Rechtsprechungsticker von Tacheles KW 39/2015

1.   Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 16.06.2015 zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

1.1 – BSG, Urteile vom 16.06.2015 – B 4 AS 44/14 R und B 4 AS 45/14 R

Arbeitslosengeld II – Unterkunft und Heizung – Angemessenheit der Unterkunftskosten – Fehlen eines schlüssigen Konzepts – Erkenntnisausfall – Rückgriff auf die Wohngeldtabelle – Ermittlung der Mietenstufe bei Gemeinden mit einer Einwohnerzahl unter 10.000

Leitsatz
1. Jobcenter muss Mietunterschiede berücksichtigen.

2. Das Mietniveau einer Umlandgemeinde kann dem der benachbarten Großstadt entsprechen oder höher sein. Das Jobcenter darf für die Prüfung, welche Miete angemessen ist, nicht nur auf Durchschnittswerte zurückgreifen.

Quelle: juris.bundessozialgericht.de
sozialgerichtsbarkeit.de

2.   Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 29.04.2015 zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

2.1 – BSG, Urteil vom 29.04.2015 – B 14 AS 8/14 R

Arbeitslosengeld II – Zuschuss zu Versicherungsbeiträgen der privaten Krankenversicherung – Behandlungskosten aufgrund vereinbarter Selbstbeteiligung – vorübergehender Mehrbedarf wegen eines unabweisbaren laufenden besonderen Bedarfs – Nachholung einer Beratung – Zumutbarkeit des Wechsels in den Basistarif

Leitsatz (Autor)
Kosten der medizinischen Versorgung sind ausnahmsweise, solange es an einer ausreichenden Beratung des zuständigen Grundsicherungsträgers über die Möglichkeiten des Wechsels in den PKV-Basistarif gefehlt hat und der Wechsel deshalb zunächst unterblieben ist und soweit in der GKV Kosten in entsprechender Höhe angefallen wären, nach § 21 Abs. 6 SGB II übernahmefähig.

Quelle: juris.bundessozialgericht.de

Anmerkung:
Zum § 32 SGB XII siehe Juris PK SGB XII 2. Auflage./ Holzhey Rz. 60

Von der Norm werden nicht die Aufwendungen zur medizinischen Versorgung erfasst, die in den Selbstbehalt fallen….

Sie können jedoch – insbesondere bei fehlender Beratung zu einem Wechsel in den PKV- Basistarif durch den Sozialhilfeträger – gem. § 27a Abs. 4 Satz 1 SGB XII zu einer Erhöhung des Regelsatzes führen (BSG, Urt. v. 29.4.2015, B 14 AS 8/14 R, Rz. 19).

3.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

3.1 – Bayerisches Landessozialgericht, Urteil v. 23.07.2015 – L 7 AS 594/14 – anhängig beim BSG unter dem Az. B 14 AS 40/15 R

Besonderer Härtefall nach § 27 Abs. 4 SGB II

Leitsatz (Juris)
1. Wenn der Träger der Arbeitsförderung eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme mit internatsmäßiger Unterbringung nach §§ 112 ff SGB III fördert, ist dieser nicht verpflichtet, auch die Kosten der bisherigen Wohnung zu übernehmen.

2. Es kann ein Anspruch gegen den Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende auf Übernahme der Aufwendungen der bisherigen Wohnung in Form eines Darlehens nach § 27 Abs. 4 S. 1 SGB II wegen eines besonderen Härtefalls bestehen, wenn der Leistungsausschluss eine schon greifbare Verbesserung der Chancen auf eine selbsttragende Erwerbstätigkeit bedroht.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

3.2 – Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 23.07.2015, L 7 AS 546/14 – Revision wird zugelassen

Nichtigkeitsfeststellungsklage, Überprüfungsantrag, Überprüfungsbescheid

Leitsatz (Juris)
1. Eine Nichtigkeitsfeststellungsklage im Hinblick auf bestandskräftige Bewilligungsbescheide ist unzulässig.

2. Eine Nichtigkeitsfeststellungsklage gegen bestandskräftige Überprüfungsbescheide ist möglich.

3. Eine Nichtigkeitsfeststellungsklage gegen nicht bestandskräftige Bescheide ist regelmäßig unzulässig.

4. § 44 Abs. 4 SGB X enthält eine materiell rechtliche Ausschlussfrist, so dass auch Überprüfungsbescheide, die mit einem neuen Überprüfungsantrag überprüft werden sollen, nur insoweit zeitlich geprüft werden können, als dies der neue Überprüfungsantrag eröffnet

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

3.3 – Bayerisches Landessozialgericht, Urteil vom 23.07.2015 – L 7 AS 547/14 – Revision wird zugelassen

Absetzbeträge, Anfechtungsklage, Nichtigkeitsgründe

Leitsatz (Juris)
1. Im Rahmen einer Anfechtungsklage sind auch vorgetragene Nichtigkeitsgründe zu prüfen.

2. Vom Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit sind im Bereich des SGB II nur Zahlungen auf laufenden, titulierten Unterhalt abzusetzen, nicht jedoch Zahlungen auf Unterhaltsrückstände, auch wenn diese tituliert sind.

3. Vom Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit können im Bereich des SGB II Rückstände für eventuelle Rechtsanwaltskosten und zur Ansparung für ein Kfz nicht abgesetzt werden.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

3.4 – LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 29. Juli 2015 (Az.: L 12 AS 2369/13):

Angemessenheit der Kosten der Unterkunft – Stadt Köln hat kein schlüssiges Konzept – Wohngeldtabelle – Bei fehlerhafter Kostensenkungsaufforderung müssen die tatsächlichen KdU übernommen werden

Leitsatz Dr. Manfred Hammel
1. Die Überschreitung der angemessenen Wohnungsgröße (für einen Einpersonenhaushalt bis zu 50 qm) ist grundsicherungsrechtlich unbeachtlich, wenn das Produkt aus Wohnungsgröße und Wohnungsstandard, ausgedrückt in der Höhe des Mietpreises, gleichwohl angemessen im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II wäre.

2. Die Wohnung hat hierbei nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen zu entsprechen und darf keinen gehobenen Standard aufweisen.

3. Zu ermitteln ist hier überdies die Miete im räumlichen Vergleichsraum, begrenzt auf die angemessene Mietobergrenze, für Wohnungen einfachen Standards im gesamten Stadtgebiet von Köln.

4. Voraussetzung für die Absenkung der Unterkunftskosten auf das angemessene Maß ist gemäß § 22 Abs. 1 Satz 3 SGB II die Durchführung eines Kostensenkungsverfahrens. Dies ist erforderlich, um die hilfebedürftige Person über die Unangemessenheit ihrer Unterkunfts- und Heizkosten in Kenntnis und die Sechsmonatsfrist nach dieser Norm in Gang zu setzen.

5. Das entsprechende Informationsschreiben stellt keinen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Satz 1 SGB X dar, denn hierfür besteht keine gesetzliche Grundlage.

6. Dieser Kostensenkungsaufforderung kommt lediglich eine Warnfunktion zu.

7. Die einzelne hilfebedürftige Person soll Klarheit über die aus der Sicht des Jobcenters angemessen hohen Kosten der Unterkunft und Heizung sowie einen Hinweis auf die Rechtslage erhalten.

8. Wenn ein Jobcenter diesen Anforderungen hier nicht entspricht, dann kann ein fehlerhaftes Anschreiben für einen Antragsteller keine nachteiligen Folgen entfalten.

Rechtstipp 1: Siehe dazu auch: SG Karlsruhe, Urt. v. 29.07.2015 – S 17 AS 2154/14 – Kostensenkungsmaßnahmen sind dann unzumutbar, wenn der Grundsicherungsträger dem Hilfeempfänger unrichtige Richtgrößen in der Kostensenkungsaufforderung mitteilt und der Hilfeempfänger deshalb keine angemessene Wohnung findet.

Rechtstipp 2: SG Köln, Urteil vom 10.02.2015 – S 7 AS 2502/13 – Stadt Köln verfügt über kein schlüssiges Konzept für die Bestimmung abstrakt angemessener Kosten der Unterkunft.

4.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)

4.1 – SG Hannover, Beschluss v. 27.07.2015 – S 48 AS 2399/15 ER

Grundsicherung für Arbeitsuchende – Einkommensberücksichtigung – Abgrenzung laufender Einnahmen von einmaligen Einnahmen – keine Ausnahme vom Zuflussprinzip bzw Berücksichtigung im Folgemonat bei nur verspäteter Aus- bzw Nachzahlung einer laufenden Einnahme – Krankengeldnachzahlung

SG Hannover entscheidet im Eilverfahren: Nachzahlungen von Sozialleistungen (hier Krankengeld) sind nicht als einmalige Einnahme zu werten, sondern sind im Zuflussmonat anzurechnen und werden im Folgemonat zu Vermögen bei Nichtüberstreitung des Vermögensfreibetrages.

Leitsatz (Autor)
1. Bei der Nachzahlung von Krankengeld handelt es sich um eine laufende Einnahme (Anlehnung an BSG, Urteil v. 24.4.2015, B 4 AS 32/14 R).

2. Krankengeldachzahlungen müssen als laufende Leistung definiert werden und sind demnach nur in dem Monat, in dem sie zufließen, als Einkommen zu werten. Danach gelten sie aber als Vermögen. Das bedeutet, dass bei der Berechnung der Hartz IV-Zuweisungen Vermögensfreibeträge greifen.

3. Ohne Bedeutung ist es für die Abgrenzung auch, ob das Rechtsverhältnis, auf dem die Zahlung beruht, zum Zeitpunkt der Zahlung noch bestanden hat oder schon beendet war (Vgl. BSG, Urt. v. 24.04.2015 – B 4 AS 32/14 R).

4. Da es sich bei Krankengeld um eine üblicherweise wiederkehrende Leistung handelt, ist auch die einmalige Nachzahlung von Krankengeld als laufende Einnahme zu qualifizieren (vgl. bezüglich Krankengeld bereits ebenso konkret BSG, Urteil v. 16.12.2008 – B 4 AS 70/07 R).

Rechtstipp 1: ebenso zum ALG I: SG Duisburg, Urt. v. 28.4.2014 – S 49 AS 2522/13; SG Augsburg, Urteil vom 06.06.2014 – S 15 AS 58/14, zur Witwenrente: SG Augsburg, Urt. v. 10.03.2015 – S 11 AS 1263/14 – Berufung anhängig beim BAY LSG Az. L 9 AS 247/15; zur Nachzahlung von polnischer Rente: LSG NRW, Beschl. v. 01.04.2015 – L 19 AS 2233/14 B und aktuell zur Krankengeldnachzahlung – Bay LSG, Beschluss vom 15.07.2015 – L 11 AS 389/15 NZB

Rechtstipp 2: a. A. zur Elterngeldnachzahlung: SG Augsburg, Urteil vom 21.08.2015 – S 8 AS 126/15

S. a. Anwältin zwingt Jobcenter in die Knie – Sieg vor Sozialgericht – Urteil könnte viele andere betreffen:

Die Bad Nenndorfer Rechtsanwältin Sandra Glitza hat für eine Mandantin einen neuen Rechtsanspruch gegen das Job-Center Schaumburg durchgefochten. Dabei geht es um einen Leistungsanspruch für Empfänger von Hartz IV, der laut Glitza noch rückwirkend bis zum 1. Januar 2014 geltend gemacht werden kann.

Im Fall der 55-jährigen Bad Nenndorferin hat das Sozialgericht Hannover jetzt in einem Eilverfahren im Sinne der Rechtsprechung des BSG entschieden und der Mandantin die strittigen Hartz IV-Zahlungen zuerkannt. Nach Einschätzung von Glitza dürfte es etliche Hartz IV-Empfänger geben, die entsprechende Ansprüche haben. Diese können nach Auskunft der Fachanwältin von nun an geltend gemacht werden, und zudem durch einen Überprüfungsantrag auch rückwirkend bis zum 1. Januar 2014.

Nach Auskunft von Kreissozialdezernent Klaus Heimann hat das kreiseigene Job-Center die Praxis seit August im Sinne des BSG-Urteils umgestellt. Zuvor habe man sich in dieser Sache pflichtgemäß auf “verbindliche fachliche Hinweise der Bundesagentur für Arbeit” bezogen. Die Klarstellung durch das BSG sei nunmehr sehr hilfreich, fügte der Sozialdezernent hinzu.

Quelle: www.schaumburger-zeitung.de

4.2 – SG Köln, Beschl. v. 04.09.2015 – S 35 AS 2632/15 ER

10% Sanktion – Meldetermin wurde krankheitsbedingt v. Antragsteller nicht wahrgenommen – Verfassungsmäßigkeit von Sanktionen

Leitsatz (Autor)
1. Keinen Eilrechtsschutz bei (nur) 10%iger Sanktion.

2. Von einem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten geltend gemachte Arbeitsunfähigkeit ist nicht in jedem Einzelfall gleichbedeutend mit einer krankheitsbedingten Unfähigkeit, einen Meldetermin nach Weisung des Jobcenters wahrzunehmen.

3. Nach Auffassung des Gerichts verstößt das Sanktionsrecht nach den §§ 31 ff. SGB II gerade nicht gegen das aus Art. 1 Grundgesetz i. V. m. dem Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) hergeleitete menschenwürdige Existenzminimum.

4. Auch das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum gewährleistet keinen von Mitwirkungsobliegenheiten und Eigenaktivitäten unabhängigen Anspruch auf Sicherung eines Leistungsniveaus mit der Folge, dass Sanktionen grundsätzlich zulässig sein dürften. Dementsprechend ist die Verfassungsmäßigkeit des Sanktionsrechts in der Rechtsprechung bisher auch nicht durchschlagend in Frage gestellt worden (vgl. BSG, Urteil vom 29.04.2015 – B 14 AS 19/14 R; Urteil vom 09.11.2010 – B 4 AS 27/10 R; LSG NRW, Beschluss vom 09.09.2009 – L 7 B 211/09 AS ER).

Rechtstipp 1: SG Halle (Saale), Beschluss vom 12.06.2015 – S 32 AS 1942/15 ER – wonach bei einer 10% Sanktion eine einstweilige Anordnung bejaht werden kann.

Rechtstipp 2: a. A. SG Dresden, Urteil vom 10.08.2015 – S 20 AS 1507/14 – Die vom Sozialgericht Gotha im Beschluss vom 26.05.2015 (S 15 AS 5157/14) geäußerten Bedenken an der grundsätzlichen Verfassungsmäßigkeit der Sanktionsregelungen des SGB II werden von der erkennenden Kammer geteilt.

Rechtstipp 3: ebenso SG Halle (Saale), Beschluss v. 26.08.2015 – S 5 AS 2835/15 ER; SG Aachen, Beschluss vom 16.06.2015 – S 14 AS 513/15 ER; SG Leipzig, Urteil vom 16.06.2015 – S 24 AS 2264/14 u. Bay LSG, Beschluss vom 08.07.2015 – L 16 AS 381/15 B ER – Die vom Sozialgericht Gotha im Beschluss vom 26.05.2015 (S 15 AS 5157/14) geäußerten Bedenken an der grundsätzlichen Verfassungsmäßigkeit der Sanktionsregelungen des SGB II werden nicht geteilt (vgl. auch Urteil des Bay LSG vom 19.03.2014, L 16 AS 383/11, zur Vorgängerregelung des § 31 SGB II).

4.3 – Sozialgericht Berlin, Beschluss vom 16. Juli 2015 (Az.: S 175 AS 13627/15 ER):

Leitsatz Dr. Manfred Hammel
1. Die aus § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB II hervorgehende Ausschlussnorm gelangt nicht zur Anwendung, wenn Antragsteller sich zum Zwecke des (behördlich ausdrücklich gestatteten) Familiennachzugs nach Deutschland begeben haben.

2. Hier ist auf die Rechtmäßigkeit des Aufenthalts zum Familiennachzug abzustellen, weshalb auch ein Familiennachzug zu einem im Bundesgebiet legal mit ungeklärter Staatsangehörigkeit lebenden Familienmitglied hier anerkannt zu werden hat.

4.4 – Sozialgericht Halle (Saale), Beschluss v. 26.08.2015 – S 5 AS 2835/15 ER

Angelegenheiten nach dem SGB II (AS), Pflichtverletzung, Eingliederungsvereinbarung, wichtiger Grund, Verfassungsmäßigkeit von Sanktionen

Leitsatz (Juris)
1. Neben der Feststellung einer Minderung des Auszahlungsanspruchs wegen einer Sanktion bedarf es keines gesonderten Aufhebungsbescheides nach § 48 SGB X.

2. Es ist kein wichtiger Grund i.S.v. § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II dargelegt, wenn eine Weiterbildungsmaßnahme (hier: Fahrerlaubniserwerb) mit der Behauptung abgebrochen wird, dabei anfallende Fahrtkosten nicht verauslagen zu können, wenn der Leistungsträger aus der Eingliederungsvereinbarung zur Fahrtkostenerstattung verpflichtet ist und der Leistungsberechtigte zuvor bei Abschluss der Eingliederungsvereinbarung nicht angedeutet hat, die Fahrtkosten bis zu einer Erstattung nicht aufbringen zu können.

3. Anhaltspunkte für eine Verfassungswidrigkeit der Sanktionsregelungen des SGB II bestehen nicht. Es ist nicht zu beanstanden, wenn existenzsichernde Leistungen für erwerbsfähige Leistungsberechtigte hinsichtlich der Höhe an zumutbare Mitwirkungsobliegenheiten im Hinblick auf eine Überwindung der Hilfebedürftigkeit anknüpfen.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

4.5 – SG Karlsruhe Urteil vom 29.7.2015, S 17 AS 2154/14

Angemessenheit der Kosten der Unterkunft; kein schlüssiges Konzept vorhanden; Wohngeldtabelle; fehlerhafte Kostensenkungsaufforderung; Übernahme der tatsächlichen KdU.

Leitsätze (Juris)
Kostensenkungsmaßnahmen sind dann unzumutbar, wenn der Grundsicherungsträger dem Hilfeempfänger unrichtige Richtgrößen in der Kostensenkungsaufforderung mitteilt und der Hilfeempfänger deshalb keine angemessene Wohnung findet.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

4.6 – Sozialgericht Berlin, Gerichtsbescheid vom 14. September 2015 (S 127 AS 32141/12):

Hartz-IV-Paar bekommt kein Geld für künstliche Befruchtung

Leitsatz (Gericht)
Das Jobcenter ist nicht verpflichtet, einem Ehepaar, das Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (“Hartz IV”) bezieht, ein Darlehen für die Kosten einer künstlichen Befruchtung zu gewähren. Der Kostenanteil, den die Krankenkasse nicht übernimmt, muss vielmehr aus eigenen Mitteln, zum Beispiel durch Ansparen, aufgebracht werden.

Quelle: Pressemitteilung des SG Berlin v. 22.09.2015: www.berlin.de

4.7 – SG Aurich, Beschluss vom 18.03.2015 – S 55 AS 43/15 ER

Einstweiliger Rechtsschutz – Minderung des Arbeitslosengeld II – Meldeversäumnis – Anforderung an den Nachweis eines wichtigen Grundes bei Krankheit

Leitsatz (Juris)
1. Zum Nachweis eines wichtigen Grundes im Sinne des § 32 SGB II für das Nichterscheinen zu einem Meldetermin reicht jedenfalls im Rahmen eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes ohne besondere Umstände des Einzelfalls eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung aus.

2. Sofern eine qualifizierte Bescheinigung der Meldeunfähigkeit verlangt wird, bedarf es einer ausdrücklichen Aufforderung durch den Leistungsträger gegenüber dem Leistungsberechtigten vor Erkrankung.

Quelle: www.rechtsprechung.niedersachsen.de 

S.a.: Grundsicherung für Arbeitsuchende (Hartz IV): Hartz IV-Sanktion trotz Krankschreibung – Sozialgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 11. Juni 2015, Az.: S 26 AS 795/13
Einem Hartz IV-Bezieher dürfen die Leistungen ausnahmsweise auch gekürzt werden, wenn er zu einem Termin bei der Behörde nicht erscheint und hierzu nur eine Krankschreibung vorlegt, nicht aber die verlangte Reiseunfähigkeitsbescheinigung.

Quelle: sg-frankfurt-justiz.hessen.de

4.8 – SG Aurich, Beschluss vom 16.01.2014 – S 55 AS 241/13 ER

Arbeitslosengeld II – Unterkunft und Heizung – Unangemessenheit der Unterkunftskosten – Anforderungen an die Darlegung des Fehlens einer konkreten Unterkunftsalternative – ergebnislose Aufnahme in Kundenkarteien mehrerer Maklerunternehmen – einstweiliger Rechtsschutz

Leitsatz (Juris)
1. Zu den Anforderungen an die Darlegung des Fehlens einer konkreten Wohnungsalternative im Rahmen des § 22 SGB II.

2. Ergebnislose Aufnahme in Kundenkarteien mehrerer Maklerunternehmen bestätigt das Fehlen einer Unterkunftsalternative, wenn der Leistungsträger im Gegenzug nicht eine angemessene Wohnung aufzeigen kann.

Quelle: www.rechtsprechung.niedersachsen.de

5.   Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)

5.1 – LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 27. August 2015 (Az.: L 8 SO 177/15.B.ER):

Leitsatz Dr. Manfred Hammel
1. Eine schwere Nahrungsmittelallergie ist insbesondere bei Kindern regelmäßig als eine körperlich wesentliche Behinderung im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 SGB IX in Verbindung mit § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII aufzufassen.

2. Leistungen für den Einsatz eines Integrationshelfers zum Zwecke des Kindergartenbesuchs können über die aus § 55 Abs. 2 SGB IX hervorgehende Auffangnorm beansprucht werden, wenn die Zurverfügungstellung einer persönlichen Assistenz für den Besuch des Kindergartens geeignet und erforderlich ist, um hier die besondere Aufgabe der Eingliederungshilfe nach § 53 Abs. 3 SGB XII zu erfüllen, insbesondere die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen und zu erleichtern (§ 53 Abs. 3 Satz 2 SGB XII), sofern kein andere Betreuung zumutbar ist.

3. Bei einer Betroffenheit mit einer schweren Nahrungsmittelallergie hat festzustehen, dass die durchgängige Beobachtung und Begleitung durch eine sachlich unterwiesene Person erforderlich ist, damit keine Kontaktaufnahme mit verbotenen Lebensmitteln erfolgt.

4. Gerade für ein behindertes Kind stellt der Besuch eines Kindergartens einen wesentlichen Beitrag zur frühkindlichen Entwicklung dar.

6.   Entscheidungen der Sozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)

6.1 – SG Aurich, Urteil vom 17.03.2015 -  S 13 SO 71/10

Leitsatz (Juris)
1. Eine Betreuung über Tag und Nacht im Sinne des § 54 Abs. 3 SGB XII liegt nicht nur bei einem 24 Stunden andauernden dauerhaften Aufenthalt in einer Pflegefamilie ohne Verlassen des Hauses vor, sondern auch bei nicht behinderten Menschen vergleichbaren auch längeren Abwesenheiten in der Freizeit oder Schulzeit.

2. Im Regelfall wird bei jedweder geistiger oder körperlicher Behinderung die vollstationäre Aufnahme in eine Einrichtung der Behindertenhilfe durch die Aufnahme in die Pflegefamilie im Sinne des § 54 Abs. 3 SGB XII vermieden.

Quelle: www.rechtsprechung.niedersachsen.de

6.2 – Sozialgericht Aurich, Urteil vom 26. Februar 2014 – S 13 SO 18/13

Sozialhilfe – Eingliederungshilfe – Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft – Versorgung mit anderen Hilfsmitteln – Kraftfahrzeughilfe – Beschaffung und behindertengerechter Umbau eines Kraftfahrzeuges – Angewiesen sein auf die Benutzung des Kraftfahrzeuges – Vergleich mit nichtbehinderten Menschen

Leitsatz (Juris)
Ein Anspruch eines behinderten Menschen auf Bewilligung von Leistungen der Kfz-Hilfe als Eingliederungshilfeleistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft besteht sowohl zur Beschaffung des Fahrzeuges als auch zu dessen Umbau bei gleichen Voraussetzungen. Ob ein behinderter Mensch auf ein Kraftfahrzeug im Sinne des Gesetzes angewiesen ist, bestimmt sich durch einen Vergleich mit den Möglichkeiten eines nicht behinderten Menschen. Es ist insbesondere ein Vergleich zu einem in der gleichen Lebenssituation befindlichen Menschen ohne Behinderung und ohne Bezug von Sozialhilfeleistungen durchzuführen.

Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de

7.   LSG Bayern: Erbausschlagung eines Sozialleistungsempfängers kann entgegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Erbverzicht sittenwidrig sein – Anmerkung von JR Dr. Wolfgang Litzenburger

LSG Bayern, Beschl. v. 30.07.2015 – L 8 SO 146/15 B ER – dejure.org

LSG Bayern: Erbausschlagung eines Sozialleistungsempfängers kann entgegen der höchstrichterlichen Rechtsprechung zum Erbverzicht sittenwidrig sein

SGB XII § 93; BGB §§ 1942, 2346

1. Für die Wirksamkeit der Überleitung eines Anspruchs nach § 93 SGB XII genügt es bereits, dass ein überleitungsfähiger Anspruch überhaupt in Betracht kommt, er also nicht von vornherein objektiv ausgeschlossen ist.

2. Entscheidend ist nicht, ob ein Anspruch tatsächlich besteht, sondern dass die Überleitung für einen Zeitraum erfolgt, für den Leistungen der Sozialhilfe tatsächlich gewährt worden sind.

3. Die bei der Ausschlagung einer Erbschaft (§ 1942 I BGB) anzulegenden Maßstäbe entsprechen nicht unbedingt denen eines Erbverzichts.

4. Bei einem rechtsgeschäftlichen Erbverzicht (§ 2346 II BGB) weiß der Verzichtende i.d.R. weder, wie hoch das Erbe sein wird, noch, ob er zum Zeit und des Todes des Erblassers sozial bedürftig ist.

5. Verzicht und Ausschlagung als zivilrechtlich eröffnete Gestaltungsmittel eines Hilfebedürftigen zulasten der Allgemeinheit sind nicht in jedem Fall hinzunehmen. (Leitsätze des Gerichts)

Quelle: rsw.beck.de

8.   LSG RPF: Keine Aufrechnung durch die BA gegen Anwaltsgebühren – Anmerkung von RA Martin Schafhausen

Zu: LSG Rheinland-Pfalz, Urt. v. 06.05.2015 – L 6 AS 288/13 – dejure.org

LSG Rheinland-Pfalz: Keine Aufrechnung durch die BA gegen Anwaltsgebühren

SGB X § 63; BGB §§ 389, 387, 257, 249

1. Hat der Widerspruchsführer auf die Kostenrechnung eines Bevollmächtigten keine Zahlung geleistet, kann er vom Leistungsträger gem. § 63 SGB X nur Freistellung von der Gebührenforderung des Bevollmächtigten verlangen, nicht aber Zahlung.

2. Die Aufrechnung des Job-Centers mit eigenen Zahlungsansprüchen scheitert in diesem Fall an der vorausgesetzten Gleichartigkeit der zur Aufrechnung gestellten Forderungen. (Leitsätze des Verfassers)

Quelle: rsw.beck.de

9.   Handbuch für die ehrenamtliche Flüchtlingshilfe

Das Handbuch können Sie hier kostenlos bestellen.
Bitte beachten Sie, dass alle derzeit verfügbaren Exemplare bereits vergeben sind. Ein Nachdruck befindet sich in Arbeit, der ab Mitte Oktober lieferbar sein wird. Wir bitten für die längeren Lieferzeiten um Verständnis.

Bestellen hier: www.fluechtlingshilfe-bw.de

Download: Das Handbuch als PDF:
Druckoptimierte Fassung

Für e-Reader optimiert

10.   Entrechtung per Gesetz: Bundesregierung plant umfassendes Desintegrationsprogramm für Flüchtlinge. (Claudius V oigt, GGUA)

Die Bundesregierung hat gestern einen Gesetzentwurf zum so genannten “Asylverfahrensbeschleunigungsgesetz” vorgelegt. Entgegen seinem Namen handelt es sich in Wahrheit um ein Integrationsverhinderungsgesetz, das viele mühsam erreichte Verbesserungen, die erst kürzlich in Kraft getreten waren, wieder einstampft. Der Gesetzentwurf ist eine in Paragrafen gegossene Rolle rückwärts – als wären die jahrelangen Diskussionen um Willkommenskultur und Paradigmenwechsel spurlos an der Bundesregierung vorbei gegangen.

Quelle: ggua.de

11.   Übersicht: Zugang zum SGB II und zur Erwerbstätigkeit für drittstaatsangehörige Ausländerinnen und Ausländer in Abhängigkeit vom Aufenthaltsstatus von Claudius Vogt, GGUA

Zugang zum SGB II für drittstaatsangehörige Ausländer, Stand August 2015

12.   Richterin rüffelt Dresdner Jobcenter

Dresden – Wer Schreiben oder Terminvorschläge des Jobcenters ignoriert, kann schnell sanktioniert werden. Bekommt die Behörde dagegen selbst Post, sieht sie die Fristen offenbar lockerer: Sogar das Sozialgericht wartet seit Monaten vergebens auf eine Antwort des Jobcenters. Der Richterin reicht es jetzt…

Weiter: mopo24.de

13.   SGB XII – Änderungsgesetz 2016: Gesetz gegen Gerichtsentscheidungen, ein Beitrag von Herbert Masslau

Vorbemerkung
Die nachfolgenden Regelungen entstammen dem Gesetzentwurf der Bundesregierung, den diese dem Bundesrat zwecks Zustimmung zugesandt hatte. Der Bundesrat hatte den Gesetzentwurf als TOP 16 auf seiner Tagesordnung für die Sitzung am 25. September 2015. Auf dieser Sitzung hat der Bundesrat hierzu einen Beschluß gefasst [BRatDrs. 344/15 (B)], welcher zwar zu anderen Aspekten Änderungswünsche äußert, nicht jedoch zu den in diesem Artikel behandelten, sodass davon auszugehen ist, dass diesbezüglich der Regierungsentwurf in einer der nächsten Sitzungen des Bundestages unverändert mit der Regierungsmehrheit beschlossen wird. Damit träten dann zum 1. Januar 2016 bzw. 1. Januar 2017 Neuregelungen in Kraft, die weitreichende Folgen haben. Weil diese Änderungen so gravierende Folgen haben und davon auszugehen ist, dass das Gesetz…

weiterlesen: www.herbertmasslau.de

Autor des Rechtsprechungstickers: Willi 2 von Tacheles – alias Detlef Brock

Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de