Rechtsprechungsticker von Tacheles KW 05/2015

1.   Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 18.11.2014 zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

1.1 – BSG, Urteil vom 18.11.2014 – B 4 AS 3/14 R
 
Arbeitslosengeld II – Unterkunft und Heizung – Mietschulden – Darlehen oder Zuschuss – atypischer Fall – Mitverschulden des Grundsicherungsträgers

Leitsätze (Autor)
1. Ein Zuschuss ist nach § 22 Abs. 8 S. 4 SGB II nur in atypischen Fällen zu leisten. Ein solcher atypischer Fall liegt dann vor, wenn die Fallgestaltung im Einzelfall signifikant vom (typischen) Regelfall abweicht.

2. Dabei kann auch mitwirkendes Fehlverhalten auf Seiten der Verwaltung, das als eine atypische Behandlung des Falles im Sinne einer Abweichung von der grundsätzlich zu erwartenden ordnungsgemäßen Sachbearbeitung zu verstehen ist, eine Atypik des verwirklichten Tatbestandes begründen. Erforderlich ist insoweit ein „wesentlich mitwirkendes“ Handeln.

3. Das Kopfteilprinzip findet keine Anwendung bei Aufhebung einer darlehensweisen Übernahme von Mietschulden.

4. Das Mietschulden- Darlehen muss „nicht“ während des Leistungsbezugs zurückgezahlt werden, für eine Verzinsung bei nicht rechtzeitiger Tilgung existiert keine Rechtsgrundlage.

Quelle: juris.bundessozialgericht.de

2.   Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 28.10.2014 zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

2.1 – BSG, Urteil vom 28.10.2014 – B 14 AS 65/13 R

Sozialgeldanspruch – vorübergehender Ferienaufenthalt der im Ausland lebenden nicht erwerbsfähigen Kinder bei den leistungsberechtigten Eltern in Deutschland – fehlender gewöhnlicher Aufenthalt im Inland – verfassungskonforme Auslegung

Leitsatz (Autor)
Ein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland ist keine Anspruchsvoraussetzung für nicht erwerbsfähige Personen, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in Deutschland in einer temporären Bedarfsgemeinschaft leben.

Quelle: juris.bundessozialgericht.de

3.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

3.1 – Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24.09.2014 – L 4 AS 637/12

Keine Übernahme der Reparaturkosten eines Grundstückszaunes als Kosten der Unterkunft

Leitsätze (Autor)
Die Errichtung eines Maschendrahtzaunes zur Abwehr drohender Übergriffe von Dritten betrifft nicht den Kernbereich der Unterkunft und ist auch für die Nutzung des eigentlichen Wohnraums nicht unerlässlich. Ähnlich wie bei einem Hoftor, gehört ein Maschendrahtzaun nicht zum Kernbereich des Wohnens, sondern zum bloßen Außenbereich und kann nicht den Unterkunftskosten zugeordnet werden (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 24. Mai 2011, L 13 AS 274/10).

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

Anmerkung:
Ebenso im Ergebnis: LSG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 10.05.2012 – L 5 AS 293/11 B.

3.2 – Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24.09.2014 – L 4 AS 318/13 – Die Revision wird zugelassen.

Grundsicherung für Arbeitsuchende – Leistungsausschluss bei Unterbringung in Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung – Abgrenzung des Jugendarrestes als Zuchtmittel

Leitsatz (Autor)
Jugendarrest nach § 16 Jugendgerichtsgesetz (JGG) ist keine richterlich angeordnete Freiheitsentziehung im Sinne des § 7 Abs. 4 Satz 2 S GB II.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

Anmerkung:
Ebenso SG Dresden, Urteil vom 27.01.2014 – S 7 AS 2328/13 und SG Gießen, Urteil vom 01.03.2010, Az. S 29 AS 1053/09.

3.3 – Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13.11.2014 – L 5 AS 983/12 – rechtskräftig

Erhöhung der angemessenen Unterkunftskosten durch nicht erforderlichen Umzug – keine Begrenzung der Leistungen auf die bisherigen Unterkunftskosten nach Unterbrechung des Leistungsbezuges für mindestens einen Monat

Leitsätze (Autor)
1. Der Leistungsträger kann sich nicht auf die Regelung des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II stützen, wenn ein früherer Leistungsberechtigter aufgrund der Erzielung bedarfsdeckenden Einkommens für mindestens einen Monat seine frühere Hilfebedürftigkeit überwunden hatte und aus dem Leistungsbezug ausgeschieden gewesen sei (BSG, Urteil vom 9. April 2014, Az.: B 14 AS 23/13 R).

2. Es kommt nicht auf die faktische Lage (Nichtleistung bzw. Unterbrechung des Leistungsbezugs) an, sondern maßgeblich auf die tatsächliche Überwindung der Hilfebedürftigkeit durch die Erzielung bedarfsdeckenden Erwerbseinkommens und mithin auf den materiellen Leistungsanspruch. Besteht dieser nicht, entfällt mit dem Ausscheiden aus dem Leistungsbezug für den vormalig Leistungsberechtigten auch die Obliegenheiten nach dem SGB II – unabhängig davon, ob ihm zuvor Leistungen bewilligt worden waren.

3. Ebenso führt ein kurzfristiges, ggf. missbräuchliches Abmelden aus dem Leistungsbezug für einen Monat, d.h. ein faktischer Nichtleistungsbezug bei fortbestehender Bedürftigkeit, nicht zu einer Unterbrechung des Leistungsbezugs im Sinne der Rechtsprechung (vgl. Urteil des Senats vom 28. Februar 2013, Az. L 5 AS 369/09).

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

Anmerkung:
Siehe dazu Anmerkung zu: BSG 14. Senat, Urteil vom 09.04.2014 – B 14 AS 23/13 R – Autor Prof. Dr. Uwe Berlit, Vors. RiBVerwG: www.juris.de

3.4 – Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21.01.2015 – L 5 AS 1059/13 B

Zum Anwendungsbereich des § 330 Abs. 1 SGB III im Rahmen von Überprüfungsanträgen nach § 44 SGB X

Leitsätze (RA Michael Loewy)
Im Rahmen des § 40 Abs. 2 Nr. 2 SGB II i. V. m. § 330 Abs. 1 SGB III ist nicht auf den Bewilligungszeitraum, sondern auf den Erlass des unanfechtbaren Verwaltungsaktes abzustellen. Dies ergibt sich schon aus dem eindeutigen Wortlaut von § 330 Abs. 1 SGB III („…, weil er auf einer Rechtsnorm beruht, die nach Erlass des Verwaltungsaktes… in ständiger Rechtsprechung anders als durch die Agentur für Arbeit ausgelegt worden ist.“).

Quelle: Michael Loewy Rechtsanwalt – Fachanwalt für Sozialrecht: anwaltskanzlei-loewy.de

3.5 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 26.01.2015 – L 25 AS 3137/14 B PKH – rechtskräftig

Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe – Grundsicherung für Arbeitsuchende – Einkommensberücksichtigung – Elterngeld – Verfassungsmäßigkeit

Leitsatz (Autor)
1. Die bedarfsmindernde Berücksichtigung von Elterngeld als Einkommen bei der Gewährung von Leistungen zur Grundsicherung für Arbeitsuchende ist verfassungsgemäß.

2. Fehlt es am vorherigen Bezug von Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit, entfällt diese Anreizwirkung des Elterngeldes und stellt sich die Zahlung des Elterngeldes nicht als Ersatz für ausgefallenes Erwerbseinkommen dar, sondern als einkommensunabhängige Fürsorgeleistung (vgl. SG Karlsruhe, Beschluss vom 17. März 2014 – S 15 AS 694/14 ER).

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

3.6 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.01.2015 – L 12 AS 2410/14 B ER – rechtskräftig

Arbeitslosengeld II – Mehrbedarf – unabweisbarer laufender besonderer Bedarf – Kosten der Wahrnehmung des Umgangsrechts mit einem getrennt lebenden Kind – Getrenntleben der Eltern iS des Familienrechts

Vater hat keinen Anspruch auf (weitere) Leistungen für die Kosten einer Reise zu seinen Söhnen nach Venezuela.

Leitsätze (Autor)
1. Ein Anspruch auf einen Mehrbedarf nach § 21 Abs. 6 SGB II für den Besuch eines von dem Elternteil getrennt und bei dem anderen Elternteil lebenden Kindes besteht nicht, wenn die Eltern zwar räumlich, nicht aber im Sinne des Familienrechts getrennt leben (vgl. Thüringer LSG, Urt. v. 19.03.2014 – L 4 AS 1560/12 – anhängig beim BSG unter dem Az. B 4 AS 27/14 R).
 
2. Die Sicherstellung eines menschenwürdigen Existenzminimums gebiete jedoch nicht die Gewährung staatlicher Transferleistungen zur Finanzierung von Folgekosten bzw. Bedarfen, welche sich aus einer bestimmten Gestaltung des eigenen Lebens aufgrund eines freien Entschlusses des Hilfebedürftigen ergeben (vgl. Thüringer LSG, Urt. v. 19.03.2014 – L 4 AS 1560/12 -).

3. Die von dem Antragsteller gewünschten Besuchskontakte dienen nicht der einzigen Möglichkeit der Ausübung seines Umgangs- bzw. Sorgerechts mit seinen Söhnen, sondern vielmehr der zeitweisen Herstellung des familiären Zusammenlebens. Insoweit wäre der Antragsteller aber gehalten, dieses durch eine Familienzusammenführung mittels eines Umzugs seiner Familie nach Deutschland oder von ihm zurück nach Venezuela zu verwirklichen. Ein anderes Ergebnis ergebe sich auch nicht aus Art. 6 GG, da es sich dabei primär um ein Abwehrrecht handele, aus dem sich Ansprüche auf konkrete staatliche Leistungen nicht herleiten lassen (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 11.05.2012 – L 15 AS 341/11 B ER).

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

3.7 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.01.2015 – L 19 AS 2274/14 B – rechtskräftig

Zu den Kosten i.S.v. § 22 Abs. 6 S. 1 SGB II zählen auch unvermeidbare doppelte Mietaufwendungen (a.A. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31.01.2013 – L 34 AS 721/11: Anspruchsgrundlage sei insoweit § 22 Abs. 1 S. 1 SGB II).

Leitsätze (Autor)
1. Der kurzfristige Auszug aus der bisherigen Wohnung ohne Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist für die Antragstellerin ist „aus anderen Gründen“ i.S.v. § 22 Abs. 6 S. 2 SGB II notwendig gewesen. Es lag ein aus objektiven Gründen erforderlicher Umzug der Antragstellerin in die Mutter-Kind-Einrichtung auf Betreiben des Jugendamtes vor, weil anderenfalls die Gefahr der Inobhutnahme ihres Kindes bestand.

2. Selbst wenn ein Anspruch der wegen des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 4 S. 1 SGB II gegen das JC ausgeschlossen ist und die Antragst. damit nicht mehr dem Leistungsregime des SGB II unterfallen sollte, ist zu prüfen, ob sie nunmehr demjenigen des SGB XII unterfällt. Diese Leistungssysteme stehen – grundsätzlich – zueinander im Verhältnis der Exklusivität (und damit der Alternativität), vgl. § 5 Abs. 2 S. 1 SGB II, § 21 S. 1 SGB XII. Erwerbsfähige Hilfebedürftige, bei denen ein Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 SGB II vorliegt, können deshalb Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII erhalten (vgl. BSG, Urteil vom 12.12.2013 – B 8 SO 24/12 R – (zum Anspruch auf Übernahme von Mietkosten während einer Inhaftierung)).

3. Sofern aufgrund der Unterbringung der Antragst. in einer Mutter-Kind-Einrichtung auch ein Anspruch nach dem SGB XII ausscheiden sollte, weil nach § 10 Abs. 4 S. 1 SGB VIII die Leistungen nach dem SGB VIII den Leistungen nach dem SGB XII grundsätzlich vorgehen, ist schließlich zu prüfen, ob eine Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem SGB VIII – in Betracht kommt insoweit § 19 Abs. 3 SGB VIII – zu erfolgen hat.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

4.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

4.1 – SG Oldenburg, Urteil v. 14.01.2015 – S 42 AS 1737/12 – Die Berufung wird zugelassen (unveröffentlicht)

SG Oldenburg kippt Mietspiegel in Delmenhorst – Hartz-IV-Empfänger können höhere Mieten einfordern – Für Bewilligungszeiträume ab 2012 ist auf die um zehn Prozent pauschal zu erhöhenden Werte aus § 12 WoGG abzustellen – Zur Überprüfung und Fortschreibungspflicht eines auf einem qualifizierten Mietspiegel beruhenden Konzepts nach § 22 Abs. 1 S.1 SGB II

Leitsätze (Autor)
1. Der Grundsicherungsträger ist auch bei einem nach § 22 Abs. 1 SGB II erstellten Konzept verpflichtet, die dadurch bestimmten Referenzmieten mindestens alle zwei Jahre zu überprüfen und ggf. fortzuschreiben.

2. Der Aktualität des einem schlüssigen Konzepts nach § 22 Abs. 1 SGB II zugrunde gelegten Datenmaterials sind Grenzen gesetzt (vgl. BSG, Urteil vom 10. September 2013 – B 4 AS 77/12 R). Das SGB II selbst bestimmt nicht, innerhalb welcher Frist und in welchem Umfang die Leistungsträger die Schlüssigkeit eines aus den Daten eines qualifizierten Mietspiegels abgeleiteten Konzepts nach § 22 Abs. 1 SGB II durch eine erneute Datenerhebung oder -fortschreibung zu überprüfen haben. Unter Heranziehung des § 22 c Abs. 2 SGB II ist es gerechtfertigt analog auch in den Fällen, in denen die Kosten der Unterkunft nicht durch kommunale Satzung bestimmt werden, auf eine Zweijahresfrist abzustellen.

3. Denn es wäre nicht sachgerecht, an eine kommunale Satzung, für die letztlich auch die Daten eines qualifizierten Mietspiegels herangezogen werden können (vgl. § 22 c Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II) andere Anforderungen zu stellen.

4. Trifft den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten eine Kostensenkungsobliegenheit, sind die Leistungen für Unterkunft nach dem SGB 2 – bei festgestelltem Ausfall der lokalen Erkenntnismöglichkeiten – auch unter der Geltung des § 12 Wohngeldgesetz neuer Fassung auf die Werte der Wohngeldtabelle zuzüglich eines Zuschlags von 10 vom Hundert zu begrenzen.

5. Im Rahmen der Einkommensanrechnung ist Kindergeld für mehr als zwei Kinder entsprechend der Anzahl der Kinder, für die Kindergeld bezogen wird, gleichmäßig aufzuteilen (LSG NSB, Urt. v. 30.01.2013 – L 13 AS 67/11, a. A. Thüringer LSG, Urteil vom 17. April 2014 – L 9 AS 1180/13).

Anmerkung 1:
S. a.: ALG II – Sozialgericht Oldenburg kippt Delmenhorster Mietspiegel, eine Kurzanmerkung vom vertretenden RA Thomas Kauf: www.rechtsanwalt-kauf.de

Anmerkung 2:
SG Oldenburg kippt Mietspiegel in Delmenhorst – Hartz-IV-Empfänger können höhere Mieten einfordern. Künftig sollen die Werte aus der Wohngeldtabelle plus 10 Prozent gelten: Eine Person bekommt dann 363,00 Euro. Zwei Personen: 442,20 Euro, drei Personen: 526,90 Euro, vier Personen: 611,60 Euro, fünf Personen: 701,80 Euro und für jede weitere Person im Haushalt 84,70 Euro. Weiterlesen: www.noz.de

Anmerkung 3:
Ebenso Urteil vom gleichen Tage – SG Oldenburg, Urteil vom 14.01.2015 – S 42 AS 479/12

4.2 – Sozialgericht Oldenburg, Urteil vom 14.01.2015 – S 42 AS 479/12 – Berufung zugelassen

Grundsicherungsrelevanter Mietspiegel kein schlüssiges Konzept für die Bemessung der Unterkunftskosten.

Die Bemessung der Kosten der Unterkunft für Hartz IV-Empfänger durch das Jobcenter Delmenhorst beruht für Bewilligungszeiträume ab Januar 2012 nicht auf einem „schlüssigen“ Konzept.

Leitsatz (Autor)
1. Das Jobcenter wäre verpflichtet gewesen, regelmäßig zu überprüfen, ob die Zahlen des Konzeptes die soziale Wirklichkeit am Wohnungsmarkt von Delmenhorst noch zeit- und realitätsgerecht abbilden. Das Gericht orientierte sich dabei an der für kommunale Satzungsgeber geltenden 2-Jahres Frist.

2. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts müsse in einem solchen Fall die Angemessenheit der Kosten der Unterkunft auf der Basis der Wohngeldtabelle mit einem Sicherheitsaufschlag von 10 Prozent ermittelt werden.

Anmerkung:
S. a.: Pressemitteilung des SG Oldenburg vom 29.01.2015 – „Grundsicherungsrelevanter Mietspiegel“ kein schlüssiges Konzept für die Bemessung der Unterkunftskosten

Das Sozialgericht hat die Berufung gegen dieses Urteil zugelassen, weil die Frage der Überprüfung und regelmäßigen Fortschreibung des „Grundsicherungsrelevanten Mietspiegels“ durch das Jobcenter höchstrichterlich noch nicht geklärt ist.

Weiterlesen und zum Volltext der Entscheidung hier: www.sozialgericht-oldenburg.niedersachsen.de

4.3 – Sozialgericht Berlin, Beschluss vom 15.01.2015 – S 191 AS 115/15 ER

Kein Anspruch auf Skiausrüstung für Klassenfahrt
 
Leitsätze (Autor)
1. Das Jobcenter muss keine zuschussweise Leistungen für eine Skiausrüstung im Eilverfahren erbringen, wenn der Antragsteller die begehrten Leistungen drei Tage vor Antritt der Klassenfahrt beantragt hatte und es den Eltern des Antragstellers durch die Bildung von Rücklagen, z.B. aus den dem Vater des Antragstellers monatlich zur Verfügung stehenden Erwerbstätigenfreibeträgen von ca. 200,- EUR monatlich, grundsätzlich möglich gewesen wäre, die Dinge leihweise anzuschaffen.

2. Unterwäsche und Handschuhe seien Gegenstände, die aus den üblichen Mitteln des Regelsatzes zu finanzieren seien, wenn nötig durch Ansparen.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

Anmerkung 1:
Vgl. LSG NRW, Beschluss v. 04.02.2008 – Kosten der Ausleihe einer Skiausrüstung mit Schutzhelm sind vom JC nach § 24 Abs. 3 SGB II zu übernehmen.

Anmerkung 2:
S. a. Pressemitteilung Berlin, den 30.01.2015 – Sozialrecht im Alltag: Hartz IV: Kein Anspruch auf Skiausrüstung für die Klassenfahrt: www.berlin.de

4.4 – SG Stade, Beschluss vom 28.01.2015 – S 17 AS 5/15 ER

Kenntnis der Rechtsfolgen, Rechtsfolgenbelehrung, Sanktionsbescheid – Sachleistungen

Sanktionsbescheid ist rechtswidrig, denn der Sanktionstatbestand setzt voraus, dass eine schriftliche Belehrung über die Rechtsfolgen erfolgt ist oder insoweit Kenntnis bestand.

Leitsätze (Autor)
1. Pflichtverletzungen können gemäß § 31 Abs. 1 SGB II nur sanktioniert werden, wenn Leistungsberechtigte ihre Pflichten trotz schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen oder deren Kenntnis verletzen. Weder ist hier eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Rechtsfolgenbelehrung erfolgt noch kann der Antragstellerin Kenntnis von den Rechtsfolgen nachgewiesen werden.

2. Der Hinweis, dass die Antragstellerin Sachleistungen oder geldwerten Leistungen (§ 31a Abs 3 Satz 1 SGB II) auf Antrag erhalten könne, reicht nicht aus (vgl LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 21.04.2010 – L 13 AS 100/10 B ER – , Rn 5 zur wortgleichen Vorgängernorm § 31 Abs 3 Satz 6 SGB 11 aF).

Quelle: Rechtsanwälte Beier & Beier, Gröpelinger Heerstraße 387, 28239 Bremen, hier zum Volltext: www.kanzleibeier.eu

4.5 – Sozialgericht Düsseldorf, Beschluss vom 9. Januar 2015 (Az.: S 35 AS 4619/14 ER):

Leitsätze Dr. Manfred Hammel:
Ein Jobcenter kann die Bewilligung von Arbeitslosengeld II nicht mit der Begründung ablehnen, der Antragsteller habe einen bestimmten Nachweis nicht vorgelegt, wenn es dem SGB II-Träger seinerseits ohne weiteres möglich ist, sich diesen Bescheid selbst zu beschaffen (z. B. über eine Anforderung eines Rentenbescheids beim Träger der gesetzlichen Rentenversicherung direkt im Wege der Amtshilfe nach den §§ 3 und 4 SGB X).

Die Versagung von Leistungen wegen mangelnder Mitwirkung entsprechend den §§ 60 ff. SGB I stellt keine Sanktion dafür dar, dass ein Antragsteller dem Jobcenter bestimmte Unterlagen nicht vorlegt, sondern es handelt sich hier um eine besondere Rechtsfolge, weil ein Sachverhalt ohne die Mitwirkung der um öffentliche Unterstützung nachsuchenden Person nicht aufklärbar ist.

Anmerkung:
Vgl. LSG NRW, Beschluss vom 10.02.2014 – L 19 AS 54/14 B ER – Keine Versagung von ALG II – Leistungen bei Nichtvorlage der Rentenauskunft durch den Leistungsbezieher, denn dem JC steht die Möglichkeit offen, den Antragsteller unter Fristsetzung zur Rentenantragstellung nach § 5 Abs. 3 S. 1 SGB II aufzufordern und bei Unterlassen der Antragstellung innerhalb der Frist selbst einen Antrag zu stellen.

5.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zum Arbeitsförderungsrecht (SGB III)

5.1 – Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 11.12.2014 – L 10 AL 142/13

Kürzung des Bemessungsentgeltes, Nebeneinkommen, Nebentätigkeit

Leitsatz (Juris)
Wird die Verfügbarkeit aufgrund einer Nebentätigkeit ausdrücklich auf eine geringere Stundenzahl beschränkt, als die der vorhergehenden Beschäftigung, ist das Bemessungsentgelt entsprechend zu kürzen. Auch die Anrechnung des Nebeneinkommens unter Berücksichtigung des Freibetrages ist zulässig.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

Anmerkung:
Die Gründe, weshalb der Antragsteller seine Verfügbarkeit für die Vermittlungstätigkeit der Agentur für Arbeit beschränkt hat, sind – im Gegensatz zur früheren Rechtslage – nach § 131 Abs 5 Satz 1 SGB III aF nicht von Bedeutung. Es steht dem Arbeitslosen grundsätzlich frei, die Zahl der Wochenstunden seiner Verfügbarkeit zu begrenzen.

6.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB X II)

6.1 – LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Dezember 2014 (Az.: L 2 SO 4042/14):

Leitsätze Dr. Manfred Hammel:
Bei einem dauerhaft voll erwerbsgeminderten Antragsteller kann ein individueller Mehrbedarf für die Anschaffung von Bekleidung und Schuhen in Übergröße nur dann über eine abweichende Bemessung des Regelbedarfs entsprechend § 42 Nr. 1 SGB XII in Verbindung mit § 27a Abs. 4 Satz 1 SGB XII finanziert werden, wenn dieser erhöhte Bedarf auch detailliert nachgewiesen ist. Antragsteller haben hier zur Untermauerung ihres Begehrens aussagekräftige Belege dafür vorzulegen, in welcher Höhe ihnen tatsächlich Kosten für die Anschaffung derartiger Bekleidungsgegenstände und Schuhe entstanden sind. Es hat eine erhebliche Abweichung von einem durchschnittlichen Bedarf definitiv festzustehen. Reine Behauptungen sind nicht ausreichend. Antragstellern kann es durchaus zugemutet werden, sich zunächst nach günstigen, im Internethandel bestehenden, günstigen Angeboten umzusehen, was gesellschaftlich weit verbreitet ist.

Kosten für die Anmietung von Stellplätzen / Garagen sind grundsätzlich nicht als Kosten der Unterkunft im Sinne des § 42 Nr. 4 SGB XII in Verbindung mit § 35 Abs. 1 bis 3 SGB XII aufzufassen, weil solche Einrichtungen nicht unmittelbar der Unterbringung von Menschen dienen. – Die Kosten für diesen Bedarf sind vom Sozialhilfeträger ausnahmsweise dann anzuerkennen, wenn

– die Wohnung ohne den Stellplatz nicht anmietbar ist,

– die Garagen-/Stellplatzmiete wegen fehlender „Abtrennbarkeit“ dieses Kostenpunkts nicht dazu führt, dass die Unterkunftskosten in ihrer Gesamtheit von unangemessener Höhe sind (§ 35 Abs. 2 Satz 1 SGB XII) sowie

– sämtliche zumutbaren Möglichkeiten zur Verhinderung oder Verringerung dieser zusätzlichen Mietkosten ausgeschöpft sind. Dies ist dann der Fall, wenn eine Untervermietung der Garage oder des Stellplatzes entweder rechtlich nicht möglich ist (wegen einem aus dem Mietvertrag oder der Hausordnung hervorgehendem, entsprechenden Verbot), oder eine Weitervermietung trotz ernsthafter, erwiesener Bemühungen des bedürftigen Mieters erwiesenermaßen gescheitert ist.

6.2 – LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 10. Dezember 2014 (Az.. L 2 SO 4058/13):

Leitsätze Dr. Manfred Hammel:
Hilfe zur Beschaffung eines Kraftfahrzeugs (§ 8 Abs. 1 Satz 1 EingliederungshilfeVO) ist von einem Sozialhilfeträger nur dann zu gewähren, wenn die Notwendigkeit der wiederkehrend häufigen Nutzung eines eigenen Pkw vom Antragsteller dezidiert nachgewiesen ist, d. h. wenn der einzelne behinderte Mensch nur mit Hilfe seines Kfz zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft fähig ist.

Hiervon kann nicht ausgegangen werden, wenn einem behinderten Menschen andere Möglichkeiten als die Benutzung eines eigenen Kfz im ausreichenden Umfang zur Verfügung stehen, mit denen die Teilhabeziele zumutbar verwirklichbar sind. Eine Anpassung der Bedürfnisse des behinderten Menschen an die Verkehrszeiten des Stadtbusses ist zumutbar.

6.3 – LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 15. Oktober 2014 (Az.: L 2 SO 2489/14):

Zur Anwendbarkeit des Anspruchsausschluss nach § 41 Abs. 4 SGB XII aus verhaltensbedingten Gründen.

Leitsätze Dr. Manfred Hammel:
§ 41 Abs. 4 SGB XII stellt zentral auf das Handeln der einzelnen antragstellenden Person ab und lehnt sich an die Kostenersatzregelung des § 103 SGB XII an.

Die Sorgfaltspflicht bemisst sich bei § 41 Abs. 4 SGB XII nach subjektiven Merkmalen. Das von § 41 Abs. 4 SGB XII geforderte sozialwidrige Verhalten setzt zentral ein schuldhaftes Handeln voraus, d. h. die Fähigkeit, das Rechtswidrige des Tuns einzusehen, was wiederum ursächlich für den Eintritt der Bedürftigkeit im Sinne des § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB XII zu sein hat.

Die materielle Beweislast für das Vorliegen des aus § 41 Abs. 4 SGB XII hervorgehenden Ausschlusstatbestands liegt beim Sozialhilfeträger.

Wer in den unmittelbar vor der Antragstellung nach § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB XII liegenden Jahren sein ansehnliches Vermögen in der Weise systematisch vermindert, indem monatlich für die Finanzierung eines gehobenen Lebensstandards ein dem viereinhalbfachen des Regelbedarfs entsprechender Betrag ausgegeben wird, der hat zumindest grob fahrlässig seine Hilfebedürftigkeit herbeigeführt, so dass § 41 Abs. 4 SGB XII Anwendung findet.

Ein derart massiver Verbrauch von einst bestehendem Vermögen innerhalb von wenigen Jahren steht für gerade keinen verantwortungsvollen Umgang mit Geldmitteln zur Sicherung des notwendigen Lebensunterhalts.

Dies gilt gerade dann, wenn es sich bei der Antragstellerin um eine ehemalige Freiberuflerin handelt, die diesen Aspekt hätte erkennen können.

7.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB X II)

7.1 – Sozialgericht Mainz, Beschluss vom 19. November 2014 (Az.: S 16 SO 148/14 ER):

Leitsätze Dr. Manfred Hammel:
Zum Anspruch eines schwerbehinderten Menschen auf höhere Leistungen zur Teilhabe an der Gemeinschaft nach den §§ 53 und 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII in Verbindung mit § 55 Abs. 2 Nrn. 3, 6 und 7 SGB IX sowie der ambulanten Pflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung gemäß den §§ 61 und 63 SGB XII in Form des Gesamtbudgets.

Im Rahmen des Arbeitgebermodells ist in Bezug auf die vom antragstellenden Behinderten benötigte Nachtbereitschaft und die hiermit verbundenen Lohnkosten wahrscheinlich, dass diese Einsätze mit demselben Mindestsatz zu vergüten sind wie Arbeitsleistungen während der Vollarbeitszeit, was den schwerbehinderten Antragsteller als Arbeitgeber bindet und vom Sozialamt als Kostenträger anzuerkennen ist.

Leistungen des Case-Managements führen zu einer Anlernung und Unterstützung des behinderten Antragstellers mit dem Ziel, bestimmte Tätigkeiten in Zukunft selbstständig übernehmen zu können. Dies führt langfristig zu einer Reduzierung des Hilfebedarfs, weshalb entsprechende Leistungen grundsätzlich nicht unangemessen sind.

Einzig die Tatsache, dass ein behinderter Antragsteller keine weitere, durch einen bestimmten Dienstleister erbrachte Unterstützung mehr wünscht und einen anderen Anbieter bevorzugt, ändert nichts am Umfang des bislang feststellbaren Betreuungsbedarfs und den tatsächlichen Verhältnissen, soweit der Bedarf betroffen ist.

7.2 – Sozialgericht Aachen, Urteil vom 27.01.2015 – S 20 SO 148/14

Sozialhilfe – Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung – Prüfung der Angemessenheit der Unterkunftskosten – keine erneute Schonfrist bei Trägerwechsel – gesundheitliche Beschwerden (Diabetes, Gehbeschwerden)

Leitsätze (Autor)
1. Trifft den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten eine Kostensenkungsobliegenheit, sind die Leistungen für Unterkunft nach dem SGB 2 – bei festgestelltem Ausfall der lokalen Erkenntnismöglichkeiten – auch unter der Geltung des § 12 Wohngeldgesetz neuer Fassung auf die Werte der Wohngeldtabelle zuzüglich eines Zuschlags von 10 vom Hundert zu begrenzen.

2. Der Umstand des Wechsel der Leistungen vom SGB II auf das SGB XII und der dadurch bedingte Wechsel des Leistungsträgers bedingen nicht, dass der Hilfebedürftige (HB) erneut auf die Unangemessenheit seiner KdU hingewiesen werden muss und eine erneute Frist von sechs Monaten hat, in der die KDU in tatsächlicher Höhe zu berücksichtigen wären. Denn die Mitteilung des Jobcenters über die Unangemessenheit der KdU wirkt angesichts der Gleichartigkeit der Rechtsgrundlagen und des anzulegenden KdU-Maßstabes fort; eine erneute „Schonfrist“ entspricht nicht dem Sinn und Zweck des Gesetzes.

3. Der HB ist weder durch seine vorgetragenen gesundheitlichen Beschwerden (Diabetes, Gehbeschwerden) noch sein Alter gehindert, in eine preisgünstigere Unterkunft umzuziehen. Wenn der HB für Wohnungsbesichtigungen und/oder einen Umzug in eine andere kostengünstigere Wohnung der Hilfe Dritter bedürfte, eröffnet § 35 Abs. 2 Satz 5 SGB XII die Möglichkeit, dass Wohnungsbeschaffungs- und Umzugskosten vom Träger der Sozialhilfe übernommen werden.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

8.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zum Asylrecht (AsylblG)

8.1 – Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 27.11.2014 – L 8 AY 57/14 B ER

Kein pauschaler Mehrbedarfsanspruch für alleinerziehende Hilfebedürftige nach dem AsylbLG

Leitsätze (Juris)
1. Bei den Leistungen nach §§ 3 ff. AsylbLG, insbesondere nach § 6 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG, sind pauschale Mehrbedarfe für Alleinerziehende nicht vorgesehen. Insoweit ist der konkrete, ggf. durch Geld-, Sach- oder Dienstleistungen zu deckende Bedarf maßgeblich.

2. Die Entscheidung des Gesetzgebers, wegen des Bedarfs bei Alleinerziehung einerseits im SGB II und dem SGB XII pauschale Geldleistungen zu erbringen und andererseits im AsylbLG eine konkret individuelle Bedarfsdeckung vorzusehen, verstößt nicht gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums nach Art. 1 Abs. 1 GG i.V. mit Art. 20 Abs. 1 GG und auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

Anmerkung:
Vgl. zum Mehrbedarf für Alleinerziehende nach § 6 Abs. 1 AsylbLG: LSG NRW, Beschluss vom 18.12.2014 – L 20 AY 76/14 B ER – und – L 20 AY 77/14 B ER.

8.2 – Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 04.09.2014 – L 8 AY 70/12 – Die Revision wird zugelassen.

Zum Prüfungszeitpunkt des Wegfalls der Bedürftigkeit bei nachträglich zu erbringenden Leistungen nach § 44 SGB X

Leitsätze (Juris)
1. Eine Behörde, die den ursprünglichen im Rahmen eines Verfahrens nach § 44 SGB X zu überprüfenden Verwaltungsakt erlassen hat, ist nur dann nach § 44 Abs. 3 SGB X nicht mehr für die begehrte Änderung zuständig, wenn sie entweder zu keinem Zeitpunkt zuständig war oder ihre Zuständigkeit nach Erlass des Verwaltungsaktes, um dessen Beseitigung es geht, entfallen ist (zum Beispiel wegen Wegfalls der sachlichen Zuständigkeit). Ein Wechsel der örtlichen Zuständigkeit ist insoweit unbeachtlich.

2. Für die Frage des maßgeblichen Zeitpunkts eines anspruchsvernichtenden Bedürftigkeitswegfalls bei einem Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X (hierzu BSG Urteil vom 29.09.2009 – B 8 SO 16/08 R) ist nach allgemeinen prozessualen Grundsätzen und wegen des Gebots des effektiven Rechtsschutzes auf den Zeitpunkt der Antragstellung i.S. des § 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X bzw. bei einem von Amts wegen eingeleiteten Verwaltungsverfahren auf das Datum der Einleitungsverfügung abzustellen.

Revision eingelegt B 7 AY 3/14 R

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

9.   Entscheidungen der Sozialgerichte zum Asylrecht (AsylblG)

9.1 – Sozialgericht Stade, Beschluss vom 27.01.2015 – S 33 AY 33/14 ER

Regelbedarfsstufe 3, AsylblG, Kinder im Alter von 18-25 Jahren

Dem Antragsteller sind Leistungen nach der Regelbedarfsstufe 1 zu gewähren.

Leitsätze (Autor)
1. Volljähriger Antragsteller, der mit seinen Eltern und Geschwistern in einem Haushalt zusammenlebt und diesen mit führt, hat Anspruch auf ungekürzte Grundleistungen gemäß §§ 1, 3 AsylbLG nach Maßgabe der Regelbedarfsstufe 1 (BSG, Urteil vom 23.07.2014 – B 8 SO 14/13 R).

2. Eine andere Bewertung ergibt sich auch nicht aus der tatsächlich bestehenden Ungleichbehandlung unterfünfundzwanzigjähriger Leistungsbezieher nach dem SGB II und dem SGB XII/AsylbLG.

Unverheiratete Volljährige bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres, die in einem gemeinsamen Haushalt mit anderen Erwachsenen leben, ohne Ehegatten oder Partner zu sein, erhalten damit im Rahmen des SGB II Leistungen nur in einer Höhe, die der Regelbedarfsstufe 3 gemäß § 8 Abs 1 Nr 3 des Gesetzes zur Ermittlung der Regelbedarfe nach § 28 SGB XII (RBEG) entspricht, während sie im Rahmen des SGB XII aufgrund der Rechtsprechung des BSG im Regelfall Anspruch auf Leistungen der Regelbedarfsstufe 1 haben, sofern sie nicht ausnahmsweise in einem „fremden“ Haushalt leben. Diese Ungleichbehandlung, deren Verfassungsmäßigkeit hinterfragt werden kann (ausdrücklich offen gelassen vom BSG, Urteil vom 23.07.2014 – B 8 SO 14/13 R) trifft nachteilig aber die Leistungsbezieher nach dem SGB II und nicht nach dem SGB XII oder AsylbLG, wie im vorliegenden Fall.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

Anmerkung:
Ebenso – SG Hildesheim, Beschluss vom 20.10.2014 – S 42 AY 26/14 ER.

9.2 – Sozialgericht Stade, Beschluss vom 27.01.2015 – S 33 AY 32/14 ER

Dem Antragsteller sind Leistungen nach der Regelbedarfsstufe 1 zu gewähren.

Leitsätze (Autor)
1. Die Regelbedarfsstufe 3 kommt im Falle des Zusammenlebens mit anderen (außerhalb von stationären Einrichtungen) erst zur Anwendung, wenn keinerlei eigenständige oder eine nur gänzlich unwesentliche Beteiligung an der Haushaltsführung vorliegt. Ausschließlich in diesem Fall ist der Haushalt, in dem die leistungsberechtigte Person lebt, ein „fremder Haushalt“.

2. Vater, der mit seinem Sohn, Schwiegertochter und Enkel in einem Haushalt zusammenlebt und diesen mit führt, hat Anspruch auf ungekürzte Grundleistungen gemäß §§ 1, 3 AsylbLG nach Maßgabe der Regelbedarfsstufe 1 (BSG, Urteil vom 23.07.2014 – B 8 SO 14/13 R).

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

10.   SG Braunschweig, Beschluss vom 08.12.2014 – S 33 AS 653/13 ER – Anmerkung von Rechtsanwalt Prof. Dr. Hermann Plagemann, Plagemann Rechtsanwälte, Frankfurt a.M.

SG Braunschweig: Zumutbarkeit einer Maßnahme

1. Maßnahmen zur Aktivierung und beruflichen Eingliederung in Arbeit gem. § 16 SGB II, § 45 SGB III können dem Hilfebedürftigen nur nach Ausübung des Ermessens angeboten werden. Dabei sind auch die Zumutbarkeitskriterien des § 10 SGB II zu beachten.

2. Bei einer Sanktionierung ist die Rechtmäßigkeit der Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit auch insoweit inzident zu überprüfen, als es um die Zumutbarkeit geht. (Leitsätze des Verfassers)

Praxishinweis
Es ist längst bekannt, dass es Extremfälle gibt, in denen weder das SGB II noch das SGB XII (früher BSHG) ausreichende Handhaben zur Verfügung stellt, um solche Personen zu motivieren, sich in das Erwerbsleben einzugliedern bzw. eingliedern zu lassen. Der Beschluss des SG hilft allenfalls vorübergehend weiter: Sind alle Maßnahmen unzumutbar, könnte man einwenden, der Antragsteller gehöre gar nicht mehr zum Personenkreis der nach §§ 7 ff. SGB II Leistungsberechtigten. Mangels Zumutbarkeit jeder Tätigkeit oder Eingliedermaßnahme bestehen dann Zweifel am Vorliegen einer Resterwerbsfähigkeit. Die „Überleitung“ in die Grundsicherung nach dem SGB XII ist allerdings weder gesellschaftspolitisch noch sozialpolitisch akzeptabel.

Quelle: beck-fachdienst Sozialversicherungsrecht – FD-SozVR 2015, 365518: https://beck-aktuell.beck.de

11.   BGH, Beschluss vom 26. November 2014 – Az.: XII ZB 542/13

Leitsatz (Juris)
Der Einsatz eines aus sozialen Ausgleichsleistungen nach den §§ 16 ff. StrRehaG angesparten Vermögens für die Vergütung des Berufsbetreuers stellt für den Betreuten eine Härte i.S.v. § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII dar. Dies gilt auch für die damit erwirtschafteten Zinsen.

Quelle: juris.bundesgerichtshof.de

Anmerkung:
S. a.: Sozialamt darf nicht auf Haftopferentschädigung zugreifen: www.juraforum.de

12.   Bundessozialgericht, Urteil vom 02.12.2014 – B 14 AS 60/13 R

Anmerkung von RA Mathias Klose – Erstattung der Rechtsanwaltsgebühren im Widerspruchsverfahren: sozialrecht-aktuell.blogspot.de

13.   KOS: Existenzsicherung mit und ohne Erwerbsarbeit

Das „Bündnis für ein menschenwürdiges Existenzminimum“ gibt keine Ruhe und hat erneut eine deutliche Erhöhung der Hartz-IV-Regelsätze gefordert. Um die Debatte zu beleben, veranstaltete das Bündnis Ende November eine Fachtagung. Nun ist die Dokumentation der Tagung online.

Bei der Fachtagung wurden Zusammenhänge und Wechselwirkungen zwischen der  „Existenzsicherung mit und ohne Erwerbsarbeit“ diskutiert.

Die gesamte Dokumentation (PDF-Dokument, 2 MB) gibt es hier: www.erwerbslos.de

Anlässlich der Tagung hat das Bündnis sein Positionspapier aktualisiert (Stand Januar 2015), das erhebliche Fehlbeträge bei den Regelsätzen nachweist. Das Positionspapier (DIN A4 Broschüre, 40 Seiten plus Aktualisierungseinleger) kann bei der KOS kostenfrei bestellt werden: www.erwerbslos.de

Autor des Rechtsprechungstickers: Willi 2 von Tacheles – alias Detlef Brock

Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de