1. Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 25.06.2015 zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
1.1 – BSG, Urteil vom 25.06.2015 – B 14 AS 38/14 R
Erstattung von Vorverfahrenskosten – Widerspruch gegen die Vollstreckungsankündigung eines Hauptzollamtes wegen Rückforderung von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende
Leitsatz (Redakteur)
1. Die Voraussetzungen eines Kostenerstattungsanspruchs aufgrund einer unmittelbaren Anwendung des § 63 Abs 1 SGB X über die Erstattung von Kosten im Vorverfahren liegen nicht vor, weil die Vollstreckungsankündigungen des Hauptzollamtes keine Verwaltungsakte waren.
2. Es besteht auch kein Anspruch auf Erstattung ihrer Aufwendungen aufgrund einer analogen Anwendung des § 63 SGB X. Von dem Grundsatz, dass die durch ein Verwaltungsverfahren entstehenden Kosten dem Bürger nur ausnahmsweise erstattet werden, ist vorliegend nicht abzuweichen.
3. Für die Antragstellerin sind den Anforderungen der verfassungsrechtlich gebotenen Rechtswahrnehmungsgleichheit genügende Verteidigungsmöglichkeiten gegen die Vollstreckungsankündigungen dadurch gewährleistet, dass sie für einen Antrag beim Beklagten auf Einstellung der Vollstreckung nach § 257 AO Beratungshilfe oder für einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs 2 SGG Prozesskostenhilfe – wie geschehen – beanspruchen konnte.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
2. Entscheidungen des Bundessozialgerichts vom 29.04.2015 zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
2.1 – BSG, Urteil vom 29.04.2015 – B 14 AS 19/14 R und B 14 AS 20/14 R
Sozialgerichtliches Verfahren – Minderung des Arbeitslosengeld II wegen Meldeversäumnis – isolierte Anfechtbarkeit des Feststellungsbescheides – Verfassungsmäßigkeit der Minderung um 30 % des maßgebenden Regelbedarfs
Kettensanktionen ohne erneute Prüfung sind unzulässig.
Leitsatz (Redakteur)
1. Jobcenter dürfen Arbeitslose nicht in Serie zu Terminen vorladen und bei Nichterscheinen dann die Leistungen zusammenstreichen.
2. Höchstens drei „Meldeversäumnisse“ in Folge mit demselben Ergebnis der Nichtwahrnehmung des Termins dürften mit Kürzungen von insgesamt bis zu 30 Prozent sanktioniert werden.
3. Ergeht der vom SGB II vorgesehene eigenständige Verwaltungsakt über die Feststellung einer Pflichtverletzung und Minderung sowie der Umsetzungsverwaltungsakt in getrennten Bescheiden – was nicht zwingend ist – und wird ggf nur der zeitlich spätere Umsetzungsverwaltungsakt angefochten, während der zeitlich frühere Verwaltungsakt über die Feststellung einer Pflichtverletzung und Minderung bestandskräftig wird, ist zu beachten, dass für einen möglichen Antrag nach § 44 SGB X hinsichtlich dieses Feststellungsverwaltungsakts mangels Streit um die rückwirkende Erbringung von Sozialleistungen die Rückwirkungsregelung in dessen Abs 4 unbeachtlich ist.
4. Wird umgekehrt nur die Feststellung einer Pflichtverletzung und Minderung angefochten und nicht ein nachfolgender Umsetzungsbescheid, so steht dessen nachträglicher Korrektur bei einem Erfolg der Anfechtungsklage gegen den Minderungsbescheid nach § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 1 SGB X die Zeitgrenze des § 48 Abs 4 Satz 1 iVm § 44 Abs 4 SGB X sowie § 40 Abs 1 Satz 2 SGB II nicht entgegen.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
3. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
3.1 – Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Beschluss v. 28.09.2015 – L 4 AS 429/15 B ER
Kostensenkungsaufforderung – Heizkosten – leerstehende Wohnungen – atypische Wohnungssituation – 10-köpfige Familie – Jobcenter muss den Hilfebedürftigen bei der Geltendmachung von Rechten gegen den Vermieter unterstützen(vgl. BSG, Urteil vom 24. November 2011, B 14 AS 15/11 R; Urteil vom 17. Februar 2015, B 14 KG 1/14 R) – Wohnungswechsel (derzeit) unzumutbar
Verlangt der Leistungsträger trotz erheblichen Leerstandes im Wohnobjekt vom Hilfebedürftigen Kostensenkungsmaßnahmen, darf er sich der Einbeziehung des Vermieters in seine Überlegungen zur Kostensenkung nicht einfach verschießen.
Leitsatz (Juris)
1. Bei hohem Wohnungsleerstand ist mit erhöhten Heizkosten für Mieter zu rechnen. Hierbei steht dem Mieter ggf nach der zivilrechtlichen Rechtsprechung (vgl BGH, Urt vom 10. Dezember 2014, VIII ZR 9/14) ein Anspruch auf Heizkostenbegrenzung bei erheblichem Leerstand gegen den Vermieter zu.
2. Bevor der SGB II-Leistungsträger bei hohen Heizkosten eine Kostensenkung bzw. einen Umzug vom Leistungsberechtigten verlangen kann, sind die Umstände des Einzelfalles zu prüfen. Bei erheblichem Leerstand von mehr als 30 % im Wohnobjekt und Fehlern des Vermieters in der Betriebskostenkostenabrechnung ist der SGB II-Leistungsträger vorrangig verpflichtet, den Leistungsberechtigten bei der Geltendmachung seiner Ansprüche gegenüber dem Vermieter (auf Mietminderung) zu beraten und zu unterstützen (§ 14 SGB I).
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
3.2 – Thüringer Landessozialgericht, Urteil vom 23.09.2015 – L 4 AS 17/15 – rechtskräftig – Die Revision wird zugelassen.
Grundsicherung für Arbeitsuchende – Einkommensberücksichtigung und -berechnung – Zusammentreffen von Taschengeld aus dem Bundesfreiwilligendienst mit (anderem) Erwerbseinkommen (hier selbständiges) -Taschengeld nach § 2 Nr. 4 BFDG – keine zweckbestimmte Einnahme – kein Freibetrag bei Erwerbstätigkeit
Zur Bereinigung des Einkommens beim Zusammentreffen von Taschengeld aus dem Bundesfreiwilligendienst mit (anderem) Erwerbseinkommen.
Die Freibeträge von 100 Euro nach § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II und von 200 Euro nach § 11b Abs. 2 Satz 1 SGB II i. V. m. § 1 Abs. 7 Satz 1 ALG II-V sind beim Zusammentreffen von Erwerbseinkommen und Einkommen aus dem Bundesfreiwilligendienst nicht zu kumulieren. Dies folgt aus der Regelung des § 1 Abs. 7 Satz 4 Alg II-V, welcher entnommen werden kann, dass die Absetzung der Beträge nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 5 SGB II jedenfalls nur einmal erfolgen soll (so auch SG Dresden, Urteil vom 28. August 2013 – S 49 AS 2681/12).
Leitsatz (Juris)
1. Einkünfte, die ein Grundsicherungsempfänger im Rahmen der Ableistung des Bundesfreiwilligendienstes als monatliches Taschengeld bezieht, sind als Einkommen i. S. d. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu berücksichtigen.
2. Bei dem Zusammentreffen von Einkünften aus Erwerbstätigkeit sowie aus der Ableistung des Bundesfreiwilligendienstes sind Absetzbeträge für jede Tätigkeit gesondert abzusetzen und können – entgegen dem Wortlaut des § 1 Abs. 7 Satz 4 Alg II-VO – auch nebeneinander Anwendung finden. Dabei bildet der erhöhte Freibetrag des § 1 Abs. 7 Satz 1 bis 3 Alg II-VO die Freibetragsobergrenze.
3. Das Taschengeld aus dem Bundesfreiwilligendienst ist nicht um den Zusatzfreibetrag für Erwerbstätige nach § 11b Abs. 1 Satz 1 Nr. 6, Abs. 3 Satz 2 SGB II zu bereinigen.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
3.3 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 28.09.2015 – L 7 SF 535/15 ER rechtskräftig
Sozialgerichtliches Verfahren – Anordnung der Vollstreckungsaussetzung – Ermessensentscheidung – Abwägung – Arbeitslosengeld II – Prüfung des Leistungsanspruchs für die Kinder einer kroatischen Staatsangehörigen und ihre Mutter – Anordnungsanspruch
Leitsatz (Redakteur)
1. Die Antragsteller unterliegen nicht dem Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II, denn das Aufenthaltsrecht der Mutter ergibt sich nicht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche, sondern besteht gem. § 4a FreizügG/EU als Daueraufenthaltsrecht. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist damit tatbestandlich nicht einschlägig.
2. Eine analoge Anwendung des Leistungsausschlusses auf vom Wortlaut nicht erfasste Personengruppen scheidet bereits aus rechtsmethodischen Gründen aus.
3. In einem Verfahren nach § 44 SGB X, das gerichtet ist auf die Überprüfung der Rechtmäßigkeit eines bindend gewordenen Bescheides, sind grundsätzlich erhöhte Anforderungen an die Glaubhaftmachung von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund zu stellen. Im Zugunstenverfahren ist der Anordnungsgrund nur zu bejahen, wenn massive Eingriffe in die soziale und wirtschaftliche Existenz mit erheblichen Auswirkungen auf die Lebensverhältnisse dargelegt werden. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
4. Der verfassungsrechtliche Kern des SGB II ist das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG iVm dem Sozialstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 1 GG. Aufgrund dessen ist, wenn Menschen die zur Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins notwendigen materiellen Mittel fehlen, weil sie weder aus einer Erwerbstätigkeit noch aus eigenem Vermögen noch durch Zuwendungen Dritter zu erlangen sind, der Staat im Rahmen seines Auftrages zum Schutz der Menschenwürde und in Ausfüllung seines sozialstaatlichen Gestaltungsauftrages verpflichtet, dafür Sorge zu tragen, dass die materiellen Voraussetzungen dafür Hilfebedürftigen zur Verfügung stehen. Als Menschenrecht steht dieses Grundrecht Deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik aufhalten, gleichermaßen zu (BVerfG, Urteil vom 18.7.2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 unter Hinweis auf BVerfG, Urteil vom 9.2.2010 – 1 BvL 1/09 ua; jüngst BSG, Urteil vom 25.06.2015 – B 14 AS 17/14 R).
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
3.4 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 24.09.2015 – L 7 AS 1880/12
Grundsicherung für Arbeitsuchende – Aufhebung vorläufig gewährter Leistungen – Aufrechnung nach § 43 SGB II
Die Regelung des § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III (§ 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II) ist nicht dahin auszulegen, dass inzidenter die „abschließende Entscheidung“ auf ihre Richtigkeit überprüft wird.
Leitsatz (Redakteur)
1. Ist der Betroffene mit der abschließenden Entscheidung nicht einverstanden, muss er gegen diese vorgehen. Hat er in einem Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X Erfolg, kann auch der Erstattungsbescheid nach § 44 SGB X korrigiert werden. Die Anrechnung des Gründungszuschusses ist im Übrigen materiell rechtmäßig (BSG, Urteil vom 01.06.2010 – B 4 AS 67/09 R; Urteil vom 06.12.2007 – B 14/7b AS 16/06 R).
2. Eine Pflicht zur Aufrechnung nach § 43 SGB II steht der Geltendmachung der Erstattungsforderung in einer Summe nicht entgegen. Die Aufrechnung setzt gem. § 43 Abs. 1 SGB II gerade voraus, dass eine Gegenforderung, mit der die Behörde gegen die Hauptforderung aufrechnen will, fällig ist, was wiederum die Bestandskraft oder die vorläufige Vollstreckbarkeit der Gegenforderung voraussetzt. Dies folgt auch aus § 387 BGB, dem § 43 SGB II nachgebildet ist. Nach dieser Vorschrift setzt eine Aufrechnung voraus, dass der Aufrechnende die ihm gebührende Leistung fordern kann.
3. Es ist bei einer vorläufigen Bewilligung der Behörde nicht verwehrt, die endgültige Leistung aus einem Grund niedriger festzusetzen, der mit der Vorläufigkeit nichts zu tun hat. Die vorläufige Leistungsbewilligung nach §§ 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II, 328 Abs. 1 Satz 1 SGB III soll nach Wortlaut und Sinn und Zweck der Vorschrift ausschließlich im Interesse des Betroffenen eine schnelle Sicherung der Lebensgrundlage ermöglichen und entfaltet damit keinerlei Bindungswirkung über die vorläufige Bewilligung hinaus. Vorläufige Bewilligungen zielen (in erster Linie im Interesse des Betroffenen) ausschließlich auf eine Zwischenlösung und sind demgemäß auf die Ersetzung durch eine endgültige Entscheidung nach Wegfall der Vorläufigkeitsvoraussetzungen angelegt. Vorläufig bewilligte Leistungen sind als aliud gegenüber endgültigen Leistungen anzusehen (BSG, Urteile vom 29.04.2015 – B 14 AS 31/14 R). Die Regelung des § 328 Abs. 1 Satz 2 SGB III, wonach Umfang und Grund der Vorläufigkeit anzugeben sind, ändert hieran nichts (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 19.03.2014 – L 13 AS 325/11).
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
3.5 – Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss vom 01.10.2015 – L 7 AS 627/15 B ER
Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II
Leitsatz (Juris)
1. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II für Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, entspricht den europarechtlichen Vorgaben.
2. Ein Aufenthaltsrecht bzw. ein Ausweisungsschutz nach Art. 14 Abs. 4 Buchst. b der Richtlinie 2004/38 besteht, wenn ein Unionsbürger eingereist ist, um Arbeit zu suchen, solange er nachweisen kann, dass er weiterhin Arbeit sucht und eine begründete Aussicht hat, eingestellt zu werden. Das ist aber genau der Fall, in dem Art. 24 Abs. 2 der Richtlinie 2004/38 eine nationale Regelung zum Ausschluss von Sozialhilfeleistungen gestattet (EuGH, Urteil vom 15.09.2015, C 67/14, Alimanovic, Rn. 57, 58). § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist eine derartige Regelung.
3. Eine individuelle Prüfung, ob im konkreten Fall eine unangemessene Belastung der Sozialhilfesysteme verursacht wird, findet nicht statt (EuGH, a.a.O., Rn. 59 ff).
4. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
4. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
4.1 – Sozialgericht Augsburg, Urteil v. 30.09.2015 – S 8 AS 659/15 – Berufung wird zugelassen.
Leitsatz (Redakteur)
1. Das zugrunde liegende Konzept des Grundsicherungsträgers für die Stadt Augsburg ist schlüssig.
2. Bei einem Konzept im Sinn des § 22 Abs. 1 SGB II handle es sich nicht – um (normkonkretisierende) Verwaltungsvorschriften (so auch: BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010, B 14 AS 50/10 R; LSG Thüringen, Urteil vom 8. Juli 2015, L 4 AS 718/14) und deren Anwendung bzw. Wirksamkeit erfordere keine Publikationspflicht.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
5. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)
5.1 – Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil v. 01.10.2015 – L 7 SO 118/14
Leitsatz (Juris)
1. Gewichtiges Indiz für das neben den objektiven Merkmalen einer eheähnlichen Partnerschaft erforderliche subjektive Element des gemeinsamen Willens, füreinander Verantwortung zu tragen und füreinander einzustehen, ist die Dauer des gemeinsamen Zusammenlebens (vorliegend mehr als 40 Jahre).
2. Eine eheähnliche Lebensgemeinschaft kann jederzeit ohne ein rechtlich geregeltes Verfahren aufgelöst werden. Eine hinreichend sichere Feststellung ist jedoch nur dann möglich, wenn die Entscheidung zur Beendigung durch äußere Umstände hinreichend klar dokumentiert wird. Die bloße Erklärung, die Partnerschaft aufgelöst zu haben, genügt nicht.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
5.2 – Thüringer Landessozialgericht, Urteil v. 09.09.2015 – L 8 SO 273/13 – rechtskräftig
Leitsatz (Juris)
1. Hinsichtlich der Ersparnis durch die Mittagessenseinnahme in der WfbM ist nicht von dem tatsächlichen Wert der den Bedarf anderweitig deckenden Leistung auszugehen, sondern es ist der pauschalierte monatliche Regelsatz um den in ihm für den Bedarf normativ vorgesehenen Betrag abzusenken (Anschluss an BSG, Urteil vom 11. Dezember 2007 – B 8/9b SO 21/06 R, juris).
2. Die Fortschreibung der Höhe des Anteils des Mittagessens am Tagesbedarf für die Zeit ab dem 1. Juli 2007 erfolgt nach der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) 1998.
3. Der monatliche Regelsatz ist, weil auf die tatsächliche anderweitige Deckung des Bedarfs abzustellen ist, lediglich für die Tage abzusenken, an denen der Hilfebedürftige am Mittagessen in der WfbM teilgenommen hat (Anschluss an BSG, Urteil vom 11. Dezember 2007 – B 8/9b SO 21/06 R, juris).
4. Die Änderung von Leistungen i. S. d. § 44 Abs. 1 Satz 2 SGB XII betrifft nur solche Änderungen, die während eines Bewilligungszeitraumes eintreten. Hat der Träger der Sozialhilfe dagegen einen rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakt erlassen und sind deshalb Grundsicherungsleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden, ist die Regelung des § 44 SGB X anzuwenden und der Bescheid mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
5. Bei dem Absetzungsbetrag wegen selbständiger oder nicht selbständiger Tätigkeit nach § 82 Abs. 3 Satz 2 SGB XII ist von dem Bruttobetrag des damit erworbenen Einkommens auszugehen.
6. Das Arbeitsförderungsentgelt nach § 43 Satz 4 SGB IX gehört nicht zum Entgelt i. S. d. § 82 Abs. 3 Satz 2 SGB XII, von dem der weitere Freibetrag zu berechnen ist.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
6. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Arbeitsförderung (SGB III)
6.1 – Bayerisches Landessozialgericht, Beschluss v. 29.09.2015 – L 10 AL 212/15 NZB
Keine Zulassung der Berufung mangels Vorliegens von Zulassungsgründen – Reisekosten zum Vorstellungsgespräch – Förderung aus dem Vermittlungsbudget gemäß § 44 SGB 3
Leitsatz (Redakteur)
1. Die Gewährung der Förderung steht im Ermessen der Behörde.
2. Reisekosten werden nur gegen Vorlage der Originalbelege erstattet. Dies ergebe sich aus den Eingliederungsvereinbarungen und es sei auch sachgerecht, nur tatsächlich entstandene Kosten zu erstatten.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
7. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Arbeitsförderung (SGB III)
7.1 – Sozialgericht Landshut, Urteil v. 14.09.2015 -S 13 AL 182/14
Angelegenheiten der Bundesagentur für Arbeit – Ruhen des Arbeitslosengeldes – Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe – Altersteilzeitvertrag – Verschulden – wichtiger Grund
Leitsatz (Juris)
1. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) mit Urteil vom 21. Juli 2009 – B 7 AL 6/08 R – kann bei Abschluss eines Altersteilzeitvertrages ein wichtiger Grund im Sinne der Sperrzeitregelungen vorliegen, wenn der Kläger im Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung die subjektive Absicht hatte, unmittelbar nach dem Auslaufen des Altersteilzeitvertrages aus dem Erwerbsleben auszuscheiden und diese Absicht auf der Grundlage objektiver Gesichtspunkte auch gerechtfertigt erscheint. Maßgeblich für die Beurteilung ist der Zeitpunkt der Unterzeichnung des Altersteilzeitvertrages.
2. Die vom BSG aufgestellten Grundsätze sind nicht erfüllt, wenn der Kläger vor Unterzeichnung des Altersteilzeitvertrages keine konkrete Auskunft hinsichtlich der von ihm im Zeitpunkt des Auslaufens des Altersteilzeitvertrages zu erwartenden Rente beim Rentenversicherungsträger eingeholt hat. Ein Abstellen auf die allgemeine jährliche Rentenauskunft genügt in aller Regel nicht, denn nur bei genauer Kenntnis der zu erwartenden Rentenhöhe kann die Absicht, nach Ablauf der Altersteilzeit aus dem Erwerbsleben auszuscheiden als hinreichend gefestigt gelten, um einen wichtigen Grund für die Lösung des Beschäftigungsverhältnisses darzustellen.
3. Auch der Umstand, dass ein Kläger sich unmittelbar nach Kenntniserlangung von der neu geschaffenen Möglichkeit, nach Vollendung des 63. Lebensjahres abschlagsfrei in Rente zu gehen, dazu entschließt, sich dem Arbeitsmarkt weiter zur Verfügung zu stellen, kann ein Indiz dafür sein, dass seine ursprüngliche Absicht, nach Auslaufen der Altersteilzeit aus dem Erwerbsleben auszuscheiden, bei Abschluss des Altersteilzeitvertrages gerade noch nicht endgültig feststand.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
8. VG Osnabrück: Untätigkeitsklage eines somalischen Asylbewerbers teilweise erfolgreich
VG Osnabrück, Urt. v. 07.10.2015 – 5 A 390/15
OSNABRÜCK. Das Verwaltungsgericht Osnabrück hat heute der Klage eines somalischen Asylbewerbers teilweise stattgegeben und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) verpflichtet, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des Urteils über den Asylantrag zu entscheiden. Ein „Durchentscheiden“ des Asylantrages in dem Sinne, dass das Gericht selbst (erstmalig) über den Asylantrag des Klägers entscheide, komme aber nicht in Betracht (Siehe zum Hintergrund: Presseinformation Nr. 19/2015 vom 07.10.2015).
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig und kann binnen eines Monats nach Zustellung mit dem Antrag auf Zulassung der Berufung vor dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg angefochten werden.
Quelle: Presseinformation 20/2015 vom 14.10.2015 – www.verwaltungsgericht-osnabrueck.niedersachsen.de
9. Die Strategie des Trüffelschweins: Hartz IV für arbeitsuchende Unionsbürgerinnen
Arbeitshilfe hier: www.harald-thome.de
10. Auskunftsersuchen gegenüber einem Unterhaltsverpflichteten – Anmerkung zu LSG Sachsen, Urt. v. 16.07.2014 – L 8 AS 1148/12
Anmerkung zu:
LSG Chemnitz 8. Senat, Urteil vom 16.07.2014 – L 8 AS 1148/12 – dejure.org
Autor: Prof. Dr. Volker Wahrendorf, Vors. RiLSG a.D.
Quelle: juris – tinyurl.com
Auskunftsersuchen gegenüber einem Unterhaltsverpflichteten
Leitsätze
1. Eine Auskunftspflicht nach § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II setzt auch voraus, dass der Unterhaltsberechtigte tatsächlich Leistungen nach dem SGB II bezieht oder SGB II-Leistungen beantragt hat und das Verwaltungsverfahren insoweit noch nicht abgeschlossen ist.
2. Eine erweiternde Auslegung von § 60 Abs. 2 Satz 1 SGB II parallel zur Regelung in § 33 Abs. 1 Satz 2 SGB II mit der Folge einer Auskunftspflicht auch bei fehlendem Leistungsbezug des Unterhaltsberechtigten ist nicht zulässig.
Anmerkung:
Ebenso: LSG Stuttgart, Urt. v. 27.09.2011 – L 13 AS 4950/10 und BAY LSG, Urteil vom 30.04.2015 – L 7 AS 634/13 – Die Revision wird zugelassen
11. Anmerkung von Kanzlei F.L.E.S. Bayreuth zu LSG Bayern, Urt. v. 11.06.2015 – L 10 AL 43/14
Verhängung einer Sperrzeit aufgrund eigener Kündigung des Arbeitnehmers wegen geringer Arbeitszeit zulässig
Nichterscheinen am Arbeitsplatz und Arbeitslosmeldung spricht für Kündigung des Arbeitsverhältnisses
Die Agentur für Arbeit kann eine Sperrzeit verhängen, wenn der Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis deswegen kündigt, weil die vereinbarten Arbeitszeiten nicht erreicht werden. Erscheint ein Arbeitnehmer nicht mehr am Arbeitsplatz und meldet er sich zudem arbeitssuchend, so spricht dies dafür, dass er das Arbeitsverhältnis gekündigt hat. Dies hat das Bayerische Landessozialgericht entschieden.
weiter: www.fe-ls.de
Autor des Rechtsprechungstickers: Willi 2 von Tacheles – alias Detlef Brock
Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de