Rechtsprechungsticker von Tacheles KW 19/2015

1.   Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 02.12.2014 zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

1.1 – BSG, Urteil vom 02.12.2014 – B 14 AS 8/13 R

Grundsicherung für Arbeitsuchende – Anwendung des Leistungsausschlusses für Leistungsberechtigte nach § 1 AsylbLG – bindende Tatbestandswirkung der Aufenthaltserlaubnis gem § 25 Abs 5 AufenthG 2004 – langjährige Aufenthaltsbefugnis gem § 30 Abs 4 AuslG

Leitsätze (Autor)
1. Der Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs 5 AufenthG schließe die Leistungsberechtigung nach dem SGB II aus.

2. Von Verfassungswegen ist der Gesetzgeber frei, in welchem Leistungssystem er dem Bedarf an existenzsichernden Leistungen Rechnung trägt. Dass Ausländer danach auch nach langjährigem Aufenthalt in Deutschland dem Leistungssystem des AsylbLG zugeordnet und so auf den Bezug abgesenkter Leistungen verwiesen sein können, ist unter Berücksichtigung der vom Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 18.7.2012 angeordneten Übergangsregelung bis zur Neuordnung der Leistungen nach dem AsylbLG vorübergehend hinzunehmen.

Quelle: juris.bundessozialgericht.de

2.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

2.1 – LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 28. April 2015 (Az.: L 3 AS 99/15 B ER)

Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs – Grundsicherung für Arbeitsuchende – Eingliederungsvereinbarung – Rechtswidrigkeit einzelner Regelungen eines Ersetzungsbescheides – Zumutbarkeit eines 1-€-Jobs – keine sachgerechte Ermessensausübung Kinder- und Seniorenbetreuung nicht für jedermann zumutbar in 1-€-Job, denn es bestehen, erhebliche Zweifel daran, dass der Antragsteller aufgrund seiner Vorbildung und seinen sich in seinen bisherigen beruflichen Tätigkeiten gezeigten Interessen und Neigungen in der Lage ist, solche Betreuungstätigkeiten in einem Kooperationsbetrieb eigenständig auszuüben.

Leitsätze Dr. Manfred Hammel
1. § 16d Abs. 1 Satz 1 SGB II räumt einem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten einen Anspruch auf ein sachgerechtes Tätigwerden eines Jobcenters im Zusammenhang mit seiner Zuweisungsentscheidung, nicht aber auf Schaffung oder Zuordnung in eine bestimmte Arbeitsgelegenheit ein.

2. Eine Arbeitsgelegenheit hat stets in der Weise inhaltlich ausgestaltet zu sein, dass dieses Sonderarbeitsverhältnis zu einer Verbesserung der Eingliederungsaussichten am Arbeitsmarkt beitragen kann sowie leistungsberechtigte Personen in der Lage sind, in diesem Rahmen eine ihnen zumutbare Tätigkeit jederzeit problemlos auszuüben.

3. Diesen Voraussetzungen wird nicht entsprochen, wenn eine Einsatzstelle hohe fachliche und persönliche Anforderungen an einen erwerbsfähigen Leistungsberechtigten stellt, die seinem Fähigkeitsprofil nicht gemäß sind.

2.2 – LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.09.2013 – L 3 AS 5184/12 – anhängig beim BSG Az. B 4 AS 11/14 R

Mietkautionsdarlehen- Tilgung durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 % des Regelbedarfs – Verfassungsmäßigkeit

Leitsatz (Autor)
1. Gegen die Regelung in § 42a Abs. 2 SGB II bestehen keine verfassungsrechtlichen Bedenken, soweit davon auch die Verrechnung mit einem Darlehen für eine Mietkaution umfasst werden, obwohl Mietkautionen nicht im Rahmen der Bemessung des Regelbedarfs berücksichtigt worden ist.

2. Ein atypischer Fall liegt jedoch nicht schon dann vor, wenn der Leistungsbezieher zwar erwerbsfähig ist, nach Lebenslage oder sonstigen Umständen aber keine Chance hat, kurzfristig aus dem Leistungsbezug herauszukommen oder hinzu zu verdienen (SG Berlin, Urteil, v. 22.02.2013 – S 37 AS 25006/12).

Anmerkung 1:
Vgl. dazu Beitrag von RA Fritz und Kollegen – 19.2.2014: BSG lässt Revision zu zur Frage, ob Mietkautionsdarlehen aus dem Regelbedarf nach dem SGB II getilgt werden müssen.

weiterlesen: www.srif.de

Anmerkung 2:
Anmerkung: ebenso LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.03.2015 – L 20 AS 261/13 – Revision anhängig beim BSG unter dem Az. B 4 AS 14/15 R; LSG NRW, Beschluss vom 03.02.2014 – L 2 AS 2280/13 B; LSG NRW, Beschluss vom 15. März 2013, L 2 AS 1829 / 12 B; SG Berlin, Urteil vom 20. März 2013, S 142 AS 21275/12; SG Köln Urteil vom 28. September 2012, S 33 AS 1310/12; dagegen: SG Berlin, Urt. v. 22.2.2013 – S 37 AS 25006/12; SG Berlin, Urt. v. 30.09.2011 – S 37 AS 24431/11 ER; offene Rechtsfrage LSG NRW, Beschluss v. 29.01.2014 – L 7 AS 448/13 B; LSG NRW, Beschluss vom 08.08.2014 – L 6 AS 727/14

2.3 – Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12.03.2015 – L 20 AS 261/13 – Revision anhängig beim BSG unter dem Az. B 4 AS 14/15 R

Arbeitslosengeld II – Unterkunft und Heizung – Mietkautionsdarlehen – Tilgung durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 % des Regelbedarfs – Alleinerziehende – Verfassungsmäßigkeit

Auch eine Alleinerziehende muss das ihr vom Jobcenter gewährte Mietkautions-Darlehen durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 10 v.H. des maßgebenden Regelbedarfes tilgen.

Leitsätze (Autor)
1. Ermessen ist dem Grundsicherungsträger hinsichtlich der Umsetzung der Tilgung im Wege der Aufrechnung nach § 42a Abs. 2 Satz 1 SGB II nicht eingeräumt (so bereits: Beschluss des Senats vom 5. Juni 2014 – L 20 AS 2947/13). Ein Absehen von der Umsetzung der Rückzahlung des Darlehens durch Aufrechnung mit den laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt nach dem SGB II ist dem Grundsicherungsträger nicht erlaubt.

2. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Regelung des § 42a Abs. 2 SGB II bestehen nicht.

3. Eine Gefahr einer Bedarfsunterdeckung kann daher auch bei laufenden Leistungen über einen längeren Zeitraum, in dem sich eine monatliche Aufrechnung auswirken kann, begegnet werden (LSG Baden-Württemberg vom 18.09.2013 – L 3 AS 5184/12, anhängig BSG B 4 AS 11/14 R). Entstehen also durch eine fortlaufende Verwendung der Ansparmöglichkeit für die Rückzahlung dieses Darlehens Unterdeckungen, können über § 24 Abs. 1 Satz 1 SGB II weitere Darlehen zur Deckung des Lebensunterhaltes erbracht werden. Auch bei mehreren Darlehen ist die Tilgung auf maximal 10 v.H. des Regelbedarfes begrenzt, so dass auch durch eine weitere Darlehensgewährung mit nachfolgender Verpflichtung zur Tilgung keine weitere Verringerung der monatlichen Mittel eintritt.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

Anmerkung:
Ebenso: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.09.2013 – L 3 AS 5184/12 – anhängig beim BSG Az. B 4 AS 11/14 R; LSG NRW, Beschluss vom 03.02.2014 – L 2 AS 2280/13 B; LSG NRW, Beschluss vom 15. März 2013, L 2 AS 1829 / 12 B; SG Berlin, Urteil vom 20. März 2013, S 142 AS 21275/12; SG Köln Urteil vom 28. September 2012, S 33 AS 1310/12; dagegen: SG Berlin, Urt. v. 30.09.2011 – S 37 AS 24431/11 ER; SG Berlin, Urt. v. 22.2.2013 – S 37 AS 25006/12; offene Rechtsfrage LSG NRW, Beschluss v. 29.01.2014 – L 7 AS 448/13 B; LSG NRW, Beschluss vom 08.08.2014 – L 6 AS 727/14 B

2.4 – Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 18.12.2014 – L 3 AS 569/11

§ 22 Abs. 7 Satz 1 SGB II a. F. vermochte einen Anspruch auf Bewilligung von Umzugskosten nicht zu tragen (so auch zu der seit 1. April 2011 geltenden Regelung in § 27 Abs. 3 SGB II: SG Dresden, Gerichtsbescheid vom 6. Januar 2014 – S 49 AS 8115/12).

Kein Anspruch eines BAföG-berechtigten Auszubildenden auf Bewilligung von Umzugskosten als Unterkunftsbedarf.

Leitsätze (Autor)
Gegen die Berücksichtigung von Umzugskosten als ungedeckte angemessene Kosten für Unterkunft und Heizung im Sinne von § 22 Abs. 7 Satz 1 SGB II a. F. spricht schließlich auch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur Berechnung des Zuschusses (vgl. BSG, Urteil vom 22. März 2010 – B 4 AS 69/09 R).

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

2.5 – Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 20.01.2015 – L 5 AS 634/12 – rechtskräftig

Mehrfamilienhaus – Schuldzinsen – Unverwertbarkeit wegen faktischer Überschuldung – Tilgungsleistungen

Leitsätze (Autor)
1. Das Jobcenter muss die völligen Schuldzinsen, sowie die verbrauchsunabhängigen Aufwendungen wie Grundsteuer, Gebäudeversicherung und Schuldzinsen eines 180 m² großen, unangemessenen, welches aufgrund seiner wirtschaftlichen Unverwertbarkeit dem Leistungsanspruch nicht entgegen stand, Mehrfamilienhauses als Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II übernehmen, auch wenn die Leistungsbezieher nur je zur Hälfte Miteigentümer sind und 2 Wohnungen des Mehrfamilienhauses (zu je 60 m²) nicht bewohnt sind. Sie sind nicht aus den Anteil der vom Leistungsberechtigten genutzten Wohnfläche oder Wohnung zu reduzieren.

2. Die Antragsteller haben jedoch keinen Anspruch auf Übernahme der Tilgungsleistungen für die Immobiliendarlehen. 2007 war nach 25-jähriger Ratenzahlung noch nicht einmal die Hälfte getilgt, aber kann nicht festgestellt werden, dass es “nur noch um die Tilgung einer Restschuld” ging oder “die Vermögensbildung bereits weitgehend abgeschlossen” war (vgl. BSG, Urteil vom 7. Juli 2011, Az.: B 14 AS 79/10 R).

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

2.6 – Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 28.04.2015 – L 4 AS 63/15 B ER – rechtskräftig

Die Notwendigkeit von ergänzenden Sozialhilfeleistungen begründet keine Unbilligkeit bei vorzeitiger Inanspruchnahme der Altersrente nach § 12a SGB II – angemessenes Hausgrundstück ist auch im SGB XII geschützt

Leitsatz (Juris)
Die Aufforderung des Leistungsträgers gem. § 12a SGB II, vorzeitig eine geminderte Altersrente in Anspruch zu nehmen, ist ermessensfehlerfrei, wenn Unbilligkeitsgründe nicht vorliegen, und der Auszahlungsbetrag sowohl der geminderten Altersrente als auch der Regelaltersrente voraussichtlich nicht ausreichen wird, um den Bedarf des SGB II-Leistungsbeziehers zu decken, sodass ergänzend SGB XII-Leistungen zu gewähren sind.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

Anmerkung:
Ähnlich im Ergebnis: Sächsisches LSG, Beschluss vom 28.08.2014 – L 7 AS 836/14 B ER

2.7 – Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 17.04.2015 – L 4 AS 1578/13 NZB – rechtskräftig

Zur Frage, ob auch räumlich getrennt lebende Ehegatten eine Bedarfsgemeinschaft nach § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II mit der Folge des § 20 Abs. 4 SGB II bilden. Die Frage ist nicht klärungsbedürftig.

Leitsätze (Autor)
Eine Bedarfsgemeinschaft von Eheleuten im Sinn des SGB 2 kann auch bei Ehen ohne gemeinsamen räumlichen Lebensmittelpunkt vorliegen. Für die Annahme “dauernden Getrenntlebens” muss gemäß familienrechtlichen Grundsätzen zur räumlichen Trennung ein nach außen erkennbarer Trennungswille eines Ehegatten zur Lösung des einvernehmlich gewählten Ehemodells hinzutreten (vgl. dazu BSG, Urteil v. 18. Februar 2010 – B 4 AS 49/09 R).

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

2.8 – Landessozialgericht Hamburg, Urteil vom 19.03.2015 – L 4 AS 149/13

Mehrbedarf für kostenaufwändige Ernährung bei Diabetes mellitus Typ 2 und Hypertonie –

Leitsätze (Autor)
1. Bezogen auf die Erkrankung Diabetes mellitus Typ 2 ist eine Ernährungsweise mit einer sogenannten Vollkost angezeigt, die keinen Mehrbedarf im Sinne des § 21 Abs. 5 SGB II auslöst. Bei einer Vollkost handelt es sich nicht um eine Krankenkost, auf die diese Vorschrift abzielt, sondern um eine Ernährungsweise, die auf das Leitbild des gesunden Menschen Bezug nimmt. Sie ist als gesunde Mischkost aus den Regelbedarfsleistungen zu bestreiten (BSG, Urteil vom 10.5.2011 – B 4 AS 100/10 R; Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 23.4.2009 – L 11 AS 124/08).

2. Im Falle einer Hypertonie, wie sie bei dem Antragsteller vorliegt, ist nach den aktuellen Empfehlungen des Deutschen Vereins zur Gewährung von Krankenkost in der Sozialhilfe (4. Auflage 2014) ebenfalls eine Vollkost angezeigt, sodass sich kein Bedarf ergibt, der nicht bereits von den Regelbedarfsleistungen abgedeckt wird. Diese Empfehlungen können zwar nicht als – antizipiertes – Sachverständigengutachten verwendet werden, weil sie sich nicht auf den Einzelfall beziehen. Sie bieten aber in ihren medizinisch-fachlichen Aussagen eine geeignete Orientierungshilfe für Behörden und Gerichte. Soll von ihr abgewichen werden, bedarf es hierfür einer fachlichen Begründung (BSG, Urteil vom 20.2.2014 – B 14 AS 65/12 R).

3. Dahingehende Gründe oder Anhaltspunkte hat der Antragsteller nicht vorgebracht und sie ergeben sich auch nicht aus den vorliegenden Äußerungen der befassten Ärzte.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

Anmerkung:
Ebenso im Ergebnis LSG Hamburg, Urteile v. 19.03.2015 – L 4 AS 275/14, L 4 AS 411/13 u. L 4 AS 333/12

2.9 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 29.04.2015 – L 2 AS 2388/14 B ER – rechtskräftig

Bulgarischer Antragsteller ist nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen, da er sich zum Zweck der Arbeitsuche in der Bundesrepublik Deutschland aufhalte – Schwarzarbeit

Leitsätze (Autor)
1. Eine solche illegale “Schwarzarbeit”, für die insbesondere keine Sozialversicherungsbeiträge entrichtet wurden, kann kein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmer nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 Var. 1 FreizügG/EU aF bzw. nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 1 FreizügG/EU nF vermitteln (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26.02.2014 – L 20 SO 449/13 B; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 20.10.2014 – L 29 AS 2052/14 B ER).

2. Dieser Leistungsausschluss ist unter Berücksichtigung der Entscheidung des EuGH in Sachen “Dano” (Urteil vom 11.11.2014 – Az.: C-333/13) jedenfalls bei den wirtschaftlich inaktiven EU-Ausländern, bei denen nicht einmal eine Arbeitsuche festgestellt werden kann, nicht europarechtswidrig (vgl. Beschluss vom 25.02.2015 – L 2 AS 113/15 B ER). Dies gilt auch für die EU-Ausländer, die zwar zum Zweck der Arbeitsuche in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sind, bisher aber über keine Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt verfügen, weil sie hier zu keinem Zeitpunkt in einem Arbeitsverhältnis gestanden haben. Auch der Ausschluss solcher Arbeitsuchender ist mit europäischem Recht vereinbar (vgl. auch Hessisches Landessozialgericht, Beschluss vom 11.12.2014 – L 7 AS 528/14 B).

3. Allenfalls zu diesem Personenkreis gehört aber der Antragsteller, wenn man bei ihm eine Arbeitsuche als glaubhaft gemacht ansehen sollte, weil er eine legale sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, die eine solche Verbindung zum Arbeitsmarkt begründen könnte, jedenfalls nicht glaubhaft gemacht hat.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

3.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

3.1 – Sozialgericht Berlin, Urteil vom 14. April 2015 (Az.: S 43 AS 6331/14)

Auch Kosten für handschriftliche Bewerbungen sind zu übernehmen.

Leitsätze Dr. Manfred Hammel
1. Ein Jobcenter kann im Rahmen einer Eingliederungsvereinbarung (§ 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II) zu Lasten eines erwerbsfähigen Leistungsberechtigten nicht einseitig die Geltung gesetzlicher Anspruchsgrundlagen (§ 16 SGB II – Leistungen zur Eingliederung – in Verbindung mit § 44 SGB III – Förderung aus dem Vermittlungsbudget) aufheben.

2. Hinsichtlich der vom Jobcenter geforderten Qualität von Bewerbungen kann ein SGB II-Träger nicht generell davon ausgehen, dass lediglich computergeschriebene Stellengesuche bei der Kostenerstattung berücksichtigt werden können. Von maßgebender Bedeutung ist hier, auf welch eine Position sich eine hilfebedürftige Person bewirbt.

3. In Bezug auf die Qualität von Bewerbungen hat ein Jobcenter im Rahmen seiner Ermessenserwägungen insbesondere zu beachten, ob und inwiefern erwerbsfähige Leistungsberechtigte bereits auf die Einhaltung notwendiger Formalien für eine ordnungsgemäße Bewerbung hingewiesen wurden.

Anmerkung:
S. a. RA Kay Füßlein, Berlin:  Auch Kosten für handschriftliche Bewerbungen sind zu übernehmen: www.ra-fuesslein.de

3.2 – Sozialgericht Berlin, Urteil vom 25.03.2015 – S 205 AS 8970/14 – Die Berufung wird zugelassen.

Antragstellerin hat Anspruch auf Mehrbedarf für Alleinerziehende als Leistung für Auszubildende nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe.

Zur Rechtsfrage, in welcher Reihenfolge Einkommen bei einer fiktiven Bedürftigkeitsprüfung zur Bestimmung eines Mehrbedarfs bei Auszubildenden nach § 27 Abs. 2 SGB II anzurechnen ist.

Leitsätze (Autor)
1. Ein Mehrbedarf für Auszubildende im Sinne von § 27 Abs. 2 SGB 2 kann ein isolierter Streitgegenstand sein.

2. Bei der fiktiven Bedarfsberechnung zur Bestimmung des Mehrbedarfs nach § 27 Abs. 2 SGB II ist abweichend von § 19 Abs. 3 Satz 2 SGB II das zu berücksichtigende Einkommen zunächst auf die ausbildungsgeprägten Bedarfe (Regelbedarf und Bedarfe für Unterkunft und Heizung) anzurechnen und erst dann erst auf einen etwaigen Mehrbedarf.

3. Beim Wohngeld handelt sich um keine zweckbestimmte Einnahme nach § 11a Abs. 3 Satz 1 SGB II, denn es besteht Zweckidentität mit der Leistung für Unterkunft nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II mit der weiteren Folge, dass das Wohngeld abweichend von § 19 Abs. 3 Satz 2 SGB II auf den Unterkunftsbedarf anzurechnen ist (LSG Saarland, Urt. v. 25.05.2010 – L 9 AS 9/07). Dass sich die Gewährung von Wohngeld einerseits und Leistungen nach dem SGB II auszuschließen, ist unschädlich, solange es als bereites Mittel zur Deckung des Bedarfs zur Verfügung steht.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

3.3 – SG Bayreuth, Beschluss v. 11.03.2015 – S 17 AS 108/15 ER

Aufforderung zur Stellung eines Antrags auf vorzeitige Altersrente – Anforderungen an die Ermessensausübung

Der Antragsteller war zu Recht zur Beantragung einer Altersrente für schwerbehinderte Menschen verpflichtet.

Leitsätze (Autor)
1. Nach § 12a Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB II ist ein Leistungsberechtigter nach Vollendung des 63. Lebensjahres gesetzlich verpflichtet, eine vorzeitige Altersrente zu beantragen.

2. Ein Leistungsträger ist im Regelfall berechtigt, einen Leistungsberechtigten aufzufordern, dieser Pflicht nachzukommen. Das in § 5 Abs. 3 S. 1 SGB bei der Aufforderung zur Beantragung vorrangiger Sozialleistungen anderer Träger vorgesehene Ermessen ist im Falle des § 12a Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB II ein sog. intendiertes Ermessen, so dass der Leistungsträger im Rahmen der Ermessensausübung die regelmäßig mit der Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente verbundenen nachteiligen, aber vom Gesetzgeber grundsätzlich gebilligten Konsequenzen nicht nochmals in eine Abwägung einzustellen hat.

3. Eine die Interessen des Leistungsberechtigten mit dem öffentlichen Interesse im Einzelnen abwägende Ermessensentscheidung ist im Rahmen des § 5 Abs. 3 S. 1 SGB II nur in atypischen Fällen und insbesondere dann erforderlich, wenn die erzwungene Inanspruchnahme der anderen Sozialleistung mit einem außergewöhnlichen Nachteil für den Leistungsberechtigten verbunden wäre, der eine unangemessene (“unbillige”) Härte begründen könnte (vgl. Sächsisches LSG, Beschluss vom 19. Februar 2015 – L 8 AS 1232/14 ER, a. A. LSG Lachsen-Anhalt, Beschluss vom 10. Dezember 2014 – L 2 AS 520/14 B ER).

Anmerkung:
Ebenso im Ergebnis Sächsisches LSG, Beschluss vom 19. Februar 2015 – L 8 AS 1232/14 ER; Thüringer LSG, Beschluss vom 08.04.2015 – L 4 AS 263/15 B ER; a. A. LSG Sachsen- Anhalt, Beschluss vom 10. Dezember 2014 – L 2 AS 520/14 B ER

3.4 – SG Schwerin, Urteil vom 10.03.2015 – S 15 AS 1947/13

Fahrtkostenerstattung durch den Arbeitgeber ist kein Einkommen im Sinne des SGB II – Zeitungszustellerin/Kurierdienst

Leitsätze (Autor)
1. Bei den durch den Arbeitgeber erstatteten Fahrtkosten und dem gezahlten Wegegeld handelt es sich um Aufwendungsersatz gem. § 670 BGB. Dieser stellt keine Einnahme der Antragstellerin dar, die zu einer Vermögensmehrung führt, die diese tatsächlich zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes einsetzen könnte.

2. Eine wertmäßige Vermehrung des Vermögens der Antragstellerin hat durch die Erstattung zuvor von ihr finanzierter Fahrtkosten nicht stattgefunden. Sie hat daher kein Einkommen i.S. des § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II erzielt (vgl. SG Detmold, Urteil vom 18.09.2014 – S 18 AS 871/12 unter Verweis auf BSG, Urteil vom 23.08.2011 – B 14 AS 185/10 R zu vorausgezahlten Stromabschlägen).

3. Der Grundfreibetrag des § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II findet keine Anwendung auf Fahrtkostenerstattungen des Arbeitgebers nach § 670 BGB.

Quelle: www.landesrecht-mv.de

3.5 – SG Kiel, Urteil vom 09.05.2014 – S 33 AS 613/11

Arbeitslosengeld II – Unterkunft und Heizung – Kostensenkungsverfahren – Doppelmietzahlungen durch Umzug – Dauer der Berücksichtigung der Überschneidungskosten – Zusammensetzung der 4- köpfigen Bedarfsgemeinschaft

Der Grundsicherungsträger muss im Einzelfall umzugsbedingt anfallende Doppelmieten als Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II übernehmen, wenn es der Bedarfsgemeinschaft des Antragstellers mit 2 kleinen Kindern nicht zumutbar gewesen ist, dass bestehende Mietverhältnis in der Erwartung zu kündigen, innerhalb der 3- monatigen Kündigungsfrist angemessenen Wohnraum zu finden.

Leitsätze (Autor)
1. Umzugsbedingt anfallende Doppelmieten stellen keine Wohnungsbeschaffungskosten, sondern Kosten der Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II dar, die im Rahmen ihrer Angemessenheit bedarfserhöhend zu berücksichtigen sind. Die Dauer, für die Überschneidungskosten zu berücksichtigen sind, richtet sich nach dem Einzelfall (Anschluss LSG Berlin-Brandenburg, Urteil v. 31.03.2013 – L 34 AS 721/11).

2. Mit Blick auf die konkrete Zusammensetzung der BG (2 Kinder im Alter von sechs und 2 Jahren) war es nicht zumutbar, Überschneidungskosten zu vermeiden (z.b. rascher Auszug wegen Verschimmelung der Kinderzimmer).

3. Der Umzug mit kleinen Kindern lässt sich – anders als der mit älteren Kindern oder erwachsenen Personen – nicht ohne weiteres ohne zeitliche Verzögerung organisieren und durchführen.

Quelle: sozialberatungkiel.files.wordpress.com

Anmerkung 1:
S. a. RA Helge Hildebrandt, Sozialberatung Kiel: Doppelmieten: Konsequent rechtswidriges Verwaltungshandeln seit nunmehr 10 Jahren
sozialberatung-kiel.de

Anmerkung 2:
Gleicher Auffassung: SG Nordhausen, Urteil v. 18.09.2013 – S 11 AS 3700/11 – Anspruch eines BAB-berechtigten Auszubildenden auf Bewilligung von Doppelmietkosten als Unterkunftsbedarf nach § 22 Abs. 7 S. 1 SGB II a. F. – Unterkunftskosten, die nach einem Umzug, dem der Grundsicherungsträger zugestimmt hat, während der Kündigungsfrist noch für die frühere Wohnung anfallen, sind keine Wohnungsbeschaffungskosten, sondern Kosten der Unterkunft i. S. d. § 22 Absatz 1 Satz 1 SGB II (Anschluss an LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 31.01.2013 – L 34 AS 721/11); zum SGB XII: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.12.2010 – L 2 SO 2078/10 – Kostenübernahme von Überschneidungskosten für Miete nach Umzug ins Pflegeheim bis zum Ablauf der Kündigungsfrist der bisherigen Wohnung als notwendiger Unterkunftsbedarf nach § 29 SGB XII a.F.;  a. A. LSG NRW, Beschluss vom 21.01.2015 – L 19 AS 2274/14 B – wonach unvermeidbare doppelte Mietaufwendungen zu den Kosten i.S.v. § 22 Abs. 6 S. 1 SGB II gehören.

3.6 – Sozialgericht Duisburg, Beschluss vom 20.03.2015 – S 36 AS 828/15 ER – anhängig beim LSG NRW Az. L 19 AS 571/15 ER

Keine Bewilligung von Prozesskostenhilfe – § 31a Abs. 2 SGB II – ergänzende Sachleistungen – Nichtteilnahme an der selbst gesuchten Maßnahme

Leitsätze (Autor)
1. Die Vorschrift des § 31a Abs. 2 SGB 2 ist nicht verfassungswidrig. Aus der gesetzgeberischen Motivation ergibt sich der sachliche Grund für die unterschiedliche Behandlung von Angehörigen der Altersgruppe unter bzw. über 25 Jahren. Dieses gesetzgeberische Motiv ist nicht zu beanstanden. Darüber hinaus ist entscheidend, dass § 31a Abs. 2 SG B 2 Regelungen enthält, mit denen die Rechtsfolgen der Sanktionierung abgeschwächt werden können (vgl. LSG NRW, Beschluss vom 21.12.2012, Az.: L 12 AS 2232/12 B).

2. Ein Hinweis im Sanktionsbescheid auf die Möglichkeit der Erbringung ergänzender Sach- bzw. geldwerter Leistungen “auf Antrag” ist damit ausreichend, insbesondere wenn dieser Hinweis wie im vorliegenden Fall bereits zuvor in den Anhörungsschreiben erteilt worden ist und ausreichend Zeit verblieben wäre, um sicherzustellen, dass diese Leistungen bereits zu Beginn der Absenkungszeiträume hätten zur Verfügung stehen können.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

3.7 – Sozialgericht Hannover, Urteil vom 22.01.2015 – S 70 AS 5581/14 – Die Berufung wird zugelassen.

Vor der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts erweist sich die SGB-II/XII-Mietwerterhebung für die Landeshauptstadt Hannover 2013 als nicht rechtmäßig. Der Mietwerterhebung liegt einerseits kein schlüssiges Konzept zu Grunde. Andererseits sind zu dem als angemessen gesetzten Mietpreis nicht in ausreichendem Umfang Wohnungen auf dem Angebotsmietmarkt abstrakt verfügbar.

Schlüssiges Konzept: Kappungsgrenze in Höhe des Durchschnittswerts des Mietspiegels

Leitsätze (Juris)
1. Bei der Erstellung eines Schlüssigen Konzepts (zur Bestimmung der Angemessenheit i.S.d. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB) ist die Kappungsgrenze regelmäßig in Höhe des ortsüblichen Marktpreises (z.B. Durchschnittswert des Mietspiegels) festzusetzen.

2. Eine Kappungsgrenze unterhalb des ortsüblichen Marktpreises bedarf einer fundierten Auseinandersetzung mit der Zusammensetzung des lokalen Mietmarkts (Fortführung von Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Oktober 2010, Az. B 14 AS 50/10 R, www.juris.de, Leitsatz 2 und Rn. 32; Landessozialgericht Niedersachsen Bremen, Urteil vom 03. April 2014, Az. L 7 AS 786/11, www.juris.de, insbesondere Rn. 61 ff.)

3. Wird der Durchschnittswert des Mietspiegels angewandt, kann davon ausgegangen werden, dass es in ausreichendem Maße Wohnungen zu diesem abstrakt angemessenen Quadratmeterpreis im örtlichen Vergleichsraum gibt (Fortführung von Bundessozialgericht, Urteil vom 13. April 2011, Az. B 14 AS 106/10 R, www.juris.de, Leitsatz).

4. Der Nachweis (abstrakter) Verfügbarkeit soll bezogen auf einen halbjährigen Kostensenkungszeitraum (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II) geführt werden (Fortführung von Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 31. August 2004, Az. 5 C 8/04, www.juris.de).

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

Anmerkung:
Dieser Ansicht hat sich die 70. Kammer mit Urteilen vom 22. Januar 2015 (Az. S 70 AS 5581/14, S 70 AS 4804/14, S 70 AS 4258/13 und S 70 AS 2053/13) und 26. März 2015 (Az. S 70 AS 3604/14, S 70 AS 3820/14 und S 70 AS 3823/14) angeschlossen. Dabei hat sie insbesondere das Urteil des Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen vom 03. April 2014, Az. L 7 AS 786/11 berücksichtigt, das seit dem Beschluss des Bundessozialgerichts vom 29. Dezember 2014, Az. B 4 AS 179/14 B, rechtskräftig ist.

4.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)

4.1 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 27.04.2015 – L 20 SO 426/12

Sozialhilfe – Hilfe zum Lebensunterhalt – Mehrbedarf bei Nachweis der Feststellung des Merkzeichens G – keine rückwirkende Leistungserbringung – Einsetzen der Sozialhilfe – Kenntnis des Sozialhilfeträgers von den Leistungsvoraussetzungen – Berücksichtigung erst ab Vorlage des Nachweises

Leitsatz (Autor)
1. Ein Anspruch auf Berücksichtigung eines Mehrbedarfs als Schwerbehinderter besteht erst mit der Vorlage des die Schwerbehinderung feststellenden Versorgungsamtsbescheides oder des Schwerbehindertenausweises (LSG NRW, Beschluss v. 07.10.2014 – L 20 SO 163/14 (PKH)).

2. Auch wenn das Bundessozialgericht dies seinerzeit ausdrücklich offen gelassen hat (Urteil vom 10.11.2011 – B 8 SO 12/10 R), ist für die seit dem 07.12.2006 geltende Fassung des § 30 Abs. 1 SGB XII am von ihm für die zuvor geltende Normfassung gefundenen Auslegungsergebnis festzuhalten (hierzu bereits Beschluss des erkennenden Senats vom 07.10.2014 – L 20 SO 163/14 (PKH) sowie LSG NRW, Beschluss vom 08.05.2014 – L 9 SO 55/14 B; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 18.09.2013 – L 2 SO 404/13; SG Wiesbaden, Urteil vom 30.04.2014 – S 30 SO 47/12).

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

4.2 – Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 18.03.2015 – L 2 SO 5608/13

Bestattungskosten nach § 74 SGB XII – Verweisbarkeit auf Ansprüche gegenüber Dritten bei der Prüfung der Zumutbarkeit – Verweisung auf Ausgleichsansprüche gegen ein bestattungspflichtiges Familienmitglied –

Leitsatz (Juris)
Kein Anspruch auf Übernahme der Kosten der Bestattung der verstorbenen Mutter durch den Sozialhilfeträger, wenn der daneben als Angehöriger ebenfalls zur Bestattung verpflichtete Bruder der Klägerin, der anders als die Klägerin darüber hinaus auch als Erbe vorrangig bestattungspflichtig war, tatsächlich (wenn auch ratenweise) die noch offenen Bestattungskosten abbezahlt.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

Anmerkung:
Vgl. SG Karlsruhe, Urteil vom 28.11.2014 – S 1 SO 903/14 – Realisierbare Ausgleichsansprüche gegen andere Bestattungspflichtige stehen der vollständigen Übernahme von Bestattungskosten aus Sozialhilfemitteln entgegen.

4.3 – LSG Baden-Württemberg Urteil vom 18.3.2015 – L 2 SO 56/15

Zur Aufhebung der bewilligten Sozialhilfe für Deutsche im Ausland wegen Wegfall des Rückkehrhindernisses.

Leitsätze (Juris)
Kein Anspruch auf (Weiter-) Gewährung von Sozialhilfe gemäß § 24 SGB XII an eine im Ausland – hier in Italien – mit ihrem italienischen Ehemann und den gemeinsamen Kindern lebende Deutsche nach Wegfall des Rückkehrhindernisses beim Ehemann – nämlich einer Einreisesperre nach Deutschland wegen einer Straftat.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

4.4 – Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 23.04.2015 – L 7 SO 308/14

Leitsätze (Juris)
1. Die Zuständigkeit des erstangegangenen Rehabilitationsträgers i.S. des § 14 SGB IX gegenüber dem Leistungsempfänger kann sich daraus ergeben, dass dieser seine Zuständigkeit anerkennt.

2. Der Leistungskatalog des § 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 SGB IX ist nicht abgeschlossen und umfasst auch die Betreuung eines erwachsenen behinderten Menschen in einer Pflegefamilie.

3. Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Sozialhilfeträger zur Bemessung der Höhe eines Betreuungsgeldes als Leistung der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII betreffend die Betreuung eines erwachsenen behinderten Menschen in einer Pflegefamilie auf am Wohnsitz des behinderten Menschen bestehende Richtlinien zur Bemessung des Betreuungsgeldes zurückgreift. Eine analoge Anwendung der jugendhilferechtlichen Bestimmung des § 39 SGB VIII kommt bei der Unterbringung und Betreuung erwachsener behinderter Menschen nicht in Betracht.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

4.5 – Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 23.04.2015 – L 7 SO 43/14

Befristung im Sinne des § 32 Abs. 2 Nr. 1 SGB X – Befristung der Sozialhilfeleistung

Leitsätze (Juris)
1. Die mit der Bewilligung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem SGB XII verbundene Befristung kann isoliert mit der Anfechtungsklage angefochten werden.

2. Die Regelung des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB XII begründet die Ermächtigung und zugleich die Verpflichtung der Behörde zu einer Befristung der Bewilligung i.S. des § 32 Abs. 1 SGB X.

3. Eine Abweichung von dem Regelbewilligungszeitraum von einem Jahr ist bei Vorliegen eines sachlichen Grundes, an den keine überzogenen Anforderungen zu stellen sind, zulässig.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

Anmerkung:
Vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 25. Januar 2008 – L 20 B 132/07 SO ER – Eine Abweichung von dem Regelbewilligungszeitraum, d.h. ein kürzer Bewilligungszeitraum, ist bei Vorliegen eines sachlichen Grundes, an den keine überzogenen Anforderungen zu stellen sind, zulässig.

5.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)

5.1 – Sozialgericht Detmold, Urteil vom 31.03.2015 – S 2 SO 119/14

Ist der Bezug von Sozialhilfe aufgrund Rente wegen Erwerbsminderung auf Zeit – nur vorübergehend – (hier 17 Monate), ist die Verwertung des PKW nicht zumutbar.

Leitsätze (Autor)
1. Der PKW fällt zwar nicht unter eine der in § 90 Abs.2 SGB XII enumerativ aufgezählten Konstellationen.

2. Die Verwertung des PKW wäre im vorliegenden Fall jedoch unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles eine unzumutbare Härte, weil die Antragstellerin absehbar nur vorübergehend Leistungen nach dem 3. Kapitel beziehen und mit Wiederaufleben ihrer Erwerbsfähigkeit wieder auf ein Auto angewiesen war bzw. dieses im Rahmen des Bezugs von Leistungen nach dem SGB II bis zu einem Wert von 7.500 Euro geschütztes Vermögen im Sinne des § 12 Abs.3 Nr.2 SGB II ist, während PKW im SGB XII grundsätzlich kein geschütztes Vermögen sind.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

Anmerkung:
Vgl. dazu auch SG Düsseldorf, Urteil vom 04.08.2008, Az. S 28 (23) SO 132/05 – Wertvolle Immobilie muss wegen Sozialhilfebezugs ausnahmsweise nicht verwertet werden, wenn nur vorübergehende Hilfebedürftigkeit und unverschuldetes Hineingeraten.

5.2 – Sozialgericht Detmold, Urteil v0m 31.03.2015 – S 2 SO 308/14

Auch ein älterer behinderter Mensch, der nun bei einem seiner Kinder und dessen Familie lebt, hat Anspruch auf die Regelbedarfsstufe 1.

Leitsätze (Autor)
1. Es muss typisierend bei familienhaften Zusammenleben von behinderten und nicht behinderten Menschen, gerade auch beim Zusammenleben von Eltern mit ihren behinderten erwachsenen Kindern, davon ausgegangen werden, dass die hilfebedürftige Person der Regelbedarfsstufe 1 unterfällt, ergänzt durch die gesetzliche Vermutungsregelung des § 39 Satz 1, 1. Halbsatz SGB XII (BSG, Urteil vom 23.7.2014, B 8 SO 31/12 R).

2. Dieser Auffassung ist zu folgen, und zwar auch für die hier vorliegende spiegelbildliche Variante, dass ein älterer behinderter Mensch nun bei einem seiner Kinder und dessen Familie lebt.

3. Für die Zuordnung zu einer Regelbedarfsstufe kann nicht entscheidend sein, in welchem Umfang die praktischen Tätigkeiten der Haushaltsführung selbst von dem behinderten Menschen verrichtet werden oder inwiefern diese durch andere, sei es durch einen bezahlten Integrationshelfer oder Pflegedienst oder eben durch die Eltern eines jungen erwachsenen Menschen mit Behinderung oder wie hier im vorliegenden Fall eines älteren erwachsenen Menschen mit Schwerbehinderung nun durch die erwachsenen Kinder verrichtet werden. Entscheidend ist vielmehr, dass für den Leistungsberechtigten eine organisatorische, im Sinne der Inklusion gewollte Haushaltsführung stattfindet.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

Anmerkung:
Ebenso bei einem erwachsenen behinderten Menschen, der bei seinen Eltern lebt – SG Detmold, Urt. v. 31.03.2015 – S 2 SO 280/14

6.   Niemand muss allein zum Amt – Verfahren gegen Hartz-IV-Helfer in Offenbach eingestellt. Diese wehren sich gegen Hausverbot

Christine Zoschke, Richterin am Offenbacher Amtsgericht, hatte schon früh deutlich gemacht, dass sie Öffentlichkeit bei diesem Verfahren nicht besonders schätzt. Denn sie hatte einen kleinen “Saal” gewählt für eine Verhandlung am Donnerstag gegen zwei sogenannte Hartz-IV-Helfer, denen Hausfriedensbruch in einem Jobcenter vorgeworfen wurde. Nur acht Personen passten in den Raum, die dreifache Menge interessierter Prozessbeobachter aber hatte auf dem Gerichtsflur gewartet. Viele Hartz-IV-Bezieher besuchen stets engagiert Verhandlungen, die sich um Probleme mit Jobcentern drehen: Zum einen, weil sie deren Schikanen vielfach in eigener Sache erleben mussten; zum anderen, um sich solidarisch mit ebenfalls Betroffenen zu zeigen.

Weiter: www.jungewelt.de

Autor des Rechtsprechungstickers: Willi 2 von Tacheles – alias Detlef Brock

Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de