1. Entscheidungen der Landessozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
1.1 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 17.12.2015 – L 2 AS 1557/15 B ER – rechtskräftig
Fehlende Glaubhaftmachung beim Anordnungsgrund für die Bewilligung von KdU im Eilverfahren – selbst bewohntes Hausgrundstück – Androhung der Zwangsvollstreckung
Leitsatz (Redakteur)
1. Der erkennende Senat hält – daran fest, dass auch im Falle der Antragstellerinnen eine derartige Gefahr in der Regel frühestens ab Durchführung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in das von den Antragstellerinnen selbst bewohnte Hausgrundstück anzunehmen ist.
2. Ausreichend ist nicht bereits generell die Möglichkeit einer etwaigen Zwangsvollstreckung, um die Erforderlichkeit einer vorläufigen Regelung durch das Gericht zu begründen. Diesbezügliche Maßnahmen sind im Falle der Antragstellerinnen einstweilen eingestellt worden. Der Auffassung, dass bereits eine Bedarfsunterdeckung bei glaubhaftgemachter Hilfebedürftigkeit den Kernbereich des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums berühre, sodass ein Anordnungsgrund bereits dann vorliege, wenn der Antragsteller nicht über bedarfsdeckende Mitteil verfüge (so der 7. Senat des LSG NRW, beispielhaft mit Beschluss vom 17.06.2015 in L 7 AS 704/15 B ER) folgt der erkennende Senat ausdrücklich nicht.
3. Das Recht kennt kein Grundrecht auf Schuldenfreiheit.
4. Selbst tenorierte Zahlungsrückstände für sich genommen vermögen in der Regel noch keine unmittelbare Gefährdung des Grundrechts aus Art. 13 Grundgesetz (GG) zu begründen. Eine solche Gefährdung ist auch dann noch nicht gegeben, wenn die Beitreibung von Außenständen gegen die Antragsteller im Wege der Zwangsvollstreckung in deren Wohnimmobilie lediglich angedroht wird und Vollstreckungsmaßnahmen nicht eingeleitet sind. Sie tritt frühestens dann ein, wenn der Verlust der Wohnräume unmittelbar droht (Beschluss des erkennenden Senats vom 05.11.2015, L 2 AS 1723/15 B ER). Dies setzt das konkrete, zielgerichtete Betreiben von – hier einstweilen eingestellten – Zwangsvollstreckungsmaßnahmen in das Wohneigentum der Antragstellerinnen voraus. An einer derart aktuell drohenden Obdachlosigkeit fehlt es hier.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
Rechtstipp: ebenso der 12. und 19. Senat des LSG NRW, Beschlüssen vom 29.06.2015 in der Sache L 12 AS 862/15 B ER sowie vom 06.07.2015 in der Sache L 19 AS 931/15 B ER
1.2 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15.12.2015 – L 6 AS 2016/15 B ER – rechtskräftig
Anspruch eines griechischen Staatsangehörigen auf ALG II – die Tätigkeit ist nicht als völlig untergeordnet und unwesentlich zu werten – monatlich ca. 150 Euro
Leitsatz (Redakteur)
1. Unter Berücksichtigung der europarechtlichen Rechtsprechung (vgl. insbesondere EuGH vom 04.02.2010 C -14/09, Genc,: Arbeit an 6 Stunden in der Woche als Reinigungskraft bei einem monatlichen Einkommen in Höhe von 200,00 Euro) ist hier festzustellen, dass der Antragsteller sowohl einen Arbeitsvertrag als auch entsprechende Lohnabrechnungen vorgelegt hat. In dem Arbeitsvertrag wurde eine regelmäßige Arbeitszeit und eine angemessene Entlohnung vereinbart. Enthalten sind auch Regelungen zur Fortzahlung des Entgelts im Krankheitsfall sowie zum Urlaubsanspruch.
2. Anknüpfungspunkte für die Frage, ob die Beschäftigung noch einen beachtenswerten Umfang hat, sieht der Senat auch im nationalen Recht.
3. Unter Heranziehung von Umständen, die innerhalb des deutschen Sozialleistungsrechts an anderer Stelle noch für bedeutsam angesehen werden, ist dabei beispielhaft auf das Recht der gesetzlichen Rentenversicherung hinzuweisen. Dort wird für die Frage, ob ein für die Bewilligung einer Hinterbliebenenrente zuvor bezogener Unterhalt bedeutsam ist, ein Betrag in Höhe von 25% des zeitlich und örtlich maßgeblichen Regelsatzes zugrunde gelegt (vgl. LSG NRW Beschluss vom 30.01.2008 – L 20 B 76/07 SO ER). Im vorliegenden Fall erzielt der Antragsteller mit ca. 150 Euro ein Einkommen, das im Rahmen einer Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II über dem anrechnungsfreien Betrag von 100 Euro liegt und fast 40 % des maßgeblichen Regelsatzes ausmacht.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
1.3 – Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 21.12.2015 – L 12 AS 1884/15 B ER – rechtskräftig
Es bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des die Eingliederungsvereinbarung ersetzenden Verwaltungsaktes.
Leitsatz (Redakteur)
1. Ein Verwaltungsakt im Sinne des § 15 Abs. 1 S. 6 SGB II kann ergehen, wenn nach einer Verhandlungsphase keine Einigung über den Abschluss oder den Inhalt einer Eingliederungsvereinbarung zu Stande gekommen ist, wobei der Grund für das Scheitern der Vertragsverhandlungen unerheblich ist.
2. Die Verhandlungen zwischen dem Antragsteller und dem Jobcenter sind gescheitert. Der Antragsteller hat den vom JC vorlegten Entwurf einer Eingliederungsvereinbarung nicht unterzeichnet und erklärt, dass diese Maßnahme nicht zielführend sei. Soweit der Antragsteller geltend macht, die Maßnahme sei schon deshalb rechtswidrig, da ein Eingliederungsvorteil nicht zu erwarten sei, wird dies als Schutzbehauptung bewertet. Denn eine erneute Teilnahme erscheint nicht offensichtlich sinnlos.
3. Grundsätzlich ist zur Abwendung der Hilfebedürftigkeit die Aufnahme jeder Arbeit, unabhängig von schulischer und beruflicher Bildung, zumutbar, die ein erwerbsfähiger Leistungsberechtigter im Hinblick auf seine Fähigkeiten und Leistungsvoraussetzungen erfüllen kann und darf (BSG Urteil vom 15.12.2010 – B 14 AS 92/09 R -). Vorstellungen, Neigungen und Ansprüche der Leistungsberechtigten sind nur im Rahmen der Zumutbarkeitskriterien des § 10 SGB II zu berücksichtigen (vgl. hierzu LSG, Urteil vom 17.02.2014 – L 19 AS 749/13 -; LSG Sachsen Urteil vom 18.06.2009 – L 5 AS 79/08 -).
4. Die Regelung des § 15 Abs. 1 S. 3 SGB II als Ermächtigungsgrundlage für den Erlass eines Eingliederungsverwaltungsakts verstößt nicht gegen die in Art. 2 GG garantierte Vertragsfreiheit (zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Eingliederungsvereinbarung als Instrument zur Förderung der Eingliederung von erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in Arbeit LSG NW, Beschluss vom 20.03.2014 – L 19 AS 373/14 B ER -). Ergeht die Eingliederungsvereinbarung als Verwaltungsakt, hat der Antragsteller die Möglichkeit, die getroffenen Regelungen gerichtlich überprüfen zu lassen. Insoweit liegt ein anfechtbarer Verwaltungsakt vor; ein Eingriff in die Vertragsfreiheit des Klägers ist damit nicht verbunden (vgl. LSG Hamburg Urteil vom 15.11.2012 – L 4 AS 73/12 -; LSG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 10.02.2014 – L 5 AS 997/13 B -).
5. Der Eingliederungsverwaltungsakt schränkt die freie Berufswahl bzw. -ausübung (Art. 12 GG) des Antragstellers nicht rechtswidrig ein (vgl. hierzu LSG Hamburg Urteil vom 15.11.2013 – L 4 AS 73/12 m.w.N.; LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 14.05.2012 – L 7 AS 557/12 B ER). Dies gilt sowohl für die enthaltene Obliegenheit, monatlich mindestens vier Bewerbungen nachzuweisen, als auch für die Obliegenheiten, sich zeitnah auf Vermittlungsvorschläge zu bewerben und an Angeboten der allgemeinen Vermittlungsunterstützung der Gesellschaft für Arbeitsmarktförderung teilzunehmen und die damit verbundene Sanktionsandrohung. § 2 Abs. 1 SGB II, wonach erwerbsfähige Leistungsberechtigte alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung ihrer Hilfebedürftigkeit ausschöpfen und an allen Maßnahmen zu ihrer Eingliederung aktiv mitzuwirken haben, ist ungeachtet der Frage, ob überhaupt ein Eingriff in den Schutzbereich von Art. 12 GG vorliegt (verneinend LSG NW Beschluss vom 14.05.2012 – L 7 AS 557/12 B ER – und Beschluss vom 17.02.2014 – L 19 AS 749/13 -) mit dem Gesetzesvorbehalt in Art. 12 GG und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar. Als Kehrseite der aus dem Sozialstaatsprinzip folgenden staatlichen Verpflichtung zur Sicherung des Existenzminimums ist der Gesetzgeber berechtigt, den Leistungsberechtigten auf zumutbare Selbsthilfemöglichkeiten zu verweisen.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
Rechtstipp: im Ergebnis ebenso Bay LSG, Urteil vom 26.02.2015 – L 7 AS 781/14
2. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Grundsicherung für Arbeitssuchende (SGB II)
2.1 – SG Bremen, Beschluss vom 14.12.2015 – S 18 AS 2085/15 ER
Zur aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs gegen einen Sanktionsbescheid (Arbeitsangebot)
Hinweis (Gericht)
1. Es bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Sanktionsbescheides, da der der Sanktion zugrundeliegende Vermittlungsvorschlag nicht hinreichend bestimmt ist.
2. Ein Arbeitsangebot des Leistungsträgers muss in hinreichend bestimmter Weise die Art der Tätigkeit, ihren zeitlichen Umfang, die zeitliche Verteilung und die vorgesehene Entlohnung im Arbeitsangebot selbst bezeichnen, damit der Leistungsberechtigte anhand der Angaben die Zumutbarkeit des Arbeitsangebots prüfen kann.
3. Hier sind der zeitliche Umfang und die zeitliche Verteilung im Vermittlungsvorschlag vom selbst nicht demgemäß bezeichnet. Vielmehr enthält das Arbeitsangebot im Hinblick auf die Arbeitszeit lediglich folgende unspezifische Angaben: “Vollzeit; Teilzeit – flexibel; Teilzeit -, Schicht; Schicht; Nachtarbeit; Wochenende; Heimarbeit/Telearbeit; 40 Stunden pro Woche Mo-So 00:00-24:00 Uhr”.
Quelle: Rechtsanwälte Beier & Beier, Gröpelinger Heerstraße 387, 28239 Bremen: www.kanzleibeier.eu
2.2 – SG Berlin Az. S 135 AS 24938/15 ER
Keine Zwangsverrentung beim Bundesfreiwilligendienst, ein Beitrag von RA Kay Füßlein, Berlin
Nachdem das Bundessozialgericht entschieden hat, dass zumindest die Gründe aus der Unbilligkeitsverordnung einer Zwangsverrentung von ALG II-Empfängern entgegensteht, dürfte sich die Frage stellen, welche Tatbestände aus der Unbilligskeitsverordnung die Zwangsrente ausschließen.
Eine mögliche Tätigkeit dürfte der Bundesfreiwilligendienst sein.
Zwar erhält der (oder die) Freiwillige nur ein kleines Taschengeld. Die Tätigkeit im Bundesfreiwilligendienst ist jedoch vollständig sozialversicherungspflichtig.
Meine im Bundesfreiwilligendienst tätige Mandantin wurde die bekannte Aufforderung zur Beantragung einer vorgezogenen Altersrente zugesandt. Abermals wurde Widerspruch eingelegt und Antrag an das Sozialgericht mit eben dieser Begründung gestellt.
In einem hierauf folgenden richterlichen Hinweis schloss sich das Gericht der hiesigen Rechtsauffassung an.
“Die Antragstellerin ist im Bundesfreiwilligendienst. Dieser gilt (…) als sozialversicherungspflichtige Beschäftigung, wenn ein Taschengeld gezahlt wird.
Das ist vorliegend der Fall.
Daher dürfte ein Fall des § 4 UnbiligkeitsV gegeben sein. Auf die Höhe des Einkommens kommt es im Falle eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nicht an. Diese ist nur bei sonstiger Erwerbstätigkeit zu beachten.”
Quelle: www.ra-fuesslein.de
2.3 – Sozialgericht Detmold, Urteil vom 10. Dezember 2015 (Az.: S 28 AS 1979/12):
Leitsatz Dr. Manfred Hammel
1. Die von einem Jobcenter einzig durchgeführte Auswertung von Zeitungsannoncen stellt kein schlüssiges Konzept zur Beurteilung der Angemessenheit von Kosten der Unterkunft im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II dar.
2. Hier ist weder die Validität noch die Repräsentativität der amtlicherseits erhobenen Daten gesichert. Wohnungen einfachen Standards befinden sich nicht nur in Baualtersklassen bis 1979. Lediglich die Wohnungen der neuesten Baujahre sind bei der Einschätzung von unterkunftsbezogenen Kosten als angemessen außer Betracht zu lassen.
3. Maßgeblich für die Bestimmung der abstrakten Angemessenheit von Unterkunftskosten ist nicht einzig die Nettokaltmiete. Entscheidend ist hier das Produkt aus Wohnungsgröße und Wohnungsstandard zuzüglich der sog. kalten Betriebskosten.
2.3 – Sozialgericht Köln, Beschluss vom 7. Dezember 2015 (Az.: S 37 AS 3523/15 ER):
Leitsatz Dr. Manfred Hammel:
1. Ein Jobcenter hat vor dem Erlass eines Eingliederungsverwaltungsakts (§ 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II) stets den Versuch zu unternehmen, mit dem Alg II-Empfänger konsensual eine Eingliederungsvereinbarung (§ 15 Abs. 1 Satz 1 SGB II) abzuschließen.
2. Eine Ausnahme ist hier nur dann vertretbar dar, wenn im Einzelfall besondere Gründe vorliegen, die den Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung als nicht sachgerecht auffassen lassen, was im gemäß § 15 Abs. 1 Satz 6 SGB II erlassenen Verwaltungsakt eingehend dargelegt zu werden hat.
3. Die Beweislast für den vom SGB II-Träger unternommenen Versuch, zunächst auf ein Zustandekommen einer Eingliederungsvereinbarung hinzuwirken, trägt das Jobcenter.
2.4 – SG Freiburg, Beschluss vom 11.09.2015 – S 19 AS 4555/15 ER
Inhalt der Eingliederungsvereinbarung
In der EGV wurde das Ziel: Klärung der Erwerbsfähigkeit genannt.
Leitsatz (Redakteur)
1. Die Frage der Leistungsfähigkeit bzw. Erwerbsfähigkeit darf nicht zum Regelungsgegenstand einer EGV gemacht werden.
Die Erwerbsfähigkeit selbst ist Voraussetzung einer Eingliederungsvereinbarung, so dass die Vorfrage, ob überhaupt Erwerbsfähigkeit vorliegt, und hierauf bezogene Obliegenheiten (AU-Bescheinigung und einen Gesundheitsfragenbogen an das Jobcenter senden) nicht Gegenstand einer Eingliederungsvereinbarung sein dürfen.
2. Inwieweit AU-Bescheinigung und Gesundheitsfragenbogen diesem Ziel dienen könnten, ist nicht zu erkennen.
3. Selbst wenn es nicht um die Frage gehen sollte ob, sondern in welchem Umfang Erwerbsfähigkeit vorliegt, ist dies mittels EGV nicht möglich. Denn jede EGV soll individuelle angepasste Eigenbemühungen des Leistungsempfängers festlegen, wobei das individuelle Leistungsvermögen bereits zu berücksichtigen ist und deshalb bereits bekannt sein muss.
4. Diese Fragen müssen zwingend vor Abschluss einer EGV geklärt werden. Hierzu hat das Jobcenter die Möglichkeit über die §§ 60,62 SGB II ärztliche Untersuchungen bzw. die Angabe wesentlicher Tatsachen herbeizuführen und im Falle der Weigerung durch § 66 SGB I die Leistungen ganz oder teilweise zu versagen.
Quelle: Sozial Info (AZD) 4/2015
Rechtstipp: im Ergebnis ebenso: SG Berlin, Beschluss vom 04.12.2014 – S 131 AS 27736/14 ER; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 05.07.2007 – L 3 ER 175/07 AS und LSG NRW, Beschluss vom 30.08.2012 – L 12 AS 1044/12 B ER; SG Kiel, Beschl. v. 26.11.2013 – S 33 AS 357/13 ER; SG Düsseldorf, Beschluss vom 06.12.2010 – S 7 AS 4509/10 ER; LSG HE 17.10.2008 – L 7 AS 251/08 B ER; SG Stuttgart 1.4.2008 – S 12 AS 1976/08 ER
2.5 – Sozialgericht Augsburg, Urteil vom 07.12.2015 – S 8 AS 1018/15
Zum Arbeitslosengeld II für die Zeit einer stationären Therapie – Prognose – Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X – Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 SGB II – Überbrückungsgeld
Zu Beginn der stationären Leistung zur medizinischen Rehabilitation wurde der Aufenthalt des Antragstellers auf weniger als sechs Monate prognostiziert und somit besteht ALG II Anspruch, ohne dass es auf die Frage ankommt, ob Aufnahme- und Entlasstag mitzuzählen.
Leitsatz (Autor)
1. Im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X ist auch ohne neues Vorbringen des Betroffenen (hier: der Klägerseite) zu prüfen, ob bei Erlass des bindend gewordenen Verwaltungsakts das Recht unrichtig angewandt wurde. Entsprechend dem Umfang des Vorbringens muss die Behörde in eine erneute Prüfung eintreten und den Betreffenden bescheiden. Nur für die zweite Alternative des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X, nämlich dass von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen wurde, kann es auf die Benennung neuer Tatsachen und Beweismittel ankommen. Bei der ersten Alternative (unrichtige Rechtsanwendung) handelt es sich um eine rein juristische Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung, zu der von der Klägerseite zwar Gesichtspunkte beigesteuert werden können, die aber letztlich umfassend von Amts wegen erfolgen muss (vgl. BSG, Urteil vom 5. September 2006, B 2 U 24/05 R).
2. Der Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 4 SGB II greift nicht.
3. Vorliegend kommt die Rückausnahme des § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II zum Tragen. Diese Regelung greift ebenso für stationäre Unterbringungen jenseits eines Krankenhausaufenthalts in einer der von § 107 Abs. 2 des SGB V aufgeführten Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen und auch wenn nicht eine Krankenkasse, sondern die Deutsche Rentenversicherung Maßnahmeträger ist, weil § 7 Abs. 4 Satz 3 Nr. 1 SGB II insofern offengehalten ist (vgl. BSG, Urteil vom 2. Dezember 2014, B 14 AS 66/13 R).
4. Maßgeblich ist hier alleine eine Prognose der aufnehmenden Einrichtung zum Beginn der Maßnahme; spätere Entwicklungen können daran nichts mehr ändern (Anlehnung an BSG, Urteil vom 12. November 2015 – B 14 AS 6/15).
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
3. Entscheidungen der Sozialgerichte zur Sozialhilfe (SGB XII)
3.1 – SG Karlsruhe Urteil vom 30.10.2015 – S 1 SO 4077/14
Sozialhilfe – Nothilfe – Kostenerstattung für stationäre medizinische Behandlung – Bedürftigkeit des Nothilfeempfängers – Beweislast
Leitsätze (Juris)
1. Kein Anspruch des Nothelfers auf Kostenerstattung für medizinische Behandlung aus Sozialhilfemitteln bei nicht feststellbarer Bedürftigkeit (Bestätigung von SG Karlsruhe vom 14.08.2015 – S 1 SO 215/15).
2. Keine Haftung des Trägers der Sozialhilfe als Ausfallbürge bei ungeklärter Bedürftigkeit.
Quelle: sozialgerichtsbarkeit.de
Autor des Rechtsprechungstickers: Willi 2 von Tacheles – alias Detlef Brock
Quelle: Tacheles-Rechtsprechungsticker, www.tacheles-sozialhilfe.de