgrund eines vorangegangenen, nicht gesondert aufgrund der Sanktion aufgehobenen Bewilligungsbescheides.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

1.5 – Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 09.09.2014 – L 4 AS 373/14 B ER – rechtskräftig

Einstweiliger Rechtsschutz auf Erteilung einer Zusicherung nach § 22 Abs 4 SGB II

Für die generelle Erforderlichkeit eines Umzuges des Antragstellers aus seinem ehemaligen ca. 10 qm großen Kinderzimmer in eine Wohnung spricht dabei sein Alter von über 25 Jahren und seine Lebenssituation, alle vierzehn Tage seine minderjährige Tochter am Wochenende zu beaufsichtigen und zu beherbergen (vgl. zur Auslegung des § 22 Abs. 5 SGB II: Beschluss des Senats vom 19. Mai 2014 – L 4 AS 169/14 B ER).

Leitsätze (Autor)
1. Für die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes im Sinne einer Eilreglung zur Abwendung wesentlicher Nachteile gelten im Fall der begehrten Zusicherung zu einem Umzug besonders strenge Maßstäbe, die hier nicht erfüllt sind (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26. April 2013, L 5 AS 427/13 B ER). Denn die begehrte (grundsätzlich) “vorläufige Zusicherung” ist für einen Leistungsberechtigten nur dann von Nutzen, wenn sie für die Beteiligten auf Dauer Bindungswirkung entfaltet. Dies ist jedoch nur dann der Fall, wenn sie nicht nur vorläufig, sondern endgültig erteilt wird (vgl. LSG Berlin Brandenburg, Beschluss vom 6. November 2012, Az.: L 25 AS 2712/12 B PKH).
 
2. Der sofortige Bezug der Dachgeschoßwohnung ist nicht eilbedürftig. Der Sachvortrag des Antragstellers zum angeblich angespannten Verhältnis zu seinen Eltern und der behauptete, ausgeübte Druck auf ihn, endlich auszuziehen, überzeugt bei der im Eilverfahren gebotenen summarischen Prüfung nicht. Sofern die Eltern eine anderweitige Vermietung der Dachgeschosswohnung beabsichtigen, führt dies nicht zu einer Eilbedürftigkeit der Angelegenheit, weil der Antragsteller in einem solchen Fall eine andere angemessene Wohnung anmieten könnte.
 
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

Anmerkung:
LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 19.05.2014 – L 4 AS 169/14 B ER

Leitsatz (NWB- Datenbank)
Es kann offenbleiben, ob die Altersgrenze des § 22 Abs 5 SGB II nur so auszulegen ist, dass unter 25-Jährige besondere Gründe für den Auszug aus dem elterlichen Haushalt benötigen, oder ob damit zugleich klargestellt ist, dass ab Erreichen dieser Altersgrenze keine zusätzlichen Gründe für einen Auszug aus der elterlichen Wohnung mehr vorliegen müssen (so LSG Mecklenburg-Vorpommern, B v 22. Juli 2008, L 10 B 203/08, juris). Der Umzug in eine angemessene Wohnung ist jedenfalls dann erforderlich, wenn der 28-Jährige zuvor im elterlichen Wohnhaus nur ein 9 m² großen Zimmer mit Schrägen zur Verfügung stand, und die beengten Wohnverhältnisse zu familiären Spannungen geführt hatten.

1.6 – Sächsisches Landessozialgericht, Beschluss vom 23.09.2014 – L 7 AS 986/14 B ER

Jordanischer Staatsangehöriger hat Anspruch auf vorläufige Leistungsgewährung mach dem SGB 2, da er Familienangehöriger einer deutschen Staatsangehörigen ist.

Leitsätze (Autor)
1. Die hier entscheidungserhebliche Frage, ob Personen, welche nicht die deutsche Staatsangehörigkeit, sondern die eines Drittstaats besitzen und zu einem deutschen Familienangehörigen – hier: einem Ehegatten – nachziehen, vom Leistungsausschluss erfasst werden, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet (gegen Anwendung des § 7 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II zB LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 7.12.2009 – L 19 B 363/09 AS; LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 15.3.2012 – L 6 AS 748/10; Bayerisches LSG Urteil vom 27.6.2012 – L 16 AS 449/11; Hessisches LSG Beschluss vom 19.9.2012 – L 7 AS 30/12 B ER; für Anwendung des Leistungsausschlusstatbestandes hingegen LSG Baden-Württemberg Beschluss vom 27.4.2011 – L 3 AS 1411/11 ER-B; SG Duisburg Beschluss vom 19.11.2009 – S 31 AS 414/09 ER).

2. Die Nichtanwendbarkeit des Leistungsausschlusses gemäß § 7 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II folgt unmittelbar aus der Auslegung innerstaatlichen Rechts.

3. Von § 1 Asylbewerberleistungsgesetz dürfen nicht Personen erfasst werden, die zwar alle Voraussetzungen eines Asylbewerbers aufweisen, jedoch einen Unionsbürger geheiratet haben, denn ihnen steht ein Aufenthaltsrecht in der Europäischen Union als Familienangehörige zu (EuGH, Beschluss vom 19.12.2008 – C-551/07).

4. Es ist überwiegend wahrscheinlich, dass dem Antragsteller eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 28 AufenthG zusteht. Denn dem Antragsteller steht aufgrund der Familienzusammenführung mit der deutschen Ehefrau gemäß Art. 6 Abs. 1 und 2 GG sowie Art. 3 Abs. 1, 6 Abs. 2 und 7 Abs. 1 d) und Abs. 2 der Richtlinie 2004/38/EG ein Anspruch auf Aufenthalt in Deutschland grundsätzlich zu (EuGH, Beschluss vom 19.12.2008 – C-551/07; a.A. SG Nürnberg, Urteil vom 26.08.2009 – S 20 AS 906/28).

5. Die Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug berechtigt gemäß § 28 Abs. 5 AufenthG zur Ausübung einer Erwerbstätigkeit.

6. Der Antragsteller lebt mit seiner Ehefrau und deren Kindern in einer Bedarfsgemeinschaft. Falls er nicht als erwerbsfähig anzusehen wäre, stünde ihm folglich ein eigener Anspruch auf Sozialgeld gemäß § 7 Abs. 2 Satz 1 SGB II zu (vgl. LSG Hamburg, Urteil vom 13.01.2012 – L 4 AS 236/11; Hessisches LSG, Beschluss vom 06.09.2011 – L 7 AS 334/11 B ER; SG Berlin, Urteil vom 15.08.2012 – S 55 AS 7242/1).
 
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

2.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

2.1 – SG Berlin, Beschluss vom 11.09.2014 – S 147 AS 20920/14

Keine Einstellung der Leistung beim Wechsel der örtlichen Zuständigkeit.

§ 2 Abs. 3 Satz 1 SGB X enthält eine eigenständige materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage, in dem die Vorschrift einen Leistungsanspruch des Leistungsempfängers gegenüber dem bisherigen, nunmehr unzuständig gewordenen Leistungsträger begründet (von Wulffen/Schütze, SGB X, Kommentar zum SGB X, 8. Auflage 2014, § 2 Rdn. 15). Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, eine typischerweise bei einem Zuständigkeitswechsel eintretende Unterbrechung der Leistung an den Leistungsempfänger zu verhindern und einen nahtlosen Übergang der Leistungsgewährung zu erreichen (vgl. Gesetzesbegründung in BT-Drucks. 8/2034 zu Art. 1 §2; Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 12.04.2011 – L 6 AS 45/10 -).

Dazu der RA Kay Füßlein: www.ra-fuesslein.de
 
Anmerkung:
S. a. : Einstellung der Leistungen bei Umzügen, ein Beitrag von Kay Füßlein: www.ra-fuesslein.de

2.2 – SG Kiel, Beschl. v. 29.7.2009 – S 9 AS 399/09 ER

Schimmel in der Wohnung begründet Umzugsgrund

Von einer Erforderlichkeit des Umzuges kann nicht erst bei Eintritt eines Gesundheitsschadens ausgegangen werden. Bereits bei einer konkreten Gesundheitsgefährdung durch Schimmel in der Wohnung ist das Jobcenter verpflichtet, die Zustimmung zu einem Umzug zu erteilen.

Weiter: sozialberatung-kiel.de

2.3 – Sozialgericht Leipzig, Gerichtsbescheid vom 13.05.2014 – S 17 AS 4284/13

Pflicht zur Beantragung einer vorzeitigen Altersrente erst ab Vollendung des 63. Lebensjahrs – Übergang der Antragsbefugnis auf den Grundsicherungsträger – Ermessensausübung – Ermessenszweck – Berücksichtigung von Unbilligkeitsgesichtspunkten
 
Leitsätze (Autor)
1. Die Antragstellerin war verpflichtet, gemäß § 12 a S. 1, S. 2 Nr. 1 SGB II zur Beseitigung ihrer Hilfebedürftigkeit Antrag auf vorzeitige Inanspruchnahme von Altersrente für langjährig Versicherte bei der DRV Mitteldeutschland zu stellen.
 
2. Das die Antragstellerin ggf. gleichwohl weiterhin ergänzende Grundsicherungsleistungen, dann nach dem SGB XII, zur Deckung ihres Bedarfs in Anspruch nehmen müssen wird, ändert hieran objektiv nichts und hebt die Erforderlichkeit des Rentenbezuges nicht auf (vgl. grundlegend BSG, Urteil vom 16.05.2012, Az. B 4 AS 105/12 R, Rz. 20 ff, 31 – für den Fall einer ausländischen Altersrente vor dem 63.Lebensjahr in Höhe von nur 173,- € monatlich).
 
3. Der Zweck des in § 5 Absatz 3 SGB II eingeräumten Ermessens ist es nicht, die Grundsicherungsträger typische Folgen des Leistungsausschlusses für Altersrentner nach § 7 Absatz 4 S. 1 SGB II abwägen zu lassen, denn für eine umfassende Abwägung aller für und wider sprechenden Gesichtspunkte wären individuell aufwendige Ermittlungen und Überlegungen anzustellen. Sie beträfen aber nur die regelmäßig und zwingend eintretenden Folgen des Bezugs von Altersrente durch den gemäß § 7 Abs. 4 S. 1 Alt. 2 SGB II eintretenden Leistungsausschluss im SGB II. Diese nochmals umfassend zu bedenken und abzuwägen, ist nicht Aufgabe und Zweck des Gesetzesvollzugs der Grundsicherungsträger (anderer Auffassung: so zuletzt, soweit ersichtlich, SG Dresden, Beschluss vom 21. Februar 2014 – S 28 AS 567/14 ER -).
 
4. Durchgreifende verfassungsrechtliche Bedenken bestehen nicht, denn auch nicht hilfebedürftige Versicherte haben bei vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente gleiche Abschläge hinzunehmen.

Der Beschluss liegt dem Autor vor. Mein Dank gilt dem Sozialgericht Leipzig.

2.4 – SG Gießen, Urteil vom 15.07.2014 – S 22 AS 341/12 – rechtskräftig
 
Leitsätze (Juris)
Die Prüfung der Hilfebedürftigkeit (§ 9 SGB II) bei vorhandenem Sparvermögen hat sich an der Verfügungsberechtigung zu orientieren. Bei Sparbüchern muss sich der Hilfebedürftige nicht am Rechtsschein der Kontoinhaberschaft festhalten lassen.
 
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

3.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB X II)

3.1 – Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 25.08.2014 – L 8 SO 59/12

Leitsätze (Autor)
1. 21 Satz 1 SGB XII schreibt ausdrücklich vor, dass Personen, die – wie die Antragsteller – nach dem SGB II als Erwerbsfähige dem Grunde nach leistungsberechtigt sind, keine Leistungen für die Lebensunterhalt nach dem SGB XII erhalten.

2. Diese dem Begehren der Antragsteller entgegenstehende Vorschrift steht mit höherrangigem Recht in Einklang. Sie verletzt insbesondere – nicht Art. 22 AEMR. Dabei ist zunächst im Auge zu behalten, dass die AEMR keine verbindliche Rechtsquelle des Völkerrechts ist, sondern nur empfehlenden Charakter hat (vgl. Verwaltungsgericht Ansbach, Urteil vom 31.08.2007 – AN 4 K 07.00590).
 
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

4.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB X II)

4.1 – SG Regensburg, Beschluss vom 05.09.2014 – S 9 SO 61/14 ER

Leitsätze (Autor)
Sozialhilfeträger muss Fahrtkosten zu ambulanten Behandlungen tragen. Der Anspruch folgt aus § 27 b SGB XII, soweit kein Dritte vorrangig verpflichtet ist. Es handelt sich um weiteren notwendigen Lebensunterhalt.

weiterlesen: Rechtsprechung bestätigt: Sozialhilfeträger muss Fahrtkosten zu ambulanten Behandlungen tragen, ein Beitrag von Rechtsanwalt Mathias Klose: sozialrecht-aktuell.blogspot.de

5.   Entscheidungen zum Arbeitsförderungsrecht nach dem (SGB III)

5.1 – Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 06.08.2014 – L 10 AL 45/13

Keine Anspruch von Soldaten auf Gleichstellung mit schwerbehinderten Menschen – Besonderheiten des Soldatenverhältnisses – Arbeitsstelle eines Soldaten ist kein Arbeitsplatz im Sinne von § 73 Abs. 1 SGB IX

Leitsatz (Autor)
1. Eine Gleichstellung von behinderten Soldaten kommt erst nach deren Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis in Betracht. Sie kann daher grundsätzlich nur mit Wirkung ab dem Ausscheiden aus dem Dienstverhältnis ausgesprochen werden (vgl. dazu SG Chemnitz, Urteil vom 22.11.2012 – S 26 AL 132/11 -).

2. Konsequenterweise wird das Soldatenverhältnis nicht von § 73 Abs 1 SGB IX erfasst. Die Voraussetzungen der Möglichkeit einer Gleichstellung nach § 2 Abs 3 SGB IX sind damit nicht gegeben, da es sich bei dem konkret maßgeblichen Arbeitsplatz eines Soldaten nicht um einen solchen i.S.v. § 73 SGB IX handelt.
 
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

6.   Die Amtsermittlungspflicht und die Arbeit des Außendienstes im Rahmen des § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II, SRa 05/2014, 177

Dr. Bettina Weinreich, Hochschule der Bundesagentur für Arbeit, Schwerin

Nach einer Statistik der Bundesagentur für Arbeit gab es im Januar 2014 in Deutschland 3.291.983 Bedarfsgemeinschaften mit insgesamt 6.057.530 Personen, davon 4.366.982 erwerbsfähige Leistungsberechtigte. Dabei leben viele Leistungsberechtigte innerhalb der Bedarfsgemeinschaft ohne “Trauschein” zusammen. Da es sich bei der Bildung einer Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 3 Nr. 3c SGB II um einen ausschließlich rechtlichen Begriff handelt, stellt sich für die Leistungsverwaltung die Frage, was darunter zu verstehen ist und unter welchen Voraussetzungen sie nach § 20 SGB X i. V. m. § 6 Abs. 1 S. 2 SGB II berechtigt ist, das Vorliegen einer derartigen Bedarfsgemeinschaft zu ermitteln.
 
abgedruckt in Sozialrecht aktuell, Heft 05/2014: www.sozialrecht-aktuell.nomos.de

7.   Vorläufiger gerichtlicher Rechtsschutz bei Streitigkeiten über Unterkunftskosten

Uwe Klerks, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Sozialrecht und Versicherungsrecht, Essen

I. Einleitung
Das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen bekräftigt im Beschluss vom 17.4.2014 seine Ansicht, dass Leistungen für Unterkunft und Heizung im vorläufigen Rechtsschutz nur bei konkret drohender Wohnungslosigkeit oder einer vergleichbaren Notlage beansprucht werden können. Hiervon nimmt es die Fälle der Leistungsgewährung gem. § 44a Abs. 1 Satz 7 SGB II aus mit der Begründung, der Zuständigkeitsstreit zwischen dem Leistungsempfänger nach dem SGB II und nach dem SGB XII würde ansonsten zu Lasten des Hilfebedürftigen ausgetragen. Dieser letzten Argumentation ist zuzustimmen; gleichwohl muss die bisherige Rechtsprechung zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung im Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes überprüft werden. Die bisher bestehenden Möglichkeiten für die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes sind zu eng. Es muss verstärkt berücksichtigt werden, dass Leistungsberechtigten durch eine Nichtzahlung von Kosten für Unterkunft und Heizung vielfache Probleme entstehen, die durch eine positive Entscheidung im vorläufigen Rechtsschutz sicher vermieden werden können.
 
abgedruckt in der info also, Heft 05/2014: www.info-also.nomos.de

8.   Gutachten vom 18. August 2014, G 1/14 – veröffentlicht auf der Seite des Deutschen Vereins – Lebensunterhaltssicherung beim Übergang vom SGB II zum BAföG, Gutachterin: Constanze Rogge,

Dr. Edna Rasch, hier zum Gutachten: www.deutscher-verein.de

Lebensunterhaltssicherung beim Übergang vom SGB II zum BAföG

1. § 27 Abs. 4 S. 2 SGB II eröffnet keine Möglichkeit über den ersten Ausbildungsmonat hinaus darlehensweise Leistungen nach dem SGB II zu gewähren.
 
2. Der Gesetzgeber hat Schwierigkeiten von Auszubildenden bei ihrer Lebensunterhaltssicherung zu Beginn ihrer Ausbildung in Kauf genommen, indem er in § 51 Abs. 2 BAföG einen Zeitraum von längstens 10 Wochen  nach Antragstellung ohne Ausbildungsförderung als zumutbar angesehen hat.
 
3. Allein das Vorliegen von Hilfebedürftigkeit nach Aufnahme einer förderungsfähigen Ausbildung begründet keine besondere Härte nach § 27 Abs. 4 S. 1 SGB II.
 
4. Schwierigkeiten in der Lebensunterhaltssicherung beim Übergang vom SGB II in das BAföG sollte auf administrativer Ebene begegnet werden: Die Verwaltung kann im Rahmen von Hinwirkungspflichten, Beratungspflichten und der Befugnis,  Auskunftspflichten von Unterhaltsberechtigten nach dem BAföG selbstständig durchzusetzen dazu beitragen, der Entstehung von Lücken in der Lebensunterhaltssicherung von Auszubildenden vorzubeugen.

Autor des Rechtsprechungstickers: Willi 2 von Tacheles – alias Detlef Brock

Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de