Amtsgericht Eschwege – Beschluss vom 25.01.2016 – Az.: 12 II 1131/15

BESCHLUSS

In der Beratungshilfesache
xxx,
vertreten durch den Rechtsanwalt Sven Adam, Göttingen

hat das Amtsgericht Eschwege durch die Richterin am Amtsgericht xxx am 25.01.2016 beschlossen:

Auf die Erinnerung der Antragstellerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Eschwege vom 15.12.2015 -12 II 1131/15 – abgeändert.

Der Antragstellerin wird auf den Antrag vom 02.11.2015 nachträglich Beratungshilfe bewilligt.

Die Entscheidung ergeht gerichtskostenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

GRÜNDE
Mit Beschluss vom 15.12.2015 hat die Rechtspflegerin des Amtsgerichts Eschwege den Antrag auf Bewilligung von Beratungshilfe vom 02.11.2015 mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 2 Beratungshilfegesetz nicht vorlägen. Im Rahmen der erstmaligen Beantragung von Sozialleistungen komme Beratungshilfe nicht in Betracht, da weitergehende Auskunfts- und Beratungspflichten der Sozialbehörde bestehen würden. Somit habe der Antragstellerin eine andere zumutbare Hilfe zur Verfügung gestanden.

Gegen den Beschluss richtet sich die Erinnerung vom 22.11.2015, mit der ausgeführt wird, dass eine evtl. Beratung durch das Jobcenter objektiv falsch sei, da das Gutachten der Firma Analyse und Konzepte vom März 2014, das der Entscheidung zugrunde gelegt werde, keine Wohnungsmarkterhebung darstelle, anhand derer sich Rückschlüsse für die Bestimmung der Angemessenheitsgrenzen für Kosten der Unterkunft nach § 22 Abs. 1 SGB II bzw. § 29 Abs. 1 SGBXII im Zuständigkeitsbereich des Jobcenters ziehen ließen. Die Behörde werde damit ihren Beratungspflichten gerade nicht gerecht. Die “Hilfe” des Jobcenters sei an dieser Stelle daher ersichtlich gerade nicht zumutbar.

Die gemäß § 7 Beratungshilfegesetz an sich statthaft und auch sonst zulässige Erinnerung hat auch in der Sache Erfolg.

Zunächst führt die Rechtspflegerin des Amtsgerichts Eschwege grundsätzlich zutreffend aus, dass keine Beratungshilfe bewilligt werde, wenn ausreichende Selbsthilfemöglichkeiten bestünden und die Inanspruchnahme anwaltlicher Hilfe vernünftigerweise nicht erforderlich sei.
Nach der in Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG verbürgten Rechtswahrnehmungsgleichheit, die auch im außergerichtlichen Bereich Geltung beansprucht, müssen Unbemittelte nur solchen Bemittelten gleichgestellt werden, die bei ihrer Entscheidung für die Inanspruchnahme von Rechtsrat auch die hierdurch entstehenden Kosten berücksichtigen und vernünftig abwägen und deshalb insbesondere auch prüfen, ob andere ausreichende und kostengünstigere Selbsthilfemöglichkeiten bestehen.

Ob der Rechtsuchende unter Zugrundelegung dieser Kriterien zumutbar auf die Möglichkeit der Selbsthilfe verwiesen werden kann, ist unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles zu entscheiden. Bei der Entscheidung kommt es darauf an, ob der dem Beratungsanliegen zugrundeliegende Sachverhalt schwierige Tatsachen – oder Rechtsfragen aufwirft, ob der Rechtsuchende selbst über ausreichende Rechtskenntnisse verfügt und ob die Beratung durch die Behörde zumutbar ist.

Unter Berücksichtigung dieser Kriterien ist im vorliegenden Fall folgendes festzustellen: Nur eine schnelle positive Entscheidung der Verwaltungsbehörde über den Antrag auf Zusicherung der Berücksichtigung der Aufwendungen für eine neue Unterkunft nach § 22 Abs. 4 SGB II versetzt die Antragstellerin in die Lage, einen entsprechenden Mietvertrag mit dem Vermieter abzuschließen, bevor die neue Wohnung anderweitig vergeben ist. Es ist für, eine Rechtsunkundige nicht ohne weiteres nachvollziehbar, wie die Verwaltungsbehörde, im konkreten Fall das Jobcenter Werra Meißner, die Angemessenheit von Kosten der Unterkunft ermittelt und welche Ausnahmen ggf. geltend gemacht werden können. Sie ist deshalb nicht ohne weiteres in der Lage, die entsprechenden, ihr günstigen Tatsachen vorzutragen.

Die Antragstellerin darf unter diesen Umständen der Zugang zu einer Rechtsberatung nicht erschwert werden, weshalb ihr Beratungshilfe zu bewilligen ist.