Rechtsprechungsticker von Tacheles KW 11/2015

1.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

1.1 – LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 12. Januar 2015 (Az.: L 11 AS 1310/14 B ER):

Leitsätze Dr. Manfred Hammel
1. Wer als um Arbeitslosengeld II nachsuchende Person über erhebliche Mittel verfügte bzw. verfügt, deren Verbleib bzw. Verbrauch vom Antragsteller nicht plausibel dargelegt werden kann, der führt nicht den für die Bejahung einer Hilfebedürftigkeit (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB II in Verbindung mit § 9 SGB II) als Voraussetzung für eine Leistungsberechtigung nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erforderlichen Nachweis.

2. Soweit ein Bezieher von Leistungen nach dem SGB II geltend macht, dass ihm ein einmal zugeflossener Vermögenswert (§ 12 Abs. 1 SGB II) nicht mehr zur Verfügung steht, so trägt er hierfür die Vortrags- und Beweislast.

3. Kann sich ein Jobcenter wegen unzureichender Angaben und Unterlagen des Antragstellers kein hinreichend klares Bild über seine wahre, aktuell sich darstellende Einkommens- und Vermögenssituation verschaffen, dann ist eine Hilfebedürftigkeit (§ 9 SGB II) nicht feststellbar.

4. Eine für den Antragsteller positive Entscheidung ist nur bei einer lückenlosen Offenlegung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse, d. h. bei einer von ihm im hinreichenden Maße praktizierten Mitwirkung (§§ 60 ff. SGB I) möglich.
 
Anmerkung:
S. a. Pressemitteilung des LSG NSB vom 11.03.2015: www.landessozialgericht.niedersachsen.de

1.2 – Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 10.02.2015 – L 11 AS 60/15 NZB

Keine Anerkennung eines Mehrbedarfs zur Anschaffung einer Gleitsichtbrille.

Leitsätze (Autor)
1. Die Kosten der Brille hat der Hilfeempfänger aus dem Regelbedarf zu bestreiten.

2. Die Anschaffung einer neuen Brille stellt keinen besonderen und auch keinen laufenden unabweisbaren Bedarf im Sinne des § 21 Abs. 6 SGB II dar.

3. Es handelt sich auch nicht um eine Reparatur von therapeutischen Geräten und Ausrüstungen im Sinne des § 24 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II, denn die Anschaffung einer neuen Brille wegen veränderter Sehstärke (Gläser und Gestell) stelle keine Reparatur dar.
 
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

1.3 – Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 13.02.2015 – L 7 AS 23/15 B ER

Eingliederungsverwaltungsakt im einstweiligen Rechtsschutz

Leitsätze (Juris)
1. Ein Eingliederungsverwaltungsakt nach § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II ist gemäß § 39 Nr. 1 SGB II sofort vollziehbar. Statthaft ist im einstweiligen Rechtsschutz ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung nach § 86b Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG.

2. Wenn der Betroffene bereits gegen die Pflichten aus dem Verwaltungsakt verstoßen hat und noch kein Sanktionsbescheid nach § 31 SGB II vorliegt, begehrt er vorbeugenden Rechtsschutz gegen eine künftige Sanktion. Hierfür ist ein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse erforderlich. Dieses besteht nicht, wenn nachträglicher Rechtsschutz gegen den Sanktionsbescheid möglich und ausreichend ist.

3. Wenn der Betroffene die ihm auferlegten Pflichten befolgt, wendet er sich mit dem einstweiligen Rechtsschutz auch gegen die aktuelle Verpflichtung zu einem bestimmten Verhalten. Dann muss er geltend machen, dass diese Pflichten bereits jetzt auf Eis gelegt werden müssen.
 
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

 
1.4 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 19.02.2015 – L 7 AS 234/14 B – rechtskräftig

Versagung von Leistungen nach § 66 SGB I – Mitwirkungsobliegenheit nach § 60 Abs. 1 S. 1 SGB I – § 65 SGB I – selbstständige Tätigkeit – Vergangenheit

Das Jobcenter ist berechtigt gewesen, aufgrund der Nichtvorlage der geforderten Unterlagen die Leistungen nach § 66 Abs. 1 SGB I vollständig zu versagen.

Leitsatz (Autor)
1. Fordert das Jobcenter den Antragsteller auf, eine Aufstellung der tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben für einen bestimmten Zeitraum sowie diesbezüglich Nachweise vorzulegen, so ist diese Aufforderung, die den Vorgaben des § 3 Alg II-V zur Berechnung der Leistungen Selbständiger entspricht, vom Amtsermittlungsgrundsatz gedeckt (vgl. auch § 21 Abs. 1 Satz 1 SGB X) und der Leistungsempfänger aufgrund seiner Mitwirkungsobliegenheit nach § 60 Abs. 1 S. 1 SGB I dazu verpflichtet, dieser Aufforderung nachzukommen.

2. Diese Obliegenheit erstreckt sich – jedenfalls im vorliegenden Fall – auch auf in der Vergangenheit liegende Verhältnisse.
 
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

Anmerkung:
Ebenso LSG NRW, Beschl. v. 11.02.2015 – L 7 AS 312/14 B

1.5 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.02.2015 – L 7 AS 29/15 B ER – und – L 7 AS 30/15 B – rechtskräftig

Leistungsträger muss vorläufige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes anhand einer Folgenabwägung für italienischen Staatsangehörigen erbringen, da bei dem Antragsteller die Arbeitssuche zu bejahen ist.

Leitsatz (Autor)
Antragsteller hat glaubhaft gemacht, aufgrund der Heroinsubstitution dringend auf den durch die Zubilligung des Regelbedarfs gewährleisteten gesetzlichen Krankenversicherungsschutz (hierzu LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 24.09.2014 – L 19 AS 1680/14 B ER) angewiesen zu sein.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

Anmerkung:
Vgl. LSG BB, Beschluss vom 06.03.2015 – L 28 AS 354/15 B ER (n. v.) – Italienischer Antragsteller hat Anspruch auf vorläufige ALG II- Leistungen (Abschlag Regelbedarf 20%) im Rahmen der Folgenabwägung.

1.6 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25.02.2015 – L 2 AS 113/15 B ER – rechtskräftig

Rumänischer Antragsteller ist von SGB II- Leistungen ausgeschlossen.

Leitsatz (Autor)
1. Der Leistungsausschluss ist auch auf die EU-Bürger anwendbar, bei denen ein Aufenthaltsrecht zum Zwecke der Arbeitsuche nie bestanden hat oder fortgefallen ist und kein anderes Aufenthaltsrecht feststellbar ist (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 24.07.2014 – L 15 AS 202/14 B ER; Hessisches LSG, Beschluss vom 14.10.2009 – L 7 AS 166/09 B).

2. Dieser Auffassung hat sich der Senat bereits wiederholt angeschlossen (siehe Beschlüsse vom 03.12.2014 zum Az. L 2 AS 1623/14 B ER und vom 04.02.2015 zum Az. L 2 AS 2224/14 B ER).
 
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

1.7 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.02.2015 – L 7 AS 2213/14 B ER und – 2214/14 B – rechtskräftig

Leistungsträger muss Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes anhand einer Folgenabwägung für bulgarische Staatsangehörige erbringen, welche sich um Arbeit bemühen.

Leitsatz (Autor)
Der EuGH hat – entgegen der Auffassung des Leistungsträgers – in seiner Entscheidung vom 11.11.2014 (Az. C-333/13, Rechtssache Dano) die europarechtliche Konformität des in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II geregelten Leistungsausschlusses nicht ausdrücklich bestätigt. Die Entscheidung des EuGH beruht auf der Feststellung, dass Frau Dano sich nicht um Arbeit bemüht habe und es sich damit um eine Unionsbürgerin handele, die mit dem Ziel eingewandert sei, in den Genuss von Sozialhilfe zu kommen. Eine Entscheidung des EuGH für Personen, bei denen die Arbeitsuche zu bejahen ist, steht noch aus (BSG EuGH-Vorlage vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R; Az EuGH C-67/14, Rechtssache Alimanovic).

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

Anmerkung:
Ebenso LSG NRW, Beschl. v. 20.02.2015 – L 19 AS 2326/14 B

1.8 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.01.2015 – L 7 AS 1873/14 B – rechtskräftig

Keine Erteilung der Zusicherung nach § 22 Abs. 4 SGB II, wenn der Umzug nicht erforderlich ist – Durchgangszimmer

54 qm große Zweizimmerwohnung für Mutter und 1 jährigen Sohn ausreichend, Umzug in eine 59 qm große Wohnung nicht erforderlich.

Leitsätze (Autor)
1. Ein Umzug ist erforderlich, wenn ein plausibler, nachvollziehbarer und verständlicher Anlass vorliegt, von dem sich auch ein Nichthilfeempfänger leiten lassen würde und der nicht zumutbar auf andere Weise beseitigt werden kann.

2. Der 1 jährige Sohn der Antragstellerin verfügt über ein eigenes Kinderzimmer. Der Antragstellerin steht mit dem Wohnzimmer – auch wenn es sich um ein Durchgangszimmer handelt – ein Rückzugsort zur Verfügung.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

1.9 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.03.2015 – L 19 AS 1475/14 NZB – rechtskräftig

Zur Rechtsfrage, ob und unter welchen Umständen ein tatsächlich nicht zufließendes Kindergeld als Einkommen i.S.v. § 11 Abs. 1 S. 4 SGB II auf den Bedarf der Kinder anzurechnen ist.

Leitsatz (Autor)
1. Gegen die Aufrechnung mit Kindergeldansprüchen hätte sich die Hilfeempfängerin mit Hinweis auf ihre eintretende (vermehrte) Hilfebedürftigkeit nach dem SGB II wehren können, hat sie dies jedoch nicht – jedenfalls nicht zeitnah – beruht die Fortsetzung der Aufrechnung durch die Familienkasse daher alleine auf dem Verhalten der HE.

2. Ein Einkommen, das einem Leistungsberechtigten nicht ausgezahlt wird, sondern gepfändet (abgesehen vom Sonderfall titulierter Unterhaltsverpflichtungen, vgl. § 11b Abs. 1 S. 1 Nr. 7 SGB II) oder mit aufgelaufenen oder künftigen Forderungen des Gläubigers von diesem verrechnet wird, bewirkt beim Leistungsberechtigten einen „wertmäßigen Zuwachs“, weil er wegen der damit ggf. verbundenen Schuldbefreiung oder Verringerung anderweitiger Verbindlichkeiten aus der Vergangenheit oder Zukunft einen bestimmten, in Geld ausdrückbaren wirtschaftlichen Wert besitzt.
 
3. Im Fall der Schuldentilgung ist das Fehlen einer „tatsächlichen Verfügungsgewalt“ des Leistungsberechtigten über den als Einkommen berücksichtigten Geldbetrag grundsätzlich unerheblich.
 
4. Dies gilt ausnahmsweise nicht, wenn der Leistungsempfänger aus Rechtsgründen keine Möglichkeit hatte, die Vorenthaltung der betroffenen Einkommensbestandteile abzuwenden (BSG Urteil vom 10.05.2011 – B 4 KG 1/10 R) bzw. wenn ein Leistungsberechtigter diesen Geldbetrag auch aus Rechtsgründen überhaupt nicht oder nicht ohne weiteres realisieren konnte (vgl. (BSG Urteil vom 16.05.2012 – B 4 AS 132/11 R).
 
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

1.10 – LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 06.03.2015 – L 28 AS 354/15 B ER

Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung für einen Unionsbürger durch einstweiligen Rechtsschutz. Genereller Ausschluss der EU-Bürger ist trotz der Rechtsprechung des EuGH unzulässig.

Italienischer Antragsteller hat Anspruch auf vorläufige ALG II- Leistungen (Abschlag Regelbedarf 20%) im Rahmen der Folgenabwägung.

Leitsätze (Autor)
Die Frage, ob der Leistungsausschluss in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II gegenüber Unionsbürgern, die sich wie der Antragsteller zur Arbeitsuche in der Bundesrepublik aufhalten, Geltung beanspruchen kann oder ob (vorrangige) europarechtliche Regelungen ihn entweder verdrängen oder er zumindest in deren Lichte europarechtskonform in seinem Anwendungsbereich für Unionsbürger einschränkend auszulegen ist, ist nach wie vor offen (vgl. Beschluss des Senats vom 28.10.2014 – L 28 AS 2430/14 B ER).

Dieser Einschätzung steht auch nicht das Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom 11. November 2014 – C-333/13 – entgegen.

Zu der Frage, ob der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II europarechtskonform ist und welcher Personenkreis von dem gesetzlichen Leistungsausschluss betroffen ist, verhält sich die Entscheidung nicht (vgl. Beschluss des Senats v. 13.11.2014 – L 26 AS 2821/14 B ER).

Es spricht mehr dafür als dagegen, dass der EFA Vorbehalt den Antragsteller nicht wirksam vom ALG II – Bezug ausschließt (vgl. zu den rechtlichen Bedenken des Senats gegen den Vorbehalt Senatsbeschluss vom 12.09.2013 – L 28 AS 2353/13 B ER -, n. v.).

Quelle: Rechtsanwaltskanzlei Benno Lehmann, Erdmannstraße 6, 10827 Berlin (Schöneberg)

Anmerkung:
Vgl. LSG NRW, Beschluss vom 23.02.2015 – L 7 AS 29/15 B ER – und – L 7 AS 30/15 B – Leistungsträger muss vorläufige Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes anhand einer Folgenabwägung für italienischen Staatsangehörigen erbringen, da bei dem Antragsteller die Arbeitsuche zu bejahen ist.
 
 
 
2.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

2.1 – Sozialgericht Leipzig, Beschluss vom 19. Februar 2015 (Az.: S 19 AS 4859/14 ER):

SG Leipzig hat die seit dem 18. Dezember 2014 für das Gebiet der Stadt Leipzig gültigen Mietobergrenzen für Bezieher von Leistungen nach dem SGB II und SGB XII als rechtmäßig bestätigt.

Leitsätze Dr. Manfred Hammel
1. Die sich aus der zum 18. Dezember 2014 in Kraft gesetzten „Verwaltungsrichtlinie der Stadt Leipzig, Kosten der Unterkunft (Kapitel 1) – Angemessenheitsgrenzen, schlüssiges Konzept“ ergebenden Mietobergrenzen sind gerechtfertigt.

2. Die abstrakt angemessene Wohnfläche für einen Ein-Personen-Haushalt beträgt 45 qm.

3. Örtlicher Vergleichsraum für die Beurteilung der Angemessenheit der Höhe von Unterkunftskosten ist das gesamte Gebiet der Stadt Leipzig, da es sich hier um einen – insgesamt betrachtet – homogenen Lebens- und Wohnbereich handelt.

4. Als Grundlage für die Bestimmung der Referenzmiete nach § 22 Abs. 1 SGB II können auch einfache Mietspiegel herangezogen werden. Die hinter einem Mietspiegel liegenden Daten sind grundsätzlich geeignet, auch die grundsicherungsrechtliche Angemessenheitsgrenze zu bestimmen, sofern in diesem Rahmen weder eine Selektion „nach unten“ noch „nach oben“ stattfindet:

5. Angaben zur Größe, Ausstattung und Beschaffenheit einer Wohnung, zu Alter und Art des Gebäudes, der Höhe der (Grund-) Miete (nicht aber der Nebenkosten) und zur Lage der Wohnung stellen hier wichtige, grundsätzlich zu berücksichtigende Faktoren dar.

6. Der Bestandsschutz, die Übernahme unangemessen hoher Mietkosten über sechs Monate hinaus zu verlängern (§ 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II), soll der begründungspflichtige Ausnahmefall bleiben und lässt sich nur durch besondere Gründe sachlich rechtfertigen. An die Obliegenheit zur Praktizierung von Eigenbemühungen sind amtlicherseits umso höhere Anforderungen zu stellen, je näher der Ablauf der Sechsmonatsfrist heranrückt und erst recht, je weiter diese überschritten ist.

Anmerkung:
S. a. Pressemitteilung SG Leipzig vom 03.03.2015: – Neue Leipziger Mietobergrenzen rechtmäßig

In zwei Beschlüssen hat das Sozialgericht Leipzig die seit dem18. Dezember 2014 für das Gebiet der Stadt Leipzig gültigen Mietobergrenzen für Bezieher von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II – „Hartz IV“) und dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) als rechtmäßig bestätigt (Beschluss vom 19. Februar 2015 – S 19 AS 4859/14 ER; Beschluss vom 2. März 2015 – S 5 SO 5/15 ER).

Zur Pressemitteilung und dem Volltext der 2 Beschlüsse: www.justiz.sachsen.de

2.2 – Sozialgericht Leipzig, Urteil vom 24.02.2015 – S 23 AS 1676/14

Zur Frage der Anrechnung von Einkommen für eine Bereitschaftspflegerin, welche Kinder in der Vollzeitpflege betreut.
 
Leitsatz (Autor)
1. Sowohl die Entschädigung für den Sachaufwand des Kindes, als auch beim ersten und zweiten Pflegekind sind der Betrag für Kosten der Erziehung nicht als Einkommen der pflegenden Person anzurechnen.

2. Das verbleibende Einkommen ist um die Versicherungspauschale zu bereinigen.
 
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

2.3 – Sozialgericht Berlin, Beschluss vom 25. Februar 2015 (Az.: S 6 AS 2176/15 ER):

Leitsätze Dr. Manfred Hammel
1. Ein französischer erwerbsfähiger Leistungsberechtigter mit gewöhnlichem Aufenthalt im Bundesgebiet kann sich wegen des Kontakts zu seiner deutschen minderjährigen Tochter auf ein anderes Aufenthaltsrecht als gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II berufen, da dieser Antragsteller sich im Inland nicht nur zur Arbeitsuche aufhält.

2. Es liegt bei diesem EU-Bürger noch ein weiterer Grund für ein Aufenthaltsrecht vor, nämlich aus familiären Gründen nach Art. 6 GG und § 28 AufenthG (Familiennachzug zu Deutschen), das aus dem wöchentlichen Kontakt zu seiner deutschen minderjährigen Tochter folgt. Hier muss auf die tatsächliche Verbundenheit zwischen den Familienmitgliedern im Wege einer Einzelfallbetrachtung abgestellt werden.

3.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Arbeitsförderung nach dem (SGB III)

3.1 – Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 27.01.2015 – L 10 AL 333/13

Kein Anspruch auf Arbeitslosengeld wegen fehlender Erfüllung der notwendigen Anwartschaftszeit.
 
Leitsatz (Juris)
Die Unerheblichkeit einer Unterbrechung des Beschäftigungsverhältnisses für bis zu einem Monat nach § 7 Abs 3 SGB IV in Bezug auf den fingierten Fortbestand des Beschäftigungsverhältnisses gegen Entgelt gilt nicht, wenn ein Arbeitnehmer unentgeltlich und unwiderruflich bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses freigestellt wird.
 
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

4.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB X II)

4.1 – LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 28. August 2014 (Az.: L 7 SO 3531/14 ER-B):

Leitsätze Dr. Manfred Hammel
1. Bei der Beschreibung der wesentlichen Leistungsmerkmale in einer Leistungsvereinbarung (§ 75 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB XII in Verbindung mit § 76 Abs. 1 SGB XII) wird nicht auf den konkreten Bedarf einer bestimmten, in einer Behinderteneinrichtung lebenden Person abgestellt.

2. Maßgeblich ist vielmehr der typisierte Bedarf einer bestimmten, abstrakt festlegbaren Gruppe von Hilfeempfänger/innen.

3. Werden in einer Behinderteneinrichtung Personen mit stark abweichenden Bedarfen betreut, muss das im Einzelnen vorgehaltene Leistungsangebot nach Bedarfslagen differenziert werden.

4. Nur auf diese Weise ist eine Überprüfung des in § 76 Abs. 1 Satz 3 SGB XII fixierten Wirtschaftlichkeitsgrundsatzes, d. h. die Einhaltung des betriebswirtschaftlichen Minimalprinzips, möglich.

5. Nur bei einem ausreichend differenzierten Leistungsangebot besteht Klarheit über den Personenkreis, der von der in den Vereinbarungen nach den §§ 75 ff. SGB XII zwingend zu regelnden Aufnahme- und Betreuungspflicht erfasst wird.

6. Die entsprechend § 75 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII in Verbindung mit § 76 Abs. 1 SGB XII ausgehandelte Vergütung stellt stets eine Mischkalkulation dar, in der ein vergleichsweise hoher quantitativer Hilfebedarf eines Hilfeempfängers durch einen vergleichsweise niedrigen Bedarf eines anderen bedürftigen Menschen ausgeglichen wird.

7. Wenn ein Leistungserbringer auch leistungsberechtigte Personen mit einem hohen Betreuungsbedarf aufnimmt, ohne hierfür eine entsprechende Vergütung zu erhalten, so ist dies durch die Führung von Nachverhandlungen der Behinderteneinrichtung mit dem zuständigen Sozialhilfeträger zu beheben, nicht aber durch die Forderung eines zusätzlichen, nicht vereinbarten Entgelts.

5.   Entscheidungen der Verwaltungsgerichte zum Wohngeldrecht

5.1 – VG Braunschweig, Urteil vom 26.02.2015, 3 A 80/13
 
Im Falle einer bewussten Doppelzahlung ist das Erstattungsverhältnis auf die Leistungsträger beschränkt.
 
Leitsätze (Juris)
Die Wohngeldstelle darf die von ihr geleisteten Wohngeldbeträge nicht vom Empfänger zurückfordern, wenn sie wegen ihrer Leistung nach § 103 SGB X einen Erstattungsanspruch gegen das Jobcenter hat, weil dieses die vorangegangene Wohngeldzahlung gekannt, aber unberücksichtigt gelassen und seinerseits (für den Empfänger ein zweites Mal) mit Rücksicht auf den Unterkunftsbedarf gezahlt hat; wegen §§ 103, 107 SGB X ist es Sache des Jobcenters, die Rückforderung des zu viel Gezahlten zu betreiben.
 
Quelle: www.rechtsprechung.niedersachsen.de

Anmerkung:
S. a. Keine Rückerstattungspflicht eines Leistungsempfängers bei Anspruch gegen Behörde – ein Beitrag von Rechtsanwältin Irene Rose, August-Bebel-Str. 223, 33602 Bielefeld – VG Berlin Urteil vom 24.06.2014 – VG 21 K 195.12: www.anwalt.de

6.   sozialrecht justament – die Online-Zeitschrift für die existenzsichernde Sozialberatung

Start – sozialrecht justament: www.sozialrecht-justament.de
(BECKHÄUSER + ECKHARDT – Fortbildungen für die Sozialpädagogische
Beratung: sozialpaedagogische-beratung.de)

7.   Zur Verfassungswidrigkeit der Unterkunftskostenregelung im SGB II – Beitrag von Herbert Masslau
 
Der Gesetzgeber hat in § 22 SGB II den Begriff der ‚Unterkunft‘ gewählt.
 
Der Begriff der ‚Unterkunft‘ unterscheidet sich vom Begriff der ‚Wohnung‘.

‚Wohnung‘ meint eine Unterkunft in Abhängigkeit vom individuellen Lebensstandard, welcher sehr unterschiedlich ausfallen kann, insbesondere im Falle des erstmaligen SGB II-Bezuges.
 
Der Gesetzgeber wollte aber nur den unteren Standard, wie er das für die Regelleistung in § 4 RBEG geregelt hat.
 
Weiter: herbertmasslau.de

8.   Arbeitshilfe „Überblick zu den Änderungen im Asylbewerberleistungsgesetz zum 1.März 2015 mit Beispielen und Hinweisen für die Beratungspraxis“ – Von: Claudia Karstens

Zum 1. März 2015 ist eine Reihe von Änderungen zum Asylbewerberleistungsgesetz in Kraft getreten. Diese sollen ganz überwiegend die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umsetzen, das im Juli 2012 den Gesetzgeber aufgefordert hatte, für die Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums unabhängig vom Aufenthaltsstatus und der Aufenthaltsdauer zu sorgen.

weiter: www.der-paritaetische.de

Autor des Rechtsprechungstickers: Willi 2 von Tacheles – alias Detlef Brock

Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de