Rechtsprechungsticker von Tacheles KW 49/2014

1.   Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 18.09.2014 zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

1.1 – BSG, Urteil vom 18.09.2014 – B 14 AS 5/14 R

Sozialrechtliches Verwaltungsverfahren – Erstattung von Kosten im Vorverfahren – notwendige Aufwendungen zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung – Verbandsvertreter als Bevollmächtigter – Erhebung einer Kostenpauschale

Leitsatz (Autor)
1. Legen SGB II Bezieher mit Hilfe eines Sozialverbandes erfolgreich Widerspruch gegen einen Bescheid des Jobcenters ein, muss die Behörde die angefallenen Kosten erstatten. Das Jobcenter darf die Verbände nicht mit einer eigenen festgelegten Pauschalgebühr für das Widerspruchsverfahren abspeisen.

2. Der Sozialverband kann vielmehr entsprechende Gebühren in seiner Satzung festlegen.

Quelle: juris.bundessozialgericht.de

2.   Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 31.10.2014 zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

2.1 – BSG, Beschluss vom 31.10.2014 – B 4 AS 182/14 B

Unzureichende Darlegung eines Revisionszulassungsgrundes – Normen: SGB II § 31, SGG § 160, SGG § 160a, SGG § 169

Die Beschwerde ist nicht zulässig, weil die als Zulassungsgrund allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) nicht in der erforderlichen Weise dargelegt bzw. bezeichnet worden ist (§ 160a Abs 2 S 3 SGG). Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 Halbs 2 SGG iVm § 169 SGG zu verwerfen.

Quelle: www.elo-forum.org

Anmerkung:
Vorinstanz Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 23.04.2014 -  L 11 AS 512/13 -  Die Rechtsfolgenbelehrung in einem Vermittlungsvorschlag ist falsch, wenn auf eine später aufgehobene vorangegangene Pflichtverletzung und einem Wegfall des Alg II hingewiesen wird, wegen der Aufhebung des vorangegangenen Sanktionsbescheides dann aber nur der Eintritt einer Minderung von 60 vH festgestellt wird. Es handelt sich nicht um eine bloße Überbelehrung.

3.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

3.1 – Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 07.11.2014 – L 6 AS 722/14 B ER – rechtskräftig

Leistungsbezieherin begehrt die Durchsetzung eines Anspruchs auf Einsichtnahme in die internen Richtlinien des Jobcenters bezüglich der Leistungen für Erstausstattung bei Schwangerschaft und Geburt im Eilverfahren – zwischenzeitlich geborene Sohn

Leitsätze (Juris)
Es ist regelmäßig unzulässig, die Kenntnisnahme von ermessenslenkenden Richtlinien und sonstigen innerdienstlichen Weisungen, die für die Durchsetzung eines Leistungsanspruchs (hier von Ansprüche auf Erstausstattung bei Schwangerschaft bzw. Geburt) von Bedeutung ist und in diesem Rahmen verlangt wird, eigenständig in einem gerichtlichen (Eil-)Verfahren durchzusetzen.
 
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

4.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

4.1 – SG Bayreuth, Beschluss vom 20.11.2014 – S 5 AS 1001/14 ER

Jobcenter darf ALG II- Leistungen für einen Folgeantrag nicht ablehnen, weil der Antragsteller sich weigert, einen Rentenantrag auf vorzeitige Altersrente zu stellen. Keine Versagung bzw. Leistungsentzug von ALG II bei Verletzung der Mitwirkungspflicht zur Beantragung einer Rente.

Leitsätze (Autor)
1. § 12a SGB II gibt keine Handhabe, einen Erst- oder Folgeantrag auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II mit dem Verweis auf den Antrag auf vorrangige Leistungen abzulehnen.

2. Die Weigerung, eine Rente zu beantragen, kann keinesfalls mit der Entziehung oder Versagung der Leistungen bestraft werden (§ 66 SGB 1).

3. Denn dem JC steht die Möglichkeit offen, den Antragsteller unter Fristsetzung zur Rentenantragstellung nach § 5 Abs. 3 S. 1 SGB II aufzufordern und bei Unterlassen der Antragstellung innerhalb der Frist selbst einen Antrag zu stellen (LSG BB, Beschl. v. 29.04.2011 – L 5 AS 525/11 B ER). Zum anderen kann er auch Erstattungsansprüche nach §§ 102 ff SGB X gegenüber den vorrangigen Sozialleistungsträger – vorliegend dem Rentenversicherungsträger und dem Träger der Sozialhilfe – anmelden.

4. Insoweit entspricht der dem Schreiben des JC beigefügte Hinweis auf die Möglichkeit der Leistungsentziehung oder -versagung bei fehlender Mitwirkung nach § 66 Abs. 3 SGB I nicht der Rechtslage (LSG NRW, Beschl. v. 10.02.2014 – L 19 AS 54/14 B ER).

Der Beschluss liegt dem Autor vor.

4.2 – Sozialgericht Köln, Beschluss vom 14. November 2014 (Az.. S 15 AS 4227/14 ER):

Leitsätze Dr. Manfred Hammel

1. Wenn bedingt durch eine vom JobCenter nach den §§ 31 ff. SGB II verfügte umfassende Sanktionierung beim erwerbsfähigen Leistungsberechtigten Mietschulden aufgelaufen sind, dann wird durch eine auf Antrag dieser bedürftigen Person gemäß § 22 Abs. 8 SGB II getätigte Mietschuldenübernahme diese Sanktionierung nicht wirkungslos. Durch die Gewährung eines Darlehens nach § 22 Abs. 8 Satz 3 SGB II entsteht für diesen Antragsteller eine Rückzahlungspflicht.

2. Eine derartige Vorgehensweise ist gerade dann geboten, wenn die vom JobCenter nach den §§ 31 ff. SGB II erlassenen Sanktionsbescheide noch nicht bestandskräftig sind.

4.3 – Sozialgericht Berlin, Urteil vom 26. September 2014 (Az.: S 37 AS 20431/13):

Leitsätze Dr. Manfred Hammel

1. Ein Mietspiegel ist ungeeignet, auch die Preise für einfache Wohnungen adäquat abzubilden.

2. Trotz einer Wichtung nach Bestandsklassen kann Mietspiegelwerten keine Vermutung der sachgerechten Abbildung der Verhältnisse auf dem Mietwohnungsmarkt beigemessen werden.

3. Die Folge des Fehlens eines schlüssigen Konzepts zur Bestimmung der Angemessenheit von Unterkunftskosten entsprechend § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II besteht darin, dass vom SGB II-Träger bei der Anerkennung von Unterkunftskosten maximal der Höchstwert nach § 12 WoGG zuzüglich eines Sicherheitszuschlags von 10 v. H. plus Heizkosten (bis zu den Toleranzwerten nach dem Heizspiegel) zugrunde gelegt zu werden hat.

4.4 – Sozialgericht Berlin, Abänderungsbeschluss vom 10. Oktober 2014 (Az.: S 114 AS 13841/14 ER):

Leitsätze Dr. Manfred Hammel

1. Ob ein JobCenter entsprechend § 5 Abs. 3 Satz 1 SGB II für eine Bezieherin von Arbeitslosengeld II einen Rentenantrag stellt, steht grundsätzlich im Ermessen dieses Sozialleistungsträgers.

2. Es bedarf hier aber bereits bei der an die Leistungsbezieherin gerichteten Aufforderung zur Antragstellung einer Ermessensentscheidung des SGB II-Trägers, die von diesem eingehend zu begründen ist (§ 35 Abs. 1 SGB X in Verbindung mit den §§ 2 Abs. 2 und 39 SGB I). In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu berücksichtigen, dass Altersrentner/innen vom Bezug von Leistungen nach dem SGB II in ihrer Gesamtheit ausgeschlossen sind. Zudem ist die vorzeitige Inanspruchnahme einer Altersrente regelmäßig mit dauerhaften Abschlägen verbunden.

4.5 – Sozialgericht Heilbronn, Urteil vom 23. April 2014 (Az.: S 11 AS 1626/12):

Leitsätze Dr. Manfred Hammel

1. Während eines Aufenthalts in einem Frauenhaus handelt es sich bei den dort erbrachten psychosozialen Betreuungsleistungen im Sinne des § 16a Nr. 3 SGB II um Leistungen, die für die Eingliederung der einzelnen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in das Erwerbsleben erforderlich sind.

2. Die Herkunftskommune als der dem Grunde nach entsprechend § 36a SGB II erstattungspflichtige Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende ist zur Begleichung der vom Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende des Ortes des aufnehmenden Frauenhauses verauslagten Kosten für die während des Einrichtungsaufenthalts erbrachten Hilfen zur Eingliederung nur dann verpflichtet, wenn zwischen der aufnehmenden Kommune und dem Träger des Frauenhauses auch eine Vereinbarung insbesondere über a) Inhalt, Umfang und Qualität der Leistungen, b) die Vergütung, die sich aus Pauschalen und Beträge für einzelne Leistungsbereiche zusammensetzen kann, und c) die Prüfung der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen besteht, sowie diese Vereinbarung auch den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit entspricht (§ 17 Abs. 2 SGB II).

3. Bei einem Fehlen einer solchen Vereinbarung kann die Betreiberkommune keinen Vergütungsanspruch geltend machen (§ 17 Abs. 2 Satz 1 SGB II), weil sie es in der Hand hat, eine den Mindestanforderungen des § 17 Abs. 2 SGB II entsprechende Vereinbarung mit dem Träger des in seinem Zuständigkeitsbereich sich befindenden Frauenhauses rechtzeitig abzuschließen.

4.6 – SG Heilbronn, Beschluss vom 19.11.2014 – S 10 AS 3793/14

Hausverbot für Hartz IV-Empfängerin im Jobcenter wegen Beschimpfung eines Mitarbeiters – Nachhaltige Störung des Dienstablaufs und des Hausfriedens durch rücksichtsloses Verhalten rechtfertigt Hausverbot.

Leitsatz (Autor)
Das Jobcenter darf einer Hartz IV-Empfängerin bereits bei erstmaliger Störung des Hausfriedens ein befristetes Hausverbot erteilen.

Pressemitteilung vom 26.11.2014: www.sg-heilbronn.de

4.7 – SG Hamburg, Beschluss vom 24.11.2014 – S 44 AS 3881/14 ER

Gemäß § 3 Abs. 2 Alg II-V sind nur tatsächlich geleistete Ausgaben absetzbar – Umsatzsteuer
Eine Berücksichtigung von Rückstellungen für künftige Umsatzsteuerzahlungen ist nicht möglich.

Leitsätze (Autor)
1. Rückstellungen für künftige Ausgaben sind seit der Neufassung der ALG II-V zum 01.01.2008, die steuerliche Vorschriften ausdrücklich nicht für anwendbar erklärt, nicht mehr vorgesehen (Bay. LSG, Urt. v. 21.03.2012 – L 16 AS 789/10; BSG, Urteil vom 22.08.2013 – B 14 AS 1/13 R).

2. Selbstständige, die in dem für die Umsatzsteuer vorgesehenen Abführungszeitpunkt Liquiditätsprobleme befürchten, die nicht (mehr) durch Rückstellungen aufgefangen werden können, sollten dem durch einen Antrag auf Ist-Besteuerung bzw. – ungeachtet der Befreiung nach § 18 UStG – laufende Umsatzsteuervoranmeldungen entgegenwirken.

Der Beschluss liegt dem Autor vor.

4.8 – Sozialgericht Bremen, Beschluss vom 21.11.2014 – S 21 AS 2120/14 ER

Ist die Eingliederungsvereinbarung noch gültig, so kann sie nicht einseitig durch Verwaltungsakt ersetzt werden.

Leitsätze (Autor)
Ist die Eingliederungsvereinbarung noch gültig, so kann sie nicht einseitig durch Verwaltungsakt ersetzt werden. Dies wird bereits durch den Wortlaut des § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II ausgeschlossen (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21.03.2012, Az. L 5 AS 509/11 B ER m.w.N.).
 
Quelle: Rechtsanwälte Beier & Beier, Gröpelinger Heerstraße 387, 28239 Bremen, hier zum Volltext: www.kanzleibeier.eu
 
Anmerkung: gleicher Meinung – SG Hamburg, Beschluss vom 11.08.2014 – S 35 AS 2710/14 ER; SG München, Beschluss vom 19.05.2014 – S 54 AS 1155/14 ER (beide unveröffentlicht).

4.9 – Sozialgericht Aachen, Urteil vom 18.11.2014 – S 14 AS 632/14

Ist (nur) eine sofortige Verwertung eines Vermögensgegenstandes nicht möglich, sind die Leistungen nach § 24 Abs. 5 S. 1 SGB II als Darlehen zu erbringen – Eigentumswohnung

Leitsätze (Autor)
1. Leistungsbezieherin hat nur Anspruch auf darlehensweise Leistungen nach dem SGB II, denn es ist für sie zumutbar, ihre nicht selbst bewohnte Eigentumswohnung in Budapest zu verwerten.

2. Die Verwertung ihrer Eigentumswohnung bedeutet auch keine besondere Härte, weil ihr Ehemann die Wohnung benötigt, der nicht über die nötigen finanziellen Mittel verfügt, eine andere Unterkunft zu finanzieren.

3. Letztlich würde im Kern über den Schutz des Wohneigentums der Leistungsbezieherin (LB) in Budapest über § 12 Abs. 3 S. 1 Nr. 6 SGB II andernfalls eine Sicherung des Grundbedürfnisses “Wohnen” des Ehemannes der LB über das SGB II herbeigeführt, obwohl in dessen Person die Voraussetzung des § 7 Abs. 1 Nr. 4 SGB II (gewöhnlicher Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland) nicht vorliegt.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

4.10 – Sozialgericht Dortmund, Beschluss vom 18.11.2014, Az.: S 35 AS 3929/14 ER

Hartz IV: Trotz aktueller EuGH-Entscheidung weiterhin einstweiliger Rechtsschutz für arbeitsuchende EU-Zuwanderer

Leitsatz (Autor)
Es ist weiterhin nicht abschließend geklärt, ob der Sozialleistungsausschluss für arbeitsuchende EU-Zuwanderer rechtmäßig ist. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 11.11.2014, C-333/13, in der Rechtssache Dano enthält keine unmittelbare Aussage über die Europarechtskonformität des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II. Dort ging es um Unionsbürger gegangen, die keinerlei Bemühungen zur Arbeitsuche entfalteten, und denen ein entsprechendes Aufenthaltsrecht zum Zwecke der Arbeitsuche bereits aus diesem Grunde nicht zugestanden habe.

Quelle: Pressestelle: sozialgerichtsbarkeit.de

Volltext der Entscheidung: sozialgerichtsbarkeit.de

5.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB X II)

5.1 – LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.04.2014 – L 7 SO 4195/13 B

Zur Übernahme der Kosten der Unterkunft durch das Sozialamt nach SGB XII bei Inhaftierung – Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten – keine Mietschulden i. S. d. § 36 SGB XII.

Antragsteller hat kein Anspruch auf Übernahme von Wohnungserhaltungskosten aus Mitteln der Sozialhilfe während Strafhaft nach Aufgabe der Wohnung.

Leitsätze (Autor)
1. Antragsteller hat kein Anspruch auf Übernahme von Wohnungserhaltungskosten aus Mitteln der Sozialhilfe während Strafhaft nach Aufgabe der Wohnung.

2. Er kann sein Begehren auch nicht auf § 36 Abs. 1 SGB XII stützen, weil er selbst seine Wohnung aufgegeben hat und die Unterkunft daher nicht mehr gesichert werden kann (vgl. nur Link in jurisPK-SGB XII, § 36 Rdnr. 24 f., der § 36 SGB XII im Übrigen im Falle der Übernahme zukünftiger Mietschulden bei einer Inhaftierung ohnehin nicht für einschlägig hält).

Der Beschluss liegt dem Autor vor, mein Dank gilt dem LSG Baden- Württemberg.

Anmerkung:
Gleicher Auffassung SG Karlsruhe, Gerichtsbescheid vom 04.11.2014 – S 1 SO 2630/14.

5.2 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 25.08.2014 – L 20 SO 411/12 – Berufung anhängig beim BSG unter dem Az. B 8 SO 23/14 R

Sozialhilfe – Nothilfe – kein Fortbestehen des Eilfalles bei Kenntnis des Sozialhilfeträgers vom Leistungsfall – Anwendbarkeit des § 16 SGB 1 im Sozialhilferecht – Antragstellung beim unzuständigen Leistungsträger

Zur Übernahme der Kosten für eine stationäre Krankenhausbehandlung des Patienten nach § 25 SGB XII.

Leitsätze (Autor)
1. § 16 SGB I ist auch im Rahmen von § 25 SGB XII anwendbar (vgl hierzu BSG, Beschluss vom 13.02.2014 – B 8 SO 58/13-).

2. Denn Sinn und Zweck des § 16 SGB I ist es, den Antragsteller davor zu bewahren, mit seinem Begehren nach Sozialleistungen an den Zuständigkeitsabgrenzungen innerhalb der gegliederten Sozialverwaltung zu scheitern. Dieser Zweck würde aber unterlaufen, wenn es die Stelle, bei der der Antrag gestellt wurde, in der Hand hätte, durch eine unterlassene Weiterleitung des Antrags die Leistungsgewährung zu vereiteln.
 
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

6.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB X II)

6.1 – Sozialgericht Heilbronn, Urteil vom 30. April 2013 (Az.: S 9 SO 3884/11):

Sozialhilfe – Eingliederungshilfe – Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft – Übernahme der Kosten für den Besuch des Förder- und Betreuungsbereichs einer WfbM – keine altersmäßige Begrenzung

Leitsätze Dr. Manfred Hammel

1. Auch wenn ein über 65jähriger geistig wesentlich behinderter Mensch behinderungsbedingt nicht in der Lage sein wird, im Arbeitsbereich einer Werkstatt für behinderte Menschen jemals tätig zu sein und damit zum Personenkreis der nicht werkstattfähigen Behinderten zählt, weshalb eine ihm nach den §§ 53 ff. SGB XII gewährte Eingliederungshilfe zum Besuch des Förder- und Betreuungsbereichs keine Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in Verbindung mit § 33 SGB IX sein kann, ist eine Bewilligung entsprechender Leistungen im besonders begründeten Einzelfall dennoch möglich:

2. Eine Orientierung am Renteneintrittsalter von über 65 Jahren scheidet aus, wenn einem behinderten Menschen über eine solche Eingliederungshilfe eine Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft im Sinne der §§ 53 Abs. 1 Satz 1 und 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in Verbindung mit § 55 SGB IX ermöglicht und ihm auf diese Weise ein lebenswertes Leben mit Förderung entsprechend seinen Fähigkeiten eröffnet werden kann.

3. Wenn bei nach Art oder Schwere der Behinderung besonders betroffenen Personen eine Teilhabe am Arbeitsleben zu keinem Zeitpunkt angestrebt oder gar möglich war, steht der nicht zum Arbeitsbereich einer WfbM (§ 41 SGB IX) zu zählende Förder- und Betreuungsbereich (§ 136 Abs. 3 SGB IX) auch denjenigen behinderten Menschen offen, welche die Aufnahmekriterien für den Arbeitsbereich nicht erfüllen.

7.   Wie teuer dürfen Hartz IV-Empfänger wohnen?

Methodik des IWU zur Ermittlung der zulässigen Wohnkosten in Dresden vom Bundessozialgericht als “schlüssiges Konzept” bestätigt

weiterlesen Pressemitteilung: www.iwu.de (pdf)

8.   Anmerkung zu: BSG 14. Senat, Urteil vom 09.04.2014 – B 14 AS 23/13 R von Prof. Dr. Uwe Berlit, Vors. RiBVerwG

Keine Deckelung der Unterkunftskosten nach Unterbrechung des Leistungsbezugs

Leitsatz
Die Begrenzung der Leistungen für Unterkunft und Heizung bei einem nicht erforderlichen Umzug entfaltet nach einer mit der Unterbrechung des Leistungsbezugs von mindestens einem Kalendermonat verbundenen Überwindung der Hilfebedürftigkeit jedenfalls durch Erzielung bedarfsdeckenden Einkommens keine Wirkung mehr.

Auszug:
Auswirkungen für die Praxis

Für die Praxis stellt das Urteil klar, dass eine Begrenzung der Leistungen für Unterkunft und Heizung auf den Betrag, der für eine frühere Unterkunft zu berücksichtigen war, dann nicht mehr erfolgen darf, wenn die Hilfebedürftigkeit – regelmäßig durch eigenes Erwerbseinkommen – für mindestens einen Monat unterbrochen gewesen ist. Für eine Zäsur reicht eine Minderung des Leistungsanspruches durch anzurechnendes Einkommen nicht aus. Die Möglichkeiten einer “strategischen Ausnutzung” dieser Rechtsprechung mindert, dass die Hilfebedürftigkeit für mindestens einen Monat objektiv entfallen sein muss; dies hat der Leistungsberechtigte gegebenenfalls darzulegen und ist von Amts wegen zu prüfen. Der Leistungsberechtigte kann eine Zäsur nicht durch einen Verzicht auf Leistungen oder eine Verzögerung der Antragstellung um einen Monat herbeiführen, wenn er objektiv weiterhin (teilweise) hilfebedürftig gewesen ist.

Nicht eindeutig ist nach den Entscheidungsgründen die Frage zu beurteilen, ob eine Unterbrechungswirkung auch in Fällen eintritt, in denen für mehrere Monate Leistungen deswegen nicht gewährt werden, weil nach § 11 Abs. 3 Satz 3 SGB II eine höhere einmalige Einnahme auf einen längeren Verteilzeitraum aufzuteilen ist und dies den Leistungsanspruch vollständig entfallen lässt; die besseren Gründe sprechen für eine Zäsur.

Quelle: www.juris.de (Juris)

9.   Zu EuGH, Urt. v. 11.11.2014 – C-333/13 (Dano) – Anmerkung von Rechtsassessor Dr. Florian Plagemann, LL.M. (Cornell), Berlin

Auszug:
Praxishinweis

1. Im Ergebnis soll es einem Mitgliedstaat möglich sein, beitragsunabhängige Sozialleistungen zu versagen, auch wenn der Betroffene nicht über “ausreichende Existenzmittel” verfügt. Hierdurch wird tatsächlich eine unangemessene Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats durch Unionsbürger, die Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten sind, verhindert. Zumindest dem vielerorts heraufbeschworenen Schreckgespenst der reinen Armutszuwanderung dürfte in so weit vorerst Einhalt geboten sein.
 
2. Ausdrücklich offen gelassen wurde allerdings, wie ein Aufnahmemitgliedstaat mit arbeitssuchenden nicht erwerbstätigen EU-Zuwanderern zu verfahren hat. Es ist nicht davon auszugehen, dass es hier zu einer gleichermaßen unangemessenen Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des Aufnahmemitgliedstaats durch Unionsbürger kommt, steht der Arbeitssuchende doch zukünftig dem Arbeitsmarkt ergo der Volkswirtschaft zur Verfügung. Daneben ist es an den  zuständigen Stellen, die entsprechende Eingliederung sicherzustellen oder andernfalls Mittel zu kürzen.
 
3. Daneben sei auf LSG Berlin (Urteil vom 06.03.2014 – L 31 AS 1348/13, FD-SozVR 2014, 358708) hingewiesen, dass sich vor nicht allzu langer Zeit mit dem Alg II-Anspruch im Falle von Sozialleistungsmissbrauch befasste. Nach Ansicht des LSG besteht der Anspruch eines EU-Bürgers auf Alg II ohne Freizügigkeitsrecht bis zur Vollziehung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen.

Quelle: https://beck-aktuell.beck.de (beck-aktuell)

Anmerkung:
LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 06.03.2014 – L 31 AS 1348/13: dejure.org

10.   Zinsen vom Amt – Wer lange auf Hartz IV oder Wohngeld warten muss, hat Anspruch auf Entschädigung

Eine Berliner Rentnerin wartete acht Monate auf ihr Wohngeld. Sie legte Widerspruch ein. Nun wird das Geld vom Amt mit vier Prozent verzinst. Solche Wartezinsen gibt es auch auf Hartz-IV-Leistungen.

weiterlesen: www.neues-deutschland.de

11.   Hartz IV macht arm und depressiv, ein Beitrag von Rudolf Stumberger 28.11.2014

Arbeitsamt legt Arbeitslosen Bestätigung ihres Elends unter den Weihnachtsbaum

Unter den Kritikern des Hartz IV-Gesetzes kursiert der Spruch von wegen “Armut per Gesetz”. Wissenschaftlich bestätigt hat das nun eine Studie des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Danach gelten immerhin 77 Prozent der Bezieher von Arbeitslosengeld II (ALG II) als armutsgefährdet. Darunter sind auch sogenannte Aufstocker. Bei Hartz IV-Beziehern, die gar keiner Arbeit nachgehen (können), liegt das Armutsrisiko sogar bei 84 Prozent.

weiterlesen: www.heise.de

12.   Hartz IV: Was kann man gegen falsche Bescheide tun?

Experten meinen: Ein Grund für fehlerhafte Bescheide sind die komplizierten Regeln für Hartz IV. Wie geht man gegen fehlerhafte Hartz IV-Bescheide vor, dazu Hinweise von Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Conradis

“Etwa ein Drittel aller vor den Sozialgerichten eingereichten Klagen befassen sich mit Hartz IV, beim Bundessozialgericht sind es etwa ein Viertel”, weiß der Duisburger Rechtsanwalt Dr. Wolfgang Conradis von der Arbeitsgemeinschaft Sozialrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV). Dabei stehen die Chancen von Hartz IV-Empfängern gut, vor Gericht Recht zu bekommen. “Ich schätze, dass rund die Hälfte aller Klagen, die Hartz IV-Empfänger ohne Rechtsbeistand einreichen, Erfolg haben.” Die Erfolgsaussichten seien noch höher, wenn Hartz IV-Empfänger mit Hilfe eines Rechtsanwalts klagten, so Conradis.”

Vorgehen gegen fehlerhafte Hartz IV-Bescheide

weiterlesen: https://anwaltauskunft.de

Autor des Rechtsprechungstickers: Willi 2 von Tacheles – alias Detlef Brock

Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de