Rechtsprechungsticker von Tacheles KW 12/2015

1.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

1.1 – Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 13.11.2014 – L 5 AS 585/13 – rechtskräftig

Keine Verpflichtung des Jobcenters zur Übernahme der Mietkosten, denn der Antragsteller war einem mietvertraglichen Zahlungsanspruch nicht ausgesetzt gewesen – Wirksamkeit eines Mietvertrages – Darlehensvertrag – Leibrentenversprechen – Schenkung

Leitsätze (Juris)
1. Von § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II sind bei Mietern sämtliche Zahlungsverpflichtungen erfasst, die sich aus dem Mietvertrag bzw. einer mit dem Vermieter getroffenen Vereinbarung über die Unterkunft ergeben, soweit der Leistungsberechtigte einer ernsthaften Mietzinsforderung ausgesetzt ist (vgl. BSG, Urteil vom 23. Mai 2013 – B 4 AS 67/12 R).

2. Für die Wirksamkeit eines Mietvertrages ist es nicht erforderlich, dass der Vermieter auch Eigentümer des Grundstücks ist. Erwirbt der Mieter jedoch nachträglich das Eigentum an der Mietsache, erlischt der Mietvertrag insgesamt, und es besteht keine rechtliche und tatsächliche Verpflichtung zur Zahlung der vereinbarten Miete mehr.

3. Dies gilt auch dann, wenn der Mietvertrag von Ehegatten geschlossen wurde und nur einer von ihnen das Eigentum erworben hat. Mit dem Eigentumserwerb eines Ehegatten ist Grundlage der Nutzung der Unterkunft nicht mehr der Mietvertrag, sondern die bestehende eheliche Lebensgemeinschaft nach § 1353 Abs 1 Satz 1 BGB. Danach sind Ehegatten Mitbesitzer der gemeinsam genutzten Wohnung. Das Recht zum Mitbesitz an der Wohnung ergibt sich aus der Verpflichtung der Ehepartner zur ehelichen Lebensgemeinschaft.

4. Der Leibrente wird ein Grundstücksüberlassungsvertrag zugeordnet, wenn die an den Voreigentümer erbrachten Rentenzahlungen als Tilgung eines Darlehens zur Wohnraumfinanzierung oder einer Kaufpreisschuld anzusehen sind. Daran fehlt es, wenn sie einer (Miet-)Zahlung für die Wohnraumgebrauchsüberlassung gleichen. Für die Abgrenzung kommt es darauf an, wie der zugrunde liegende Vertrag ausgestaltet ist und nicht, wie er hätte ausgestaltet werden können. Steht nach der konkreten vertraglichen Ausgestaltung die Erfüllung (auch) der einzelnen Zahlungsansprüche in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zur Grundstücksüberlassung wie bei einem vorbehaltenen Rücktritt des Überlassers im Falle des Zahlungsrückstandes des Übernehmers, handelt es sich nicht um Renten im engeren Sinne des § 759 BGB. Derartige “Leibrentenzahlungen” können der Miete nicht gleich gestellt werden, da sie als Kaufpreisteil anzusehen sind und der Finanzierung des Grunderwerbs dienen (vgl. BSG, Urteil vom 4. Juni 2014 – B 14 AS 42/13 R).

5. Zum Nichtvorliegen einer im Rahmen des § 22 Abs 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigenden “Schenkung auf den Todesfall”.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

1.2 – Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 26.01.2015 – L 5 AS 304/14 B ER – rechtskräftig

Zu § 12 Abs 3 Satz 1 Nr 3 SGB II – Bei der Forderung aus einer Rentenversicherung (unabhängig von ihrer Fälligkeit) handelt es sich um einen Vermögensgegenstand, der bei Verwertbarkeit im Weg der vorzeitigen Vertragsauflösung zur Existenzsicherung einzusetzen ist.

Leitsätze (Juris)
1. Behauptet ein Antragsteller eine der Verwertung eines Vermögensgegenstands (hier: Forderung aus einer privaten Rentenversicherung) entgegenstehende Verpfändung, hat er so konkrete Angaben zu der zu sichernden Forderung (Grund, Höhe und Fälligkeit), zur Sicherungsabrede sowie zum Pfandgläubiger zu machen, dass der SGB II-Leistungsträger die wirksame Entstehung eines vertraglichen Pfandrechts überprüfen kann. Unterlässt er dies, ist im einstweiligen Rechtsschutz die mangelnde Verwertbarkeit des Vermögensgegenstands nicht glaubhaft gemacht.

2. Allein der Nachweis der Anzeige gemäß § 1280 BGB über die Verpfändung an den Schuldner (Träger der privaten Rentenversicherung) lässt nicht auf ein Pfandrecht schließen, denn dessen wirksame Entstehung ist abhängig vom Bestand der zu sichernden Forderung und einer entsprechenden Sicherungsabrede.

3. Ein weiterer Verwertungsschutz aus § 12 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II setzt ua voraus, dass der Vermögensgegenstand subjektiv vom Leistungsberechtigten zur Altersvorsorge bestimmt ist und die objektiven Begleitumstände mit dieser Zweckbestimmung in Einklang stehen. Behauptet der Antragsteller, er habe den Vermögensgegenstand zur Sicherung von anderen Forderungen verpfändet, liegt hierin eine Disposition, die den Vermögenswert der Gefahr des Verlustes aussetzt. Sie schließt den behaupteten Alterssicherungszweck aus. Dies gilt auch, soweit der Antragsteller den Vermögenswert vor Eintritt des Rentenalters durch Vorauszahlungen oder Policendarlehen angreift und damit schmälert.

4. Ein Vermögen in Form einer – nicht fälligen – Forderung gegen den Träger einer privaten Rentenversicherung ist ein sog bereites Mittel, wenn Vorauszahlungen ggf im Wege des Policendarlehens kurzfristig realisiert werden können.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

1.3 – Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 10.02.2015 – L 11 AS 59/15 NZB

Meldepflicht – Tonbandaufnahmen

Leitsatz (Juris)
Die Meldepflicht ist verletzt, wenn ein Gespräch über den Meldezweck durch Verlassen des Gesprächsraumes verweigert wird.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

Anmerkung 1:
Offen gelassen werden kann dabei vorliegend, ob der Meldetermin auch dann als wahrgenommen angesehen werden kann, wenn der Meldepflichtige bei allein körperlicher Anwesenheit keine weiteren Mitwirkungs- und Aufklärungshandlungen vornimmt, denn der Kläger hatte bereits die rein physische Anwesenheit nach der Untersagung von Tonbandaufnahmen beendet, so dass auch eine rein passive Anwesenheit für ein Gespräch über seine berufliche Situation nicht gegeben war.

Anmerkung 2:
SG Konstanz, Beschl. v. 17.05.2013 – S 9 AS 1111/13 ER – Termin beim Jobcenter wahrnehmen ohne Reden reicht nicht aus

1.4 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 27.02.2015 – L 7 AS 65/15 B ER

Polnische Staatsangehörige hat Anspruch auf ALG II im Rahmen der Folgenabwägung.

Leitsätze (Autor)
1. Entgegen der Auffassung des Jobcenters hat der EuGH in seiner Entscheidung vom 11.11.2014 (Az. C-333/13, Rechtssache C) die europarechtliche Konformität des in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II geregelten Leistungsausschlusses nicht ausdrücklich bestätigt. Die Entscheidung des EuGH beruht ausdrücklich auf der Feststellung, dass Frau C sich nicht um Arbeit bemüht habe und es sich damit um eine Unionsbürgerin handele, die mit dem Ziel eingewandert sei, in den Genuss von Sozialhilfe zu kommen (Rn. 78 der Entscheidung).

2. Eine Entscheidung des EuGH für Personen, bei denen die Arbeitsuche zu bejahen ist, steht noch aus (BSG EuGH-Vorlage vom 12.12.2013 – B 4 AS 9/13 R; Az. beim EuGH C-67/14, Rechtssache Alimanovic).

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

1.5 – LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 18.03.2015 – L 6 AS 38/15 ER

Grundsicherung für Arbeitsuchende – Einkommensberücksichtigung – Abfindung – Gutschrift auf überzogenes Bankkonto – bereite Mittel

Leitsatz (Autor)
Ein Geldbetrag aus einer Abfindung, der auf ein Bankkonto des Leistungsempfängers überwiesen wird, welches mit einem Dispositionskredit belastet ist, ist trotz Verrechnung mit den Schulden durch die Bank als Einkommen nach § 11 SGB II zu berücksichtigen.

Quelle: sozialberatungkiel.files.wordpress.com

Anmerkung 1:
Ebenso LSG NRW, Urteil vom 23.01.2014 – L 7 AS 2169/12 – Revision anhängig beim BSG unter dem Az. B 14 AS 10/14 R – zum Geldbetrag aus einer Erbschaft.

Anmerkung 2:
S.a. Beitrag von RA Helge Hildebrandt: sozialberatung-kiel.de

2.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

2.1 – SG Speyer, Urteil vom 24.02. 2015 – S 5 AS 1293/14 – unveröffentlicht

Darlehenstilgungen aus einem Betriebsdarlehen sind nicht als einkommensmindernde Betriebsausgaben bei Selbständigen zu berücksichtigen.

Leitsätze (Autor)
1. Bei der Ermittlung des Einkommens aus dem Gewerbebetrieb können zwar die geleisteten Zinsen aus dem Betriebsdarlehen einkommensmindernd berücksichtigt werden, nicht jedoch die auf die Darlehen geleisteten Tilgungsraten. Diese Tilgungsleistungen dienen der Entschuldung und stellen damit einen Vermögenszuwachs dar. Die Leistungen nach dem SGB II sollen nicht der Vermögensbildung dienen (BSG, Urt. v. 07.07.2011 – B 14 AS 79/10 R).

2. Es ist somit das Einkommen zu berücksichtigen, das auch tatsächlich für den Lebensunterhalt zur Verfügung steht. Das ist der tatsächliche Gewinn, der sich als Differenz zwischen Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben darstellt. Steuerliche Verlustvorträge, Abschreibungen usw. können hingegen nicht vom Einkommen abgesetzt werden (BT-Drs. 16712021). Somit können auch die von den Antragstellen geltend gemachten Abschreibungen nicht berücksichtigt werden.

3. Da das Kind der Antragsteller nicht im Rahmen des Verfahrens volljährig geworden ist, greift § 1629a BGB nicht ein (vgl. BSG, Urt. v. 07.07.2011 – B 14 AS 153/10 R).

Anmerkung:
Siehe dazu Ermittlung und Anrechnung von Einkommen Selbständiger von RA Uwe Klerks in info also 2014, 51:

“Umgekehrt sind Rückzahlungen auf Darlehen jedoch als Ausgaben zu werten” – SG Lübeck, Beschluss vom 31.8.2011 – S 47 AS 748/11 AU – S. 7 unter Bezugnahme auf DA 11.30a. Dagegen SG Neubrandenburg, Urteil vom 17.1.2013 – S 14 AS 1754/08 Rn. 29 – juris mit dem Argument, die Kosten seien im konkreten Fall vermeidbar gewesen.

“Dagegen sind gem. DA 11.30a Zins- und Tilgungsbeträge in voller Höhe als Betriebsausgabe anzuerkennen, es sei denn, die Darlehen werden als nicht notwendig angesehen.” – Vgl. SG Lübeck, Beschluss vom 31.8.2011 – S 47 AS 748/11 AU – S. 7; SG Neubrandenburg, Urteil vom 17.1.2013 – S 14 AS 1754/08 Rn. 29 – juris.

2.2 – Sozialgericht Berlin, Beschluss vom 05.01.2015 – S 205 AS 27758/14 ER – rechtskräftig

Anordnungsgrund im Hinblick auf die Bedarfe für Unterkunft und Heizung – keine Anwendbarkeit des § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB 2 – keine Pflicht zur Einholung einer Zusicherung nach § 22 Abs. 4 S. 1 SGB II – Anspruch auf Übernahme höherer Kosten der Unterkunft und Heizung
 
Leitsätze (Juris)
1. Ein Anordnungsgrund bei Geltendmachung eines Anspruchs auf Anerkennung weiterer Bedarfe für Unterkunft und Heizung besteht dann, wenn innerhalb des laufenden Bewilligungszeitraums ein Mietrückstand entstünde, der den Vermieter zur Kündigung des Mietverhältnisses berechtigten würde, es sei denn, es bestehen Anhaltspunkte in tatsächlicher Hinsicht, dass er von diesem Recht keinen Gebrauch macht.

2. § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB 2 ist nur bei einem Umzug anwendbar, bei dem der Auszug aus Wohnraum erfolgt, der zu sozial- und markttypischen Bedingungen angemietet worden ist.

3. Die Obliegenheit zur Einholung einer Zusicherung zur Berücksichtigung der Aufwendungen für die neue Unterkunft besteht nicht, wenn der Leistungsberechtigte wegen Obdachlosigkeit über keine bisherige Unterkunft verfügt.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

2.3 – SG Dresden, Urteil vom 16.02.2015 – S 48 AS 6069/12

Arbeitslosengeld II – Unterkunft und Heizung – einmalige Kosten für Heizmaterial (Heizöllieferung) – Tilgungsleistungen

Ein Anspruch auf ALG II- Leistungen aufgrund einer durch eine Brennstoff-Lieferung verursachten Bedürftigkeit im Bezugsmonat besteht nur dann, wenn auch bei einer Aufteilung dieser Kosten auf die Heizperiode eine Hilfebedürftigkeit in den einzelnen Monaten vorliegt.

Leitsätze (Autor)
1. Die Unterkunftskosten sind auch bei selbst genutztem Wohneigentum in dem Monat, in dem sie tatsächlich anfallen, dem Bedarf hinzuzurechne. Eine monatliche Durchschnittsberechnung ist daher nicht zulässig. Dies kann allerdings – entgegen den Ausführungen des Sächs. LSG (Beschluss vom 25.02.2013, L 2 AS 141/13 B ER, unveröffentlicht) – nicht in Fällen wie hier gelten, in denen die Antragsteller wegen übersteigendem Einkommen nicht im Leistungsbezug stehen und die Hilfebedürftigkeit allein durch die Lieferung des Heizöls entstehen würde (so auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.04.2009, L 12 AS 4195/08).

2. Steht jemand wegen des vorhandenen Einkommens und damit fehlender Hilfebedürftigkeit nicht im Leistungsbezug, kann allein durch den Bezug von Heizmaterial in größeren Zeitabständen keine Hilfebedürftigkeit herbeigeführt werden, wenn bei monatlicher Umrechnung auf den Bedarf der Betreffende in der Lage wäre, mit dem vorhandenen Einkommen diese Kosten zu decken. In derartigen Fällen ist es dem Betroffenen zumutbar, die Heizkosten aus Ansparungen zu tätigen.

3. Aus den Mitteln der Allgemeinheit darf grundsätzlich kein Vermögen gebildet werden. Eine Ausnahme kann nur dann gegeben sein, wenn Selbsthilfe in Form einer Tilgungsaussetzung oder -streckung nicht möglich ist, ohne die Übernahme der Raten der Verlust des Wohneigentums drohe und die Finanzierung im Zeitpunkt des Bezugs der SGB II-Leistungen weitestgehend abgeschlossen ist (BSG, Urteil vom 07.07.2011, B 14 AS 79/10 R).

4. Eine solche Ausnahme liegt hier nicht vor. Die Finanzierung war erst zu 46 % getilgt und es wurde von den Antragstellern nicht vorgetragen, dass eine Tilgungsaussetzung oder -streckung nicht möglich war.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

2.4 – SG Osnabrück, Urteil vom 28.01.2015, S 33 AS 320/13

Grundsicherung für Arbeitsuchende – Kostenerstattungsanspruch bei Aufenthalt im Frauenhaus

Leitsätze (Juris)
1. Eine Kostenerstattung für Leistungen im Frauenhaus (§ 36a SGB II) setzt eine rechtmäßige Bewilligung entsprechender Leistungen an die Hilfeempfängerin voraus. Die Bewilligungsentscheidung ist nur rechtmäßig, wenn eine Tagessatzvereinbarung nach § 17 Abs. 2 SGB II vorliegt.

2. § 17 Abs. 2 SGB II ist auf die Leistungserbringung in Frauenhäusern anwendbar.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

2.5 – Sozialgericht Hamburg, Beschluss vom 05.01.2015 – S 10 AS 4323/14 ER – rechtskräftig

Bulgarische Antragstellerin hat Anspruch auf Regelleistung nach 20 SGB II durch einstweiligen Rechtsschutz – vorliegen der Arbeitnehmereigenschaft – untergeordnete und unwesentliche Tätigkeit

Kein Leistungsausschluss für EU-Ausländer bei einem Aufenthalt als Arbeitnehmer.

Leitsatz (Autor)
1. Unionsrechtlich freizügigkeitsberechtigt sind u.a. Unionsbürger, die sich als Arbeitnehmer aufhalten wollen.

2. Die Antragstellerin ist als Arbeitnehmerin anzusehen. Im konkreten Fall stellt eine Tätigkeit als Aushilfskraft bei der Fastfood-Kette bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von zehn Stunden und einem Verdienst von monatlich 150 EUR keine untergeordnete und unwesentliche Tätigkeit dar und begründet eine Arbeitnehmereigenschaft (s. zu dieser Überlegung LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 24.07.2014 – L 15 AS 202/14 B ER).

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

3.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Arbeitsförderung nach dem (SGB III)

3.1 – Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 27.01.2015 – L 10 AL 253/13

Berufliche Weiterbildung, Fahrlehrer, Fahrlehrergesetz

Leitsatz (Juris)
Die Kosten des Erwerbs eines Führerscheins der Klasse C und CE gehört nicht zu den im Rahmen der Förderung einer beruflichen Weiterbildung zur Fahrlehrerin zu übernehmenden Kosten. Diese stellen keine durch die Weiterbildung unmittelbar entstehenden Lehrgangskosten.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

4.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Arbeitsförderung nach dem (SGB III)

4.1 – Sozialgericht Landshut, Urteil vom 09.02.2015 – S 13 AL 39/14

Angelegenheiten der Bundesagentur für Arbeit

Leitsätze (Juris)
1. Aus der systematischen Auslegung von § 58 Abs. 2 SGB III a.F. i.V.m. § 57 Abs. 2 Satz 2 SGB III a.F. folgt, dass die Bundesagentur für Arbeit bei ihrer Ermessensentscheidung hinsichtlich der Weitergewährung eines Gründungszuschusses als ein wesentliches Kriterium zu prüfen hat, ob in Bezug auf die zweite Gründungsphase weiterhin von einer Tragfähigkeit der Unternehmensgründung auszugehen ist. Hierbei handelt es sich um eine Prognoseentscheidung.

2. Die Ablehnung der Weitergewährung eines Gründungszuschusses mangels Tragfähigkeit ohne vom Antragsteller die erneute Vorlage einer Stellungnahme einer fachkundigen Stelle zu verlangen ist dann nicht ermessensfehlerhaft, wenn die fehlende Tragfähigkeit eindeutig durch das vorliegende Zahlenmaterial bestätigt wird und somit kein Raum mehr für berechtigte Zweifel an der Tragfähigkeit der Unternehmensgründung bestehen.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

Anmerkung:
In Literatur und Rechtsprechung wird unterschiedlich beurteilt, ob aus dieser Begründung zu folgern ist, dass die Weitergewährung eines Gründungszuschusses damit in der Regel bereits dann ausscheiden muss, wenn der Lebensunterhalt bei prognostischer Entscheidung während der zweiten Gründungsphase noch nicht aus der selbständigen Tätigkeit gedeckt werden kann. Oder ob insofern unter Umständen auch zu berücksichtigen ist, dass die konkrete Unternehmensgründung aufgrund von branchentypischen Besonderheiten unter Umständen eine längere Anlaufphase als die vom Gesetzgeber vorgesehenen 15 Monate Förderhöchstdauer hat (gegen die Berücksichtigung solcher Umstände, SG Chemnitz, Urt. v. 12.06.2014 – S 26 AL 863/12).

5.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB X II)

5.1 – Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27.11.2014 – L 8 SO 112/11

Zum Wohnungswechsel außerhalb des Leistungsbezugs und den Voraussetzungen für eine Absenkung der Leistungen für Unterkunft auf das angemessene Maß

Leitsätze (Juris)
1. Die Obliegenheit nach § 29 Abs. 1 Sätze 4 und 5 SGB XII a.F. (seit 01.01.2011: § 35 Abs. 2 Satz 4 und 5 SGB XII), vor Abschluss eines Mietvertrags über eine neue Unterkunft die Zustimmung des Sozialhilfeträgers zu den Aufwendungen einzuholen, gilt nur für einen Wohnungswechsel während des Bezugs von existenzsichernden Leistungen. Ein Nichthilfeempfänger, der durch den Umzug hilfebedürftig wird, benötigt keine Zustimmung des Sozialhilfeträgers zu den Aufwendungen der neuen Wohnung (Anschluss an BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 B 4 AS 19/09 R zum SGB II).

2. Einer leistungsberechtigten Person sind Kostensenkungsmaßnahmen nur dann subjektiv möglich, wenn sie Kenntnis davon hatte, dass der Leistungsträger von unangemessenen KdU ausgeht und sie die Obliegenheit trifft, kostensenkende Maßnahmen zu ergreifen. Hierzu bedarf es grundsätzlich einer (ordnungsgemäßen) Kostensenkungsaufforderung durch den Leistungsträger (Anschluss an BSG, Urteil vom 17. Dezember 2009 B 4 AS 19/09 R).

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

Anmerkung:
Zitat aus dem Urteil Rz. 30:
Der Streit darüber, welche KdU angemessen sind, ist bei der Bewilligung von Leistungen zu führen, wobei die behördliche Änderung der Angemessenheitsgrenze sogar im Verlaufe des Gerichtsverfahrens zulässig ist (vgl. BSG, Urteil vom 10. September 2013 – B 4 AS 77/12 R).
Ist allerdings ein längerer Zeitraum – wie hier von zwei Jahren – verstrichen, kann eine früher erfolgte Kostensenkungsaufforderung keine Geltung mehr beanspruchen (ähnlich für den Fall, in dem auf eine erste Kostensenkungsaufforderung hin über längere Zeit hinweg gleichwohl die Kosten der Unterkunft und Heizung vollständig übernommen worden sind, BSG, Urteil vom 12. Juni 2013 – B 14 AS 60/12 R). Im vorliegenden Fall kommt noch hinzu, dass die Klägerin mehrmals aus dem Leistungsbezug nach dem SGB XII wegen der Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung und dem Bezug von Wohngeld ausgeschieden ist und zwischendurch eine andere Wohnung bezogen hatte.

5.2 – Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 08.01.2015 – L 8 SO 314/14 B ER

Gewöhnlicher Aufenthalt im Inland als Voraussetzung für Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII auch bei unrechtmäßigem Aufenthalt möglich

Leitsätze (Juris)
1. Das Bestehen eines Aufenthaltsrechts ist keine notwendige Voraussetzung für das Vorliegen eines gewöhnlichen Aufenthalts im Inland gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB XII (Anschluss an BSG Urteil vom 30. Januar 2013 – B 4 AS 54/12 R).

2. Bei Staatsangehörigen der Signatarstaaten des EFA, die sich erlaubt in Deutschland aufhalten, ist § 23 Abs. 3 Satz 1 Alt. 1 SGB XII nicht anwendbar, Die Vorschrift wird insoweit durch das Gleichbehandlungsgebot gemäß Art. 1 EFA verdrängt. (Festhalten an der Senatsrechtsprechung; vgl. Beschluss vom 23. Mai 2014 – L 8 SO 129/14 B ER).

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

6.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB X II)

6.1 – Sozialgericht Leipzig, Beschluss vom 2. März 2015 (Az.: S 5 SO 5/15 ER):

Leitsätze Dr. Manfred Hammel
1. Für einen Ein-Personen-Haushalt ist lediglich eine Wohnfläche von maximal 45 qm angemessen im Sinne des § 35 Abs. 1 Satz 1 / Abs. 2 Satz 1 SGB XII.

2. Als örtlicher Vergleichsraum im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 2 SGB XII kann das gesamte Gebiet einer kreisfreien Großstadt herangezogen werden, wenn die räumliche Nähe der einzelnen Stadtbezirke und die Infrastruktur einen homogenen Bereich bilden, und der öffentliche Personennahverkehr eine gute Erreichbarkeit des Stadtkerns von allen Stadtteilen aus gewährleistet.

3. Die Mietobergrenze ist auf der Grundlage eines schlüssigen Konzepts zu ermitteln, das auf einen Mietspiegel nach § 558c BGB bzw. § 558d BGB (qualifizierter Mietspiegel) abstellen kann.

4. Ein örtlicher Träger hat hier in jedem Fall ein Konzept zu Grunde zu legen, das im Sinne der Überprüfbarkeit des Ergebnisses in sich schlüssig und damit die Begrenzung der tatsächlichen Unterkunftskosten auf ein “angemessenes Maß” hinreichend nachvollziehbar ist.

5. Dies ist der Fall, wenn in diesem Rahmen die nun folgenden Aspekte umfassend berücksichtigt werden:

– Datenerhebung über den gesamten Vergleichsraum (keine Ghettobildung),

– Differenzierung nach dem Standard der Wohnungen, nach der Brutto- und Nettomiete,

– Differenzierung nach der Wohnungsgröße,

– Angaben über den Beobachtungszeitraum,

– Berücksichtigung zuverlässiger Erkenntnisquellen wie z. B. Mietspiegel,

– Repräsentativität und Validität der Datenerhebung und der -Auswertung, z. B. unter Bezug auf Größe, Ausstattung und Beschaffenheit von Wohnungen, dem Alter und der Art von Gebäuden wie der Lage der Unterkünfte.

7.   Entscheidungen der Sozialgerichte zum Asylrecht

7.1 – Sozialgericht Hildesheim, Beschluss vom 29. September 2014 (Az.: S 42 AY 36/14 ER):

Leitsätze Dr. Manfred Hammel
1. Selbst wenn der für die Durchführung des AsylbLG zuständige öffentliche Träger zu Recht die Untätigkeit einer nach § 1 Abs. 1 AsylbLG leistungsberechtigten Person hinsichtlich ihrer Mitwirkung bei der Passbeantragung als Voraussetzung für die Einleitung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen beanstandet, so rechtfertigt dies nicht eine Anspruchseinschränkung gemäß § 1a AsylbLG, wenn auch unter Vorlage gültiger Personaldokumente eine Abschiebung in den Heimatstaat nicht vollzogen werden kann.

2. Zur Abgabe einer sog. “Freiwilligkeitserklärung”, derzufolge ein in Deutschland lebender Iraner aus freien Stücken wieder in seine Heimat zurückkehrt, ist ein Perser nicht verpflichtet, auch wenn die iranischen Einreisebehörden dieses Papier für die Gestattung der Rückreise fordern.

3. Vor einer Leistungskürzung entsprechend § 1a AsylbLG hat die zuständige Behörde stets eine Einzelfallprüfung durchzuführen.

8. “Zur Leistungspflicht des JobCenters nach Verbrauch einer Erbschaft durch Anschaffung von 277 Blue-Ray-Filmen und der Schadensersatzpflicht des Leistungsempfängers” – Pressemitteilung des LSG Niedersachsen-Bremen v. 19.03.2015:
www.landessozialgericht.niedersachsen.de

LSG Niedersachsen-Bremen, Beschl. v. 09.02.2015 – L 11 AS 1352/14 B ER – dejure.org

9.   BSG, Termintipp Nr. 4/15 vom 20. März 2015: Sozialhilfe für volljährige behinderte Menschen, die bei ihren Eltern beziehungsweise einem Elternteil leben, weiter im Streit?

Der 8. Senat des Bundessozialgerichts wird sich in den Verfahren B 8 SO 5/14 R und B 8 SO 9/14 R am Dienstag, dem 24. März 2015, um 13.00 Uhr und 14.00 Uhr, im Weißenstein-Saal nach seinen Entscheidungen vom 23. Juli 2014 erneut damit zu befassen haben, ob beziehungsweise wann erwerbsunfähige volljährige behinderte Menschen, die Hilfe zum Lebensunterhalt beziehungsweise Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch  -  Sozialhilfe – (SGB XII) erhalten und bei ihren Eltern beziehungsweise einem Elternteil leben, einen Anspruch auf Leistungen für den Lebensunterhalt nach der Regelbedarfsstufe 1 (100 %) besitzen.

Weiterlesen: www.bsg.bund.de

Anmerkung:
Regelbedarfsstufe 3 soll aufgehoben werden
Nach dem Druck der Öffentlichkeit, der Betroffenen und Betroffenenorganisationen beugt sich das Bundesministerium für Arbeit und Soziales nun dem Urteil des Bundessozialgerichts bezüglich der Regelbedarfsstufe 3, die Leistungsberechtigten im Zwölften Buch Sozialgesetzbuch betreffend: “Sozialministerin Nahles stellt nun eine gesetzliche Neuregelung für das Jahr 2016 in Aussicht, wenn auch die Hartz-IV-Sätze wieder neu bemessen werden. Bis sie in Kraft treten, also voraussichtlich bis Anfang 2017, soll nun eine Übergangsregelung gelten, wonach in der Bedarfsstufe III genauso hohe Leistungen bezahlt werden wie in Stufe I.”

weiterlesen: www.heilpraxisnet.de

10.   Anmerkung zu: OLG Jena 1. Senat für Familiensachen, Beschluss vom 09.01.2015 – 1 WF 624/14 – Autor: Frank Götsche, RiOLG

Verfahrenskostenhilfebewilligung bei Vorlage eines SGB II-Ausweises

Leitsatz
Die Vorlage eines Ausweises über den Bezug von SGB II-Leistungen kann allenfalls einzelne Angaben des antragstellenden Beteiligten zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen, nicht hingegen die Erklärung zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen ersetzen.

weiterlesen: www.juris.de

Autor des Rechtsprechungstickers: Willi 2 von Tacheles – alias Detlef Brock

Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de